Erinnerungen

Das Ticken der Uhr war beinahe spürbar in ihren Knochen. Nach dem versprochenen Bad der älteren Dame hatte sich die Latina in ein wärmeres Gewand geschlungen. Kaum hatte ihr Fuß die Schwelle übertreten hatte der tiefblaue Blick sie eingefangen.

Wortlos hatte sie sich mit Stift und Papier gewappnet und sich ans Werk gemacht.

Aus dem bloßen Gedächtnis fiel es ihr schwer die Züge des Vermummten zu Skizzieren. Die brennenden Blicke auf ihr, ließen das noch immer erhaltene Beben nicht verebben.

Ein seufzen löste sich aus ihrer Kehle, während sie den Stift auf der halbfertigen Zeichnung niederlegte.



,,Sie machen das Ganze nicht wirklich einfacher." sie fasste ihren Mut und blickte zu dem Detektiv auf. Sherlock wirkte resigniert, seine Miene kalt. Einzig seine Augen zeugten von dem Gedankensturm, welcher in ihm herrschte.

,, Details."

,,Bitte?"

,,Nennen sie Details. Beschreiben sie ihn...deduzieren sie ihn."

Sie atmete tief ein und legte den Block ihres Schoßes.

,,Ich bin nicht wie sie, Sherlock." erwiderte sie ernst. Sie erwartete Enttäuschung, Aufruhr oder Missbilligung. Der Holmes rutschte zu ihr. Und so saßen sie wie zuvor, Knie an Knie kaum mehr Abstand zwischen den Silhouetten.

,,Schließen sie ihre Augen." der Tiefe Bariton durchzog ihre Glieder und ihr Herz stolperte für einen Moment. Ihre Lider sanken willenlos und tauchten ihre Sicht in Schwarz.

,,Wonach roch es, als sie die Bakerstreet verließen."

Ihre Stirn legte sich in Falten und Skepsis überwog ihre Gedanken.

,,Wonach roch es?" wiederholte der Ältere und sie glaubte er sei noch näher gerutscht.

Ein Erinnerungsfetzen schob sich in ihr Bewusstsein und sie sog die kühle Luft ein als würde diese, sie noch immer umgeben.

,,Winter...und Regen."

,,Wie fühlte es sich an, während sie die Straßen entlang liefen?"

,,Kalt. Leer. Es war unerwartet leer."

Sie hörte ein zustimmendes Brummen ihres Gegenübers und ihre Hände zuckten an ihren Knien.

Ihre Fingerkuppen berührten den samtenen Stoff, der seine langen Beine umwarb. Die Erinnerung, welche sie allmählich greifbar machte, verblasste ein wenig und ihr Verstand vernebelte. Schluckend zog die Latina ihre Hände zurück und ballte sie in ihrem Schoß zu Fäusten.

,,Wonach hat er gerochen, als sie ihm begegneten?"

,,Stechend." murmelte sie ohne, dass ihr der Gedanke gekommen war.

,,Stechend, wie?" bohrte der Holmes weiter.

,,Chemie?" fügte er hinzu und sie schüttelte den Kopf.

,,Rauch. Er roch nach Rauch und einem billigen Rasierwasser." und während sie versuchte den Geruch deutlicher zu identifizieren bildete sich allmählich das Gesicht Ajays in ihrem Bewusstsein.

Schlagartig öffnete sie ihre Augen und erschrak als unweit vor ihr das markante Gesichts Sherlocks verharrte.

,,Ich hab's." hauchte sie irritiert.

Mit so wenig Bewegung wie möglich ergriff sie ihren Block und brachte zu Papier was sie gesehen hatte. Der Holmes ließ sich derweil zurück in seine Polster sinken.

,,Was war das?" wagte sie zu fragen, während sie die Mine über das Papier jagte.

,,Das Gehirn verbindet den Geruchssinn direkt mit dem Emotionszentrum. Ebenso unterstützt es die Fähigkeit Erinnerungen hervorzurufen. Für einfältige Menschen, natürlich äußerst wirksam."

Sie atmete ein, senkte den Blick und ließ sich leise glucksend in das Sofa zurückfallen. ,,Sie können diese Beleidigungen nicht sein lassen, nicht?" Seine Mundwinkel zuckten und er ließ seinen Blick über die Zeichnung gleiten.

,,Ich habe sie beleidigt?"

Ein schmunzelnd kräuselte ihre Lippen und sie tippte mit dem Stift auf die Skizze.

,,Wieso war mein Bruder bei Ihnen?" Ihr Lächeln gefror und ihre Bewegungen stockten. Sie atmete auf und legte den Stift nieder.

