Eismann
Elena hatte sich nicht gewundert als sie vor der Türe eine Limousine erwartete.
Durch die getönten Scheiben konnte sie nicht ins Innere des Wagens sehen. Die Blicke des Detektivs, welcher ihnen durch das letzte erhaltene Fenster hinterherblickte, hatte sie jedoch durch das schwarze Glas erkennen können.
Wie der Gentlemen, der er nun mal war hielt John ihr die Türe auf und folgte ihr, ohne zu zögern ins Wageninnere. Die blonde Frau welche Elena bereits bei ihrem Ankommen in London getroffen hatte würdigte sie keines Blickes. Stattdessen sah Anthea gelangweilt auf das Smartphone in ihrer Hand.
Mit einem Mal fragte sie sich, warum Mycroft so eine bezaubernde Frau in seinen Diensten hatte, wenn er diese nicht bei sich hielt.
Ein letzter Blick auf die 221 b und der Wagen setzte sich in Bewegung. Kleine Falten legten sich um die Müden Augen des ehemaligen Offiziers als er ihr ein Lächeln schenkte. Sie erwiderte und warf einen Blick auf die Szenerie, welche an ihnen vorbeizog.
,,Sagen Sie, John..." der Arzt sah auf. ,,Hatten sie schon einmal das Gefühl Sherlock vertraut ihnen nicht?"
Die Latina blickte skeptisch zum Blonden der plötzlich von einem Lachen geschüttelt wurde. Er schüttelte den Kopf und ein amüsierter Ausdruck flog über seine Züge.
,,Ich könnte Ihnen keine Minute sagen, in der ich das Gefühl hatte Sherlock würde mir vertrauen." er räusperte sich doch ein belustigtes Grinsen verblieb. Er schien seinen Worten Glauben zu schenken als sie über seine spröden Lippen fielen. Seine Finger kratzen abwesend über den Bart, der sich in den letzten Tagen über sein Gesicht gelegt hatte. Sie nickte zögernd.,, Sie beide haben eine seltsame Beziehung."
John zog die Nase hoch und nickte zustimmend. Es gab für ihn keine anderen Worte, um seine Beziehung zu seinem Besten Freund zu beschreiben. Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Es war keine unangenehme Stille, doch John wirkte nachdenklich.
Seine Pupillen zuckten unkontrolliert bei dem Versuch etwas aus der Umgebung, an der sie vorbeizogen aufzufassen. Seine Finger trommelten nervös auf der Verkleidung der Tür. Erst als der Wagen stoppte und die Blondine ausstieg richteten sich die blauen Augen wieder auf sie. Diesmal deutete er ihr zu warten und stieg vor ihr aus dem Wagen. Er schien ihre Umgebung zu betrachten, ehe er seine Hand ausstreckte und ihr aus dem Wagen half.
Vor ihnen erstreckte sich eine Art Militär Gebiet. Um sie herum standen zahlreiche Wachen und das Gebäude war durch dicke Mauern und Stacheldraht umgeben. Die Basis wirkte im Gegensatz zu der letzten kleinlich.
Elena schluckte und umfasste die Hand des ehemaligen Offiziers fester.
Etwas in Entfernung erkannte man ein Gebäude und vor eben diesem einen Mann.
,, Wusstest du das er Eismann genannt wird?" versuchte John die sichtbar nervöse Amerikanerin zu lockern.
Eine treffende Beschreibung, dachte sie bei sich, während sie den älteren Holmes betrachtete.
Entspannt, mit einer Hand auf dem Schirm gestützt beobachtete er wie die beiden auf sie zukamen. Seine Miene wirkte versteinert, obwohl er lächelte. Seine blauen Augen scannten jede Bewegung und Regung. Vermutlich konnte er bereits erkennen mit welchem Bein sie heute Morgen aus dem Bett getreten war.
,,Mrs. Clarke, ich bin überrascht sie zu sehen." die Nase rümpfte sich kaum merklich.
Sie wusste, dass ihm bereits vor ihrer Ankunft davon berichtet wurde.
,, Ich dachte sie hatten vor Sherlock zu unterrichten, Dr. Watson."
John seufzte und fuhr sich angestrengt über die Stirn. Der Schirmträger zog seine perfekt sitzende Krawatte etwas zurecht, ehe er sich den Schirm an den Arm legte. Das Accessoire baumelte unheilvoll an dem Stoff des Maßgeschneiderten Anzuges. ,,Er muss nachdenken und bat mich Elena mitzunehmen."
