Fish&Chips und der Mantelkragen

Mein Unfall war am Freitag letzter Woche und jetzt haben wir Montag. Ich war schon wieder viel auf den Beinen und machte den ganzen Papierkram von den Fällen, der zurückgeblieben ist und vernachlässigt wurde. Heute war Sherlock schneller verschwunden als der Wind und zwar deswegen, ich zitiere: "Der brillanteste Fall in meiner Detektivenzeit. Watson wir haben einen Fall. Emily du bleibst hier." Also wisst ihr warum er um 7 immer noch nicht zurück ist. Um 9 Uhr vormittags sind sie gegangen und ich habe mich nach dem Papierkram mit Kreuzworträtseln beschäftigt, bis jetzt jemand an der Tür klopfte. Ich saß auf den roten Sessel und konnte den Besuch nicht sehen. Sicher einer von Sherlock's Klienten: "Bitte setzen Sie sich, Mr. Holmes wird gleich da sein." "Ich brauche aber nicht Mr. Holmes, sondern Mrs. Carter." "Lestrade!", ich sprang auf und rannte in seine Arme, "Wo warst du die ganze Zeit. Ich habe dich vermisst." Er scheint sich so zu freuen wie ich. Als wir uns lösten, sahen wir uns in die Augen und keiner konnte den Blick abwenden. In seinen dunklen Augen verlor ich mich immer und immer wieder. "Tut mir Leid, aber die Arbeit. Bei deinem Fall bin ich auch noch nicht weiter gekommen." Wir standen nur da und rührten keinen Finger. "Egal, den lösen wir schon irgendwann. Möchtest du etwas?", als ich mich wegdrehte, nahm er mich bei den Schultern und drehte mich wieder zurück. Er ließ seine Hände darauf ruhen. Ich konnte meinen Blick wieder nicht abwenden. "Nein, danke. Es ist alles perfekt.", er hat sich jetzt auch in meinen Augen verloren, "Was sagen die Verletzungen?" "Heilt. Sherlock behandelt mich wie ein kleines Kind. Tu dies nicht, tu das nicht. Ein bisschen über fürsorglich.", wir lachten, "Gibt es einen neuen Fall?" "Nein, deswegen bin ich nicht hier. Sondern wegen dir. Ich wollte dich einladen auf Fish&Chips um die Ecke. Damit du wieder einmal rauskommst." "Klingt super. Ich hol nur noch schnell meine Sachen." Ich ließ ihn zurück und lief in mein Zimmer. Nicht was ihr jetzt denkt. Kein Date! Nur Fish&Chips mit einem guten Kollegen. Ich schlüpfte in die pumpsartigen mattschwarzen Plateau Heels mit dem dünnen Riemchen am Mittelfußknochen und schloss diese mit der goldenen winzigen Schnalle. Das ganze kombinierte ich mit der grauen Stoffhose und einem Top in sanftem Blauviolett, was ich bereits anhatte. Noch schnell eine weiße Strickjacke mit Fledermausärmeln, die jeweils zu den Ellbogen gingen, darüber. Da mein Mantel ja noch voller Blut und mit 3 Schusslöchern versehen war, nahm ich den einen von Sherlock, den er mir geliehen hat. Er hat viele Mäntel. Es war zufällig das gleiche Modell, wie ich hatte und auch noch zufällig das gleiche Modell, mit dem er gerade durch die Gegend läuft. Den Kragen ließ ich in der normalen Position, also nicht aufgestellt, da es nicht so dazu passte. Ich schob noch mein Handy ein und nahm die Schlüssel in die Hand. Beides war vorher noch auf dem Regal gepackt gewesen. Ich liebe High Heels über alles, doch ich bin keine wirkliche Diva, denn mein größter Erzfeind sind Handtaschen. Ich hasse sie über alles. Deshalb habe ich auch einen Mantel mit 4 Taschen. 2 draufgenähte auf Oberschenkelhöhe und 2 die aussehen wie geschlitzte Taschen, auf Bauchhöhe, die man fast nicht sah. Ich schloss die Zimmertür hinter mir und ging in seine Richtung. Seine Augen begannen zu glitzern: "Können wir." "Natürlich." Ich ließ ihn durch die Wohnungstür den Vortritt, da ich ja noch absperren musste. Ich ließ die Schlüssel klimpernd in einen der unteren Taschen gleiten. Er bot mir seinen linken Arm an, in dem ich sofort einhakte. Am Ende der Treppe begegneten wir Mrs. Hudson. "Mrs. Hudson, können Sie Sherlock und John sagen, dass ich mit Inspector Lestrade etwas essen gegangen bin, falls ich noch nicht zuhause sein sollte." "Mach ich. Viel Spaß euch beiden." "Vielen Dank.", kam es uns gleichzeitig über die Lippen. Wir gingen zusammen durch die Haupttür und wurden von dem kalten Herbstwind empfangen, der von Zeit zu Zeit rauer wurde. Wir blieben auf dem kleinen Ausgangspodest stehen, da extrem viele Menschen heute in der Baker Street waren. Ich fröstelte und zitterte ein wenig. Eingehakt, schob ich meine Hände in die oberen Taschen am Bauch. Ich war diese Kälte nicht gewöhnt, da der aufgestellte Kragen mein Windschutz war und mich etwas wärmte. Ich zog den Kopf ein wenig ein, doch es nützte nichts. Lestrade bemerkte dies und klappte vorsichtig mit seiner freien Hand den Kragen hoch: "Sonst fehlt etwas." Es war ein magischer Moment. Seine Stimme war pure Geborgenheit für mich. Sie durchfuhr jeden Zentimeter meines Körpers. Unbeschreiblich.

