Der lügende Detektiv
Der lügende Detektiv
Als die Limousine hielt, stiegen John und ich aus und gingen geradewegs auf den Rettungswagen zu. Molly wirkte unendlich verzweifelt und ich ahnte bereits Böses.
,,Und, wie gehts ihm?", fragte John und Sherlock reagierte sofort.
,,Im Grunde gut."
,,Ich hatte schon Gesündere auf dem Seziertisch.", brachte Molly mitgenommen hervor, aber Sherlock schien den Ernst der Lage nicht zu erkennen.
,,Ja, aber Sie arbeiten mit Mordopfern. Die sind in der Regel viel jünger als ich."
,,Das ist nicht witzig!", entgegnete ich, woraufhin er schmunzelte.
,,Ein bisschen schon."
,,Wenn Sie nicht aufhören, dieses Zeug zu nehmen...dann bleiben Ihnen...nur noch wenige Wochen."
Molly war völlig fertig und auch ich starrte Sherlock nun erschüttert an. Soweit war es also schon gekommen? John und ich waren auf Abstand zu ihm gegangen und das reichte aus, um ihn an den Rand des Todes zu treiben?
Sherlock selbst, schien die Situation jedoch kaum ernst zu nehmen, denn er wirkte regelrecht euphorisch und sprang aus dem Rettungswagen.
,,Na, sehen Sie...wenn es noch Wochen sind, gibt es keinen Grund zur Hektik."
,,Sherlock, es steht wirklich schlecht um Sie, verdammt!"
,,Ich mache mir Sorgen um Sie. Sie wirken sehr gestresst.", sagte er an Molly gewandt und die sah ihn aufgebracht an.
,,Ich bin gestresst! Sie sterben!"
,,Dann bin ich klar im Vorteil. Stress kann einem jeden Tag versauen...Sterben nur einen einzigen.", sagte Sherlock und diese Aussage brachte das Fass zum Überlaufen.
Wutentbrannt verpasste ich ihm eine Ohrfeige, woraufhin er mich entsetzt ansah. John und Molly starrten mich überrascht an, aber ich hatte nur Sherlock im Visier, der offenbar keineswegs mit dieser Reaktion gerechnet hatte.
,,Wofür war die denn?", brachte er empört hervor, aber ich warf ihm einen wutentbrannten Blick zu.
,,Glaubst du etwa, zu sterben wäre witzig? Für dich mag das vielleicht keine Rolle spielen, denn offenbar bist du ja schon so gut wie tot...aber du hast keine Ahnung, was du damit anrichtest, Sherlock. Ich warne dich...wenn du noch ein einziges Mal dieses Zeug anfasst, dann werde ich dich eigenhändig in eine Zelle sperren!"
Ich funkelte ihn an und mein Herz raste wie wild. Nur konnte ich nicht sagen, ob dies an seiner Anwesenheit lag oder aber an der Wut, die ich gerade empfand. Sherlock sah mich ausdruckslos an, aber dann konterte er natürlich.
,,Wir alle sterben irgendwann, Evelyn. Das tun Menschen nun einmal. Und ob früher oder später...was macht das für einen Unterschied?"
Als er das sagte, erhob ich erneut meine Hand, aber dieses Mal reagierte er und packte mich am Handgelenk. Wütend sah ich ihn an und zwischen uns herrschte eine enorme Spannung, die jeder förmlich spüren konnte. Uns trennten nur noch wenige Zentimeter voneinander und wir lösten erst den Blickkontakt, als John sich räusperte.
,,Dann ist es wahr! Du bist durchgedreht und völlig außer Kontrolle."
,,Wann war ich das jemals?", meinte Sherlock und ließ meinen Arm los.
,,Seitdem ich dich kenne!"
,,Oh, diese cleveren Einwürfe habe ich wirklich vermisst.", entgegnete Sherlock und John zuckte mit den Schultern.
,,Ich dachte, es wäre irgendein Trick."
Sherlock sah John für den Bruchteil einer Sekunde erschüttert an, als sich sein Gesichtsausdruck in Entschlossenheit verwandelte und er uns eindringliche Blicke zuwarf.
,,Das ist kein Trick...es ist ein Plan!"
,,Mr. Holmes!", ertönte auf einmal eine Stimme und ich erhaschte einen Blick auf denjenigen, den Sherlock bereits anhand der Stimme identifizierte.
