~ Achtundvierzig ~
„Ali, das wird schon, entspann dich mal“, sagte Harry gerade zu ihr, während er schmunzelnd den Arm um sie legte. Aleyna stöhnte nur genervt aus und ließ sich tiefer ins Sofa fallen, während die Anderen Jungs, die ihr gegenüber saßen, sie neugierig musterten. Wahlweise auch belustigt.
Gleich würden sie auf die Bühne müssen, ihr Konzert begann in einer Viertelstunde, aber sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie das überleben sollte.
Die letzten Tage hatte sie nur mit dem Einstudieren des neuen Duetts zusammen mit Niall verbracht – Ava und die restliche Band hatten sich dazu entschieden, dass sie „Perfect“ von Hedley performen sollten , da es mehr Anspruch hatte – und die wenige Zeit, die ihr dann blieb, hatte sie mit dem Üben von „Stop And Stare“ verbracht.
Niall hatte sein Wort gehalten und kein einziges Mal nach ihrer Einzelperformance gefragt, geschweige denn erwartet, sie zu hören.
Selbst als sie in einem ziemliche verzweifelten Anfall von Panik ihn darum bat, hatte er winkend angelächelt und etwas von „Die Band zählt auf dich“ gemurmelt.
Mit der Band zusammen hatte sie den Song heute ebenfalls das erste Mal in der Generalprobe gespielt und da hatte sich Niall auch verzogen, um den „Überraschungseffekt nicht zu zerstören“, wie er es so schön ausgedrückt hatte.
Aleyna war aufgrund dieser und anderer Aussagen zu dem Schluss gekommen, dass er einfach die Schuld von sich weisen konnte, falls sie es vergeigte, da er ihr ja vertraut hatte. Den Mut die Anderen Jungs zu fragen, ob sie mit ihr üben würden, hatte sie nicht aufbringen können und sich deshalb das ein oder andere mal selbst einen Feigling gegeißelt.
Und nun musste sie nun mal mit den Folgen leben.
„Habt ihr nicht so ein Bandritual oder Ähnliches bevor ihr ein Konzert habt?“, fragte sie und rieb ihre kalten Hände aneinander.
Es war der erste wirklich heiße Tag in diesem Jahr, die Temperaturen hatten die 30 Grad weit überschritten, aber ihre Hände waren immer noch kalt, so wie eigentlich immer.
Das Problem daran war, dass sie dadurch auch steif wurden und zudem zitterten.
Und das wäre auch gar nicht so schlimm, wenn sie nur singen müsste, aber sie musste auch noch Gitarre spielen, und wenn sie die Töne nicht traf, war es vorbei.
Niall würde sie lynchen, das Publikum würde sie auslachen und die Anderen würden sie nachsichtig anlächeln.
„Ich meine, ihr könnt noch nicht einmal dreimal euren Bandnamen rufen oder so, weil ihr keinen habt“, fügte sie hinzu, als keiner ihr antwortete.
Ausnahmsweise lag die Schweigsamkeit der Jungs einmal nicht an der Tatsache, dass sie sie hassten oder sich gestritten hatten, sondern weil sie in der letzten halben Stunde schmerzhaft erfahren mussten, dass man Aleyna, wenn sie so aufgeregt plapperte, einfach ausreden lassen und sie am Besten nicht unterbrechen sollte.
„Leyna, pass auf, was du sagst“, erwiderte ihr Niall, der gerade zur Tür hereingeschneit war und sie belustigt und eine Spur missgelaunt ansah.
Er benutzte nur ihren albernen Spitznamen, wenn er wütend auf sie war und weil sie sich dieser Tatsache bewusst war, konnte Niall sie noch mehr ärgern.
Als er schließlich vor ihr zum Stehen kam, musterte er sie kurz.
Sein Blick strich über ihre Kleidung, die heute aus einer einfachen Kombination von schwarzen engen Jerseykleid im T – Shirt Stil, schwarz – gemusterten Strumpfhose und Chucks bestand.
