Der Racheengel
Der Racheengel
Sherlock PoV
,,Das darf doch wohl nicht wahr sein!"
John stand eindeutig kurz vor einem Nervenzusammenbruch, während er auf und ab ging und die Sorge stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Sherlock beobachtete seinen besten Freund, während er den unsicheren Blick von Lestrade auf sich spürte und auch Ezra sah mehr als mitgenommen und verzweifelt aus.
Vor einer halben Stunde hatte Sherlock den mehr als mysteriösen, aber dennoch deutlichen, Anruf von der Frau bekommen, die Evelyn und Mary offenbar entführt hatte und irgendwo versteckt hielt. Sie hatte Sherlock die Anweisung gegeben, die anderen über die Entführung zu informieren und dann hatte sie ihm gesagt, er solle auf ihren nächsten Anruf warten.
Und nun standen sie alle hier...warteten darauf, dass die Frau wieder anrief und preisgab, was überhaupt ihr Anliegen war. Sherlock stand fast wie eine Statue da, während die anderen ohne Zweifel am Rand der Verzweiflung standen. Und auch, wenn er es natürlich niemals offen zugeben würde...auch Sherlock wusste im Augenblick nicht, was er tun sollte. Er bemühte sich die Kontrolle über sich zu bewahren, aber er konnte nicht leugnen, dass auch er sich Sorgen um Evelyn und Mary machte.
,,Sherlock...sag doch was! Dir muss doch irgendwas durch dein brillantes Gehirn schwirren...eine Idee, ein Planirgendwas.", platzte es nun aus John heraus, aber Sherlock musste seinen Freund enttäuschen.
,,Tut mir leid, John...ich weiß es nicht."
,,Du weißt es nicht? Du bist doch sonst auch das Genie unter uns...und ausgerechnet jetzt hast du keinen Plan, wie wir Mary und Evelyn finden können?", fuhr John ihn an, aber Ezra ging dazwischen.
,,John, beruhige dich! Uns gegeneinander aufzuhetzen ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können. Ich mache mir genauso viel Sorgen um Evie und Mary, aber wir müssen jetzt einen klaren Kopf bewahren."
John widersprach zwar nicht, aber es war ihm anzusehen, dass er vor Sorge fast umkam. Aber Sherlock war erleichtert, dass Ezra ihm ins Gewissen reden konnte, denn er selbst war mit der ganzen Situation völlig überfordert.
Warum? Warum hatte er zugelassen, dass Evelyn und Mary entführt wurden? Natürlich hätte es auch wann anders passieren können, aber Sherlock ärgerte sich dennoch, dass er nicht einfach bei ihnen vorbeigeschaut hatte. Und Sherlock verspürte ein ungewohntes Maß an Furcht, was ihn zutiefst verunsicherte und irritierte.
Dass John, Ezra und Greg fast durchdrehten...das war ja nun zu erwarten, aber er selbst? Er war Sherlock Holmes...er konnte es sich nicht leisten, gerade jetzt die Nerven zu verlieren, wo er doch seine vollkommene Konzentration brauchte. Sie allein war notwendig, um die Freiheit von Evelyn und Mary so schnell wie möglich zu gewährleisten. Und bisher hatte Evelyn es immer geschafft, aus jeder noch so brenzligen Situation einen Ausweg zu finden...also würde sie es dieses Mal ganz sicher auch schaffen.
,,Ich halte das einfach nicht mehr aus. Hat diese Verrückte gesagt, wann sie sich wieder melden wird?", platzte es wieder aus John heraus, woraufhin Sherlock den Kopf schüttelte.
,,Nein! Nur, dass wir warten sollen."
,,Aber irgendwas müssen wir doch tun können. Kann das Revier nicht schon einmal eine Fahndung einleiten?", schlug Ezra vor, allerdings winkte Greg ab.
,,Wir wissen ja gar nicht, nach wem wir suchen sollen. Und wenn wir jetzt eine große Suchaktion starten, dann gefährden wir das Leben von Evelyn und Mary nur noch mehr. Zuerst sollten wir uns anhören, was diese Wahnsinnige will und dann können wir immer noch einen Schlachtplan schmieden."