,,In diesem Moment nähert sich uns der bedeutsamste Serienkiller der britischen Kriminalgeschichte. Helft mir ihn zu fassen."
,,Sag uns zuerst, was das für ein Plan ist.", forderte ich, aber Sherlock schüttelte den Kopf.
,,Den verrate ich nicht."
,,Und wieso nicht?", brachte John hervor, woraufhin sich ein Schatten auf den Blick von Sherlock legte.
,,Er wird euch nicht gefallen."
,,Klingt ja sehr ermutigend!", pflichtete ich nur bei, als uns der Mann erreichte, welcher ohne jeglichen Zweifel Culverton Smith sein musste.
,,Mr. Holmes! Tja...ich schüttle keine Hände. Wir müssen uns umarmen."
,,Ich weiß!", sagte Sherlock knapp und ließ sich in eine gezwungene Umarmung ziehen, wobei er sich mächtig anspannte.
Culverton klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, aber der Blick von Sherlock war mehr als missbilligend und tödlich. Dann entließ Culverton Sherlock aus der Umarmung und sein Blick fiel auf John und mich.
,,Ah...und das müssen John Watson und Evelyn Headley sein. Ich muss schon sagen...es ist mir eine Ehre dem Ermittler-Trio gegenüber zu stehen. Als Team scheinen Sie alle unschlagbar zu sein, nicht wahr?", raunte er der Menge an Reportern zu, die uns alle mit Blitzlichtgewitter in Empfang nahmen und als ein Reporter eine Frage einwarf, schenkte Culverton ihm ein charmantes Lächeln und deutete anerkennend auf Sherlock. ,,Naja, er ist ein Detektiv. Habe ich jetzt etwa gestanden?"
Culverton lachte und die Reporter stimmten ein, ehe er uns anwies ihm zu folgen. Sherlock warf uns einen flüchtigen Blick zu und nun setzten wir Drei uns in Bewegung. John ging rechts von mir und lehnte sich zu mir rüber.
,,Ziemlich schleimiger Typ, findest du nicht?"
,,Was soll ich sagen, John? Der perfekte Schauspieler!"
Nachdem wir einen Rundgang durch sein Gebäude und einen Besuch auf einer Station der Klinik hinter uns gebracht hatten, führte Culverton Smith uns durch das Krankenhaus und Sherlock entdeckte dort einen Raum, der für ihn von besonderem Interesse zu sein schien.
Als wir ihn betraten, war ich etwas irritiert. Es sah aus wie ein Konferenzraum, denn es stand ein großer Tisch darin und um ihn herum waren Stühle aufgereiht. Doch an jedem Stuhl stand ein Tropfständer mit einem Beutel Infusion, die fast alle komplett leer waren.
,,Hatten Sie wieder eins Ihrer kleinen Treffen?", fragte Sherlock beiläufig an Culverton Smith gewandt und dieser zuckte mit den Schultern.
,,Was Sie hier sehen ist die monatliche Ration."
Ach, ja...dieser Culverton Smith war ja ein Philanthrop und Unternehmer, der irgendeine Heilstudie praktizierte, wenn ich mich nicht irrte. Ganz sicher war ich mir aber nicht, denn ich schenkte seiner Existenz keine große Aufmerksamkeit. Und, dass Sherlock ihn für einen Serienmörder hielt...das überraschte mich ein wenig. Allerdings hatte sich Sherlock auch so gut wie niemals getäuscht und deshalb beschloss ich, die Angelegenheit geduldig anzugehen.
,,Sehr faszinierend!", sagte ich und Culverton lächelte.
,,Vielen Dank, Miss Headley! Ich tue mein Bestes, um anderen Menschen zu helfen. Das ist meine große Mission."
,,Was ist TD- 12?", warf John irritiert in den Raum, als er einen Blick auf die Infusionsbeutel warf und Sherlock warf einen vielsagenden Blick auf Culverton.
,,Es ist ein Gedächtnishemmer!"
,,Es ist ein Segen.", korrigierte Smith ihn. ,,Freiwillige Unkenntnis. Sie hält die Welt am Laufen."
,,Gab es auch mal jemanden, der sich erinnern wollte?", hakte Sherlock nach und verschränkte die Arme vor der Brust und Culverton schob lässig die Hände in die Hosentaschen.
