Alles Böse kommt von oben
Alles Böse kommt von oben
,,Warum müssen Leichen eigentlich immer so früh gefunden werden?", sagte Greg und gähnte herzhaft, während ich nur müde vor mich hin starrte.
,,Tja, die fragen bedauerlicherweise nicht nach, welche Zeit uns recht ist. Die tauchen dann auf, wenn sie es für richtig halten."
Es war Freitag früh und gerade mal erst 7:00 Uhr, als uns vor einer halben Stunde die Nachricht ereilte, dass eine Leiche gefunden worden war. Und obwohl ich todmüde war, so war ich auch irgendwie froh, dass es einen neuen Fall gab. Die vergangenen 3 Wochen war kaum etwas gewesen und ich hatte meine Freizeit daher mit Sherlock Holmes und Dr. John Watson verbracht. Aber auch nur dann, wenn es sich ergeben hatte.
Und meine ersten 3 Wochen beim Scotland Yard hatte ich mir irgendwie aufregender vorgestellt, aber offenbar hatten alle Mörder in dieser Zeitspanne eine Pause eingelegt. Greg hatte die Zeit daher genutzt, um mir alles Mögliche zu erklären und mir die spannendsten Ereignisse aufzutischen. Das hatte schließlich damit geendet, dass wir irgendwann zum Du übergegangen waren und ich war mir sicher, dass ich bald seine halbe Lebensgeschichte kannte.
,,Meine Nacht war jedenfalls viel zu kurz. Ich musste ein gutes Dutzend Berichte schreiben und war erst um 2 zu Hause.", beklagte sich Greg, doch ich sah ihn nur vielsagend an.
,,Du hast gut reden. Du musstest dafür nicht mitten in der Nacht auf dem Friedhof auflaufen und Gräber schänden, weil Sherlock Holmes dies als einen Notfall der Wissenschaft bezeichnet."
,,Ihr habt WAS?"
Greg starrte mich fassungslos an, während er das Auto in die nächste Straße lenkte und ich zuckte nur mit den Schultern, während ich seufzte.
,,Frag nicht! Es war das reinste Spektakel und Sherlock ist fast ausgeflippt vor Freude. Wobei ich wirklich nicht verstehen kann, was an einem Totenkopf und einem abgetrennten Fuß so faszinierend sein soll. Aber wahrscheinlich dient es wieder Einem seiner Experimente und sowohl Kopf als auch Fuß, dürfen die nächsten Tage in Kühlschrank und Mikrowelle verbringen.", meinte ich nur und Greg verzog angewidert das Gesicht.
,,Mja...vielen Dank auch, Evelyn!"
Ich verdrehte nur die Augen und starrte danach aus dem Fenster. Bereits am Anfang unserer Zusammenarbeit, hatte ich mit den eigenartigen und äußerst skurrilen Angewohnheiten von Sherlock Bekanntschaft machen müssen. Zwar hatte Mrs. Hudson mich meistens davor gewarnt in den Kühlschrank zu sehen, aber als ich einen Blick in die Mikrowelle geworfen hatte, war ihre Warnung leider zu spät gekommen und ich hatte einem gegrillten Augenpaar gegenüber gestanden.
Sherlock hatte dann nur Finger weg von meinem Experiment! gerufen und John hatte betont, dass dies völlig normal sei. Und diese Aussage hatte mich gänzlich zweifeln lassen, ob die beiden noch alle Tassen im Schrank hatten. Aber heute, nach drei bisherigen Wochen mit Sherlock und John, hatte sich diese Frage zerschlagen und ich wunderte mich bald über gar nichts mehr, was die Zwei veranstalteten.
Und Sherlock und ich hatten es in dieser Zeit sogar geschafft, so etwas wie eine Vertrauensbasis zwischen uns zu schaffen. Zwar waren wir noch lange keine Freunde, aber wir konnten mittlerweile auch mal ermitteln, ohne uns gegenseitig die Köpfe zu zerschlagen. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass wir uns nicht hin und wieder gerne mal gegenseitig aufzogen oder beleidigten. Es war gewissermaßen zum Alltag geworden.
Greg lenkte den Wagen auf das Grundstück eines abgelegenen Fabrikgeländes und als ich einen Blick auf das Gebäude warf, erkannte ich eine Art Fabrikhalle. Sie lag etwas außerhalb der Stadt und hier konnte sich die Idylle wirklich sehen lassen. Es war mir ein Rätsel, wie ausgerechnet hier in dieser Pampa eine Leiche auftauchen konnte.