Kaum merklich erkannte sie wie der Kiefer des Holmes sich härtere. Mycroft streckte den Rücken gerade und deutete ihnen zu folgen. Nichts in seinem Auftreten ließ den Mann deuten, den sie als Mycroft kennengelernt hatte.
John rollte mit den Augen ab der Etikette des Älteren und brachte die Braunhaarige zum Schmunzeln. Nach einem harten Blick des Anzugträgers verschwand dieses aus ihrem Gesicht. Sie senkte den Blick.
,,Ich habe ihnen nicht zu viel versprochen. Wir befinden uns in einer der bestbewachten militärischen Basen Englands. Jeder der Männer ist darauf ausgerichtet unautorisierte Besucher sofortig auszuschalten. Wärmebild, Bewegungssensoren, Kameras, Sonderspezialeinheiten und Satellitenüberwachung sorgen für die Sicherheit ihrer Frau, Dr.Watson."
John nickte dankbar. Elena kam nicht umhin Mycroft die Umsorge anzuerkennen. Gleichzeitig kam ihr der Gedanke, dass all dies dem Geschäftsmann ebenfalls zugutekam.
Er führte sie durch einen schmalen Gang, spärlich beleuchtet bis zu einer Tür, die sie an das Zimmer erinnerte, indem sie die Waffe Moriartys gefunden hatten.
Als Mycroft die Tür öffnete stellten sich zwei bewaffnete Wachen vor die Tresorartige Tür welche sie -nachdem sie in den Raum getreten waren-schlossen. Wie sie befürchtet hatte, entdeckte sie klinisch reine Metallene Wände. Allerdings schien die Einrichtung weniger Geheimdienstvorschriften zu entsprechen. Der Boden war ausgelegt mit einem rötlichen Samtteppich. Eine seltsame Pflanze prangte in der Ecke mit einer altmodischen Stehlampe.
In der Mitte des Raumes stand ein hölzerner Tisch an dessen Ränder die Beschichtung bereits abplatzte. Darauf könnte Elena die verkohlten Stücke erkennen, die sich zuvor in der Bakerstreet befunden hatten. Doch am meisten irritierten sie das bordeufarbene Sofa mit den goldenen aufsticken.
Auf dem dazugehörigen Sessel saß eine Frau. Ihre Haare waren Blond, schulterlang ihr Gesicht hatte etwas Hartes und doch Weiches.
,,Mary." John trat auf Mary zu legte die Hand auf ihren Bauch und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Elena hatte bereits gewusst, dass Johns Frau sich in den letzten Schwangerschaftswochen befand, doch sie nun zu sehen war etwas anderes.
,,Du musst Elena sein." Mary streckte ihr freundlich die Hand entgegen. Die Braunhaarige ergriff sie und doch entging ihr nicht wie ihre Augen sie musterten.
,,Freut mich." fügte sie dennoch hinzu und ihre Augen strahlten etwas Liebevolles aus. In dieser Frau steckte ein seltsamer Zwiespalt den Elena nicht recht zuzuordnen wusste.
,,Mycroft." die Blonde nickte dem Schirmträger nüchtern zu.
,,Ich bin noch nicht dazu gekommen mir die Teile genauer anzusehen, wenn John mir hilft, brauche ich nicht lange." erklärte sie sachlich an den Holmes gewandt.
,,Verstehe, dann werde ich sie nicht weiter aufhalten. Falls sie etwas benötigen, wenden Sie sich an die beiden vor ihrer Tür. Wenn sie nichts dagegen haben, würde ich mich einmal mit Mrs. Clarke unterhalten." John blickte die Braunhaarige mitleidig an, ehe er dem Älteren zustimmend zunickte.
Elena indes zuckte zusammen, dass Mycroft auf eine so offensichtliche Art um ein Gespräch bat konnte nichts Gutes bedeuten.
Mary legte der Latina beruhigend eine Hand auf den Arm.
,,Wir sind direkt nebenan." beschwichtigte Mycroft die Schwangere. Diese nickte zögernd und lächelte der anderen Frau aufmunternd zu. ,,Mrs. Watson. Dr.Watson." Mycroft deutete ihnen zum Abschied und setzte sich im Bewegung.
Etwas stockend folgte die Malerin dem mächtigen Mann. Sobald die schwere Metalltür sie von den Watsons trennte, änderte sich etwas in der Erscheinung des Holmes.