,,Ja, manche ziehen die Nadel wieder raus. Manche haben dieselben...Bedürfnisse. Na, los...kommen Sie. Wir vergeuden Zeit!"
Smith wandte sich zum Gehen und ich war völlig verwirrt über das Schauspiel, welches sich hier abspielte. Aber nun warf Sherlock einen Blick auf seine Armbanduhr und ich erkannte wieder das abenteuerlustige Funkeln in seinen Augen.
,,Ja, in der Tat. Ihnen bleiben jetzt noch 20 Minuten etwa."
,,20 Minuten? Wofür denn bitte?", brachte ich irritiert hervor, aber Sherlock hatte seine gesamte Aufmerksamkeit auf Culverton gerichtet.
,,Die SMS, die ich von Ihrem Handy aus verschickt habe, wurde umgehend gelesen und berücksichtigt man den Schock, sowie die Entscheidung nach Gefühlslage, als auch die Fahrzeit, würde ich sagen...dass Ihr Leben jetzt noch etwa 20 Minuten so weitergeht wie bisher. Obwohl...es sind 17,5 Minuten. Ich habe es aufgerundet, um den dramatischen Effekt zu erhöhen. Also...zeigen Sie uns Ihren Lieblingsraum. Das bietet Ihnen die Gelegenheit sich zu...verabschieden!"
John und ich tauschten einen unsicheren Blick und ich wurde einfach das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte. Sherlock hatte irgendwas an sich, was mich irritierte und ich spürte, dass er etwas im Schilde führte. Aber was es war...das konnte ich nicht erkennen.
,,Folgen Sie mir!", sagte Culverton schließlich grinsend und wir kamen der Aufforderung nach.
Und als er uns in seinen Lieblingsraum führte, war ich im ersten Moment ziemlich perplex. Denn dabei handelte es sich um eine Pathologie, wo gerade eine Leiche obduziert wurde, doch Smith scheuchte die Pathologen regelrecht hinaus. Als das Team verschwunden war, wandte sich John an Culverton und machte seine Irritation Luft.
,,Wieso dürfen Sie hier überhaupt rein?"
,,Oh, ich komme überall rein.", entgegnete er und grinste, als er einladend mit einem Schlüsselbund winkte. ,,Überall."
,,Sie haben alle Schlüssel?"
,,Sie wurden mir öffentlich überreicht.", beantwortete Smith die Frage von John und Sherlock beäugte ihn weiterhin mit Argusaugen, während Culverton zu prahlen begann. ,,Es gab eine große Feier. Auf Youtube gibt es ein Video davon. Der Innenminister war auch dabei."
,,Wirklich sehr schön für Sie. Könnten wir jetzt bitte wieder zum Thema kommen?", unterbrach ich seine Lobrede, als Sherlock einen Blick in die Leichenschränke warf.
,,Die Leichenhalle ist also Ihr Lieblingsraum."
,,Und, was denken Sie?", wollte Culverton wissen, woraufhin Sherlock mit den Schultern zuckte.
,,Schwieriges Publikum."
,,Ach, ich weiß nicht." Culverton deckte die Leiche auf und warf einen prüfenden Blick darauf. ,,Ich habe sie immer als recht...gefügig empfunden."
Culverton berührte das Gesicht der toten Frau und während er von Toten sprach, verspürte ich eine Gänsehaut am ganzen Körper. Dieser Mann hatte etwas an sich, was mir überhaupt nicht gefiel und so wie er vom Tod sprach, könnte man fast glauben, dass er Freude dabei empfand, tote Menschen zu betrachten.
Ich merkte, dass Sherlock mich für den Bruchteil einiger Sekunden beobachtete und unsere Blicke trafen sich. Anscheinend schien er dasselbe zu denken, aber ich wandte den Blick von ihm wieder ab. Ich durfte nicht zu viel über ihn nachdenken, denn sonst wäre die Zeit des Abstandes vollkommen umsonst gewesen und ich würde wieder in alte Gewohnheiten verfallen.
,,Wieso ist das dämlich?", fragte John auf einmal und ich zuckte zusammen.
Ich hatte die Predigt über Serienmörder und ihre Methoden von Culverton Smith irgendwie ausgeblendet, denn ich hatte mich für einige Sekunden ausschließlich auf Sherlock konzentriert. Und das machte mich wütend auf mich selbst. Warum konnte ich mich nicht einmal auf das Wesentliche konzentrieren, wenn ich mit Sherlock Holmes in einem Raum war?
