Zittern

Elena blickte über den Rand ihres Zeichenblocks. Seit Mycrofts Besuch hatte Sherlock in seiner Position verharrt. Es erinnerte sie an ihr erstes Treffen, der leere Blick, hinter dem etwas unfassbares vorging was ihren Augen verborgen blieb. Doch die Stille rührte nicht bloß von Sherlock her. Auch Watson hatte sich seit den Geschehnissen in Schweigen gehüllt.

Zu Beginn hatte er bloß aus dem Fenster gesehen und den Verlauf des Regens verfolgt. Danach war er in der Wohnung auf und ab gelaufen. Nun beobachtete er jede Bewegung, welche ihren Bleistift über das weiße Papier führte. Matt seufzte sie.

,,Sie wissen, dass sie mit Mary reden sollten?"

,,Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte." skeptisch betrachtete die Latina das abwehrende Verhalten des ehemaligen Militärarztes.

,,Es gibt exakt 24 Gründe 2 davon-"

,,Es gibt einen guten Grund." unterbrach sie den Lockenschopf, welcher seine Teilnahme nicht ungünstiger hatte wählen können.

Erwartungsvoll studierten sie eisige Augen.

,,Ihre Wut, ihre Gefühle für sie, ihre Enttäuschung all das was sie von Mary fernhält ist ihre Entscheidung, John. Sie müssen sich damit auseinandersetzen. Aber ihr Kind...für ihr Kind gilt das nicht." ertappt blickte der Blonde zu Boden. ,,Wenn sie nicht für Mary da sein können, seien sie für ihr Kind da." sie konnte erkennen wie John mit sich rang seine Finger verkrampften sich. Schließlich erschlaffte der Widerstand und ergeben nickte er. Sein Daumen spielte nervös mit dem Ring an seinem Finger, was auch Sherlock nicht entging. Der Soldat seufzte.

,,Ich werde-Ich gehe und sehe nach meiner Tochter." zögernd nickte er Elena zu. Etwas ungelenk wandte er sich auch an den Dunkelhaarigen welcher abwesend schien.

Geladen stürmte John vorbei an Mrs. Hudson welche mit einem Tee eintrat. ,,Aber der Tee!" rief diese dem Arzt hinterher, welcher ihre Worte nicht mehr hören konnte. ,,Ich würde mich über eine Tasse freuen." sagte sie sanft an die überrumpelte Hausherrin gewandt. Diese nickte hastig. ,,Ich bin sicher, Sherlock würde eine Tasse ebenfalls genießen." als der Detektiv sich genervt zu ihr drehte löste sich eine seiner Locken.

Ihre Finger zuckten unter dem plötzlichen Bedürfnis sie aus dem Gesicht zu streichen. Lächelnd reichte Mrs. Hudson dem Holmes den Tee.

Elena konnte erkennen, dass dieser nicht erfreut war und doch nahm er, ohne zu murren das Angebot der alten Dame an. Zufrieden ließ sie sich zu ihr auf das Sofa sinken.

,,Sagen Sie haben sie das gezeichnet?"

Ein beschämtes Lächeln trat auf die Züge der Braunhaarigen und ließ den älteren Aufhorchen.

,,Es ist nicht..Ich..." stammelte die Künstlerin und eine peinliche Röte schlich sich auf ihre Wangen als ihre Vermieterin die Zeichnung nahm und sie Sherlock zeigte. Ein warmes Gefühl erfüllte ihre Brust als sie das leichte Zucken der Mundwinkel erkannte. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und nahm den Block hastig an sich.

,,Es war nicht-Ich hatte nur gedacht sie würden sich als Motiv ergeben." sie senkte den Blick.

Sherlock schnaubte und ließ sie aufblicken.

,,Es ist gut."

Perplex starrte sie den Mann vor sich an. Grün gefesselt von Blau. Erfreut lachte Mrs. Hudson auf und ließ beide erschrocken zusammenzucken.

Verwirrt sah sie der Frau nach.

,, Es war also ihr Vater? Der sie zum Drogenkonsum nötigte und schließlich dem gemeinsamen Essen nicht mehr beiwohnte weil er ihnen selbst verfallen war?"

Sie konnte den ernsten Blick auf sich spüren. Sie fühlte den Stimmungsumschwung als wären die Temperaturen mit einem Mal um zehn Grad gesunken. Entsetzt sah sie zu ihrem Gegenüber, dieser nippte unberührt an seinem Tee.

,,Nein." erwiderte sie zögernd, konnte seine plötzliche Deduktion nicht einordnen ,,Sie haben recht er war es, der die Essen ausfallen ließ. Allerdings hätte er mich niemals zu etwas derartigem gezwungen." Die Bedeutung ihrer Worte entsprachen der Wahrheit doch etwas in der Wahl passte nicht hinein.

