~ Achtundzwanzig ~

Aleyna saß am Freitag bereits pünktlich im Proberaum und wartete wutentbrannt auf Nialls Ankunft. 
Der werte Herr ließ mal wieder etwas länger auf sich warten. Diese Tatsache und Nialls Verhalten ihr gegenüber in den letzten Tagen, führte sie erneut dazu sich lautstark Musik in die Ohren dröhnen zu lassen. 

„And yeah yeah yeah I'm a lot to handle .You don't know trouble but I'm a hell of a scandal”, sang Avril Lavigne ihr mal wieder die Ohren voll. 

Aleyna war diese Gefühlsachterbahn langsam leid, aber sie konnte einfach nicht anders. 
Sie konnte sich schon nicht mehr an eine Zeit zurückerinnern, in der die Musik nicht ihr Begleiter in allen Lebenslagen war. Und genau deshalb schaltete sie immer wieder die Musik ein und ließ sich von ihren Klängen berauschen, die sie Emotionen fühlen ließen, von denen sie dachte, nicht fähig zu sein sie zu fühlen. 
In diesem Moment hätte sie ohne eine Spur von Selbstzweifeln oder Schamgefühl aufspringen können und Niall zurufen können: 

„I am the best damn thing that your eyes have ever seen.“ 

Na gut, wahrscheinlich eher nicht, denn wenn sie jetzt darüber nachdachte, fühlte sie schon die Röte in ihr Gesicht steigen. Aber sie hätte sicherlich etwas Ähnliche tun können, dass etwas mehr Gehalt hatte und sie nicht wie ein vollkommener Trottel dastehen lassen würde. 
Vielleicht. 
Ava und Harry hatten ihr versprochen, dass Niall sich benehmen würde, aber, dass er sich schon die Zeit ließ, zu spät zu kommen, sprach doch eigentlich für sich.
Er hatte das Gefühl, dass sie einfach zu lenken war. 
Also konnte er sich ruhig ein bisschen mehr Zeit lassen, denn die kleine, blöde Aleyna würde ja warten.

In diesem Moment war ihr Hass auf sich selbst unüberschaubar. 
Denn sie war hin und hergerissen, zwischen ihrem nicht zu verachtenden Stolz und ihrem dummen Ehrgeiz. 
Zwei Eigenschaften an ihr, die sie abgrundtief hasste. Denn sie brachten sie immer wieder dazu Dinge zu tun, die sie lieber lassen sollte. 
Avril Lavignes Geschrei nahm langsam ab, während die letzten Zeilen, die von vielen „Yeahs“ und „Heys“ geprägt waren, Aleynas Wut wieder anstachelten. 
Sie sollte die Songs am besten von ihrem iPod nehmen, sonst würde es irgendwann nach Tote geben. 

Aber wieder einmal siegte die Liebe zur Musik über ihre Vernunft und sie ließ sich wieder von der Musik einnehmen, bis sie plötzlich spürte, wie jemand an dem Kabel ihrer Kopfhörer zog und sie überrascht und zugleich wütend über die Störung hochsah.
Die wutentbrannten Worte, die ihr gerade noch auf den Lippen gelegen hatten, blieben ihr wortwörtlich im Hals stecken, denn sie begann nach Luft japsend zu husten. Währenddessen wurde sie von zwei stahlblauen Augen belustigt gemustert, doch sie konnte Niall keine Schimpfwörter an den Kopf werfen, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, sich am Leben zu halten. 
Niall schlug ihr einmal fest auf den Rücken, damit sie wieder Luft bekam, die sie gleich wieder dafür nutzte ihn anzuschreien:

„Hey, das tat weh!“ 

Sie fuhr sich schmerzerfüllt über den Rücken und konnte noch immer die Berührung seiner Hand dort fühlen. 

„Ein Dankeschön hätte es auch getan. Ich habe dir schließlich das Leben gerettet“, entgegnete er ihr belustigt und stellte seinen Gitarrenkoffer, auf einen der Tische ab. 

Lieber wäre sie erstickt würde Aleyna ihm jetzt gerne zurufen, aber ihr wurde glücklicherweise selbst bewusst, wie kindisch sie dann klingen würde. 
Es reichte ja schon aus, dass sie so etwas überhaupt dachte, um vor Scham im Erdboden zu versinken. 
Niall kam wieder auf sie zu, zog einen der Kopfhörer aus ihrem Ohr, nur um ihn sich selbst wieder in die Ohren zu stecken. 
Als er ein paar Sekunden lang gehört hatte, gab er ihr den Kopfhörer seufzend zurück.