Für einen kurzen Moment hatte sein Blick etwas leicht Anerkennendes, dann fiel er wieder zurück in seine alte Masche.
Auch Aleyna nutzte den kurzen Augenblick der Stille, um ihn zu mustern.
Er trug eigentlich immer die gleiche Kombination, aus Jeans und engem Shirt, heute in der Farbe Schwarz.
Im Gegensatz zu ihm waren die anderen Jungs geradezu herausgeputzt: Harry trug einen braun – gemusterten Hut, Louis ein dunkelbraunes Lederband und Liam trug über seinem blauen Shirt ein graues Hemd.
Aber Niall stand dieser lässige Look einfach und das wusste er auch.
„Hat Ava deine gesamte Garderobe erneuert?“, stieß Niall endlich aus, während sie nur die Augen verdrehte.
Jetzt fuhr er gerade wieder auf der „Arschloch – Schiene“ und da war es am besten ihn einfach gewähren zu lassen und die Worte nicht ganz so ernst zu nehmen.
Wie gesagt es wäre am besten, aber sie tat es trotzdem nicht.
„Nein, das sind meine Klamotten“, antwortete sie ehrlich. „Aber danke für das Kompliment“, murmelte sie noch hinterher und schmollte vor sich hin.
Niall lächelte abwinkend ab und murmelte ein „Gern geschehen“, dann trat er näher zu ihr heran, beugte sich zu ihr hinunter und fragte:
„Kannst du spielen?“
Sie nickte und natürlich klebten sofort wieder alle Blicke an ihr und sie sah Niall genervt an.
Es war nett von ihm zu fragen, aber jetzt wussten natürlich alle Bescheid.
Aleyna bereitete sich sofort auf die Vorwürfe vor, die auf sie hinunter hageln würde , aber es passierte nichts.
Als sich endlich jemand dazu äußerte, bemerkte sie überrascht, dass es Louis war: „Die Stahlsaiten hauen ganz schön rein, oder?“
Er lächelte sie wissend an und blickte auf seine eigenen Finger, die er ineinander verschlungen hatte.
„Es wird mit der Zeit besser, aber am Anfang tut es höllisch weh.“ Sie sah wie sich sein Gesicht bei der Erinnerung an die Schmerzen kurz verzog, dann lächelte er sie kameradschaftlich an.
„Ja, danke. Ich habe mich wohl etwas überschätzt“, entgegnete sie ihm und ignorierte wohlwollend Nialls Blick, der ihr bezüglich diesen Wortlautes schon einmal vehement widersprochen hatte.
„Ich dachte nach jahrelanger Übung an der Gitarre, könnten mich so ein paar Stahlsaiten nicht mehr umhauen.“
Gerade wollte Louis dem etwas entgegensetzten, da riss Niall unvermittelt ihre Hände zu sich, sodass sie beinahe vom Sofa gefallen wäre.
Sie stieß einen überraschten Ton aus, doch Niall ging gar nicht auf sie ein.
„Deine Hände sind eiskalt“, stellte er wütend fest, hielt ihre Hände aber dennoch fest umschlossen.
Aleyna fühlte sich etwas peinlich berührt, da sie immer noch saß, während Niall ihre Hände im Stand seltsam nach oben zog, aber ihn schien es nicht wirklich zu stören und die Blicke der Anderen war durch seine Person nicht möglich.
„Das sind sie immer“, antwortete Aleyna standhaft.
Nur nicht einknicken, rief sie sich immer wieder ins Gedächtnis. Sie log ihn ja nicht an.
„Aber nicht so kalt, du zitterst ja, so kannst du nicht spielen“, entgegnete er ihr weiterhin und starrte auf ihre Hände, als ob es sich dabei um ein Versuchsobjekt von höchster Bedeutung und Interesse handeln würde.