Es ist wieder ein wenig ruhiger geworden und wir setzten uns in Bewegung. Er hatte nicht gesagt wohin wir gehen, nur um die Ecke. Ich war wirklich gespannt. "Wie lange bist du eigentlich Inspector?" "Jetzt hast du mich zu schnell gefragt.", ich lachte kurz, "Also mit 20 bin ich ausgetreten aus der CIA und habe gleich darauf einen Posten beim Scotland Yard Spezialkommando bekommen. Nach den vielen verpatzten Missionen meines Leiters, für die wir büßen mussten, hab ich's einfach nicht mehr gepackt, Menschen vor meinen Augen sterben zu sehen. Ich habe mich für die Stelle des Inspectors ein Jahr später beworben, bekommen und dann so richtig eigenständig handeln durfte ich ein Jahr später. Ganze 15 Jahre. Jetzt fühl ich mich richtig alt." "Das wollte ich nicht erreichen." "Weiß ich doch. Ich muss dich doch ein wenig aufziehen." Wir lachten wieder. Ja, das tut er gerne und auch in den ungelegensten Situationen. "Aber ein richtiger Fortschritt ist das nicht." "Wie meinst du das?" "Wenn du keine toten Menschen mehr sehen willst, wieso dann Inspector. Du siehst jede Woche mindestens eine Leiche." "Du hast mal wieder nicht ganz aufgepasst Holmes. Ich will keine Menschen mehr sterben sehen, mit Leichen habe ich kein Problem. Sind friedlich." "Wenn das deine Klienten gehört hätten." Ich lächelte ihn sanft an und er zurück. Meine Miene musste sich ein wenig verändert haben, da ich mir seine Worte noch einmal im Kopf zergehen ließ. "Ist was?", fragt er wieder einmal besorgt. "Hast du mich gerade Holmes genannt?" "Ja, meine Detektivin." "Hey!!!", ich boxte ihn ein wenig an seinem linken Oberarm mit meiner linken. Er lachte nur. Nach unserem kleinen Fußmarsch bogen wir in einen hübschen Fish&Chips Laden mit dem Namen Rock und Sole Plaice. Durch die Dunkelheit konnte ich nicht so viel erkennen. Nur die weiße Fassade mit grünen Verzierungen und mit Holz umrahmte Fenster, welch durchscheinendes Licht uns einhüllte. "Ist hier in der Nähe ein Park?", fragte ich den Mann an meiner Seite. "Ja, ein paar Straßen weiter. Wir können da noch hin, natürlich nur wenn du willst.", ich nickte nur, "Oder wir nehmen es uns mit und gehen gleich hin." "Das klingt wirklich super. Wenn es für dich in Ordnung ist?" "Auf alle Fälle." "Also auf den Reichenbach Fall, Ricoletti, den Hound, das große Spiel,..." Er unterbrach mich: "Woher weißt du von den allen?" "John's Blog." "Natürlich. Aber ein paar Sachen hast du schon vergessen." "Für die restlichen habe ich doch dich." Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wir noch draußen standen. "Wollen wir nicht rein gehen, mir wird langsam kalt." Er hatte recht, es war nicht die wärmste Jahreszeit. Drinnen waren fast keine Gäste. Die Tische und Stühle waren aus dem gleichen Holz wie die Tür und die Fensterrahmen. Auf den rustikalen Sesseln lagen Polster auf dem ein Comicfisch mit englischer Flagge abgebildet war. Die Theke war weiß, wie die Wände, auf der aber noch grüne Verschnörkelungen zierten. Es war wirklich gemütlich. Mir wurden zwei größere Schalen mit gebackenen Fisch&Chips in die Hand gedrückt, während Lestrade noch zahlte. Wir verließen das gemütliche Restaurant und gingen durch ein paar Gassen. Ich hätte mich schon längst verlaufen.