„Du bist also wirklich wütend auf mich“, stellte er fest.

„Dafür musstest du erst, die Musik, die ich höre, hören?“, fragte sie ihn ungläubig.

„Anscheinend schon“, entgegnete er ihr ruhig. „Denn nur jetzt weiß ich, wie wütend du wirklich bist.“  

Aha.

„Und auf welchem Grad der Wut bewege ich mich?“, fragte sie ihn ironisch. 

„Ich würde sagen, viel höher geht es nicht“, erwiderte er. „Du hörst schließlich Avril Lavigne. Das letzte Mal, als du das getan hast, hast du mir fünf Minuten später eine CD an den Kopf geworfen.“ 

Nialls Blick wanderte zu seiner E – Gitarre und betrachtete sie mit einem mitfühlenden Blick. 

„Keine Sorge“, entgegnete Aleyna ihm. „Ich lasse meine Wut nicht an wehrlosen Instrumenten aus.“

Niall fuhr ein leises Lächeln über das Gesicht, während er sie musterte.

„Du wärst sowieso nicht an mir vorbeigekommen“, antwortete er ihr spöttisch. 

„Ach, bist du dir da so sicher?“, fragte sie ihn herausfordernd.

„Ja, ohne jeden Zweifel“, entgegnete Niall ihr selbstsicher. 

So selbstsicher, dass sie dieses spöttische Grinsen am liebsten aus seinem Gesicht wischen wollte.  
Aleyna stand langsam auf, während Niall sie grinsend ansah und bewegte sich langsam auf sie zu.

„Wolltest du dich nicht entschuldigen?“, fragte sie eher, um ihn abzulenken, als wirklich zu erwarten, dass er sich entschuldigen wollte.

„Wofür denn?“, fragte er sie leichthin, doch sie konnte sehen, dass er jeden ihrer Schritte beobachtete. 

Einen Moment lang war Aleyna von seiner lässigen Antwort abgelenkt, er hatte ihre Wut geschürt. 

„Das ist doch nicht dein Ernst oder?“, fragte sie ihn, während sie die Hände in die Hüften stemmte. 

„Alles, was ich getan habe, diente leidglich dazu, deine Fähigkeiten zu erweitern“, erwiderte er ihr, während sie wieder einen Schritt auf ihn zu machte. „Und ich will dich ja nicht kränken, aber meine Maßnahmen haben ihren Zweck erfüllt“, fügte er noch hinzu. 

Nun hatte er sie, sie war neugierig.

„Und um welchen Zweck ging es da?“, fragte sie ihn scheinbar unbeeindruckt, doch sie konnte, die Neugierde in ihrer Stimme hören.

Auch Niall hörte sie unverhohlen heraus und lachte. 

„Dich zu einer guten Sängerin zu machen. Und auch wenn wir erst den ersten Schritt getan haben und noch viele folgen müssen. Du hast selbst Louis überzeugt, alle Achtung“, bemerkte Niall anerkennend, doch sie konnte den Spott in seiner Stimme hören.

Trotzdem lenkte sie seine Aussage ab, denn auf gewisse Art und Weise schmeichelte sie ihr. 

„Er will weiterhin mit dir arbeiten und dir Anderen auch“, entgegnete Niall ihr und auch wenn sie hinter die Fassade seines Planes blickte, denn ihr alle gute Neuigkeiten bruchstückhaft mittzuteilen war kein schlechter Plan, konnte sie sich auf nichts anderes mehr zu konzentrieren. 
Wie zum Beispiel ihn zu überlisten.

„Was ist, wenn ich nicht mit ihnen arbeiten möchte?“, fragte sie ihn nur um ihn irgendwie abzulenken. 

Niall senkte kurz seinen Blick, um sein unübersehbares Grinsen zu unterdrücken, während Aleyna ihre einzige Chance nutzte, um ungesehen an ihm vorbei zu kommen.
Sie lief schnell los, ohne auf ihre Umgebung zu achten, allein ihr Ziel fixierend.
Der Gitarrenkoffer. 
Irgendwann würde ihr bewusst werden, dass sie sich unheimlich albern verhielt, aber gerade jetzt, wollte sie einfach Spaß haben. 
Sie wollte alber und dumm sein und das Leben genießen.
Als sie gerade das Ziel dachte zu erreichen, spürte sie, wie zwei Arme sich um ihren Körper schlossen und sie fest umschlossen hielten.
Aleyna strampelte noch ein paar Minuten lang, doch Nialls Griff war zu stark, um sich aus ihm lösen zu können. Irgendwann, als er keine Lust mehr hatte, sie leiden zu sehen, ließ er sie schließlich los und bedachte sie mit einem gelangweilten Blick. 