Gerade wollte sie etwas zu ihrer Verteidigung sagen, da schnitt Niall ihr bereits das Wort ab: „Die nächsten Male wirst du Stulpen tragen. Ich will dich nicht mehr ohne sie sehen, sonst kannst du die Auftritte knicken. Und bis dahin…“
Er legte seine Hände fest um ihre und zog sie währenddessen auf die Füße.
Aleyna, die nicht mit der plötzlichen festen Berührung seiner Hand auf Ihrer gerechnet hatte, entfuhr ein ertappter Ton.
Niall lächelte nur kurz still in sich hinein, sodass nur sie es registrieren konnte, dann konzentrierte er sich weiter aufs Wärmen.
Seine Hand fühlte sich vollkommen seltsam auf Ihrer an. Einerseits war sie so weich wie Seide, eine Hand, die man gerne berühren wollte.
Andererseits konnte sie seine – vom vielen Gitarre spielen- rauen Fingerkuppen spüren, die sie eigentlich als unschön empfinden sollte, aber für sie fühlten sie sich einfach echt an. Sie waren ein Zeichen von jahrelanger Arbeit und Leidenschaft.
Wie fühlten sich ihre Hände wohl für ihn an? Höchstwahrscheinlich einfach nur kalt und vollkommen brüchig von den Stahlsaiten.
Sie hoffte, dass die Furchen irgendwann verschwinden würden, aber ihre Hoffnung schwand von Tag zu Tag. Vielleicht sollten sie sie für immer prägen, ein Mahnmal für ihre Naivität.
„Deine Hände sind Eisklötze“, murmelte er und drückte seine Hände noch stärker gegen ihre.
Da hatte sie die Antwort auf ihre Hände. Er hatte das Gefühl einen Eisklumpen zu halten.
„Habt ihr nichts zu tun?“, fragte er plötzlich und Aleyna schreckte auf, bis sie bemerkte, dass er mit den Jungs sprach.
Sie versuchte sich umzudrehen, um den Jungs ins Gesicht sehen zu können, allerdings war das nicht ganz so einfach, da ihre Hände immer noch von Nialls umschlungen wurden. Dementsprechend war es sehr schwer, überhaupt etwas hinter ihr ausmachen zu können und sah vermutlich vollkommen dümmlich aus.
Sie konnte erkennen, dass die Jungs ertappt den Blick senkten und vor sich hin lachten.
„Ihr könnt euch ja ein Bandritual ausdenken, dass Ali so vermisst. Ein paar Minuten habt ihr noch“, fuhr er fort und schenkte ihr ein kurzes Lächeln.
Sie wandte den Blick ab.
Danach hörte sie die Jungs lautstark diskutieren, während Niall sie zum Sofa taxierte und ihr bedeutete sich hinzusetzen.
„Sollen wir auch mal?“, kristallisierte sich JmHarrys Stimme aus den Stimmen – Wirrwarr hervor.
Es war ihm deutlich anzuhören, dass es sich dabei nicht um ein blödes Bandritual hatte, dass er testen wollte.
Ali lachte still in sich hinein.
Typisch, Harry. Sie hoffte, dass Niall ihn nicht zusammenstauchen würde, aber er würde sich ja zu wehren wissen.
„Ihr müsst jetzt los, Leute“, löste Ava die leicht angespannt Situation und trat zur Tür herein, von wo aus, sie alle Anwesenden musterte. Sie sah mal wieder blendend aus in ihrer Kombination aus einem dunklen, kurzen schwarzen Kleid, dass ihre Figur so gut betonte, den langen blonden Haaren, die sich um ihr Gesicht schmiegten und den dunklen Sandalen, die ihr Outfit etwas lässiger erschienen ließen.
Harry wirkte etwas beleidigt durch die Unterbrechung und Niall trat einen Schritt von ihr zurück und löste seine Hände von Ihren.
Dann streifte Avas Blick Aleyna und ein Lächeln bereitete sich auf ihrem Gesicht aus.
„Ali! Du siehst toll aus, wirklich. Besser hätte ich es echt nicht hinbekommen“, rief sie hinaus, lief auf sie zu und umarmte sie.
