Kapitel 4: •Rinnender Schweiß•


Neues Kapi! Ich bin's euch irgendwie schuldig. (:
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"Beautiful, beautiful, beautiful, beautiful angel
Love your imperfections, every angle"
- Bazzi

Gegenwart

Ich wusch meine Hände und betätigte den Seifenspender. Erschöpft lehnte ich mich an das Waschbecken und schloss für eine kurze Zeit die Augen. Meine Füße schmerzten. Ich massierte schmerzhaft meinen Nacken und atmete laut aus. Die Arbeit setzte mir wie immer zu und ich konnte es kaum erwarten, mich in mein Bett zu kuscheln. Als die Tür sich öffnete, richtete ich mich auf und holte meinen Lippenstift aus der Hosentasche. Die Blondine, die ich im Augenwinkel ausfindig machen konnte, stellte sich neben mich und fing an sich zu pudern. Wie von alleine fiel mein Blick auf die Blondine und mein Atem stockte. Das süß rosane Rouge und das süße Gesicht gehörten nur einer Person.

„Olivia?", fragte ich und drehte mich zur Blondine. Sie hielt inne und blickte mich an. ihre Züge wandelten von neutral zu einem herzlichen Gesicht - so wie ich sie kannte.

„Nein, unmöglich!", kreischte sie beinahe und ich lachte. Sie war es tatsächlich. Sie stöckelte in ihren gigantisch hohen Heels zu mir und umschloss mich mit einer solchen Entschlossenheit, das ich beinahe drohte zu fallen. Ihr Parfum benebelte meine Sinne und ich schloss die Arme auch um sie, völlig verwirrt wie es sein konnte, dass wir uns je wieder sehen konnten.

Sie neigte sich zurück und musterte mich. Ich tat es ihr gleich. Sie hatte ein Kleid an, das nur nach Geldnoten schrie. Es war rosa und besaß Pailletten, die sich vom unteren Rand des Kleids zu einem Muster aufarbeiteten. Die Formen waren Blumen, die mit Ranken zu kämpfen schienen und die Blumen kurz vor dem Ausschnitt ihr Bild vom Blumenmeer beendeten. Der tiefe Ausschnitt gewährte einem einen genüsslichen Anblick und ihre Halskette wurde durch den Ausschnitt hervorgehoben. Es handelte sich um eine Rose aus einem geschliffenen Diamant, der nicht sonderlich groß war und dem Kleid nicht seine Aufmerksamkeit stiehl. Ich blickte zu guter Letzt auf die Schuhe und musste augenblicklich Lächeln. Olivia war nicht Olivia, wenn sie keine zehn Zentimeter Absatz trug.

Ich blinzelte mehrmals bei diesem Anblick. Sie war auch früher schon wunderschön gewesen und ich war auf sie neidisch gewesen, als viele Kerle um Ihre Aufmerksamkeit gekämpft hatten, doch bei dieser Art von Schmuck und Kleidung war Olivia nie angesprungen. Für sie waren Versace oder Swarovski viel zu teuer gewesen.

„Mann, hast du dich verändert!", sagte sie und trat einen Schritt zurück.
„Du siehst ja noch umwerfender aus!"
Ich lächelte und nickte spielerisch zu ihr.

„Und du scheinst dich nicht verändert zu haben", gab ich grinsend zurück und blickte in ihre braunen Augen.

„Mannomann, haben wir dich vermisst!", sagte sie und tauschte ihr Puder mit der Wimperntusche. Sie hatte ihren Kopf in meine Richtung geworfen. Ich schmunzelte, doch runzelte auch die Stirn. Sie sprach nämlich in der Vergangenheitsform. Ich erinnerte mich noch genau, wie sehr sie den Zirkus geliebt hatte und gleichzeitig fragte ich mich, wer denn für ein Abendessen zwei Stunden fuhr. Ich ging davon aus, dass Olivia einen Begleiter hatte, mit dem sie hierher gefahren war.
Doch ich brauchte mich darüber nicht zu wundern. Schließlich nahm ich auch drei Stunden Fahrt in Kauf, um das Grab meiner Mutter zu besuchen. Die Heimatstadt meiner Mutter war die, in der ich nun lebte. Sie hatte Groomwall geliebt und war mit meinem Vater dorthin gezogen, ihrer Heimatstadt den Rücken zugekehrt. Doch ich hatte nach so vielen Rückschlägen und dann auch nach dem Tod meiner Mutter der Stadt Groomwall den endgültigen Laufpass gegeben und war nicht mehr gependelt, sondern blieb ganz in Vogage.