"Du bist nicht von hier oder?", wir saßen auf einer Parkbank im Drury Lane Gardens und hatten schon fast alles aufgegessen. Es war eine berechtigte Frage. Er musste meine fragenden Blicke an Abzweigungen bemerkt haben und der Akzent verriet auch einiges. "Ich komme aus Liverpool. Strawberry Fields." "Deshalb hast du dich so gut bei unserem Fall ausgekannt. Edles Schloss." "Denk nicht daran ich hätte da gewohnt. Meinem Großvater hat das ganze gehört. Hat es niemanden vermacht und jetzt will da auch keiner wohnen. Ich hab immer noch einen Schlüssel für das Tor. Manchmal in der Nacht bin ich mit meinen 10 Jahren da hingegangen und habe geweint, nachdem Großvater gestorben ist. Ein Jahr zuvor hat er mir den Schlüssel gegeben mit den Worten: Niemand anderes als unsere Familie soll in diesem Haus sein. Hier hast du den Schlüssel und kannst immer sagen, dass du der Besitzer bist. Ich wohnte genau daneben. Irgendwie konnte ich nicht weiter weg. Es fühlte sich falsch an. Tut mir leid, du wolltest sicher nicht meine Lebensgeschichte hören." Er hatte seinen Blick vom sternenklaren Himmel gelöst und sah mir wieder in die Augen: "Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen. Ich höre dir gerne zu. Ist mal was anderes als immer nur von Berichten und Beweisen zu hören. Ich habe etwas Ähnliches durchgemacht. Eines Abend wurde mein Vater von einem grünen Militärfahrzeug abgeholt. Da war ich 7. Er hat mir versprochen zurückzukehren. 2 Tage später kam der Beileidsbrief. Bei dem schweren Bombenanschlag 1985 haben sie ihn ins Gefecht geschickt. Bis heute weiß ich nicht ob die Generäle Verrückte waren, denn sie wussten von dem Anschlag. Ich bin nachts auch immer in den Wald gelaufen und habe geweint bis keine Tränen mehr übrig waren. Ich wollte nur mehr weg von Scarborough. Also zog ich mit 17 nach London." "Faszinierend." "Ich war auch nie beim Militär. Sonst hätte ich die Generäle sicher erwürgt." "Das wäre nicht so gut gewesen." "Nein...", jetzt musste er lachen. Es war schöner ihn lachen zu sehen, als weinen. Das ertrage ich nicht. Ich warf die leere Pappschale in den Mülleimer neben mir. "Siehst du die Sterne?", fragte er mich. Er deutete auf einen, den ich durch einen Baum leider nicht erkannte und rückte ein wenig näher an ihn heran. Der Stern funkelte. Ich hauchte meine Hände an, die schon fast eingefroren waren und rieb sie gegeneinander. Lestrade machte mit seine Hände eine Schale und deutete mir sie hineinzutun. Seine Hände waren etwas großer als meine. Er umschlang sie förmlich. Im Gegensatz zu meinen waren sie warm. Nach längerem Sternebeobachten, traten wir wieder den Weg zur Baker Street an.

Wir fuhren mit dem Taxi. Vor der Tür blieben wir noch einmal stehen. "Danke für den wunderschönen Abend, Greg.", ich gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Ich sperrte die Tür auf. Nun hatte er mich mit seinem Kuss auf meine Wange überrascht: "Ich sag danke." Mit einem Lächeln ging er auf den Gehsteig der Baker Street zurück und sein Weg führte ihn in seine Wohnung ein paar Straßen weiter. Ich sah auf mein Handy als ich über die Stiege nach oben ging. Es war 11 Uhr. In der Wohnung war noch Licht. "Was sagt der Fall meine Herren?", ich überfiel gleich beide, als ich durch die Tür ging. Zuerst dachte ich, Sherlock wäre abwesend, weil er so in die Leere starrte, doch dann antwortete er auf meine Frage: "Hat sich dann später als langweilig erwiesen. Was sagt der Inspector?" "Mrs. Hudson?", fragte ich und ließ mich auf die Couch fallen. "Mrs. Hudson." "Wir haben ein wenig geplaudert, etwas gegessen, Sterne beobachtet." "Spannend." "John, das kommt aber nicht in deinen Blog, sonst stehen Liebesgerüchte auch noch in der Zeitung.", er tippte schon wieder fleißig am Laptop. Sherlock langweilte sich wieder einmal. Das konnte ich in seinen Augen sehen: "Passt dir der Mantel?" "Ja, danke nochmal das du ihn mir geliehen hast." "Du kannst ihn behalten. Ich habe davon noch ein paar weitere." "Dankeschön...falls ihr mich entschuldigt, gute Nacht." "Gute Nacht.", von Sherlock. "Schlaf gut.", von John. Ein Kuss von Lestrade. Und ein Bett, welches mir wieder keinen Schlaf gönnte.

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