6. Dezember
6. Dezember
- Wonderwall
Ich zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und griff nach meinem Handy, das in der Mittelkonsole lag. Dabei fiel mein Blick auf die Oberschenkel meiner Freundin. Ja, meiner Freundin, damit mussten heute auch meine Eltern konfrontiert werden. Ich sah das ziemlich locker. Meine Eltern waren ziemlich locker und Freunde von mir und meiner Schwester hatten sie immer mit offenen Armen empfangen. Warum also nicht auch Y/N?
„Hey du brauchst keine Angst haben. Sie sind nett. Alle drei.", ermutigte ich sie und legte meine Hand auf ihr Bein, um das Wackeln, ein Zeichen dafür, dass sie nervös war, zu stoppen. Y/N sah in ihrem altrosa Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte, zauberhaft aus, doch das sie sich so zurechtmachte war gar nicht nötig, denn so wie ich meine Eltern kannte, warteten sie in der Küche. Meine Mutter würde sicher nur ein langes Shirt tragen und eine Jeans und hatte wahrscheinlich noch ihre Kochschürze um. Mein Vater, der eigentlich erst vor einer halben Stunde Zuhause eingetroffen sein sollte, saß bestimmt in Jeans und Hemd, was er bei der Arbeit anhatte, am Tisch und Aaliyah trug sicherlich Jogginghose und einen Pullover ihrer Lieblingsband. Auch ich trug nur Jeans und ein schwarzes T-Shirt, doch ich wollte Y/N nicht verunsichern, indem ich ihr sagte, sie sei overdressed. Denn trotz dessen sah sie toll aus.
,,Aber was ist, wenn sie mich nicht mögen. Ich gehe noch immer zu High School und du bist so erfolgreich. Sie denken bestimmt, dass ich zu unreif für dich bin.", sprudelte es aus ihr heraus. „Selbst wenn, dann überzeugen wir sie halt vom Gegenteil. Aber los jetzt. Ich will, dass du endlich meine Eltern kennenlernst." Ich öffnete die Fahrertür und stieg aus. Ich merkte, dass Y/N erst zögerte, es mir doch dann gleichtat. Ich wartete vor der Motorhaube auf sie und verschränkte unsere Hände. Ihre waren ganz kalt. Dann lief ich in Richtung der Haustür. Y/N lief hinter mir, trotzdem hielt sie meine Hand mit ihrer fest umklammert. Als wir vor der weißen Tür standen, an der schon der Weihnachtsschmuck hing, blieb ich stehen und drehte mich zu Y/N um. Ihre Haare hatte sie zu einem seitlichen Zopf geflochten, der den Eindruck verlieh, dass sie das liebe, kleine Mädchen von neben an war, doch das täuschte. Y/N war bei unserer ersten Begegnung auch schüchtern, doch schon bei unserem nächsten Treffen durfte ich ihre Spontanität und Lebensfreude kennenlernen. In ihre steckte ein verrücktes Wesen, was so viel mehr als liebenswert war und ich hoffte, dass sie schnell auftauen würde. Sie brauchte wirklich nicht nervös sein. Das machte ich ihr auch noch einmal deutlich, bevor ich schließlich klingelte und wir darauf warteten, dass uns jemand die Tür öffnete. Ich hatte meiner Mutter bloß gestern geschrieben und sie gefragt, ob ich jemanden mitbringen könnte. Ich war mir sicher, dass niemand davon ausging, dass ich meine erste Freundin heute mitbringen würde.
Als ich die Schritte einer Peron hörte, die die Treppe herabstieg, wurden meinen Handflächen feucht. Nun überfiel die Aufregung auch mich, doch ich versuchte Y/N zu liebe mir nichts anmerken zu lassen. Hier draußen war es eiskalt, ich fror, auch wenn ich eine warme Jacke trug. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie kalt es für Y/N war mit ihrem Kleid. Darüber trug sie war ihren schwarzen Mantel, doch ihr war sicherlich auch zur genüge kalt. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis sich die Tür öffnete, doch für meinen Geschmack geschah, dass auch viel zu schnell. Meine Mutter hätte sich gerne auch mehr Zeit lassen können, doch was redete ich da? Bis vor ein paar Minuten war ich noch zuversichtlich, doch was war jetzt. Warum war ich so Unsicher? Y/N war großartig, das würde auch meine Familie verstehen.