„Ich würde mich so gerne länger mit dir unterhalten, doch mein Mann wartet da draußen", gab sie von sich und lächelte verlegen. Ich lächelte. Sie war genauso wie ich. Zerbrochen und schon längst verloren. Sie ließ jedoch ihren Stolz fallen, um dafür das Nötigste zu bekommen: Drogen und Geld. Die Drogen für ihre Schwester, die ihr dafür den Schlafplatz für sie und ihrem Sohn gewährte, und das Geld für ihren Sohn. Sie nahm Sex mit älteren Herren in Kauf, um in dieser Welt zu überleben. Dies änderte nichts an der Tatsache, dass sie mich früher unterstützt hatte und sie einfach ein wundervoller Mensch war. Sie war für mich da gewesen und nur dieser Punkt zählte für mich. Ich wusste, sie hatte deshalb viele Freunde verloren.

,,Hast du den Zirkus abgeschworen oder Sugar Daddy's einfach zu deiner Alltäglichkeit gemacht?" Sie blickte traurig zum Waschbecken und presste ihre Lippen beisammen.

,,Nein, so ist es nicht. Der Zirkus ist finanziell zusammengebrochen und Marcus hatte keine andere Lösung gesehen, als ihn vollends aufzugeben."
Sie seufzte tief und blickte mich an. Man konnte ihr aus den Augen lesen wie sehr es sie traf. Den Schmerz, der sich in meiner Brust breit machtete, versuchte ich bestmöglich zu ignorieren. Ich hatte das Tanzen geliebt. Und den Zirkus erst. Ich senkte den Kopf zu Boden und lächelte traurig.

,,Aber hey! Ich habe eine Wohnung für Riley und mich geholt. Und uns geht es gut mit dem Geld, das ich verdiene."

Ich blickte sie an und wusste, sie war erleichtert darüber, eine Last über die Jahre verloren zu haben. Ich wollte über ihre Schwester nicht weiter nachhaken und tauchte meine Neugier in vollkommenes Mitgefühl dafür, wie viel sie leisten musste.

,,Und du hast immer noch mehrere Daddys?", fragte ich ehrlich interessiert und versuchte vergebens meinen Lippenstift aufzutragen. Ich konnte an nicht anderes mehr denken, als darüber, dass wir beide mit Ri zusammenziehen wollten. Es hatte sich nie ergeben, dadurch dass ich meinen Job im Zirkus gekündigt hatte. Das Tanzen war für mich eine Leidenschaft und ich wusste, dass dieser Job mein liebster war. Ich behaupte nicht, dass das Kellnern mir nicht liegen würde, doch das Tanzen, es war einfach unbeschreiblich schön gewesen.

,,Nein, jetzt ist es nur noch Gerald. Er bezahlt und behandelt mich am besten. Er sichert mir mein jetziges Leben und darüber bin ich überaus dankbar. Reese, was machst du da bloß?", fragte sie und schmunzelte, ,,Lass mich das machen!"

Sie nahm mir den Lippenstift aus der Hand und lachte. ,,Du kannst ihn ja immer noch nicht richtig auftragen."

Sie nahm Papier aus dem Spender und befeuchtete dieses. Grinsend tupfte sie mir die ruinierte Stelle wieder in Ordnung und fuhr den Lippenstift nach, bemalte meine Lippen mit leicht geöffneten Mund, die Augen auf meine Lippen fixiert. Ich hatte vor lauter Gedanken meine Lippen außer Acht gelassen. Ich musste schmunzeln, als ich sie musterte. Für sie war Make-up eines der wichtigen Kriterien in ihrem Leben. Sie hatte es schon immer gut handhaben können. Ich merkte, dass mir eine Freundin wie Olivia gefehlt hatte. Sie würde gut zu unserem Trio passen.

Es polterte an der Tür und Olivia hob schnell genug den Lippenstift an, sodass dieser nicht erneut verschmierte, als mein Kopf zur Tür schoss. Mary stand in der Tür und blickte mich völlig aufgelöst an.

,,Kannst du meine Schicht bitte übernehmen, Ree?", fragte sie flehend und ich presste meine Lippen aufeinander. Ich hatte mit Kaylen und Estelle abgemacht, die neuen Möbel aufzubauen. Doch der Blick von Mary war voller Verzweiflung und ich konnte es nicht übers Herz bringen abzulehnen.

,,Natürlich kann ich", sagte ich und lächelte. Mein Blick huschte zu Olivia, die meinen Lippenstift in die Hand drückte und lächelte.