,,Dieser ganze Aufwand.", erwiderte Culverton nun und sah John vielsagend an, während er wie ein Poet fortfuhr. ,,Man schüttet doch keinen Strand auf, wenn man einen Kieselstein verstecken will. Du...suchst dir einfach irgendwo einen Strand dafür. Und wenn du einen Mord vertuschen willst...oder eine ganze Reihe von Morden...dann suchst du dir eben...ein Krankenhaus."
,,Klingt, als sprechen Sie da aus Erfahrung.", wagte ich einen Provokationsversuch, doch Smith wich dem aus.
,,Wieso? Halten Sie das etwa für ein Geständnis, Miss Headley?"
,,Naja, wie Sie reden...", unterstützte John mich und Culverton schmunzelte.
,,Ach, ja...ob ich tatsächlich ein Serienkiller bin. Oder versuche ich vielleicht nur, Ihre beiden kleinen Köpfe zu verwirren? Nun...es ist wahr! Ich mag es gerne, Leute zu verwirren und es stimmt...ich bin ein bisschen unheimlich. Aber das ist nur mein Alleinstellungsmerkmal. Damit verkaufe ich Frühstücksflocken. Aber bin ich wirklich das, was er behauptet?", er deutete auf Sherlock, der uns schweigsam beobachtete und umkreiste uns wie eine Raubkatze. ,,War das Ihre Frage?"
,,Ja!"
John sah ihn aufmerksam an und ich versuchte herauszufinden, was in diesem Moment in Sherlocks Kopf vor sich ging. Culverton war etwas gruselig...dem stimmte ich zu, aber warum hielt er ihn für einen Serienmörder? Wenn Sherlock jemanden diesbezüglich beschuldigte, dann musste schon etwas Schwerwiegendes seinen Verdacht erweckt haben. Oder Sherlock war mittlerweile schon so drogenabhängig, dass er die Wahrheit nicht mehr erkennen konnte.
,,Dann werde ich Sie jetzt etwas fragen.", fuhr Culverton fort und wandte sich an John. ,,Sind Sie wirklich ein Doktor?"
,,Natürlich!"
,,Und Sie, Evelyn? Sind Sie wirklich eine Polizistin?", wollte er wissen, aber ich lieferte ihm eine Gegenfrage.
,,Was soll das?"
,,Ist das wirklich Ihr Ernst? Nein, wirklich...ernsthaft?"
Culverton sah John und mich an, als hätten wir den Verstand verloren und sein Verhalten gefiel mir ganz und gar nicht. Doch dann winkte er ab und näherte sich mit ein paar Schritten Sherlock, während sein Blick aber immer noch auf John und mich geheftet war.
,,Ach, lassen wir jetzt dieses alberne Spiel...es macht keinen Spaß mehr. Sehen Sie beide ihn doch mal an. Na, los...sehen Sie genau hin."
John und ich folgten, warum auch immer, seiner Aufforderung und sahen zu Sherlock. Dieser wirkte irgendwie merkwürdig still und in sich gekehrt. Es war fast so, als wollte er Culverton gar nicht widersprechen und das war für Sherlock ja mehr als untypisch. Und er sah wirklich nicht gut aus, denn es zeigten sich ein paar undeutliche Entzugserscheinungen, was mich beunruhigte. Sherlock musste endlich aufhören diese verdammten Drogen zu nehmen, bevor er sich noch wirklich umbrachte.
,,Dr. Watson...Sergeant Headley, jetzt passen Sie mal auf.", setzte Culverton an und warf uns eindringliche Blicke zu. ,,Es gibt genau zwei Möglichkeiten für das, was hier los ist. Entweder, ich bin ein Serienkiller...oder Sherlock Holmes ist vollkommen zugedröhnt mit Drogen. Wahnhafte Paranoia bezogen auf eine öffentliche Person...das ist nichts Besonderes und schon gar nichts Neues.", prahlte er und wandte sich nun an Sherlock. ,,Ich denke, Sie sollten Ihrem kleinen treuen Freund und Ihrer lieben Freundin erklären, dass Sie ihre Zeit verschwenden, weil Sie...viel zu high sind, um noch die Realität zu erkennen."
