~ Fünfunddreißig ~

Nach dem Aleyna das sechste, vielleicht auch siebte oder achte Glas hinuntergekippt hatte, konnte sie erleichtert feststellen, dass sie sich an den bitteren Geschmack des Mixgetränkes gewöhnt hatte und es nun wirklich, ohne das Gefühl zu bekommen, sich übergeben zu müssen, trinken konnte.
Was ihr aber auch auffiel war, das der Barhocker auf einmal ziemlich hoch schien und der Weg hinunter unüberwindbar. Weitere Veränderungen waren, dass ihre Sicht durch verschwommene Flecken getrübt war, wo eigentlich Umrisse und klare Farben sein müssten.
Und leicht schwindelig war ihr auch.
Weiterhin stellte sie etwas betrübt fest, dass der Einfluss von Alkohol nichts an ihrer schlechten Stimmung änderte.
Im Gegenteil je mehr das bittere Zeug ihren Körper in Besitz nahm, desto unwohler und fehl am Platz fühlte sie sich.

Überall waren Menschen - zumindest sahen sie wie Menschen aus, es hätten auch redegewandte Farbkleckse sein können -, die sich feuchtfröhlich miteinander unterhielten und zu rhythmischen Songs tanzten.
Irgendwann hatte sie aufgegeben nach Niall und den anderen Ausschau zu halten und sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Mittlerweile hatte sich eine Scheißegal - Einstellung in ihr entwickelt, sodass sie es auch nicht mehr berührte, wenn sie auf das Display ihres Handys sah, wo kein Nachrichtensymbol weit und breit zu sehen war.

Als es immer später wurde, hatte Aleyna erwartet, oder zumindest gehofft eine Nachricht von Ornella zu bekommen, die sie fragte, wo sie denn blieb.
Aber vielleicht war sie auch einfach wütend auf Aleyna. Oder sie interessierte es einfach nicht.
Eine deutlich logischere Erklärung, die alle ihre Probleme lösen konnte. Die anderen, die sie dadurch ergaben, wollte sie lieber ruhen lassen.
Ihretwegen konnte Ornella tun und lassen, was sie wollte und die Anderen auch, sie würde von nun auch keine Rücksicht mehr auf sie nehmen.

„Soll ich dich nach Hause fahren?", hörte sie plötzlich eine Stimme sprechen und wenige Sekunden später baute sich Niall vor ihr auf und drehte ihren Barhocker so, dass sie ihm direkt ins Gesicht sehen musste.

„Nein", erwiderte sie kurzangebunden und wollte sich wieder wegdrehen, doch Niall war schneller und hielt den Barhocker fest umgriffen.

Sie hörte sich etwas wie „Kontrollfreak" murmeln, doch dann beanspruchte Niall bereits wieder ihre volle Aufmerksamkeit.

„Wie kann man von so ein bisschen Alkohol nur so betrunken sein", murmelte er kopfschüttelnd vor sich.

„Wenn du mir etwas sagen möchtest, dann tu das bitte", antwortete sie ihm wütend.
„Wenn du allerdings nur Selbstgespräche führen willst, tu das bitte woanders, ich komme schon allein nach Hause."

Niall musterte sie missbilligend und murmelte erneut ein paar unfreundliche Dinge vor sich hin.

„Wie fühlst du dich?", fragte er dann plötzlich, während er ein Wasser bestellte.

Aleyna sah ihn - kurz erschrocken von seinem plötzlichen Themenwechsel an - und schüttelte dann den Kopf, um sich wieder zu sammeln.

„Super, ich habe das Gefühl, das das hier eine super Abend wird", sagte sie sarkastisch gerade synchron zur Musik, die Black Eyed Peas'"I Gotta Feeling" spielte.

„Ich hasse diesen Song", antwortete ihr Niall unerwarteter Weise und drückte ihr ein Glas Wasser in die Hand.
„Trink", forderte er sie noch unnötigerweise auf.