„Also wie sieht´s aus, Leyna?“, fragte er sie grinsend und benutzte erneut seinen ganz persönlichen Spitznamen für sie, von dem er wusste, dass er sie zur Weißglut brach. 
„Wir haben noch ein paar Konzerte vorzubereiten.“

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„Hier“, sagte Niall und drückte Ali ein paar Zettel in die Hand. Seufzend setzte sie sich auf einen der nächstgelegenen Hocker, um die Papiere skeptisch zu mustern. 

„Das sind nur ein paar Songs, die du demnächst singen solltest. Du kannst dir aussuchen mit welchem wir anfangen“, entgegnete er ihr während er sich auf den Klavierhocker setzte und den Deckel des Klaviers öffnete.

„Das hier werde ich nicht singen“, sagte sie und ließ eines der Blätter auf den Boden fallen.

„Und das hier auch nicht“, murmelte sie vor sich hin. „Und das auf gar keinen Fall.“

„Es geht auch nicht darum, was du singen willst“, entgegnete Niall ihr ruhig, aber bestimmt. 
„Du wirst sie alle zwangsläufig performen müssen, ich bin nur so freundlich und überlasse dir die Reihenfolge.“

Ali zog die Augenbrauen zusammen, sodass sich eine Zornesfalte bildete, dann sah sie ihn feindselig an und sagte: 

„Wie überaus gütig.“ 

Niall grinste kurz und erwiderte dann etwas zuvorkommender:

„Welche willst du denn nicht singen?“

Er registrierte wie die Kleine ihn kurz erstaunt ansah, dann wieder den Kopf schüttelte und ihn weiter musterte. Sie schien wohl nicht ganz klar zu kommen mit dem „netten“ Niall. 

„Run von Snow Patrol zum Beispiel. Die Tonlage ist viel zu tief und ich bin einfach noch nicht bereit für so einen Song“, entgegnete sie ihm scheinbar standhaft, doch hinter der festen Fassade, die sie ihm vorspielte, konnte er Selbstzweifel sehen und den Wunsch nach Bestätigung. 

Nicht von ihm, dachte sich Niall nur. 
Fishing for Compliments war nicht so sein Ding, denn dann würde er Ali belügen. 
Natürlich war sie noch nicht bereit dafür, aber genau darum ging es doch auch, sie musste sich beweisen, nur diese Maßnahme schien bei ihr zum Erfolg zu führen.
Deshalb antwortete Niall ihr lächelnd: 

„Die Tonlage ist kein Problem, wir transponieren es einfach und du singst es einfach höher, und wenn Louis und ich erst einmal mit dir wirklich geübt haben, wirst du wohl oder übel bereit sein müssen.“ 

„Wieso Louis und du?“, fragte Aleyna ihn nun und sah endlich von den Zetteln in ihrer Hand auf.

„Was ist mit Harry und Liam? Sollen die nicht mehr mit mir proben?“

Nicht schlecht, dachte Niall sich, während er die Kleine musterte. Sie wollte also lieber mit Liam und Harry proben.
Er konnte es ihr nicht wirklich verübeln, schließlich hatten die Beiden sie wenigstens gut behandelt , aber sie konnten sie nicht reizen, sie herausfordern.

Ali schien jemanden zu brauchen, der sie unter Druck setzte, wenn es nötig war.
Liam und Harry schieden da definitiv aus, die Beiden waren viel zu unkonzentriert und leicht abzulenken, außerdem wusste Niall, dass mit ein paar weiteren Stunden in der Umgebung mit der Kleinen, Liam zu einem Revolutionär machen und Harry vollkommen abdriften lassen würde.
Er musste es also selbst in die Hand nehmen.

„Ganz sicher wirst du nicht mehr mit den Beiden allein proben“, entgegnete Niall ihr resolut.

„Wieso nicht, weil du nicht damit leben kannst, dass Liam mal seine Rechte einfordert oder Harry seine Sicht der Dinge mit euch teilt?“, fragte sie ihn herausfordernd. 