Wir traten hinter die Absperrung und betraten dann schließlich die Halle, während Sergeant Donovan bereits einen älteren Mann vernahm, der ganz offenbar ein Zeuge sein musste. Greg und ich steuerten stattdessen auf Anderson zu, der sein Team förmlich durch die Halle scheuchte.
,,Was haben wir, Anderson?", fragte Greg und Genannter deutete uns an, ihm zu folgen.
,,Kommt mit! Heute habe ich was ganz Besonderes für euch."
,,Na, da bin ich ja mal gespannt!", entgegnete ich und wir folgten Anderson, der auf einmal einen warnenden Blick aufgesetzt hatte.
,,Ich hoffe, ihr habt noch nicht gefrühstückt."
,,Warum?"
Verwirrt sah ich ihn an, als wir schließlich den Tatort erreichten. Und ein Blick auf die Leiche reichte mir als Erklärung aus.
,,Boah!", brachte Greg hervor und wandte sich angewidert ab, während ich vielsagend auf die Leiche sah...oder besser gesagt auf das, was von ihr übrig war.
,,Oh!"
Ich ging ein paar Schritte näher an das gigantische runde Becken, woraus Dampf empor stieg. Die Leiche, oder vielmehr ihre Einzelteile, trieben verteilt an der Oberfläche und ich schmunzelte.
,,Tja, da hat wohl jemand versucht, ein Chemikalien-Bad zu nehmen. Dabei ist das doch ziemlich ätzend...im wahrsten Sinne des Wortes."
,,Ist das alles, was du dazu sagen kannst?"
Greg hielt sich die Nase zu und unterdrückte ganz offensichtlich einen Würgereiz. Etwas perplex sah ich ihn an, ehe ich nur den Kopf schüttelte und ihn leicht tadelnd musterte.
,,Das ist doch noch gar nichts! Beim FBI hab ich schon schlimmere Fälle gehabt."
,,Wirklich? Was denn für welche?", brachte Anderson neugierig hervor.
,,Naja, da war zum Beispiel die gespaltene Leiche im Naturkundemuseum...oder der kopflose Reiter auf dem Soldatenfriedhof. Ganz zu schweigen von der gegrillten Leiche im weißen Haus..."
,,Evelyn!", platzte es aus Greg heraus und ich hielt inne.
,,Was?"
,,Ich möchte nichts mehr von gegrillten oder gespaltenen Leichen hören. Dieses Opfer da reicht mir für den heutigen Morgen. Finden wir raus, wie er oder sie...in dieses Becken gekommen ist."
Ich musste ein wenig grinsen, denn Greg war sichtlich blass um die Nase und der Anblick der Leiche hatte ihn ohne Zweifel außer Fassung gebracht.
Während mein Partner nun die Informationen von Anderson aufnahm und dabei wahrlich jeden Augenkontakt mit der Leiche vermied, sah ich mich um und ging schließlich eine Treppe hoch, die zu einer Gitterfläche führte.
Es sah fast alles so aus, wie ein großes Schwimmbad einer Chemikalien-Halle und als ich oben war, suchte ich nach möglichen Hinweisen. Ich wusste nicht einmal, warum ich glaubte, hier oben etwas zu finden, aber mein Instinkt hatte mich noch nie getäuscht.
Ich suchte weiter und auf einmal fiel mein Blick auf etwas, das am Rand der Gitterfläche zu sehen war. Langsam kniete ich mich etwas hin und mir glitt ein triumphierendes Lächeln über das Gesicht, als ich die roten Flecken als Blut identifizierte.
,,Anderson, Sie sollten Ihre Leute mal nach hier oben schicken.", rief ich dem Leiter der Spurensicherung zu und dieser sah verwirrt nach oben.
,,Warum?"
,,Das hier scheint Blut zu sein. Möglicherweise von unserem Opfer...oder aber von unserem Täter.", rief ich zurück, woraufhin Greg irritiert war.
,,Unserem Täter?"
,,Ja!", gab ich zurück und stand wieder auf. ,,Denn ich bin mir ziemlich sicher...wer auch immer das da unten im Becken ist...der- oder diejenige ist nicht von allein dort drinnen gelandet. Es war ganz offensichtlich Mord!"