„Du hasst alle neuen Songs", stellte Aleyna gerade fest. Als sie das Wasser trank, kam ihr der bittere Nachgeschmack des Alkohols wieder hoch.
„Immer wenn eine Band eine Stilveränderung durchgeführt hat, kannst du die neuen Songs nicht leiden.
Hat da jemand Angst vor Veränderungen?", fragte sie nicht besonders geistreich, aber sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass man sie in ihrem jetzigen Zustand sowieso nicht ernst nehmen würde.
Zumindest würde sie auf diese Tatsache im Nachhinein bauen.

„Und bei welchen Bands ist das so?", fragte Niall, der immer noch vor ihr stand wie ein Riese und sie von oben herab musterte.

„Linkin Park, Black Eyed Peas und wenn ich tippen dürfte auch Maroon 5" , zählte sie gelangweilt auf.
Aleyna hätte nicht damit gerechnet, dass ihn diese Aussage so interessieren würde.

„Da hast Recht, obwohl ich noch nie ein großer Fan von Maroon 5 war", antwortete er ihr mit einem halben Lächeln auf dem Gesicht.

Sie schüttelte mürrisch den Kopf, sie hatte fast mit einer solchen Aussage gerechnet.
„Dann verpasst du etwas", entgegnete sie ihm schließlich.

„Du musst schon zugeben, dass „Moves Like Jagger" nicht unbedingt eine Glanzleistung war. Vor allem im Zusammenspiel mit....."

„Christina Aguilera", antwortete Aleyna wissend, während Niall grinsend nickte.

„Auch nicht gerade meine Lieblingskombination."

Eine Weile lang schwiegen sie, während Aleyna ihr Glas Wasser austrank, dabei sich aber klamm an der Theke festhalten musste, um nicht von dem Hocker zu fallen. Langsam dämmerte auch ihr, dass sie sich nicht mit Ruhm bekleckert hatte.

„Also möchtest du mich nicht zusammenstauchen wegen irgendetwas?", fragte Aleyna mit einem Seitenblick auf Niall.

„Wieso?", fragte er überrascht und nippte an seinem Getränk.

„Weil ich den Einsatz verpasst habe, nicht vernünftig gesungen habe, das Publikum nicht eingebunden habe...Irgendetwas. Sag du es mir."

„Ich habe ausnahmsweise nicht viel zu sagen, außer, dass ich es nicht fassen kann, dass du von so ein bisschen Alkohol betrunken sein kannst", antwortete er schmunzelnd.

„Danke für dieses Kompliment, aber ich bin nicht betrunken", entgegnete sie nun wieder wütend.
Ihre Wut auf Niall war noch nicht verraucht, sie wurde nur kurzzeitig von anderen Gefühlen abgelenkt.

„Na gut, dann steh auf", erwiderte er kurzangebunden und warf ihr einen herausfordernden Blick zu.

Aleyna schnaubte kurz empört auf und begann dann mit einem Grinsen im Gesicht Black Eyed Peas „Shut Up" zu summen.

Niall konnte ihr dafür nicht wütend sein, schließlich handelte es sich um einen alten Song.

Bevor sie aufstand warf sie ihm einen kurzen Blick zu, aber er schien kein Kommentar zu ihrem Summen abgeben zu wollen, deshalb schwang sie sich todesmutig und so schnell, wie es ging, vom Barhocker um etwas wankend auf dem Boden zu landen, aber sie stand und das war alles.

„Stop the talking baby. Or I start walking baby", zitierte sie fröhlich, während sie Niall grinsend ansah.

„Kein Problem, dann lauf mal los", entgegnete Niall ihr lässig wie eh und je und schmunzelte vor sich hin.

Glücklicherweise tauchte dann Ava neben ihr auf und musterte sie belustigt, sodass sie sie vor einer kommenden Blamage bewahrte.
Denn so sicher war sie sich nicht mehr, dass sie ohne Probleme laufen konnte.

„Du warst großartig Ali, wirklich!", stieß Ava aus und schloss Aleyna in ihre Arme.
„Ich habe mit Niall schon alles besprochen, du wirst jetzt ein großer Teil dieser Band sein. Also nochmal herzlichen Glückwunsch!"