„Leyna“, warnte sie Niall. „Es gibt einfach Dinge, in die du dich nicht einmischen solltest.“ 

„Wieso lässt du sie nicht einmal teilhaben an den Entscheidungen, die du triffst? Liams Part in der Band könnte ruhig etwas größer werden, er ist wirklich talentiert“, entgegnete Ali ihm, ohne auf seine Stichelei einzugehen.

Niall wurde währenddessen die Sache langsam zu bunt, er schien sie nicht mehr kontrollieren zu können.

„Mir ist bewusst, dass er gut ist, aber wir sind immer noch eine Rockband. Pianisten haben dort nun mal eine nicht so große Rolle“, erwiderte Niall ihr, während er sich insgeheim fragte, wieso er sich überhaupt vor der Kleinen rechtfertigen musste.

„Du hängst wohl gerne gängigen Rollenklischees nach“, mutmaßte Aleyna.
„Aber wenn du immer sagst, dass das hier deine Band ist“, fuhr sie fort, und machte kleine Anführungszeichen mit den Händen. 
„Dann kannst du auch die Regeln bestimmen. Also wenn du willst, dass ich „Run“ singe oder  „Down“ von Jason Walker, „Last Day Of Your Life“ von Glass Pear, oder auch einen der anderen unglaublich komplexen Songs, von denen du erwartest, dass ich sie singen kann, dann sage ich dir, dass ich sie nur singen werde, wenn Liam sie mit dem Klavier als Hauptinstrument begleiten kann, denn das sind nun einmal Songs, die für das Klavier geschrieben wurden.
Außerdem geht es ja bei dir auch vor allem um den Ausdruck von Gefühlen, oder?“, fragte Aleyna ihn, während sie spöttisch eine Augenbraue in die Höhe zog.

„Und das Klavier ist da doch ein super Mittel, oder?“ 

„Leyna, ich weiß ja noch nicht, ob du es verstanden hast“, Entgegnete Niall ihr stirnrunzelnd. 
„Aber du hast in dieser Band nicht besonders viel Entscheidungsrecht. Dafür müsstest du dich erst einmal beweisen.“ 

Die Kleine sah ihn fassungslos an, während ihr Mund aufklappt. 
Dann fuhr sie mit den Händen durch ihren geordneten Zopf. Die Bewegung hatte etwas sehr Grobes an sich, Niall hätte fast darauf schwören können, dass sie so nur versuchte ihre Wut abzubauen.

„Weißt du Niall, damit ich dich ernst nehmen kann, solltest du dich auch zuerst bei mir entschuldigen, aber das tust du ja auch nicht. Man kann wohl nicht alles haben“, entgegnete sie ihm nun wieder mit einem ironischen Lächeln auf ihren Lippen.

„Okay, gut es tut mir leid“, erwiderte Niall ihr, doch ihre nervige Besessenheit ihrem Gerechtigkeitswillen betreffend, ging ihm ganz klar gegen den Strich.
Nur um das an dieser Stelle einmal fest zu halten.

„Das kam ja fast von Herzen“, erwiderte sie lachend.

Ihre Worte hatten nichts Besonderes an sich, sie meinte es noch nicht einmal wirklich böse, was ihn in gewisser Weise verunsicherte. 
Denn egal wie sehr er sie niedermachte, sie schien das hier irgendwie zu brauchen, warum auch immer. 

„Ja, so bin ich“, erwiderte Niall ihr grinsend.
„Okay“, gab sich Niall nun geschlagen und bedachte Aleyna mit einem geheimnisvollen Grinsen. 
„Ich beweise dir, erstens, dass ich durchaus Gefühle in einen Song hineinlegen kann, die ganz sicher bei dir ankommen werden. 
Und zweitens, dass ich ein gutes Klavier durchaus zu schätzen weiß.“
 
Niall konnte sehen, wie Ali ihm einen verunsicherten Blick zu warf und ihn kritisch musterte. 
Besonders viel Vertrauen schien sie nicht in seine Aussagen zu haben, wirklich verübeln konnte er es ihr aber nicht, trotzdem war es merkwürdig, dass so ein junges Mädchen, kein bisschen naiv war. Oder zumindest fast nicht. 