Aleynas Blick traf währenddessen auf Niall, der genau vor ihr stand und sie musterte. Sie zog spöttisch eine Augenbraue nach oben und musterte ihn.
Es war kindisch, aber auf eine kranke Art und Weise wollte sie ihm den Triumph nicht gönnen, dass er denken konnte, dass sie keinen Geschmack hatte.
Den hatte sie, aber sie musste sich nun mal anpassen.
„Okay, los jetzt“, sagte sie und drückte sie erneut, dann verschwand sie.
Und zusammen mit ihr, schwand auch Alis kurzweilige Gelassenheit.
Jetzt rückte ihre Nervosität wieder in den Vordergrund ihres Denkens. Sie nahm sie vollkommen ein.
„Na gut“, sagte Niall nun und sofort setzten sich die Jungs in Bewegung.
Aleyna musste ein Lächeln unterdrücken. Von Nialls Chefton hatten sie sich immer noch nicht unabhängig machen können. Manchmal gehorchten sie einfach nur ohne darüber nachzudenken.
Harry setzte sich als Erstes in Bewegung und lief auf sie zu. Lachend streckte er seine Hand aus und ließ sie einschlagen, dann drückte er sie noch einmal kurz an sich.
„Viel Glück, du schaffst das“, murmelte er noch, dann war er verschwunden.
Liam war der Nächste. Allerdings war er nicht ganz so offen wie Harry, weshalb die Umarmung etwas steif und weniger herzlich war, aber hinter seiner kontrollierten und vorsichtigen Art, konnte Aleyna, den großartigen und talentierten Musiker sehen, der er nun einmal war.
Es war eine Schande, dass er nicht an der Musikhochschule angenommen wurde. Man hatte auf ein echtes Talent verzichtet. Das brachte Liam allerdings aber nicht weiter in seiner Situation, aber wenigstens half es, dass er heute ein richtiges Klavier auf der Bühne hatte.
Aleyna hatte Niall und Ava so lange bequatscht, bis sie eingeknickt waren, komischerweise deutlich schneller als Ava, aber da es sich bei dem Duett Song der Beiden, um eine Klavierbegleitung handelte, war es diesmal unabkömmlich. Ein Keyboard hätte einfach nicht die gleiche Wirkung und Präzession gehabt.
„Danke“, murmelte er noch, so dass es für niemanden mehr hörbar war. Aleyna lächelte ihn wissend an.
Hinter Liam stand bereits Louis, der sie ebenfalls kurz umarmte und dann grinsend auf Niall blickte, der den Raum immer noch nicht verlassen hatte.
Die Beiden wechselten vieldeutige Blicke, die Aleyna einfach nicht deuten konnte.
Für diese Blickwechsel hatten Louis und Niall eine ganze Freundschaft gebraucht, Aleyna würde sie niemals verstehen, aber es sah so aus, als ob Niall das Blickwechselduell gewonnen hatte, denn Louis verzog sich. Niall trat an sie heran und legte die Hände auf ihre Schultern, während er sie ernst ansah.
„Denk daran, beim Einsatz zu mir zu sehen, okay?“, sagte er. „Und sing die Lyrics nicht einfach nur herunter, verzeih ihnen deine Note, mach sie zu etwas Besonderen. Vergiss das nicht.“
Kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass er genauso gut zu ihr sehen konnte für den Einsatz, aber sie sprach es nicht an. Es brachte nichts, sie würden sich nur wieder zanken.
Niall, der ihrer Miene den Gedanken entnehmen konnte, erwiderte ihr:
„Bist du sicher, dass du es schon schaffst auf den Rhythmus zu hören und den Einsatz für zwei Leute zu finden?“
Als er merkte, dass sie nicht antworten wollte, lachte er kurz auf.
„Na gut, dann mal los“, sagte er und machte sich auf den Weg nach draußen, doch vorher drehte er sich noch einmal kurz um, um sie anzugrinsen.
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Ach ja... Ich mag ja den netten Niall total gern ne. Und ihr?
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