Das eingeschlafene Lächeln auf den eisernen Zügen des Mannes wich. Aus seiner Innentasche zog er ein Gerät. Einige Momente herrschte Totenstille und sie blickte auf seinen Daumen, welcher einige Knöpfe zu drücken schien.
,,Sherlock ist in der Bakerstreet." die Eisblauen Augen stachen in die Ihren. Sie schluckte, nickte unfähig etwas zu erwidern. ,,Keine Frage. Eine Feststellung." Sie blickte zu Boden.
Nur das Klacken des Schirms verriet ihr das er sich näherte. ,,Sie haben sich verraten." empört sah sie auf bereit etwas zu erwidern doch ihr Gegenüber ließ sie verstummen. ,, Sie konnten es nicht unterlassen mich zu reizen, Mrs. Clarke." stellte er klar, bevor sie etwas einwenden konnte.
,,Eine Tante, Mycroft?!" zischte sie leise und hielt dem harten Blick des Holmes stand.
,,Wie soll ich Sherlocks Vertrauen gewinnen wenn sie nächtliche Anrufe starten, mich eine zweifelhafte Tante anruft oder sie mich vor ihm ebenso Missachten wie sie es gerade tun."
Ein amüsiertes Grinsen legte sich über seine Lippen.
,,Ich missachte sie nicht. Ich missachte jeden." sie stutzte als sie seine Worte vernahm.
,,John und Mary..."
,,Genießen keine Geschäftliche Beziehung mit meiner Wenigkeit. Wie denken Sie, bin ich in der Lage eine geheime Militärbasis für meine Zwecke zu nutzen? Indem ich den Leuten Honig um den Mund schmiere?" Eine seiner makellos gezupften Brauen schob sich in die Höhe. Die Spitze seines Schirms bohrte sich gefährlich nahe zu ihren Füßen in den Boden.
,,Ein Holmes ist nicht fähig eine derartig gefühlsbelastete Beziehung einzugehen. Egal wie sehr mein werter Bruder es auch versucht, Sherlock vertraut Menschen nicht, meine Liebe. Er nimmt sie wahr, er lässt sie in sein Leben oder eben nicht. Der letzten Frau, der er etwas wie Vertrauen entgegengebracht hat, hat ihn angeschossen."
,,Mary." entfloh es Elena und Mycroft nickte bitter. ,,Ihre Aufgabe war es in Sherlocks Leben einzutauchen und jede Faser ihres Körpers seinem Wohlergehen zu widmen."
Er beugte sich zu ihr herunter und sie konnte seinen minzig-warmen Atem auf ihrer Haut spüren.
,,Entgegen meines Erwartens hatten sie mich bisher nicht enttäuscht, ich hoffe das wird sich nicht ändern. Sie sollten Sherlock für sich zurückgewinnen." Die Braunhaarige presste verbittert ihre Lippen aufeinander. Mycroft strahlte eine Kälte aus, welche sie zum Erschaudern brachte und der Griff des Schirms, welcher sich allmählich in ihre lädierten Rippen drückte erschwerte ihr das Atmen.
,,Oder haben sie vergessen, dass sie eine Schuld zu begleichen haben?" Sie stockte und ihr Herz zog sie schmerzlich zusammen.
Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen als der ältere Holmes sich ruckartig von ihre entfernte. Aus den Augenwinkeln erkannte Elena den Blondschopf welcher sie skeptisch betrachtete.
,,Störe ich?"
,,Keineswegs, Dr.Watson."
Elena sog zischend Luft ein als sie bemerkte, dass sie diese angehalten hatte. Sie wischte sich die Hände an der Hose ab und versuchte dabei das Zittern loszuwerden.
Auf dem Gesicht des Schirmträgers war dasselbe eingeschlafene Lächeln erschienen, welches er zuvor gezeigt hatte. ,,Elena?" hakte John nach und legte der jüngeren eine Hand auf die Schulter. Wie zuvor bei Sherlock schluckte die Braunhaarige ihre Emotionen herunter und schenkte dem Arzt ein Lächeln.
,,Ja, ich hatte bloß gehofft einer der Holmes wäre normal." lachte sie ruhig mit Seitenblick auf den genannten.
Lachend schüttelte der Blonde den Kopf. ,,Hoffnungslos." stimmte er mit ein.
Doch dann wurden seine Züge ernst.
,,Mary hat etwas herausgefunden."
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