Meine Mutter öffnete uns die Tür und zog mich zugleich zu sich, um mich in den Arm zu nehmen. Dazu musste ich Y/Ns Hand loslassen und ich hörte sie tief einatmen. Ich war mir sicher, dass sie sich jetzt zurückgelassen fühlte, dabei stand ich nur etwa drei Schritte vor ihr.
„Shawn, wie schön, dass ihr endlich da seid. Kommt rein, draußen ist es doch kalt!", meinte sie mütterlich. Ich nickte und drehte mich wieder zu Y/N um. Aufmunternd lächelte ich sie an und legte ihr meinen rechten um die Hüfte. Sacht schob ich sie vor, näher zu meiner Mutter. „Mum, das ist Y/N.", meinte ich stolz. „Y/N? Oh herzlich willkommen, wir kennen uns noch gar nicht." „Hallo, Mrs. Mendes. Ich freue mich Sie kennenzulernen.", meinte Y/N schüchtern, aber freundlich. „Die Freude ist ganz meinerseits. Jetzt tretet ein.", sagte meine Mutter und warf mir einen skeptischen Blick zu. Dann fiel ihr auf, dass ich meinen Arm um Y/N geschlungen hatte und sie wurde augenblicklich etwas blass. Als wir im Flur standen und schon unsere Jacken auszogen, ließ sie die Tür hinter sich zufallen, dann betrat sie zusammen mit uns das Esszimmer, das gleich an den Flur anschloss. Sicher hielt ich Y/N's Hand in meiner, als wir meinem Vater und meiner Schwester gegenübertraten. Beide saßen am Tisch und unterhielten sich. Erst als ich mich räusperte, unterbrachen sie ihr Gespräch über das letzte Fußballspiel, was sie gestern besucht hatten. Aaliyah sprang sofort von ihrem Platz auf und kam auf mich zu. Wir hatten uns seit mehr als drei Wochen nicht mehr gesehen und der Kontakt mit Skype und Facetime war nunmal nicht das gleiche.
„Hey, Kleine.", meinte ich lächelnd und umarmte sie. „Endlich bist du da!",sagte sie lächelnd und sah zum Tisch, bevor sie sich zu unserer Mutter wand: „Kann ich dir noch helfen, Mom?" Ich war etwas verwirrt, als Aaliyah nach dem Nicken meiner Mutter einfach an Y/N vorbei ging und sie ignorierte, doch ich ließ mir nichts anmerken und ließ meine Schwester ziehen. Dafür stellte ich Y/N erst einmal meinem Vater vor. „Dad, das ist Y/N. Y/N das ist mein Dad.", meinte ich und begrüßte auch ihn. „Hallo, ihr beiden. Setzt euch doch." Mein Vater zeigte auf die beiden Plätze, die auf der rechten Seite des Tisches waren. Ich zog den einen Stuhl etwas vom Tisch weg und deutete Y/N sich hinzusetzen, dann kam auch ich seiner Aufforderung nach. Als ich schließlich wieder zu meinem Vater sah, um ihn nach Neuigkeiten zu fragen, bemerkte ich das spitzbübische Lächeln in seinem Gesicht, doch ich ließ mich nicht irritieren. „Was gibt es neues?", fragte ich sorglos. „Sag du es mir, mein Sohn. Was gibt es neues?", fragte er lächelnd und lehnte sich zurück. Das Blut in meinen Adern gefror. Ich hatte gehofft, dass meine Familie einfach die Zeichen richtig deuten würden, doch so war mein Vater nicht. Ich hätte es vorher wissen müssen. Mein Dad wollte es von uns wissen. Er wollte, dass ich ihm seine stille Annahme bestätigte. Für einen kurzen Moment schoss der Gedanke durch meinen Kopf, es noch ein wenig heraus zu zögern und zumindest zu warten bis meine Mom und Aaliyah wieder da waren. In dieser Zeit hätte ich mir noch ein paar Worte zurechtlegen können, doch ich wusste, dass es die kommende Situation nicht angenehmer gemacht hätte. So schaute ich kurz zu Y/N und legte meine Hand unter dem Tisch auf ihren Oberschenkel.