Als Niall dann die Hände, auf das Klavier legte, fielen der Kleinen beinahe die Augen aus dem Gesicht und sie sah ihn verwundert an. 
Niall konnte nicht anders, als instinktiv zu grinsen. Der Kleinen würde er es schon beweisen.
Sie schien vielleicht zu denken, dass er sie nicht mit seiner Musik berühren konnte, aber sie würde ihren Fehler gleich selbst bemerken, da war Niall sich sicher. 

Als er schließlich die ersten Töne, des Songs anschlug, konnte er Ali noch die Augen verdrehen sehen. 
Es war One Republics Apologize. 
Zugegebenermaßen ein etwas mainstreamer Song, aber er würde genau die Wirkung haben, die er bei Ali hervorrufen wollte. 
Um noch ein bisschen die Tatsache, dass er etwas Klavier spielen konnte herauszufordern, spielte er ein kleines Vorspiel, bei dem er die Kleine mit seinem Blick fixierte.

„I'm holding on your rope, got me ten feet off the ground. I'm hearin what you say but I just can't make a sound”, sang  er die ersten Zeilen, während er sie weiterhin in seinem Blickfeld behielt und auch wenn sie noch scheinbar abgeneigt wirkte, sie hielt die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, konnte er spüren, dass sie zumindest angetan wirkte. 

Interessiert oder Begeistert wäre vielleicht etwas übertrieben geklungen, aber angetan traf es ganz gut.
Aber das war schließlich noch nicht alles, was er zu bieten hatte. 

„You tell me that you need me”, sang er weiter, akzentuierte jedes einzelne Wort besonders, und tat so, als ob er nur zu ihr singen würde. 

Die Spannung des Songs steigerte sich und er konnte in dem Blick der Kleinen lesen, dass auch ihr dieser zunehmende Adrenalinspiegel  nicht entgangen war.
Ihrem Arme hatten sich voneinander gelöst und hingen nun schlapp neben ihrem Körper.

„Then you go and cut me down, but wait. You tell me that you're sorry. Didn't think I'd turn around, and say...”, waren die nächsten Zeilen bei denen er spüren konnte, dass er Alis Aufmerksamkeit nun volkommen auf sich beansprucht hatte. Sie war in diesem Song, sie identifizierte sich mit ihm und dabei hatte der Refrain noch nicht einmal begonnen. 

Niall hatte noch eine Menge nicht ausgeschöpfter Reserven in sich, die er allesamt nutzen würde, um die Kleine vollkommen durcheinander zu bringen.

“It's too late to apologize, it's too late. I said it's too late to apologize, it's too late”, sang er scheinbar nur zu ihr, während er sich bemühte, durch eine unverwechselbare und feste Melodie und einen standfesten Gesang ihr den Rest ihres Willens zu nehmen, sich gegen ihn aufzulehnen. 

Niall erreichte sein Ziel, denn Alis Faszination für seinen Gesang spiegelte sich in ihren grünen Augen wieder, die ihn verträumt ansahen und ihrer Körperhaltung, die auf einmal undefinierbar wirkte, nicht mehr starr oder gerade, irgendwie formbarer, weicher. 
Und obwohl er ganz sicher nicht in der Situation ihr gegenüber war, solche Verse zu singen und sie das sicherlich auch wusste und nicht bestreiten würde, Alis Leidenschaft für die Musik nahm ihr jegliche Vernunft. 
Und wenn man das einmal von der nicht musikalischen Seite betrachtete war das unter anderem ihre größte Schwäche.

„I'd take another chance, take a fall .Take a shot for you”, ging er nun wieder in die Strophe hinüber und auch wenn bei One Republic diese Worte sehr weich und verletzt klangen, gab Niall ihnen nun einen herausfordernden Klang, beinahe vorwurfsvollen Klang, während er weiterhin Alis Gesichtsausdruck musterte, die tief betroffen von den Worten war. 

Auch Niall gingen die Worte nahe, auch wenn man ihm vorwarf gefühlskalt und praktisch veranlagt zu sein, aber auch er konnte so etwas wie Schmerz und Trauer fühlen. 
Er nutzte diese negative Energie und schlechte Erinnerungen aber einfach um etwas Neues, Positives zu schaffen, wie Musik.
Auch er dachte besonders bei solch emotionalen Songs an negative Erfahrungen, wie zum Beispiel seine Eltern und ihre Verständnislosigkeit für seine Leidenschaft, Konflikte mit Freunden und Ähnliches, aber er konnte seine Trauer besser verstecken, als manch andere Leute. 
Ali schien ihm da zumindest in Ansätzen ähnlich zu sein, denn auch wenn sie ergriffen von seiner Musik war, sie versuchte die Musik in diesem Augenblick wahrzunehmen und diese Erinnerung so zu speichern und nicht weitere Erfahrungen mit in den Song hineinzunehmen. 
Zumindest sah es für Niall so aus. 
Es konnte auch sein, dass sie einfach nicht besonders viele schlechte Erfahrungen gemacht hatte und sich deshalb weniger emotional verhielt.