Ava schien wirklich begeistert zu sein und drückte Aleyna gleich ein zweites Mal, während Aleyna es gerade so schaffte sich an der Bartheke festzuhalten, denn sonst wäre sie vermutlich umgekippt, so schwindelig war ihr.
Als Ava sich endlich von ihr löste und sich neben Niall auf einen Hocker platzierte, warf sie einen Blick auf ihn, dem das spöttische Grinsen nicht mehr aus Gesicht zu wischen war.

„Und hast du schon gefeiert Ali?", fragte sie sie aus, während sie den Reißverschluss ihrer Tasche öffnete und begann nach ihrem Handy zu suchen.

„Ach", erwiderte Aleyna peinlich berührt, denn sie konnte spüren, dass Nialls Blick immer noch auf ihr lag und sich über sie lustig machte.
„Nichts besonders. Ich saß nur hier und habe mich ein bisschen unterhalten."

Nachdem sie geendet hatte, brach Niall in ein lautes Lachen aus und wurde sofort von Ava mit einem neugierigem Blick bedacht, während Aleyna ihn innerlich begann mit allen ihr bekannten Schimpfwörter zu schelten.

„Habe ich was verpasst?", fragte Ava, während sie wie wild auf ihrem Handy tippte.

„Nein!", stieß Aleyna sofort aus, während Niall sofort dazwischenfuhr:
„Weißt du unsere Leyna hat eine feuchtfröhliche Privatparty geschmissen."

Aleyna hob ihre Hand um Niall außer Gefecht zu setzen, doch er war schneller - seine Reaktionsfähigkeit war ja auch nicht eingeschränkt - und nahm ihre Hand und hielt sie fest in seiner.

„Das hört sich aber schön an", erwiderte Ava abgelenkt und Aleyna ließ es sich nicht nehmen Niall einen triumphierenden Blick zu zu werfen und mit ihren Lippen die Worte „Shut Up" zu formen.
Niall verlor sein Lächeln allerdings nicht, sondern hielt es wacker im Gesicht, aber diese Runde hatte ganz klar sie gewonnen.

„Kannst du mich vielleicht mitnehmen, mein Auto ist in der Werkstatt", wechselte Ava nun das Thema und sah kurz von ihrem Handy auf.

„Klar", erwiderte Niall. „Wollen wir dann gleich los?"

„Ja", stimmte Ava ihm zu. „Aber ich wollte noch eine Runde tanzen gehen, die Songs sind wirklich gut."

Lachend registrierte Aleyna, dass es sich um eine weitere neue Black Eyed Peas Nummer handelte und warf Niall einen vernichtenden Blick zu.

„Gute Idee, vielleicht kannst du Ali ja mitnehmen, sie wollte schon die ganze Zeit tanzen, aber hat niemanden gefunden, der auch wollte", erzählte Niall Ava mit einem schadenfrohen Grinsen im Gesicht, während sie sich zusammenreißen musste, ihm nicht eine runterzuhauen.
Wie konnte er nur so.....hinterlistig sein?

„Natürlich", erwiderte Ava etwas überrascht und stand auf.„Ich dachte Ali hasst tanzen."

„Das stimmt auch", fuhr Aleyna sofort dazwischen, als sie eine Chance witterte, aus dieser Sache noch irgendwie lebend herauszukommen.

„Sie ist nur schüchtern", versicherte Niall Ava mit einem vertrauensvollen Lächeln im Gesicht.

Ava wurde immer verwirrter, hielt Aleyna aber weiterhin ihre Hand hin.
Aus den Augenwinkeln konnte sie noch erkennen, wie Niall nun seinerseits mit den Lippen ein „Stop the talking baby?" formte.
Seufzend legte sie ihre Hände ins Gesicht, da sie das Schwindelgefühl nicht mehr unterdrücken konnte und sagte:
„Okay, ich bin betrunken. Und Niall möchte mich deshalb bloßstellen, wie immer."

Und dann mit einem feindseligen Seitenblick auf Niall: „Hast du geschafft."

Ava nickte kurz und schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln, dann drehte sie sich zu Niall um:
„Du bringst sie jetzt sofort nach Hause, keine Wiederrede."

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Ach die beiden... Sie treiben mich noch in den Wahnsinn.

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