„Nicht viel, außer, dass Y/N und ich zusammen sind.", meinte ich und schluckte. Zwar war es raus, doch meine Nervosität verzog sich noch immer nicht. Wo war mein Mut und meine Zuversicht hinverschwunden? „Ihr seid also zusammen. Mein Sohn hat also eine Freundin und hielt es nicht für nötig uns vorher zu warnen. Sieh doch mal, wie wir alle gekleidet sind und wie hübsch sich Y/N gemacht hat. Wir müssen einen schlechten Eindruck machen.", meinte er lachend und streckte Y/N seine Hand über den ganzen Tisch entgegen. Zögerlich ergriff sie sie. „Willkommen in der Familie, Y/N. Nenn mich ruhig Manny." „Ehm... danke, schätze ich.", meinte sie schüchtern und ich drückte ihren Oberschenkel gegen meine Hand. Nach diesen Worten meines Vaters spürte ich wie eine Welle der Erleichterung über mich fiel, doch sobald der Rest wieder ins Esszimmer trat, waren meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Was ist, wenn meine Mutter und meine Schwester nicht wollten, dass ich eine Freundin habe, weil die Gefahr bestand, dass ich mich noch weniger hier blicken ließ. Was wenn sie Angst hätten, dass ich sie vernachlässigte? Was wenn sie Y/N einfach nicht mochten? Wenn sie ihr keine Chance gaben, richtig aufzutauen?
„Stellt euch vor, wir bekommen Shawns Freundin zu Gesicht! Die erste, die er uns als jene solche vorstellt!", meinte mein Vater ganz begeistert und nahm meiner Mutter den großen Topf ab. „Das dachte ich mir an der Tür schon. Wie lange hast du es uns verheimlicht?", fragte meine Mutter belustigt. „Noch gar nicht so lange. Erst ein halbes Jahr ungefähr." „Fünf Monate um genau zu sein.", meinte Y/N und brachte meine Eltern zum Schmunzeln. Aaliyah die uns gegenüber saß, verdrehte genervt die Augen, was mich mehr als stutzig machte. „Und wie habt ihr das während der Tour gemacht? Warst du eigentlich zu Shawns Geburtstag da? Willst du noch etwas Soße?", überhäufte meine Mom Y/N mit Fragen und zeigte ihr den Teller. „Nein, danke. Das reicht so. Während der Tour haben wir halt telefoniert und so und zu Shawns Geburtstag war ich leider nicht, wir haben nachgefeiert. Ich war zu der Zeit mit meinen Eltern im Urlaub.", antwortete sie. Ich war froh, dass sie sich traute und ihre Schüchternheit sie nicht überrannte. „Oh, kennst du ihre Eltern schon, Shawn?", fragte mein Vater und stellte mir nun einen gefüllten Teller vor die Nase. „Ein wenig, ich hatte damals in der Middle School einen Vortrag mit Y/Ns Bruder und den haben wir bei ihr ausgearbeitet." „Ihr kennt euch schon so lange und wir haben dich noch nie kennengelernt. Du hast auch noch nie was von einer Y/N erzählt." „Ich bin nach der Middle School mit meiner Familie nach Montreal gezogen. Erst letztes Schuljahr sind wir wieder hierher zurückgekommen.", antwortete Y/N freundlich. „Achso. Und was machst du so den ganzen Tag über?", fragte meine Mutter Y/N weiter aus. Diese schaute mich nun unsicher aus. Ich wusste von ihrer Sorge, dass es meinen Eltern nicht gefallen würde, dass sie noch zur Schule ging, doch ich war guter Hoffnungen, dass es ihnen nichts ausmachen würde. Außer Aaliyah. Diese verhielt sich äußerst still, stopfte das Essen in ihren Mund und starrte auf ihren Teller.
