Shereshoy

„Ezra, ich brauche deine Hilfe."
Der Padawan fuhr sofort erschrocken hoch, als Sabine das sagte. Er hatte nicht besonders tief geschlafen. Als sie die Tür zu seinem Zimmer geöffnet hatte, hatte ihn das bereits geweckt, aber jetzt war er richtig wach.
„Ist alles in Ordnung? Ist was passiert? Geht's dir gut?", fragte er fast verängstigt, woraufhin sie ihn ein wenig amüsiert ansah und beschwichtigend die Hände hob.
„Keine Panik, es ist alles in Ordnung. Hätte ich gewusst, dass du noch schläfst, hätte ich dich nicht so begrüßt, sorry. Du solltest erst mal frühstücken, und dann reden wir in Ruhe darüber. Aber keine Sorge, es ist nichts schlimmes. Nur etwas persönliches."
Sie grinste ihn an. Er stand langsam auf und streckte sich.
„Okay, jetzt bin ich neugierig. Kann ich das Frühstück auch überspringen?"
„Kommt gar nicht infrage. Du wirst dir die Zeit nehmen, etwas zu essen, sonst erfährst du von mir überhaupt nichts", gab sie mit verschränkten Armen zurück. „Was soll das denn überhaupt? Mahlzeiten zu überspringen klingt überhaupt nicht nach dir."
Ezra zuckte die Schultern und grinste sie an.
„Alles für meine beste Freundin."
„Gute Einstellung. Und jetzt wirst du was essen", erwiderte und zwinkerte ihm zu, woraufhin er die Augen verdrehte.
„Okay, schon gut. Aber anschließend erfahre ich sofort, worum es geht, okay?"
Sabine nickte und grinste zufrieden.
„Ich setze mich dazu, wenn dir das nichts ausmacht."
„Weil du mich auch immer so extrem störst", gab Ezra zurück und verdrehte die Augen. „Muss dich allerdings trotzdem kurz rausschmeißen, damit ich mich anziehen kann."