,,Ich muss dann auch wieder, Reese", sagte sie und blickte von Mary zu mir, ,,Die Arbeit ruft auch bei mir."
Ihr Zwinkern ließ mich perplex blinzeln. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und schlängelte sich an Mary vorbei.



Als ich im Wohngebäude ankam, umschmeichelte mich der Geruch von Pizza und ohne dass ich es aufhalten konnte, knurrte mein verdammter Magen. Ich stieg die Treppen hoch und tippte Olivias Nummer in meine Kontakte ein. Sie hatte mir mit meinem Lippenstift einen Zettel dazugegeben. Es war eine Visitenkarte von ihr, die wahrscheinlich eher für das männliche Geschlecht gedacht war. Ich grinste, als ich ihren Namen auf der Karte einspeicherte. Pink Lady. Die Farben Pink und Rosa waren ihr Markenzeichen und es passte einfach himmlisch in meine Kontaktdaten.

,,Reese! Endlich bist du auch da."

Ich hob meinen Kopf und blickte auf Kaylen, die in eine Pizza biss. Also war der Geruch von Pizza aus unserer Wohnung. Ich trat ein, schloss die Tür hinter mir und blickte Kaylen kritisch an.

,,Warum war denn die Tür offen?"

Kaylen, die mit ihrer Pizza in der Hand auf den Schrank blickte, der eindeutig viel zu groß für den Flur war, schaute zur Tür. Der Schrank war aus dunklem Holz und passte recht gut zu den Ockerfarben im Flur.

,,Ach, die Jungs haben nochmal den Bohrer geholt, um die Schrauben zu festigen", murmelte sie mit vollem Mund. Die Jungs?

,,Sag' mal glaubst du der Schrank ist eine Nummer zu groß für den Flur?"

,,Ja, das ist er eindeutig, Kaylen!", rief Estelle aus dem Wohnzimmer, nahm ich zumindest an. Kaylen verdrehte die Augen und ging in die Richtung, woher Estelles Stimme herkam. Ich folgte ihr und streifte meine Jacke ab. Estelle hatte sich auf der Couch bequem gemacht und ihre Beine überschlagen. Sie hatte ihre Haare zu einem Zopf zusammengebunden und ihr Pullover war verziert mit kleinen Holzsplittern. Ich lächelte, denn neben ihr saß Steve. Steve war Kaylens kleiner Bruder und gehörte er zu dem Typ Mann, der gerne locker fallende Shirts anzog, um seine Figur eher zu verbergen, als sie preiszugeben. Er hatte die selbe herzliche Art wie Kaylen und ich wusste Kaylen liebte ihn über alles, auch wenn sie sich gegenseitig immer noch gerne ärgerten. Wer glaubte, sie wären nach Jahren vernünftiger geworden, täuschte sich gewaltig.

,,Bringst du mir auch ein Bier mit, Rell?", sagte Steve und platzte meine Blase aus Erinnerungen. Ich hielt augenblicklich inne, als ich eine Bewegung hinter mir ausmachte. Der Name ließ mich irritierend die Brauen zusammenziehen. Rell?

,,Klar, hab' ich", brummte die tiefe raue Stimme hinter mir. Ich schluckte hart, als sich unser Nachbar an mir vorbeischlängelte. Er hob leicht seinen Kopf und auch seine Lider schwebten in die Höhe, gaben mir seine Augen preis, die mir verlockend zulächelten, wobei er mich wohl eher zu löcheln schien.

,,Hey, Reese", raunte er unmerklich verführerisch. Mir blieb die Spucke weg und ich blickte ihm fassungslos nach. Er machte sich auf dem alten Sessel bequem, auf dem ich mich immer bequem machte, und reichte Steve sein Bier, wobei ich versuchte, nicht auf sein Muskelspiel zu blicken.

,,Wir drei hatten Probleme beim Hochtragen und Syrell kam es gelegen und hat uns geholfen", klärte Kaylen mich auf und setzte sich auf die Couch, auf der sich Estelle und Steve schon breitgemacht haben. Syrell. Ich konnte nicht leugnen, dass sein Name atemberaubend war. So unfassbar verführerisch und sonderbar. Vielleicht hatte ich gerade auch die perfekte Definition für den Mann gefunden, der hinter diesem Namen steckte. Ich schob diese Gedanken vollkommen beiseite und versuchte zunächst diese zu sortieren. Versuchte er sich nach dem gestrigen Aufstand auch noch unter meine Freunde zu mischen?