„Ich bin noch im vorletzten High School Jahr.", meinte Y/N leise und senkte ihren Blick auf ihren Teller. Sie griff nach ihrem Beseck und führte etwas Brokkoli zu ihrem Mund. „Oh, dann kann dir Shawn ja bestimmt helfen, wenn du mal was brauchst. Wir haben sein ganzes Zeug noch auf dem Dachboden stehen.", meinte mein Vater freundlich und fing auch an zu essen. Auch ich wendete mich schließlich meinem Teller zu und war damit der letzte, der anfing zu essen. Die nächsten Minuten sagte niemand etwas. Es war ruhig, abgesehen von den Kaugeräuschen und ich war froh, dass das Gespräch harmonisch abgelaufen war. Zwar fragte meine Mutter bisher viel, doch ich verstand ihr Neugier und Skepsis. „Darf ich in mein Zimmer gehen?", fragte Aaliyah als sie aufgegessen hatte und schaute zu meiner Mutter. „Räumst du bitte deinen Teller noch weg." Genervt schnaubte sie, stand jedoch dann auf und machte sich auf den Weg in Richtung Küche. Schnell schob ich mir das letzte Stückchen Kartoffel in den Mund, bevor ich auch aufstand. Y/N musste wohl kurz auf sich gestellt sein.
„Warte, ich komme mit.", rief ich Aaliyah zu und lief ihr hinterher. Meinen Teller nahm ich selbstverständlich mit. Sie öffnete gerade die Spülmaschine und wir räumten unsere Teller ein „Was hast du gegen Y/N?" „Was hast du für sie? Denkst du, dass sie es ernst meint?", meinte Aaliyah vorwurfsvoll. „Ja, natürlich. Du etwa nicht?" „Shawn, sie ist ein Mädchen. Ein Mädchen von tausenden, die dich bewundern. Die deinen Erfolg und dein Geld bewundern. Du kannst ihr doch nicht wirklich vertrauen!", sah sich mich fassungslos an. „Du kennst sie doch gar nicht!", fügte sie hinzu. „Aber du? Aaliyah, das ist weder ihr noch mir gegenüber fair! Gib Y/N eine Chance!", bat ich meine Schwester, doch sie schüttelte den Kopf. „Aaliyah! Was muss ich tun, was soll sie tun, damit du ihr eine Chance gibst? Sie will nicht mein Geld. Sie liebt mich. Sie liebt mich, ich liebe sie. So soll es doch sein." „Sie soll dich einfach nicht verarschen und du sollst vorsichtig sein. Bitte, Shawn!", bat sie mich, fast schon verzweifelt. „Das bin ich. Das bin ich immer, du kennst mich doch.", meinte ich zuversichtlich und umarmte sie. Mittlerweile war sie so groß, dass sie ihren Kopf an meiner Brust ablegen konnte. „Genau, deswegen sage ich es dir. Weil ich dich kenne. Du vertraust so schnell und dann wirst du verletzt. Es gibt so viele Menschen, die das erreichen wollen. Wer sagt dir, dass sie nicht auch so ist. Sei einfach nicht naiv, in Ordnung?" „In Ordnung, du Zwerg.", meinte ich schmunzelnd und gab ihr einen Kuss auf die Haare. Das hatte ich schon gemacht, als ich sie das erste Mal in den Armen hielt und ich würde es weiterhin tun. Noch immer war sie mein Zwerg. Meine kleine Schwester. Meine kleine Schwester, die sich Sorgen um mich machte. Und ich sie deswegen liebte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top