Eine knappe halbe Stunde hatte Ezra sein Frühstück beendet und die beiden standen draußen vor der Ghost.
„Also? Worum geht es?"
Sabine grinste.
„Komm mit."
Sie nahm seine Hand und zog ihn ein Stück weg von der Basis, wo sie den Kom'rk-Jäger gelandet hatte, den Ezra ihr eine Weile zuvor geschenkt hatte.
„Warum steht das Schiff so weit hier draußen?", fragte Specter sechs ein wenig irritiert, als sie ankamen.
„Weil ich dich bitten will, mir zu helfen, es neu zu streichen, und Hera es uns übel nehmen würde, wenn wir der Basis bei der Gelegenheit auch einen neuen Anstrich verpassen würden", erwiderte die Mandalorianerin und lachte.
Der Padawan schaute sie perplex an.
„Du... du willst, dass ich dir helfe?", fragte er überrascht. „Aber ich bin nicht besonders gut mit Sprühfarben, und-", fuhr er fort, doch sie unterbrach ihn.
„Alles eine Frage der Übung. Ich bringe es dir bei, okay? Wir fangen mit ganz einfachen Symbolen an. Falls dir das lieber ist, kannst du es auch gern zuerst auf dem Boden versuchen, aber selbst wenn auf dem Schiff etwas misslingt wird das einfach überpinselt, also mach dir keinen Kopf, in Ordnung?"
Er nickte.
„Aber warum willst du überhaupt, dass gerade ich dir helfe?", harkte er nochmal nach.
„Soll das ein Witz sein? Ich hab dieses Schiff doch nur deinetwegen. Da ist es nur fair, dass du mir helfen darfst, es zu bemalen. Außerdem macht es zu zweit viel mehr Spaß." Sie verschwand im Schiff und kam mit zwei Sprühern wieder heraus... einer davon war ihrer, der andere war ein Ersatz, den Ezra heute benutzen würde. Ihren eigenen befestigte sie an ihrem Gürtel, bevor sie Ezra den beäugen ließ, den er benutzen würde. „Sei bitte vorsichtig damit, okay? Er ist schon etwas älter. Den hat Ketsu mir geschenkt, kurz nachdem wir uns kennengelernt haben. Sie... als diese Kopfgeld-Geschichte passiert ist, hatte ich ihn nicht bei mir, und sie hat ihn mir vor einiger Zeit zurückgegeben... Kannst du glauben, dass sie ihn alle die Jahre aufbewahrt hat? Ich meine..." Sie stockte. „Entschuldige, ich rede zu viel... ist ja auch egal. Jedenfalls benutze ich das Ding fast nie, wofür es eigentlich viel zu schade ist, aber ich möchte nicht, dass es kaputt geht. Ich werde sentimental wegen einem Sprüher, ich muss doch total bescheuerten sein." Die Mandalorianerin lachte. „Jedenfalls dachte ich... vielleicht kannst du ihn für heute benutzen?"
Ezra schaute sie perplex an.
„Du... du vertraust mir etwas an, dass die so wichtig ist? Einfach so?"
Sabine lächelte ihn an.
„Ich weiß, dass du vorsichtig bist, wenn ich dich darum bitte. Außerdem ist der für Anfänger besser, er ist einfacher zu handhaben als meiner, und ich bin meinen gewohnt. Also... wenn das okay für dich ist, darfst du ihn benutzen."
Ezra schlug das Herz bis zum Hals. Einen größeren Vertrauensbeweis als ihm etwas zu geben, dass so wertvoll für sie war, gab es gar nicht. Er konnte immer noch nicht richtig glauben, dass sie das gerade wirklich gesagt hatte.
„Ich... ich bin vorsichtig. Versprochen", stammelte der Padawan ein wenig überrumpelt und strahlte sie an.
„Okay, gut", erwiderte sie und übergab ihm das Gerät. „Was möchtest du malen?"
„Hm..." Er flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Ist das machbar?"
Sie nickte und nährte sich ihm dann, während dem erklären immer auf die einzelnen Teile es Sprühers deutend.
„Mit dem Hebel sprühst du. Hier stellst du die Farbe ein. Schau mal." Specter fünf deutete auf Buttons an der Unterseite des Geräts. „Das ist die reguläre Farbe, die eingefüllt ist. Außerdem sind Anteile schwarz und weiß in kleinen Fächern einzeln eingefüllt. Oben aufhellen, unten abdunkeln, okay? Je häufiger du drückst, desto mehr variiert die Farbe von der Ursprünglichen. In die Mitte zu drücken heißt zurücksetzen, allerdings ganz die Ursprungsfarbe bekommst du nicht mehr hin, weil dann ja schon Farbe im Sprührohr ist. Deshalb wenn du an einer Farbe dran bist die auf jeden Fall fertig machen, und schauen, dass noch genug Farbe drin ist, bevor du sie mischst. Nochmal dieselbe Farbe bei einem zweiten Mischen hinzukriegen ist quasi unmöglich. Wenn du die Farbe wechseln willst musst du die Farbe, die übrig ist, zurück schütten und das Fach und das Rohr gründlich ausspülen, damit sich die nächste Farbe nicht mit den Resten der vorherigen vermischt. Einfach hiermit öffnen, dann lassen sich die Dächer entnehmen." Sie deutete auf einen kleinen roten Knopf an der Seite. „Und immer prüfen, ob noch genug schwarz und weiß drin ist, weil die Archer davon wesentlich kleiner sind. Du könntest zwar auch einfach die Flaschen selbst zum Sprühen benutzen, aber das ist blöd, wenn du Farben mischen musst. Besonders, wenn du nicht so viel Erfahrung hast. Alles verstanden, oder soll ich das nochmal wiederholen?"
„Ich denke, ich hab's kapiert", erwiderte er, klang dabei aber ein wenig verunsichert. „Sonst noch was?"
„Zum Sprühen kurz drücken, und du brauchst einen gewissen Abstand. Wenn es zu viel Farbe ist, verläuft es. Und wenn du keine Farben an der Wand mischen willst, wartest du am besten, bis eine Farbe getrocknet ist, bevor du mit der nächsten weitermachst. Wenn du vorne an der Öffnung drehst, kannst du den Strahl breiter - nach rechts - oder schmaler - nach links - machen. Und wenn du fertig bist das Ding unbedingt vollständig leeren und ausspülen, damit nichts eintrocknet."
Er nickte.
„Okay. Ist schon Farbe drin?"
„Schwarz und Weiß schon, aber noch keine Hauptfarbe. Was hättest du denn gern?"
Ezra überlegte kurz.
„Wäre lila okay?", fragte er dann, woraufhin seine beste Freundin ihn verwundert anschaute. „Ich denke es würde in Kombination mit dem Orange gut aussehen."
„Stimmt, da könntest du recht haben." Sie verschwand erneut ihm Schiff und holte, worum er gebeten hatte. „Ich erledige meinen Teil schon mal, wenn das okay ist. Dann kann der schon mal trocknen. Du kannst in der Zwischenzeit die Farbe bei dir schonmal einfüllen, und anschließend üben wir ein wenig zusammen, einverstanden?"
Der junge Mann nickte und machte sich an die Arbeit.