Erneut unterzog er die Amerikanerin einer Musterung. Ihm war bewusst, dass er sich auf dünnes Eis wagte. Elena lehnte sich zurück, wandte sich von ihm ab. Ihre Handflächen begannen zu schwitzen ihr Herzschlag beschleunigte sich und das unkontrollierte Zucken ihrer rechten Hand bewiesen ihm, dass sie sich gegen seine Fragen wehren wollte. Doch sie tat es nicht. Etwas hielt sie zurück. Und das war es was ihn Antrieb.

Ihre Hände bebten kaum merklich und sie ließ die Tasse auf den hölzernen Beistelltisch nieder.

Sie verschränkte die Arme, ihre Hände in den Ellen vergraben. Keuchte leise als ein Schmerz, der von ihren Rippen ausging ihren Körper durchfuhr. Doch entging ihm nicht wie sie schützend die Finger über ihre Venen legte. Da setzte sich alles zusammen.

,,Haben sie die Drogen unter Zwang genommen?"

Er achtete auf die Wahl seiner Worte und deren Betonung. Auch wenn Sherlock es niemals zugeben würde, empfand er in dieser Ebene etwas wie Einfühlungsvermögen. ,,Das sagte ich bereits." unterbrach sie ihn. Ihre Knöchel traten weiß hervor und auch ihr Kiefer spannte sich sichtlich an.

,,Oder wurden sie ihnen zugeführt?" ein simpler Unterschied und doch zu bedeutend.

Ihre Pupillen weiteren sich kaum merklich. Die Venen am Hals spannten sich und zeugten, dass sie die Luft anhielt. Kurz darauf das zwanghafte Schlucken. Die Fingernägel die über den Stoff ihrer Elle kratzten. Die roten Flecken die sich über den klopfenden Brustkorb erstreckten.

,,Sie sollten aufhören, Sherlock."

Keine Aufforderung, keine Warnung. John hatte ihn oft genug gewarnt, dass er in seinem Wissenshunger Grenzen überschritt.

Doch diese Grenze war verschwommen, sie war verflossen in etwas das sie nicht verhindern konnte.

Das waren die Geschäftsbedingungen.

Sherlock lehnte sich vor, ihr gegenüber die Hände unterm Kinn gefalten. Sein Blick widmete sich ihr und jeder ihrer Regung. ,,Man hat sie also zwanghaft unter Drogen gesetzt, jedoch ohne dass sie selbst am Konsum beteiligt waren." deduzierte er weiter.

Das Schlucken wiederholte sich und ihre Zunge fand den Weg über ihre spröden Lippen. Ihre Fingerkuppen welche sich in ihre Haut gruben. Er hörte sie ein und ausatmen zunächst zittrig dann kontrolliert. Ihre Lider hatte sie geschlossen. Er hatte das bereits einmal bei ihr gesehen.

,,Sherlock." ruhig entflohen die Worte die Kehle der Latina. Beherrscht.

Das Beben der Hände hatte aufgehört. Ihre Miene war simpel, diesmal schenkte sie ihm kein Lächeln.

Doch, obwohl sie sich Mühe gab gelang es ihr nicht die aufgezwungene Ruhe auf ihre natürlichen körperlichen Reaktionen zu übertragen.

,,Zunächst hatte ich eine fehlgeleitete Partnerschaft oder eine Sekte im Verdacht." verkündete der Detektiv. Seine Hand legte sich auf ihren Arm wandte ihn zu sich.

,,Ihre Kleider, haben alle diese bestimmte Falte. Es ist eine Falttechnik angewandt in Nervenheilanstalten im Westen Amerikas. Sie hinterlässt eine typische Falte an langen Ärmeln und der Rückenpartie. Beinahe unsichtbar wenn man nicht darauf achtet." Seine Fingerkuppen konnten durch den Kontakt den unregelmäßigen Puls der Frau spüren. Auch die Mühsame Fassade bröckelte.

Die Fabrik des Stoffes raschelte leicht unter der Berührung und es tauchte sie in Gänsehaut. Gefesselt lag ihr Blick auf den Konturen des Lockenschopfes.

,,Allerdings..."

Sherlock konnte ihren Duft erhaschen und entgegen seines Erwartens war es kein teures Parfüm. Er filterte eine Hauch Lavendel und Kokos.

,,War ich in keiner Anstalt." beendete sie seinen Satz bewusst wie nahe sie sich waren. Er nickte seine Hand an ihrem Arm ruhend. Und während ihr Blick in seinem lag konnte er sehen wie eine Erkenntnis sich in ihren Geiste bahnte.