,,Sie kennen ihren Bruder, nicht Sherlock?" unbeeindruckt tippte der Detektiv einen gleichmäßigen Takt gegen seine Beine. ,,Dennoch scheint Mycroft ein intensiveres Interesse an ihnen zu zeigen."

Die Lateinamerikanerin war bemüht ihre Mimik unter Kontrolle zu halten. Sie wusste nicht, ob sie sich verriet. Ob ihre Pupillen sich weiteten, ihr Herz zu schnell schlug oder ihre Hautrötung sie verriet.

,,Er scheint lediglich kein Vertrauen in mich zu haben."

,,Mein Bruder vertraut niemanden, nicht einmal der Familie." der Lockenschopf legte die Hände aneinander und lehnte sie an sein Kinn. ,,Scheint in der Familie zu liegen." Die Worte stolperten über ihre Lippen und sie spürte das Zucken ihrer Muskeln, die der Anspannung nachgaben. Das ruhelose Grün legte sich auf das stechende Blau. Der Holmes schnaubte.

,,Wir genossen nie eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren Namensgebern." Noch immer schien Sherlock ihrer Unterhaltung nicht abgeneigt.

,,Sie meinem ihre Eltern." stellte sie überrascht fest. ,,Wenn sie es so bezeichnen möchten."

Elena schüttelte den Kopf. „Es ist seltsam jemanden in solch einer Weise über seine Familie sprechen zu hören. " Sein Zeigefinger und sein Daumen legte sich um den schwarzen Stoff und während er sich erhob, zupfte er die Beine zurecht.

„Lassen Sie mich Ihnen etwas erläutern." Die Brünette legte den Kopf in den Nacken und sah zu dem Lockenschopf auf. „Zu Beziehungen wie sie es kennen, sind die Holmes nicht fähig." Mit diesen Worten presste er sich an der Latina vorbei und verschwand in der Küche.

Sie hörte das klacken des Bunsenbrenners, das Blubbern eines seiner Experimente. Sie pustete die Luft aus ihren Lungen und senkte den Kopf. In ihren Knochen konnte sie noch immer die Nachwehen Mycrofts spüren. Stöhnend grub sie ihre Fingernägel in ihren Nacken, versuchte die Quelle des Ziehens zu erreichen. Mit ihrer anderen Hand fische sie ihr Handy des Cafétischs. Etwas ungelenk schoss sie ein Bild ihrer Zeichnung und ließ es ihrem Arbeitgeber zukommen.

Sie hob es an betrachtete es in dem Licht genauer.

Mit einem Schmunzeln legte sie es neben die Zeichnung, die sie von dem Holmes gefertigt hatte. Sie drehte die bleierne Miene nachdenklich zwischen ihren Fingern. Betrachtete Das schwache schimmern. Ein tiefes stöhnen entglitt ihren Lippen als sich ihre Rippen mit einem Stechen bemerkbar machten.

Sie schnaubte. Vermutlich hatte sie sämtlichen ärztlichen Anweisungen widersprochen. Sie umgriff den Stift fester und sank gegen die Lehne.

Sie würde nur einen Moment die Augen schließen. Sich ausruhen.

Sie spürte, dass Lächeln auf ihren Lippen. Der Detektiv hatte die Gabe das Beste in ihr hervorzurufen.

Sie seufzte Tief. Es hatte sich gut angefühlt das markante Profil Sherlocks auf Papier zu verewigen. Es hatte sich gut angefühlt Mary und John durch die Zeichnung Ajays zu helfen.

Sie genoss das warme Gefühl, dass durch ihre Brust in ihre Finger zog.

Es fühlte sich gut an.

Ein Fetzen nur für eine Millisekunde Blitze in ihren Gedanken auf. Es war dunkler als die Straßen Londons. Kälter als die Bakerstreet, auch ohne Loch in der Fassade. Ob es die Nachwirkungen des Morphin waren, die sie an solche Dinge zurückdenken denken ließ? Sie ballte die Fäuste glaubte die Schmerzen darin noch immer zu spüren.

Ihre Kiefer spannte sich an als ihre Hand auf den kleinen Widerstand stieß.

Sie glaubte das fiepen der Ratten, welche ihr damals beigewohnt hatten zu hören. Nach was hatte es gerochen?

War es ekelerregend gewesen?

Sie driftet ab. Spürte wie das Blei allmählich ihren Fingern entglitt.

Und bevor sich ihr Bewusstsein ihr völlig entzog, erinnerte sie sich.

Moder und Tod.

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