„Fürs erste einfach auf den Boden zielen", wies sie ihren besten Freund an. „Möglichst dünner Strahl." Er stellte den Sprüher so ein, wie er angewiesen worden war und zielte auf den Boden. „Versuch erst mal einen kleinen Kreis."
Ezra ging ihren Anweisungen nach, aber am Ende wirkte die Linie auf dem Boden eher wie ein vollkommen verwackeltes Oval, das nach innen und außen immer wieder Ecken und Kanten hatte. Auch bei, zweiten Versuch war das Ergebnis ähnlich.
Der Padawan stöhnte.
„Ich glaube du solltest dir lieber eine andere Hilfe suchen. Das schaffe ich nie."
„Schwachsinn. Deine Finger zittern einfach nur. Das kriegen wir schon hin. Pass auf." Sie stellte sich hinter ihn und umklammerte mit ihm gemeinsam den Sprüher, seine Hände umfassend, um sie so ruhig zu halten. „Tief durchatmen, okay? Ganz ruhig. Konzentrier dich. Wir kriegen das zusammen hin."
Nach zwei weiteren Versuchen schaffte er es tatsächlich mit ihrer Hilfe, einen Kreis hinzubekommen.
Am Ende des Tages prangte eine kleine Loth-Katze über ihrem orangenen Phoenix-Symbol auf der Tür.
„Entschuldige, ich habe dich total aufgehalten. Ohne mich wärst du schon viel weiter."
„Vielleicht", warf sie ein. „Aber das hat mir total viel Spaß gemacht. Lass uns bei Gelegenheit weitermachen, ja?"
„Das willst du ehrlich?"
Sie strahlte.
„Mehr als alles andere."
Ihm wurde ganz warm ums Herz.
»Dein Lächeln ist mehr als umwerfend. Bitte hör bloß nie auf damit, es zu zeigen.«
Für ihn gab es nichts Schöneres, als sie glücklich zu sehen.

In den folgenden Wochen arbeiteten die Beiden in jeder freien Minute am Schiff, in der sie keine Mission hatten und nicht trainierten.
Als Ezra sie eines Morgens mit Skizzen für die Comic-Bildchen begrüßte, für die sie schon eine ganze Weile nach Ideen gesucht hatte, hätte sie ihn küssen können, entschied sich aber dazu, ihm bloß um den Hals zu fallen.
„Die sind der Wahnsinn. Du... das... ich hatte ja keine Ahnung, dass du so gut zeichnen kannst", stammelte sie perplex.
„Von dir ist das ein echtes Kompliment", erwiderte er und sein selbstsicheres Grinsen wäre überzeugender gewesen, wenn er nicht rot angelaufen wäre.
„Ich meine es so."

