Böses Erwachen
Böses Erwachen
Evelyn PoV
Als ich wieder zu mir kam, hatte ich das Gefühl, als hätte man mich aus einem unendlich langwierigen Koma geholt. Ich war entsetzlich müde und fühlte mich schlapp, während alles in meinem Kopf schwirrte und ich das Gefühl hatte, als könnte ich jeden Augenblick wieder umkippen.
Allerdings musste ich feststellen, dass ich gefesselt war und zwar auf die altmodische Art und Weise. Meine Handgelenke waren in Eisenketten gelegt und die waren in der Wand verankert, sodass ich auch keinerlei Möglichkeiten zur Flucht hatte. Und das Betäubungsmittel setzte mich immer noch so dermaßen außer Gefecht, dass ich kaum aufrecht sitzen konnte.
,,Evelyn...alles in Ordnung?", vernahm ich eine vertraute Stimme und ich entdeckte Mary, die nur ein paar Meter von mir entfernt saß und ebenfalls angekettet war.
,,Ja...ich glaube schon.", erwiderte ich und sah mich um. ,,Wo sind wir?"
,,Wenn ich das wüsste. Ich bin auch erst hier wach geworden. Allerdings schon vor einer guten Stunde. Ich hab schon befürchtet, dass du gar nicht mehr aufwachst."
Mary musterte mich mit besorgtem Blick und nun wurde mir auch wieder klar, was überhaupt passiert war. Diese irre Tussi hatte uns mit Betäubungspfeilen abgeknallt und irgendwohin verschleppt. Die Frage war nur warum. Warum hatte diese Frau uns entführt? Ich war ihr noch nie zuvor begegnet und ich bezweifelte stark, dass Mary bereits das Vergnügen ihrer Bekanntschaft gemacht hatte.
,,Wir müssen hier irgendwie raus!", sagte ich schließlich und Mary seufzte.
,,Tja, viel Glück dabei. Diese Ketten bekommst du niemals auf und in deinem Zustand kommst du sowieso nicht weit. Sie hat dir eine ganz schöne Ladung verabreicht."
,,Aber wir können hier doch auch nicht untätig rumsitzen und darauf warten, dass diese Irre uns umbringt. Denn ich befürchte, das wird sie tun, sobald sie hat, was sie will...was auch immer das sein mag.", widersprach ich und Mary sah zu einer Uhr, die mittlerweile 11:30 Uhr anzeigte.
,,In diesem Moment sollten John und ich eigentlich heiraten."
Oh, Gott...die Hochzeit! Die hatte ich ja gerade total vergessen. Mary hatte Recht, denn eigentlich hätten sie und ich schon längst in der Kirche sein sollen. Aber stattdessen saßen wir angekettet hier. Mary noch in ihren bequemen Sachen und ich bereits im dunkelgrünen Kleid...an einem fremden Ort und ohne Aussicht auf Entkommen.
,,Keine Sorge, Mary...unsere Abwesenheit haben sie ja sicher schon bemerkt und man wird sicher schon nach uns suchen.", versuchte ich meine Freundin zu beruhigen, die mit den Nerven sichtlich am Ende war, aber sie sah mich nur verzweifelt an.
,,Und wo sollen sie anfangen, Evelyn? Niemand weiß, was mit uns passiert ist und sie haben keinerlei Hinweise auf diese verrückte Frau. Wir wissen ja selbst nicht einmal, wer sie ist."
Tja, damit hatte Mary leider Recht. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wer diese Frau war und vor allem warum sie uns entführt hatte. Warum mussten wir eigentlich ständig entführt oder bedroht werden? Was hatten wir dem Schicksal denn getan, dass es uns nicht einmal eine Hochzeit gönnte?
Dabei hatten John und Mary es doch so verdient, endlich ihr gemeinsames Leben beginnen zu können. Sie hatten sich so auf ihre Hochzeit gefreut und nun wusste Mary wahrscheinlich nicht einmal, ob sie ihre Hochzeit noch erleben würde. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf, denn wie furchtbar unsere Situation gerade auch sein mochte...einen Lichtblick gab es immerhin.
,,Du hast Recht, Mary...es weiß niemand, was mit uns passiert ist. Aber Sherlock und John werden es herausfinden. Sie haben bisher jeden Fall lösen können und sie werden auch diesen hier lösen und dann werden sie uns schon hier rausholen. Da bin ich mir sicher.", versicherte ich ihr und Mary nickte kaum merklich.
,,Wollen wir es hoffen!"
Auf einmal wurde die schwere Eisentür geöffnet und ich sah auf, als auch schon unsere Geiselnehmerin höchstpersönlich auf uns zukam und uns einen eiskalten Blick zuwarf. Ich hatte nun Gelegenheit, sie genau in Augenschein zu nehmen und musterte sie unauffällig. Sie hatte kurze rote Haare, braune Augen und einen so dermaßen blassen Teint, dass man sie glatt für einen Vampir halten könnte. Die Frau sprühte die Bosheit regelrecht aus und in ihren pechschwarzen Sachen konnte sie einem Mafia Gangster glatt Konkurrenz machen und ihre Statur war unglaublich schlank und besonders groß war sie auch nicht.