Ich spürte, wie sich John neben mir anspannte und ich warf einen besorgten Blick auf Sherlock. Zwar kannte ich ihn inzwischen gut genug, aber die Worte von Culverton machten mich stutzig. Könnte es nicht wirklich so sein? Dass sich Sherlock dieses Mal irrte, weil er durch die Drogen einfach nicht mehr Herr seiner Sinne war und nicht mehr klar denken konnte?
,,Ich bitte um Entschuldigung.", sagte Sherlock auf einmal und wirkte etwas durcheinander. ,,Ich habe mich verrechnet. Ja, ich habe vergessen den Verkehr mit einzuberechnen.", sagte er nun wieder ganz euphorisch und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. ,,Es sind 19,5 Minuten!"
Plötzlich hielt Sherlock inne und lauschte etwas. Ich vernahm ein eigenartiges und gleichmäßiges dumpfes Aufschlagen, doch bevor ich Fragen stellen konnte, lieferte uns Sherlock schon seine Deduktion.
,,Ach, die Schritte, die Sie gleich hören werden, dürften für Sie sehr vertraut klingen. Vor allem deshalb, weil es drei statt zwei Aufschläge sind. Der Dritte wird erzeugt durch das Aufsetzen eines Stocks. Und dieser Stock gehört Faith- Ihrer Tochter!"
Unsere Blicke fielen auf Culverton und obwohl Sherlock natürlich mit allen Mitteln versuchte, ihn aus der Reserve zu locken...so blieb Smith vollkommen gelassen und sah ihn nur ungerührt an.
,,Wieso sollte Sie hier herkommen?"
,,Sie haben Sie eingeladen. Sie haben ihr eine SMS geschickt.", konterte Sherlock und grinste ein klein wenig. ,,Gut, streng genommen habe ich sie verschickt, aber...das kann sie nicht wissen. Oh, was hatte ich ihr noch geschrieben?", Sherlock überlegte kurz. Faith, ich halte es nicht mehr länger aus. Ich habe meine Verbrechen gestanden. Bitte vergib mir! , zitierte er, aber auch das brachte Smith nicht aus der Ruhe.
,,Tja, was erhoffen Sie sich davon? Sie kennen Sie nicht."
,,Aber doch, das tue ich.", widersprach Sherlock und nun wurde ich hellhörig.
,,Ach, ja?"
,,Wir haben eine ganze Nacht zusammen verbracht.", fuhr Sherlock fort und ich starrte ihn entgeistert an.
,,Ihr habt WAS?"
,,Nicht das, was du denkst, Evelyn.", winkte Sherlock ab und sah Culverton triumphierend an. ,,Wir haben Chips gegessen und ich glaub, sie mochte mich."
Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte und auch John starrte Sherlock völlig perplex an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das halbe Jahr ohne uns Sherlock eindeutig nicht gut bekommen war. Es schien ihn gänzlich ruiniert zu haben.
,,Das ist vollkommen unmöglich. Sie können meine Tochter Faith nicht kennen.", widersprach Culverton, aber Sherlock streute weiter Salz in die Wunde.
,,Ich weiß, dass sie Ihnen sehr am Herzen liegt. Sie haben sie mal zu Ihren speziellen Vorstandstreffen eingeladen. Es ist Ihnen wichtig, was sie denkt." Sherlock musterte Culverton, doch dieser verzog keine Miene und das schien Sherlock zu amüsieren. ,,Es ist wirklich beeindruckend, wie Sie diese Fassade aufrecht erhalten. Aber ich denke, der Einsturz steht kurz bevor."
Sherlock versuchte weiter vergeblich, Culverton zu provozieren. Und als er schließlich die Tochter seines Verdächtigen hereinbat, kam tatsächlich eine blonde junge Frau an einem Gehstock herein, die Culverton verwirrt ansah.
,,Dad, was ist hier los? Was war das für eine Nachricht? Was das wieder Einer deiner Scherze?", fragte sie, ehe sie einen verwirrten Blick auf Sherlock warf und ihn musterte. ,,Und wer sind Sie?"
Diese Frage überraschte sowohl mich, als auch John und als mein Blick auf Sherlock fiel, wirkte der mit einem Mal vollkommen irritiert. Er sah diese Frau an, als sähe er einen Geist und seine Augen studierten sie, als hinge sein Leben davon ab.
,,Wer zum Teufel sind Sie?", brachte Sherlock hervor und Culverton schritt auf seine Tochter zu.