Sherlock gab es natürlich nicht zu, aber er stand auf der gleichen Seite wie Lestrade. Und er hatte keineswegs vor, leichtsinnig an diese Sache heran zu gehen. Allerdings konnte er auch nicht leugnen, dass er neugierig war, wer sich hinter der ganzen Aktion verbarg. Zwar hatte er ja andauernd Gegenspieler, aber es kam eher selten vor, dass eine Frau in herausforderte und das machte die ganze Sache erst recht interessant.
,,Was ist mit Mycroft? Der kann doch im Hintergrund sicher etwas bewirkenirgendwelche Spitzel losschicken oder dergleichen. Der hat doch ein Faible für geheime Missionen.", nahm John das Thema wieder auf, woraufhin Sherlock ihn ausdruckslos ansah.
,,Mit meinem Bruder habe ich bereits telefoniert...noch bevor ich euch informiert habe. Aber auch er hat keinerlei Hinweise darauf, wer Evelyn und Mary entführt hat oder wo sie festgehalten werden."
,,Na, toll!"
John schien mit jeder Sekunde reizbarer zu werden und auch Sherlock musste zugeben, dass es ihn ärgerte, dass Mycroft zu gar nichts ausrichten konnte. Da hatte man schon einmal einen Bruder, der sich wie die Queen persönlich aufführte und wenn es drauf ankam, war er eine einzige Enttäuschung. Aber was sollte man auch schon von einem Bruder erwarten, der sich immer als der Schlauere bezeichnete, aber anderen immer die meiste Arbeit überließ?!
Das Klingeln seines Handys riss Sherlock aus den Gedanken und augenblicklich richteten sich alle Augenpaare auf ihn. Auf dem Display stand Unbekannte Nummer und als er abnahm, erklang wieder die eiskalte Stimme der fremden Frau.
,,Mr. Holmes...ich hoffe, Sie haben die ersten Anweisungen befolgt und natürlich hoffe ich auch, dass Sie die Polizei aus dem Spiel gelassen haben. Es wäre unschön, wenn ich Dr. Watson um seine Braut erleichtern müsste.", sagte sie und Sherlock spannte sich an, blieb jedoch ruhig.
,,Natürlich!"
,,Sehr gut! Also, ich werde Ihnen sagen, wie das jetzt abläuft. Ich schicke Ihnen gleich eine Adresse zu und dann werden Sie sich mit Dr. Watson direkt dorthin begeben. Ihre anderen beiden Kumpanen lassen Sie zurück und verraten Sie ihnen ja nicht, wo sie hingehen...das könnte sonst üble Folgen mit sich ziehen.", erklärte die Frau und Sherlock wagte einen Versuch.
,,Wollen Sie mir nicht wenigstens sagen, wer Sie sind? Es ist etwas unfair, wenn ich Sie noch nicht einmal mit Namen anreden kann, finden Sie nicht auch?"
,,Oh, keine Sorge...das erfahren Sie noch früh genug. Nennen Sie mich wie Sie wollen, aber befolgen Sie meine Anweisungen. Und Mr. Holmes...keine Tricks, sonst sehen Sie Evelyn nie wieder."
Mit diesen Worten legte sie auf und Sherlock verharrte noch einen Moment in seiner Starre. Dann steckte er sein Handy ein und wandte sich an die anderen, die ihn angespannt und erwartungsvoll musterten.
,,Was hat sie gesagt, Sherlock?", fragte John sofort und Sherlock spürte, wie sein Handy in der Tasche vibrierte.
,,Wir beiden sollen uns auf den Weg machen."
,,Auf den Weg wohin?", hakte Ezra nach und auch Greg hob skeptisch eine Augenbraue.
,,Und was machen wir?"
,,Ihr bleibt hier Wohin weiß ich noch nicht. Aber nur John und ich sollen kommen, sonst hat es Konsequenzen."
Sherlock warf den anderen ernste Blicke zu und obwohl Ezra und Greg sichtlich dagegen waren, widersprachen sie nicht und nickten nur stumm. Der Blick von Sherlock lag nun auf seinem besten Freund und John brauchte noch einen Moment, ehe er ihn entschlossen ansah und dann ebenfalls zustimmend nickte.
,,Also, gut...gehen wir!"
***
Evelyn PoV
Ich riss erschrocken die Augen auf, als ein lautes Knallen ertönte und sah mich hektisch um. Offenbar musste ich eingeschlafen sein, was bei der Kälte und den Umständen nur aus purer Erschöpfung passiert sein konnte. Mein Blick fiel auf die Tür, die ins Schloss gefallen war und nun kam unsere Gastgeberin wieder auf uns zu. Von Mary erntete sie finstere Blicke und die Verlobte von John zischte ihr regelrecht entgegen.