„I'm holding on your rope, got me ten feet off the ground”, sang Niall nun immer leiser werdend die letzten Zeilen und beendete den Song mit einem Dreiklang.

Dann war es für wenige Sekunden still, in denen Niall die Kleine beobachtete.
Sie schien immer noch nicht ganz wieder in der Realität angekommen sein, doch der Einfluss der Musik auf sie schwand von Sekunde zu Sekunde. 
Es war witzig zu beobachten, wie sie, wie Ali wieder die Kontrolle über sich selbst und ihren Körper gewann, denn sofort versteifte sich ihre Körperhaltung wieder, ihr Blick bekam die altbekannte lässige Maske und sie setzte ihr Gesicht in Falten.

„Na?“, fragte Niall nun wieder lauter und vernichtete damit all die Magie der letzten Minuten, während er kurz auf die Tasten des Klaviers schlug. 

Ali zuckte sofort zusammen und sah ihn mit großen Augen an. 

„Ich würde mal sagen, ich habe dich überzeugt, oder?“

Der Blick der Kleinen wechselte bei seinen letzten Worten von Erstaunen, über Ernüchterung bis hin zur Wut. 

„Eigentlich hätte ich ja diesen Song singen müssen, du hast dafür eigentlich keinerlei Berechtigung“, entgegnete sie ihm heißer.

Hah!, dachte Niall nun triumphierend. Er hatte sie berührt.

„Und mal ganz ehrlich“, erwiderte sie herablassend „Apologize ohne Gefühl zu singen, hättest noch nicht einmal du schaffen können. War also keine Meisterleistung.“

Niall konnte Ali nur grinsend mustern, während er innerlich weiter triumphierte.
Wow, ein kleiner Sturkopf war sie auch noch. Und sie konnte keine Komplimente machen, zumindest ihm gegenüber nicht, was ihn nicht besonders überraschte.
Sie war immer noch wütend auf ihn, aber um ihre Wut zu stillen, hätte er sie auf Knien um Verzeihung bitten müssen, was nicht unbedingt sein Stil war. 

„Wollen wir jetzt anfangen zu proben?“, fragte die Kleine ihm, da auch sich verstanden hatte, dass sie diese Runde eindeutig verloren hatte.
„Also ich habe mich für einen Song entschieden“, fügte sie noch hinzu. 

Niall konnte es sich nicht nehmen lassen und brach in ein befreites Lachen aus. 

„Was ist denn jetzt schon wieder so witzig?“, fragte sie ihn wütend, während sie weiter die Hände in die Hüfte stemmte, was ihn überhaupt nicht beeindruckte oder gar verschreckte. 

„Du hast deine Chance verspielt, Leyna“, entgegnete Niall ihr.
„Jetzt such ich den Song aus.“

Okay, für diese Tat würde er sicherlich keinen Friedensnobelpreis kriegen, aber er konnte einfach nicht anders, als sie immer wieder unter Druck zu setzen. 
Denn da war noch ein Song auf der Liste gewesen, denn Ali noch nicht gesehen hatte, weil er ganz unten stand und gegen den sie mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit gewesen wäre. 
Niall eigentlich auch, aber der Song war eine echte Herausforderung für sie, denn er war in einer vollkommenen anderen Tonlage, befasste ein emotionales, wenn auch recht banales Thema und – und das war das Wichtigste – er forderte Ali. 
Aber wie hieß es so schön: No risk, no fun. 

„Ich glaube Evanescene Songs stehen dir ganz gut, aber diesmal habe ich mir für etwas Anderes entschieden. 
Und diesmal kannst du dich nicht nur mit deiner hohen Stimme davonstehlen, denn hier sind Gefühle gefragt. Also lern schon mal fleißig den Text von Jar of Hearts von Christina Perri.“

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Badum...
Na wie hat euch das Kapitel gefallen?

Niall und Alina eine Mischung aus Feuer und Wasser... Oder was denkt ihr?

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