,,Ihre Hand zittert, Mr.Holmes." Er überging die namentliche Distanz, welche sie nutzte um ihre körperliche Nähe zu kompensieren. Er zog seine Hand zurück doch filigrane Finger hielten ihn davon ab.

Erstaunt betrachte sie das kaum merkliche Beben welches kurz darauf aussetzte. Besorgt blickte sie auf.

Sie war zu nahe.

Sie berührte ihn.

Sie störte ihn.

Es beunruhigte ihn.

Das Zittern begann und setzte kurz darauf aus.

Er hatte es bereits diagnostiziert auch der Grund für das Auftreten war ihm bewusst.

,,Es nennt sich psychogener Tremor. Es ist eine Form eines Muskelzuckens verursacht durch ein Psychisches Trauma." Erstaunt blickte sie auf die Hand in ihrer und irritiert beobachtete der Holmes wie sie diese zögernd mit den Fingerkuppen nachfuhr. ,,Sie sind dazu fähig? Also ein Psychisches Trauma zu erleiden?" sie hatte keinesfalls beabsichtigt ihn zu beleidigen ihre Augen zeugten von purer Neugierde.

,,Ich bin ein Soziopath, kein Roboter." und zum ersten Mal entdeckte sie etwas verletzliches das von Sherlock ausging.

Seine Augenbrauen schoben sich zueinander, seine Stirn lag in Falten, seine Miene wirkte düster und sein Blick lag gebannt auf ihren Fingern.

,,Stimmt, die Leute vergessen manchmal dass sie ein Mensch sind." Hauchte sie, ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen als der Dunkelhaarige seine freie Hand auf ihre legte und sie zum Stoppen zwang.

,,Ich habe einmal gelesen, Soziopathen seien je nach Ausführung durchaus in der Lage eingeschränkte Empathie zu empfinden. Seien allerdings durch diese Einschränkung für viele nicht Sozialisationsfähig. Trifft das auch auf sie zu?"


,,Sagen Sie es mir?" ihre Pupillen erweiterten sich minimal als sie das zucken seiner Mundwinkel erfassten

Ihm war bewusst welche Wirkung es auf sie hatte, schien ihm aber unergründlich weshalb.

,,Was hat zu dem Tremor geführt?" verlangte sie zu wissen und ließ die blassen Hände aus ihren sinken.

,,Ein Fall." antwortete er, sich der Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst.

Sie schluckte und ihre Zungenspitze fuhr erneut über die spröden Lippen. Ein nervöses Schlucken. ,,Obwohl sie wussten das sie ihn überleben?" er hatte geahnt dass sie seine Anspielung verstehen würde.

Er konnte erkennen wie ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte. Sie war aufgeregt.

Elena war erstaunt wie viel der Consulting Detektiv von sich preisgab.

,,Ich hatte sämtliche Szenarien und deren Ausgang eingeplant und alle Ausweichmöglichkeiten bedacht." Sie lachte ob des Eigenlobs des Älteren. ,,Natürlich." sie rollte mit den Augen, belustigt, da sie genau diese Antwort erwartet hatte.

,,Aber Moriarty war, Pardon, ist mir möglicherweise intellektuell ebenbürtig was bedeutete, dass sämtliche Kalkulation nur eine 80% Überlebenschance bewerkstelligten." Betroffen fiel ihre Sicht auf das Zittern seiner Hand. ,,Achtzig Prozent? Das bedeutet durch die anderen zwanzig Prozent-"

,,Habe ich einkalkuliert tatsächlich Selbstmord zu begehen."

Ihr würde übel bei dem Gedanken daran. Sie schüttelte den Kopf spürte, wie sich ein mulmiges Gefühl in ihr ausbreitete. ,,Tatsächlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass Moriarty sich mit einer Waffe erschießen würde, doch dass er Johns, Mrs. Hudsons und Gregs Leben bedrohte...Allerdings hatte es dennoch nichts an meinen-"

,,Sherlock! Sie waren bereit ihr Leben für das ihrer Freunde zu beenden?"

Perplex sah er zu der Amerikanerin, die aufgeregt aufgesprungen war. Trotzdem sprach sie ihre Worte sanft, beinahe wispernd.

Kleine Falten legten sich um seine Augen als er sie fragend zusammenkniff. Sie sank vor dem Detektiv auf die Knie und nahm die Hände des überrumpelten Mannes. ,,Wie können sie nur an ihrer eigenen Menschlichkeit zweifeln, wenn sie zu so etwas fähig sind?" Ihre Miene wirkte entsetzt und in ihren Augen spiegelte sich tiefes Mitgefühl.

Beides konnte er nicht zuordnen und es verunsicherte ihn.

Und obwohl er sich in diesem Moment beunruhigt fühlte, setzte das Zittern nicht ein.

Bloß die Wärme welche ihre Berührung übertrug erfüllte seine Hand.

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