Als die beiden schließlich vor dem Endergebnis standen, konnte es keiner von ihnen so recht fassen. Es war schon relativ spät, die Sonne ging gerade unter und strahlte ihr gemeinsames Kunstwerk von hinten an. Das Schiff sah toll aus. Von außen geprägt von allerlei verschiedenen Grundierungen, Mustern und Symbolen, die Sabine allein, Ezra und sie zusammen und teilweise sogar Ezra allein gemalt hatten. Innen waren die Wände mit kleinen Momenten aus ihrem Leben besprüht. Kanan und Hera, die mit verschränkten Armen in den Raum schauten. Ezra, der mit Sabine trainierte - sie kreuzten gerade ihre Schwerter. Zeb, der eine Grimasse zog, als wolle er jemanden belustigen. Chopper, der aussah, als würde er taumeln, weil er sich zu lange im Kreis gedreht hatte. Eleena mit ihrem gigantischen violetten Kissen über dem Kopf - das Bild war an einer Stelle angebracht, die man nur sah, wenn man aktiv danach schaute oder gerade das Schaltpult reparierte, wozu außer Sabine und der Crew ohnehin nie jemand die Genehmigung der Mandalorianerin bekommen würde.
Sabine war mehr als nur zufrieden. Sie war richtig stolz. Und sie wusste, dass es Ezra genauso ging.
„Das ist das größte Projekt, das ich je hatte. Vielen Dank für deine Hilfe."
„Für dich jederzeit", erwiderte der Padawan grinsend. „Weißt du inzwischen, wie du das Schiff nennen willst?"
Specter fünf nickte.
„Ich werde es Shereshoy nennen", erwiderte sie.
„Was bedeutet das?", fragte Ezra sofort.
Es war ihm sofort klar, dass das Wort in Mando'a sein musste, und fragte sich daher, was wohl seine Bedeutung war, wenn sie es für ihr Schiff benutzte.
„Das lässt sich nicht so einfach übersetzen", erklärte sie. „Ich wüsste keine andere Sprache, in der ein Wort existiert, dass die gleiche Bedeutung hat. Aber ich versuche mal, es zu umschreiben. Shereshoy ist... es ist so etwas wie Lebenslust, aber viel mehr als das. Es ist am Leben festhalten, jeden Tag auskosten. Die Entschlossenheit, jede Erfahrung zu machen, die man machen kann und den heutigen Tag zu überleben, um morgen weiterkämpfen zu können."
Sie strahlte, als sie das sagte, aber ein wenig wirkte sie auch traurig, wie sie es immer tat, wenn sie über ihre Heimat sprach.
„Shereshoy klingt wirklich schön", sagte Ezra nach einer Weile. „Und es ist ein toller Name für das Schiff."
„Wollen wir heute Nacht darin schlafen?", schlug sie vor.
„Das fragst du noch?"

Keine halbe Stunde später lagen die beiden auf einer Matratze unter der Decke, die sie aus der Ghost geborgt hatten.
Sabine gähnte leise. Ihr Kopf lag auf einem Kissen, Ezra hatte seine Arme um sie gelegt.
„Nochmal danke. Das Schiff ist wirklich wunderschön geworden", murmelte sie im Halbschlaf.
„Du bist auch wunderschön", flüsterte Ezra leise, aber Sabine war sich fast sicher, dass sie diesen Teil schon träumte.


A/N: Für die Anfrage von Knorky4, inoffizielle zusätzliche Widmung an Protector151 für die tatkräftige Unterstützung bei der Ideenfindung.

Hoffe, es gefällt euch!

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