,,Das ist Sherlock Holmes. Du erkennst ihn doch sicher."
,,Ach, du meine Güte.", entgegnete Faith und starrte Sherlock bewundernd an und wirkte ganz aufgeregt. ,,Sherlock Holmes...ich liebe Ihren Blog."
,,Sie sind nicht die Frau, die in die Baker Street gekommen ist.", sagte Sherlock und Faith wirkte nun ein wenig irritiert.
,,Ähm...nein, das bin ich nicht. Ich bin dort nie gewesen."
,,Verzeihung aber das...verstehe ich nicht ganz.", brachte Sherlock hervor und Culverton sah zwischen ihm und Faith hin und her.
,,Aber ich dachte...ihr Zwei...seid alte Freunde."
,,Nein, das sind wir nicht. Wir sind uns nie begegnet.", erklärte Faith und nun warf ich einen unsicheren Blick zu Sherlock.
,,Sherlock...was geht hier vor sich?"
Sherlock wirkte wie vor den Kopf gestoßen und auch ich wusste nun irgendwie nicht mehr so recht, was ich glauben sollte. John schien genauso verwirrt zu sein wie ich und Sherlock? Tja, der starrte vor sich hin und versuchte nun krampfhaft, eine Erklärung für all das zu finden.
,,Also...wer war dann die Frau in meiner Wohnung?", sagte er, während Faith mit den Schultern zuckte.
,,Ich war es jedenfalls nicht."
Culverton schüttelte ungläubig den Kopf und schien den Triumph wirklich zu genießen. Aber dieses Mal konnte ich Sherlock nicht einmal in Schutz nehmen, da mich das alles selbst zum Zweifeln brachte. Offenbar hatte Sherlock durch die Drogen wirklich jeglichen Sinn für die Realität verloren.
Und hätte ich geahnt, dass die Situation so dermaßen aus dem Ruder laufen würde, hätte ich Sherlock wahrscheinlich bereits nach den ersten Minuten aus der Leichenhalle geschleppt. Aber leider war das Leben zwar vieles, aber niemals vorhersehbar und so kam es natürlich, wie es kommen musste.
Während Culverton sich im Stillen zu amüsieren schien und John und ich wie irritierte Statuen da standen, fuhr sich Sherlock durch die dunklen Locken. Er schien alle Ereignisse in seinem Gedächtnis noch einmal zu durchleben, aber seine Gesichtszüge entgleisten ihm völlig. Er wirkte bis auf die Grundmauern erschüttert und als er wieder auf Culverton sah, wurde er mit einem Mal regelrecht panisch.
,,Vorsicht! Er hat ein Messer!"
,,Was habe ich?", fragte Culverton und Sherlock drohte, die Beherrschung zu verlieren.
,,Ein Skalpell! Sie haben es von diesem Tisch genommen. Das habe ich gesehen."
,,Nein, ganz sicher nicht.", widersprach Culverton und Sherlock zeigte anklagend auf ihn.
,,Er versteckt es hinter seinem Rücken."
Culverton wedelte mit den Händen und diese waren leer. Ich war wie vor den Kopf gestoßen und die ganze Situation drohte, mich zu überfordern. Aber dann zeigte Sherlock mit der rechten Hand erneut auf Culverton und brüllte regelrecht.
,,Ich habe gesehen, wie Sie es genommen haben!"
,,Sherlock!", entfuhr es John und auch ich wich etwas zurück.
Nicht Culverton Smith hielt ein Skalpell in der Hand, sondern Sherlock selbst. Und diese Tatsache schien er schon gar nicht mehr zu realisieren, was für mich das Stichwort war, nun einzugreifen.
,,Sherlock...leg das Messer weg!", sagte ich und hob abwehrend die Hände, während er mich irritiert ansah.
,,Was, ich? Er hat das Messer, siehst du das denn nicht, Evelyn?"
Ich wusste nicht, was in Sherlock gefahren war und ob es allein die Drogen waren, die ihn in diesen katastrophalen Zustand versetzten, aber ich wusste, dass ich ihn zur Besinnung bringen musste, bevor es zu spät war.
,,Bitte, Sherlock...nimm das Messer runter.", redete ich ruhig auf ihn ein, als er auf einmal Culverton wutentbrannt anfuhr.
,,Hören Sie auf, mich auszulachen."
,,Ich lache doch gar nicht!", verteidigte sich dieser und John sah Sherlock entgeistert an.