Wie hatte diese schmächtige Persönlichkeit es nur fertig gebracht, Mary und mich ganz allein hierher zu verfrachten?
,,Gut...ihr seid wach. Wird auch Zeit! Ich habe einen straffen Zeitplan und das Spiel kann bald beginnen.", sagte sie kalt und ich warf ihr einen herausfordernden Blick an.
,,Was für ein Spiel? Sie sollten uns vielleicht erst einmal sagen wer Sie sind und vor allem, was Sie von uns wollen. Ich zumindest, bin Ihnen noch nie zuvor begegnet. Oder hatten wir doch schon das Vergnügen und ich habe es nur vergessen, weil es zu unbedeutend war?"
,,Evelyn...von Ihrer Schlagfertigkeit und toughen Art habe ich ja bereits gehört. Allerdings sollten Sie sich vorsehen, da es auch als Respektlosigkeit aufgefasst werden kann. Und Ihnen dürfte klar sein, dass es nicht besonders klug von Ihnen wäre, mich zu verärgern. Zumindest nicht, wenn Sie und Ihre Freundin hier den morgigen Tag noch erleben möchten.", entgegnete sie ungerührt und Mary sah sie nun angespannt an.
,,Wer zum Teufel sind Sie?"
,,Das erfahrt ihr noch früh genug."
Ohne jegliche Erklärung wandte sie sich wieder ab und verschwand, sodass Mary und ich wieder unter uns waren. Mary sah ihr nur perplex nach und ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand, während ich inständig darauf hoffte, dass Sherlock und John uns wirklich noch rechtzeitig finden würden.
***
Die Stunden schienen zu vergingen und ich hatte das Gefühl, als befände ich mich mit Mary schon seit einer Ewigkeit in diesem Raum. Ich konnte kaum was sehen, denn nur eine einzelne Laterne spendete Licht und außerdem war es so dermaßen kalt, dass ich mir ziemlich sicher war, dass Mary und ich beide wahrscheinlich erfrieren würden, wenn wir nur lange genug hier gefangen waren.
,,Evelyn...falls wir das hier nicht überleben...", setzte Mary an und ich warf ihr einen entgeisterten Blick zu.
,,Sag das nicht, Mary. Wir werden das hier überleben und dann wirst du John heiraten."
,,Aber diese Irre hält uns gefangen und wir haben keine Ahnung, wann die anderen uns finden werden", widersprach Mary, woraufhin ich ihr so viel Zuversichtlichkeit entgegenbrachte, wie es mir nur irgend möglich war.
,,Wir haben alle schon so viel überstanden, Mary. John hat den Krieg überstanden, ich eine lebensgefährliche Schusswunde und Sherlock hat sogar den Tod überlebt. Und du bist genauso stark wie wir alle...wir werden das schaffen, vertrau mir."
Ich rang mich zu einem Lächeln durch und obwohl ich ihr die Zweifel immer noch ansehen konnte, erwiderte Mary es. Dabei zweifelte ich ja mittlerweile selbst daran, dass wir die ganze Sache hier überlebten. Zwar zweifelte ich keineswegs an der Entschlossenheit unserer Freunde und schon gar nicht an den Fähigkeiten von Sherlock, aber sie hatten doch keinerlei Anhaltspunkte und wussten gar nicht, wo sie nach uns suchen sollten.
Meine Gedanken wanderten zu Ezra. Er machte sich sicher auch schon Sorgen um uns und ich vermisste ihn schrecklich. Und obwohl ich natürlich überzeugt davon war, dass er der einzig Richtige für mich war...so wollte mir das Gespräch mit Mary von heute Morgen einfach nicht aus dem Kopf gehen.
Es stimmte ja, dass ich John damals gesagt hatte, dass ich etwas für Sherlock empfunden hatte und trotz meiner Verlobung mit Ezra wusste ich heute, dass ich wahrhaftig Gefühle für Sherlock hatte. Aber diese Gefühle waren nicht nur ein Problem, welches ich so schnell wie möglich beseitigen musste, sondern sie jagten mir auch Angst ein und verunsicherten mich zutiefst. Denn immerhin war Sherlock keineswegs jemand, mit dem man eine normale Beziehung eingehen konnte und davon mal abgesehen, waren Gefühle ein Fremdwort für ihn.
Warum also, hatte ich mich ausgerechnet in Sherlock Holmes verliebt? Ich hatte mit Ezra doch den perfekten Mann gefunden und er konnte mich ohne Zweifel glücklich machen. Die Frage war also nur, wie ich meine Gefühle für Sherlock so schnell wie möglich in die ewigen Jagdgründe schicken konnte.
Doch bevor ich mich diesem Problem widmen konnte, galt es zunächst, ein viel Größeres zu bewältigen. Denn, wie aussichtslos es auch aussehen mochte...ich hatte auf keinen Fall vor kampflos aufzugeben. Und schon gar nicht hatte ich vor, an diesem Ort hier zu sterben. Und deshalb beschloss ich, dass ich Mary und mich hier rausbringen würde...was es auch kosten mochte. Alles, was mir noch dafür fehlte, war ein Plan...und zwar ein Masterplan!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top