◇ Verdammnis ◇

»I have dreams about the days, driving through your sunset breeze«
- James Young

Früher

Er fuhr über seine Lippen und zischte, denn er hatte es erneut über sich hergehen lassen. Er hätte es vermeiden müssen, doch sie zog ihn zu sehr an. 

Ihre Nähe zu vermeiden, war ihm schon zum Verhängnis geworden. Und nun saß er in der Bibliothek und behielt sie im Blick. Wenn sie las war sie die Ruhe in Person. Er hatte sich tatsächlich vorgenommen Jane Austins „Stolz und Vorurteil” zu lesen. Wegen ihr.
Und da sie nun auch hier war, eignete sich dies doch perfekt oder nicht?

Er blätterte eine Seite weiter, strich über die vergilbten Ränder des Buchs und lächelte leicht. Vor weniger als einer Woche hatte sie sich das Buch erneut ausgeliehen. Er wusste nicht, ob es nun das achte oder neunte Mal war, doch er wusste, sie liebte dieses Büchlein abgöttisch und nicht einmal Collin konnte Darcy übertrumpfen.
Nun ja, zumindest hoffte er dies sehnlichst.
Er war bei der Szenerie, wo Austen, der vermeintliche Cousin von Elizabeth, ihr einen Antrag gemacht hatte, den sie glücklicherweise abgelehnt hatte.

Der aufmüpfige Charakter von Elizabeth gefiel ihm, doch er wusste, dass er sich lieber Sherlock Holmes hingab.
Er zischte, als seine Finger erneut  über seinen Bluterguss fuhren.

Scheiße nochmal, Collins Kumpel besaßen keine Gnade. Nur weil er aus ihrem Graffiti einen Haufen Scheiße gemacht hatte, hatte dies doch nicht zu bedeuten, ihn mit fünf Muskelprotzen kämpfen zu lassen. Was hieß schon Graffiti, wenn dieser Mist nur Gekrakel gewesen war. Sie hatten im Pub ihren Spaß und da er ihr Werk so wundervoll fand, hatte er einen Kackhaufen darauf gesprayt. Ziemlich einfallsreich, das wusste er.

Er spürte ein Tippen auf seiner Schulter und blickte von dem Roman direkt in braune Augen.

„Besitzten Sie vielleicht ein Taschentuch? "

Also nun ernsthaft, das war wohl der schlechteste Anmachspruch auf Erden. Er grinste und könnte laut auflachen. Er wusste nicht so recht, ob der unschuldige Blick oder der Anblick einer aufgebretzelten Barbie in der Bib noch erschütternder war. Er spürte den Blick von Reese in seine Richtung. Die Frau mit den tiefroten Lippen hatte vergessen, dass sie sich an einem Ort befand, bei dem man nicht nach Lust und Laune laut quatschte. Welch eine Ironie, dass sie auch noch Bücher gegen ihre Brüste drückte, sodass diese beinahe aus dem Ausschnitt zu quellen drohten, dachte er.

Er senkte seinen Kopf mehr zu Seite, mied, dass Reese ihn möglicherweise betrachten konnte, und richtete sich auf. Es waren zwar noch Bücherregale zwischen ihnen, doch  ihre Blicke brannten auf ihm wie Sekundenkleber auf der Haut. Er hatte diesen Moment nicht eingeplant, aber besonders diese Art von Frau zerstörten gerne Pläne.
So gab er sich im Inneren einen Stoß und spielte mit. Mit dem perfekten Lächeln auf dem Gesicht blickte er  die braunäugige mit einer solchen Intensität an, dass er den Karneval seines Gegenübers nur allzu recht spüren konnte.

„Leider nicht, aber links um die Ecke gibt's Toiletten."

„Ach, echt?", piepste ihre Stimme in seine Ohren, die bald auch selbst zu Piepen drohten. Er stützte sein Ellenbogen ab, ließ seinen Bizeps anspannen und die Muskeln hervortreten, doch bemerkte im Augenwinkel, dass sich jemand zu Reese gesellte.

Er wandte kurz seinen Kopf zu ihr und erstarrte kurz. Für ihn jedoch zu lang.
Collin hatte sich auf den Platz neben sie gesetzt und den Arm auf ihren Stuhlrand gelegt. Unbewusst knirschten seine Zähne, als sich Collin auch noch zu Reese bückte, um ihr etwas zuzuflüstern, das sie völlig rot werden ließ. Er liebte es, wenn sie rot anlief. Kein Rouge der Welt könnte diese wunderschöne Röte erzeugen und es machte ihn feurig, dass Collin der Grund dafür war. Collin, der noch nicht einmal die Freude beim Lesen mit ihr teilte, der sich nicht bemühte ihr zuzuhören, wenn sie begeistert über ihren neuen Buchschatz erzählte.

Seine Laune war im Keller. Wenn nicht sogar tiefer.
Er erhob sich und spielte mit der Strähne der Blondine, gab ein Lächeln von sich Preis, das Bände sprechen sollte.
Das Haar konnte nur unecht sein. Doch dies kümmerte ihn gänzlich wenig. Sie senkte verlegen den Kopf. Er näherte sich ihr, blendete seine Umgebung aus. Blendete sie aus.

„Soll ich dich hinbringen?", raunte er vielsagend und fing den Blick einer Raubkatze ein. Sie leckte sich instinktiv über die Lippen und nahm plötzlich seine Hand, zog ihn ungeduldig an den langen Tischen vorbei und er spürte Collins Blick im Rücken haften. Collin hatte das richtige gesehen.
Bloß Reese nicht. Falls sie ihn überhaupt bemerkt hatte. Sie hatte nur für Collin die Augen im Kopf.

Viel zu erschütternd war dieser Gedanke und er hielt es nicht mehr aus, stieß die Blondine - dessen Namen er zwar nicht kannte, aber seinen ihr zuflüsterte - hektisch in die Toilette, um sie gleich darauf so laut seinen unecht gepflasterten  Namen schrie, dass er die Hoffnung nicht verlor, dass Reese vielleicht ein kleines bisschen eifersüchtig war.

Er konnte der Teufel sein, wenn er wollte, denn er wollte lieber in der Hölle verrecken, als in Reese' Gesicht blicken zu müssen und zu wissen, dass er nie eine Rolle in ihrem Leben spielen würde. Er stöhnte frustriert und schloss die Augen, nahm ausser Acht, dass sich eine verbotene Flüssigkeit über sein Gesicht zeichnete. Tränen waren verboten.

Ein Mann weinte nicht, hatte man ihm gesagt.
Und er wollte  verdammt noch einmal ein Mann für sie sein. Er kam zum Höhepunkt, biss seine Zähne hart aufeinander und reckte seinen Kopf gen Decke. Er wollte bedeutend für sie sein.

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