***
Nachdem Anderson und seine Spurensicherung sich daran gemacht hatten, nun auch den Rest der Halle gründlich auf den Kopf zu stellen, hatte Greg das Weite gesucht und sich stattdessen auf die Ergebnisse von Donovans Zeugenaussage konzentriert.
Ich hingegen, war aus der Fabrik rausgegangen und überlegte nun, was sich hier abgespielt haben könnte. Obwohl es ein schreckliches Schicksal war, das unser Opfer hatte hinnehmen müssendieser Fall war mehr als interessant und ich wollte unbedingt wissen, was dahinter steckte. Allerdings wurden meine Gedanken unterbrochen, denn ein Taxi machte einige Meter von mir entfernt Halt und aus dem stiegen niemand anders als Sherlock und John.
,,Ich sagte doch, ich will unter einer 7 nicht das Haus verlassen.", fluchte Sherlock und John klang schon sichtlich genervt.
,,Wie oft noch, Sherlock? Lestrade hat angerufen und gesagt, dass sich dies um einen besonders grauenvollen Fall handelt."
,,Ja! Wobei grauenvoll sicher wieder langweilig heißt.", entgegnete Sherlock gleichgültig und ich schmunzelte.
Mein Partner hatte die beiden also schon informiert und Sherlock wirkte mal wieder desinteressiert. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass sich das ändern würde, wenn er erstmal einen Blick auf unsere Leiche geworfen hatte. Die beiden steuerten auf mich zu und John schenkte mir ein höfliches Lächeln.
,,Guten Morgen, Evelyn!"
,,Guten Morgen! Ich wollte euch auch noch anrufen, aber das hat Greg mir offenbar schon abgenommen.", sagte ich und John nickte.
,,Ja! Er rief vor ca. 20 Minuten an. Wir waren ohnehin gerade in der Gegend."
,,Ach, ja? Etwa weitere Gräber schänden?", meinte ich mit einem vielsagenden Blick auf Sherlock. ,,Wie geht's denn Fuß und Schädel?"
,,Das Experiment ist noch nicht abgeschlossen.", erwiderte er nur und ich nickte verständlich.
,,Dachte ich mir! Tja, dann wollen Sie vielleicht einen Blick auf unsere Leiche werfen?"
,,Was soll an der bitte so interessant sein?", raunte Sherlock mir entgegen und ich zuckte mit den Schultern.
,,Naja, halb aufgelöst in einem Chemikalien-Bad...ich finde das schon sehenswert."
Für einen kurzen Moment wirkte Sherlock noch desinteressiert, doch dann hellte sich seine Miene ein wenig auf und in seinen Augen schien ein leichtes Anzeichen von Vorfreude aufzulodern.
,,Führen Sie mich hin!"
,,Aber sicher, Mr. Holmes!", meinte ich und wollte gerade mit den beiden in die Fabrik gehen, als auf einmal die Stimme von Donovan meine Aufmerksamkeit erregte.
,,Hey, Sie da...Sie dürfen nicht hier sein. Gehen Sie wieder hinter die Absperrung."
Ich drehte mich um und warf einen Blick zu meiner Kollegin, die gerade dabei war, einen ziemlich stur köpfigen Zivilisten zurechtzuweisen. Dieser schien sich davon jedoch nicht beeindrucken zu lassen, denn er protestierte nur.
,,Ich muss hier durch."
,,Und ich muss Sie davon abhalten!", widersprach Donovan.
,,Sie verstehen das nicht. Es geht um Leben und Tod!"
Ich runzelte die Stirn. Irgendwie kam mir die Stimme bekannt vor und als sich der Zivilist schließlich geschickt an meiner Kollegin vorbeidrängte, bekam ich ihn auch mal zu Gesicht. Donovan jagte schon hinter ihm her und er kam direkt auf Sherlock, John und mich zu und als ich ihn erkannte, stöhnte ich genervt auf.
,,Oh, nein! Das darf doch wohl nicht wahr sein."
,,Was ist denn?", fragte John und war sichtlich irritiert.
Ich antwortete nicht, denn der Zivilist machte gerade vor uns Halt und als sein Blick auf mich fiel, grinste er breit über das ganze Gesicht und schien sich mehr über unsere Begegnung zu freuen, als mir lieb war.
,,Na, sieh mal Einer an. Lange nicht gesehen, Evelyn!", sagte er und ich spürte die verwirrten Blicke von Sherlock und John, die auf mir lagen, als ich seufzte und mich augenblicklich an einen anderen Ort wünschte.
,,Hallo, Liam!"
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