Tantchen

Entnervt ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen. London war eine Großstadt, ein Touristenmagnet aber die Menschenmassen, die sich in die kleinsten Supermärkte drängten ließen sie an ihre Grenzen stoßen.

,,Oh, Elena. Schätzchen. Hast du an die eingelegten Kirschen gedacht?" Lächelnd griff sie in ihre Papiertüte und reichte der alten Dame ihre Kirschen. ,,Betty lässt ihnen Grüße ausrichten, Mrs. Hudson." sagte sie und schmunzelte bei dem freudigen Gesicht ihrer Vermieterin.

,,Du bist ein Engel." juchzte sie und verschwand in ihre Gemächer.

Wenn bloß jeder in diesem Haus sie so begrüßen würde. Seufzend stieg sie die Stufen hinauf, darauf bedacht die 6. die 14. und die zweitletzte auszulassen, da diese Knarzten. Natürlich ein Geräusch, welches den Denkprozess störte, dachte sie trocken. Bemüht möglichst kein Geräusch zu machen betrat sie die Wohnung und flüchtete in die Küche.

Seufzend stellte sie die Tüte mit dem Einkauf auf dem Tisch ab.

Eine Woche, eine Woche war vergangen seit John die Bakerstreet verlassen hatte. Offensichtlich hatte er auch nicht vor sie wieder zu besuchen. Ab und an traf Elena sich mit John auf einen Kaffee doch vermied tunlichst das Thema Sherlock. Erneut seufzend begann sie den Einkauf zu verräumen. Als sie die eingelegte Milz neben ihrem Sandwich entdeckte beschloss sie, heute auf das Abendessen zu verzichten. Nachdem alles am richtigen Platz war, betrat sie das Wohnzimmer.

,,Haben sie die Milch bekommen?" Elena brummte nur zustimmend und ließ sich auf den Sessel fallen. ,,Sie haben keinerlei Suchtmittel zu sich genommen?"

,,Ich bitte sie für wen halten sie mich?"

Für einen arroganten überheblichen..., dachte sie bei sich.

,,Nikotinpflaster?"

,,Ja." er schob seine Ärmel hoch. ,,Nur drei. Sie bessern sich." sie nahm die Zeitung auf dem Tisch und warf desinteressiert einen Blick hinein. In der Zeit die John nun bereits fehlte hatte sie sämtliche Eigenarten kennengelernt. Seine Sucht, sein Ausgleich mit Adrenalin, seine Experimente, seine Studien an Mitbewohnern, seine Forschungsobjekte in der Küche, seine Langweile... Alles.

Und so langsam verstand sie John. Sie war erschöpft, ermüdet von dem Job, der sie sämtliche Zeit kostete.

,,Sie sehen erschöpft aus."

,,Sie lassen nach, Sherlock." sie legte die Zeitung beiseite.

,,Ich werde nicht mehr gefordert, aber nachlassen?"

,,Und weshalb liegt die Waffe dann noch immer auf Johns ehemaligem Bett?"

Sherlock schien nicht weiter darauf einzugehen, weshalb sie es dabei beließ. Natürlich hatten weder Sherlock noch John ein Wort über Moriarty verloren. Erfahren hatte sie über die damaligen Geschehnisse von Greg Lestrade den sie bei ihrer Zusammenarbeit mit Sherlock kennenlernte. Noch immer erschauderte sie als sie an seine Worte zurückdachte.

,,Sagen sie, haben sie mit Graig geredet?"

,,Mit wem?" Sie lehnte sich zurück und blickte verwirrt auf den Detektiv.

,,Graue Haare, Marke, Inspector?"

,,Greg?" stellte sie ungläubig fest.

,,Habe ich doch gesagt." Sherlock ließ unbeeindruckt sein Blick über den Kaminsims schweifen.

,,Das habe ich, und bis sie sich nicht für ihr Verhalten bei der Familie des ermordeten Clowns entschuldigen, wird er sie nicht mehr zu Rate ziehen." Sie bemerkte amüsiert, wie sehr Sherlock das missfiel. ,,Sie müssen lernen mit den Menschen in ihrer Umgebung besser umzugehen." Ein Schnauben. ,,Sein sie nicht so stur. Ihnen ist langweilig, sie brauchen die Fälle und John brauchen sie auch." es wurde Zeit die Karten auf den Tisch zu legen.

,,Und wenn sie weiter machen, dann haben sie niemanden mehr."

,,Ich habe sie." Elena würde lügen, wenn sie sagen würde sie wäre nicht überrascht. Solche Worte aus dem Mund dieses Mannes?

Natürlich würde sie Sherlock nicht verlassen.

Rein Geschäftliche Gründe, offensichtlich.

,,Und wie lange? Wann werde ich ihnen zu Langweilig?" Sherlock sah auf wie immer unbeeindruckt. Sie bereute die Worte bereits, nachdem sie sie ausgesprochen hatte.