,,Wie wäre es, wenn Sie mal langsam mit der Sprache rausrücken? Wer sind Sie und was wollen Sie von uns?"
,,Die zukünftige Mrs. Watson ist ja wirklich sehr direkt. Sie sollten sich lieber in Zurückhaltung üben, Mary...sonst kann die ganze Sache ganz schön hässlich werden.", entgegnete unsere Entführerin kühl und als sie meinen ausdruckslosen Blick bemerkte, hob sie prüfend eine Augenbraue. ,,Gar keine frechen Bemerkungen, Evelyn? Vielleicht Beleidigungen...oder Sarkasmus?"
,,Nein! Ich überlege gerade, in welche Zelle ich Sie wohl stecken werde, wenn das alles hier vorbei ist und ich sie eigenhändig in den Knast werfe.", erwiderte ich und sie grinste höhnisch.
,,Aber, Evelyn...der Spaß fängt doch gerade erst an. Und solange sich alle brav an die Spielregeln halten, wird euch auch nichts passieren."
,,Welche Spielregeln bitte? Was wollen Sie denn von uns?", brachte ich hervor, doch nun verschwand das Grinsen und sie zuckte nur mit den Schultern.
,,Von euch beiden? Gar nichts!"
Nun verstand ich gar nichts mehr und auch Mary starrte die Frau völlig perplex an. Was sollte das ganze Theater eigentlich? Wenn sie es nicht auf uns abgesehen hatte...auf wen denn dann?
,,Warum sind wir dann hier?", sprach Mary mir förmlich aus der Seele, aber sie bekam keine Antwort und nach ein paar Sekunden des eisernen Schweigens, traf mich die Erkenntnis schließlich wie ein Blitz.
,,Sherlock!"
,,Nicht mehr anrufen, wir haben einen Gewinner."
Sie entfernte sich ein wenig von uns und ging ein paar Schritte auf und ab, als suchte sie nach den richtigen Worten, um ihre düsteren Gedanken zu offenbaren. Ich hingegen, überlegte fieberhaft, was Sherlock dieser Frau angetan haben könnte, um so viel Hass in ihr zu säen, dass sie deswegen zwei Menschen entführte und ihnen mit dem Tod drohte.
,,Wisst ihr...ich habe die letzten zwei Jahre damit verbracht, alles Erdenkliche über Sherlock Holmes rauszufinden. Da hieß es allerdings noch, er wäre tot und meine Rache wäre bedeutungslos gewesen. Aber dann erfuhr ich vor ein paar Monaten, dass er wie durch ein Wunder von den Toten auferstanden ist und das...änderte natürlich alles. Die Meisten denken wahrscheinlich, dass Sherlock Holmes aufgrund seiner Fähigkeiten unbesiegbar wäre...aber dem ist nicht so. Jeder Mensch hat eine Schwäche...und auch Sherlock Holmes besitzt solch eine Schwäche. Man muss nur rausfinden...was er für einen Schwachpunkt besitzt."
Ihre Worte jagten mir einen eisigen Schauer über den Rücken und die Art, wie sie die Worte aussprach, gefiel mir ganz und gar nicht. Was in Gottes Namen hatte Sherlock dieser Frau nur angetan?
,,Und Sie glauben also...wir sind die Schwachpunkte von Sherlock, ja?", gab Mary zurück, woraufhin die Frau sie entgeistert ansah.
,,Ich bitte Sie, Herzchen...Sie sind nur ein Kollateralschaden...ein kleiner Bonus, wenn Sie es so nennen wollen. Aber Evelyn...sie ist die perfekte Motivation, damit unser Meisterdetektiv genau das tut, was ich will. Und wenn ich erstmal mit ihm fertig bin...dann wird er sich noch wünschen, er wäre mir nie begegnet."
,,Was hat Sherlock Ihnen angetan?", platzte es nun völlig unkontrolliert aus mir heraus und sie warf mir einen feindseligen Blick zu.
,,Er hat mir die Liebe meines Lebens genommen. Vielleicht erinnern Sie sich ja noch, Evelyn...denn auch Sie hatten das Vergnügen ihn kennenzulernen."
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