,,Sherlock, er lacht nicht."
,,HÖREN SIE AUF ÜBER MICH ZU LACHEN!", schrie Sherlock und wollte schon auf Culverton losgehen, als John und ich aus Reflex handelten.
Während John Faith und Culverton zur Seite zog, warf ich mich förmlich auf Sherlock und brachte uns beide zu Fall. Er war vollkommen außer Kontrolle geraten und ich entriss ihm das Messer, als John mir zur Hilfe kam. Gemeinsam bemühten wir uns, Sherlock ruhig zu stellen, aber das war leichter gesagt als getan, denn er wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen.
,,HÖREN SIE AUF ÜBER MICH ZU LACHEN!", brüllte er erneut und rappelte sich wieder auf.
Er wollte erneut auf Culverton losgehen und während Johns Versuch ihn zu fassen fehlschlug, stellte ich mich Sherlock in den Weg. Er war jedoch so in seinem Wahn gefangen, dass er anscheinend wirklich nichts mehr zu realisieren schien und griff mich daraufhin an.
,,HÖREN SIE ENDLICH AUF!"
,,SHERLOCK!", platzte es aus mir heraus und er hielt inne, als er mich erkannte, woraufhin er zurückwich.
,,Evelyn..."
,,Was ist denn nur los mit dir?", brachte ich verzweifelt hervor und sah ihn erschrocken an. ,,Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder."
Sherlock schien einen Moment lang nachzudenken, aber er war das reinste Wrack. Er war vollkommen durcheinander und als Culverton sich räusperte, wurde er wieder bedrohlich aggressiv.
,,SIE!", zischte Sherlock und setzte erneut zum Angriff an, doch dieses Mal machte John ihm einen Strich durch die Rechnung und beförderte ihn mit einem Kinnhaken zu Boden.
,,Verdammt nochmal...wach auf!", brüllte John ihn an und verpasste ihm mehrere Kinnhaken und Tritte.
Entsetzt war ich für einen Moment wie gelähmt, ehe ich wieder zu mir fand und John kurzer Hand packte, ihn von Sherlock wegriss und die beiden grundlegend erschüttert ansah.
,,JOHN, STOPP! HÖRT AUF DAMIT- ALLE BEIDE!", platzte es aus mir heraus und John schien zur Besinnung zu kommen.
Denn er warf einen Blick auf seine blutende rechte Faust und diese löste sich nun wieder. Mein Blick fiel auf Sherlock, der am Boden lag und eine blutige Nase und eine aufgeplatzte Lippe davongetragen hatte. Und sicherlich hatte John ihm auch ein paar Prellungen verschafft, denn er blieb am Boden und konnte sich kaum rühren.
,,Was ist denn nur los mit euch? Habt ihr jetzt vollkommen den Verstand verloren?", brachte ich verzweifelt und mit Tränen in den Augen hervor, ehe ich mich neben Sherlock kniete und Culverton John vielsagend ansah.
,,Vielen Dank, Dr. Watson...aber ich glaube, er stellt keine Gefahr mehr da. Lassen Sie ihn in Frieden."
,,Nein...", setzte Sherlock geschwächt an und er sah zu John auf. ,,das ist in Ordnung. Er hat das Recht dazu."
,,Sherlock, was sagst du da?", sagte ich, aber Sherlock schien nun wieder ein Stück zu sich gefunden zu haben und seine nächsten Worte erschütterten mich in Grund und Boden.
,,Ich hab seine Frau umgebracht!"
Mary! Es ging um Mary und Sherlock machte sich wirklich verantwortlich für ihren Tod. Ich war zu erschüttert, um etwas zu sagen, aber John sah ihn nur ausdruckslos an und zeigte keinerlei Regung, als er ihm nicht mal widersprach.
,,Ja, das hast du!"
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Situation war zu entsetzlich, als dass ich sie glauben könnte, wäre ich nicht selbst dabei gewesen. Aber es gab auch nichts, was ich dagegen unternehmen konnte.
Ich war hier! Hier in einer Leichenhalle mit einem Mann, der vermutlich ein Serienkiller oder einfach nur ein grandioser Schauspieler war und meinen zwei besten Freunden, die ein einziger Augenblick für immer auseinander gerissen haben könnte. Mary blieb tot und die Freundschaft zwischen Sherlock und John vermutlich für immer gebrochen.
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