,,Sie glauben doch nicht etwa, dass sie jemals Interessant waren?"

Und da war es. Die Antwort die sie erwartet hatte. Und entgegen ihrer Erwartungen berührte es sie nicht. Es lag in seiner Natur. Er war verletzt. John hatte ihn verlassen und sein Leid trug er nun an allen anderen aus. Sie war kein Psychologe, keinesfalls. Dennoch diese Abwehrmechanismen waren ihr ein Begriff. Bereits einmal hatte sie dies erlebt.

,,Bin ich das? Interessant? Ich bezweifle." sie schüttelte den Kopf.

Sherlock war genervt. Es war der siebte versuch in Folge. Allein am heutigen Tag hatte er sieben Versuche gestartet sie loszuwerden.

Sie störte. Sie verwirrte ihn.

Sie kochte und zwang ihn zum Essen.

Sie säuberte und kaufte ein.

Sie sorgte für sein Wohlergehen.

Kümmerte sich um seine Langweile.

Und jedes Mal wenn er glaubte er würde zurückfallen hielt sie ihn bei Laune.

Egal was er tat sie blieb und ließ sich nicht von ihm vergraulen.

Was hielt dieses Weib bloß bei ihm?

War es Geld?

Seine Intelligenz?

War es sein Können?

War es eine Art Stockholm-Syndrom?

War es Begierde?

Sherlock musterte sie.

Auch wenn er es nie zugeben würde, etwas an ihr blieb ihm verborgen.

Es war nicht wie damals bei Mary, er ließ sich nicht täuschen.

Aber da war etwas, das nicht so recht ins Bild passte.

,,Wann haben sie aufgehört zu malen?"

,,Ich habe nicht aufgehört. Ich reduziere." Sie las ein Buch, blickte nicht auf als sie sprach.

,,Ein neuer Job?" hakte er nach.

,,Fulltime." sie hob die Brauen und blickte über den Rand des Buches zu ihm.

Er verstand ihre kleine Anspielung.

,,Ein Mann?" Sie seufzte.

,,Ein Kind." stellte sie klar und ihm war bewusst, dass er gemeint war.

Sie kannte dieses Spiel.

Jeden Tag aufs Neue begann Sherlock Fragen zu stellen. Sie wusste nicht, was er versuchte zu finden aber sie beantwortete.

Das war ihr Job.

,,Haben sie einen Mann?" Sie grinste amüsiert.

,,Habe ich?" manchmal fühlte es sich so an. Wenn man den Körperlichen Aspekt beiseiteließ.

,,Wollen sie einen Mann?"

,,Ist das ein Angebot?" sie kam nicht umhin ein Lachen zu äußern.

Sherlock blickte sie an, unwissend.

,,Sarkasmus, Sherlock." stellte sie klar.

Der Lockenkopf schien noch tiefer in Gedanken zu versinken und sie widmete sich erleichtert ihrem Buch.

Jedoch zu ihrem Bedauern, unterbrach sie das leise Klingeln ihres Handys. ,,Nicht einen Moment ruhe." ächzte sie und erhob sich. Schnauben nahm sie ab. ,,Ich bin eine entfernte Tante. Begrüßen sie mich und gehen sie ihn ihr Schlafgemach." Auch das noch, dachte sie zerknirscht. ,,Tantchen, lange nichts gehört." Sie klang wenig begeistert, aber Sherlock zeigte kein Interesse.

Sie schloss die Tür hinter sich und gab grünes Licht. ,,Besondere Vorkommnisse?"

,,Hallo Mycroft, schön, dass sie anrufen. Wie es mir geht? Gut. Und ihnen? Das freut mich. Was macht die Arbeit-"

,,Lassen sie den Unsinn."

,,Eine entfernte Tante? Ist das ihr heimlicher Wunsch? Ich meine nichts für ungut aber die Auswahl war groß. Onkel? Bruder? Cousi-"

,,Mrs. Clarke!" Sein Ton war schneidend. Zu oft hatte sie die Grenze bereits überschritten. Hätte sie nicht bereits eine derartige Bindung zu Sherlock hätte er sie längst entsorgt. ,,E-Entschuldigen sie. Ich habe viel um die Ohren. Ihr Bruder ist...er ist..."

,,Ich weiß, meine Liebe" sagte der ältere Holmes kalt.

,,Es gibt nichts neues. Nikotinpflaster, Essen und Experimente halten ihn bei Laune. Aber seit dem Disput mit Greg wird es schlimmer."

,,Um Lestrade kümmere ich mich. Sie sorgen für Ablenkung." Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte ihr Gesprächspartner aufgelegt. ,,Elender..."murmelte sie als sie den Raum verließ.

,,Sie sind wütend. Ist es wegen der zweifelhaften Tante?" Ihr Herz blieb stehen und sie glaubte jeden Moment umzukippen.

Sherlock der sie äußerst Misstrauisch betrachtete machte das Ganze nicht gerade einfacher.

,,Oder ist es wegen..."

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