,,Er ist ein Profi beim Aufbauen", kommentierte Steve und deutete mit seiner Bierflasche auf Syrell. Ich rieb meine Lippen und blickte zu Steve, der heiter dreinblickte. Er schien Syrer zu mögen, sonst würde er nicht so locker dasitzen und auch nicht unbeschwert über den eigentlich Fremden in unserer Wohnung reden. Doch irgendetwas an Steves Haltung verriet mir, dass ihm dennoch etwas nicht behagte. Ich blickte zu Syrell, dessen Ego bis zum Himmel zu ragen schien.

,,Ich garantiere, nicht nur beim Aufbauen", erwiderte Syrell grinsend und lehnte sich zurück, trank einen Schluck von seinem Bier, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er war einem Adler auf der Jagd zum Verwechseln ähnlich. Die anderen drei lachten und fanden seine Aussage lustig, im Gegensatz zu mir. Ich schluckte und blickte zweifelnd auf den Stuhl, der neben dem Sessel platziert war. Neben Syrell.

Ich weigerte mich innerlich dagegen, mich neben ihn hinzusetzen. Schließlich wusste ich nur allzu gut , wie unerträglich die Anziehungskraft zwischen uns war. Gleichermaßen hatte ich die gestrige Nacht nicht vergessen. Seine zischenden Worte schwammen mir immer noch im Blut. Ich schluckte und legte meine Tasche mitsamt Jacke auf dem Barhocker ab.

,,Also habt ihr jetzt noch vor nachzubohren?", fragte ich und nahm eine Pizza aus dem Karton. Ich lehnte mich an die Theke, die die Trennung zwischen Küche und Wohnzimmer bildete, und den perfekten Abstand zwischen uns beiden bildete.

,,Jaa, und dann wären wir für heute fertig."

Ich verschluckte mich an der Pizza, mahnte mich selbst, nicht auffällig unglücklich zu sein. Denn es schien, als wäre seine Antwort keine Lüge gewesen. Die anderen drei widersprachen ihm nämlich nicht und Estelle nickte auch noch zustimmend.

,,Für heute? Ich dachte es wären nur zwei Schränke?", gab ich zweifelnd von mir.

,,Jaa, das stimmt. Aber wir hatten dir noch gar nicht erzählt, was wir noch besorgt haben, Reese."
Ich blickte verwirrt zwischen Kaylen und Estelle. Estelle schlug sich begeistert in die Hände und grinste, ließ somit meine Unsicherheit wachsen.

,,Stoßen wir auf Reese' neuen Bücherregal an!", rief Steve und schenkte mir ein breites Grinsen, hob, um seine Aussage zu untermalen, auch noch sein Bier in die Höhe.

,,Du wolltest doch schon immer einen haben und da dachten wir, dass das doch ein prima vorzeitiges Weihnachtsgeschenk werden kann."

Ich blickte die beiden sprachlos an und fing hemmungslos zu grinsen an.
,,Ihr seid einfach die besten", rief ich voller Begeisterung und ließ das Kind aus mir reagieren. Ich quetschte die beiden in einer Umarmung ein und drückte Ihnen einen Knutscher auf die Wange. Da mich Steve schmollend anblickte, schickte ich ihm spielerisch einen Kussmund. Sie lachten und Kaylen drückte mir ein Glas in die Hand. Es war mit Weißwein befüllt, so auch das Glas von Estelle. Eaden griff nach ihrem Bier.

,,Auf Reese' Bücherregal", rief Estelle. Ich lachte und blickte erst Steve dann Syrell an, der mich wiederum nachdenklich anblickte. Als er bemerke, dass ich seinen Blick bemerkte, lächelte er leicht und hob sein Bierglas hoch. Ich hatte jedoch das kleine Blitzen in seinen Augen gesehen. Ich war schon immer gut darin gewesen, Menschen zu lesen, doch dieser Ausdruck war sogar für mich unmöglich zu deuten. Er setzte erneut seine Maske auf und blickte mir seelenruhig in die Augen, tat so, als hätte es keinen Moment wie gestern oder erst gerade eben gegeben.

Wir stießen an und ich wusste, dass der Austausch unserer Blicke nicht intensiver hätte sein können. Es war wie ein Duell: Wer aufhörte verlor das Spiel. Der Alkohol prickelte und ich wusste, ich würde gleich mit meiner altbekannten Ausrede kommen, um den Anblick von dem Kerl vor mir nicht mehr ertragen zu müssen. Die Spannung zerriss nicht nur Staubpartikel in der Luft, sondern auch mich innerlich. Denn das letzte Mal, als ich so empfunden hatte, war bevor ich Collin verfallen war.

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