10. Dezember

10. Dezember 

- I'll Try

Die dunkelhaarige Schönheit stieß die Glastür auf und stolzierte in den Empfangsbereich. Flüchtig begrüßte sie die Dame am Empfang, doch ihre volle Aufmerksamkeit bekam sie nicht, denn Camila war in Gedanken versunken. Sie dachte angestrengt darüber nach, wie sie sich bei Shawn entschuldigen konnte, dass sie zu spät war, denn in ihrer jahrelangen Freundschaft hatte sie eins gelernt: Shawn hasste Unpünktlichkeit. Doch die 20 jährige hatte heute Morgen unbedingt ihre Haare waschen müssen und bis sie diese trocken geföhnt hatte, dauerte es seine Zeit und diese war Camila nun zu spät. Als sie vor dem Fahrstuhl wartete, fuhr sie sich gestresst durch die Haare. Sie hatte wirklich ein schlechtes Gewissen gegenüber Shawn, weil er auf sie warten musste. Sie wollte ihn nicht verärgern – deshalb stieg sie schnell in den geöffneten Fahrstuhl ein und drückte auf den Knopf für die vierte Etage. Ungeduldig wippte Camila umher, doch sie hatte Glück. Ihr Fahrstuhl konnte bis oben durchfahren. Niemand anderes wollte einsteigen. Als sie in der vierten Etage angekommen war, eilte sie zu der Tür, hinter der sich Shawn aufhalten sollte. Ohne zu klopfen, riss sie die Tür auf und stand einem oberkörperfreiem Shawn gegenüber. Sie hatte ihn natürlich schon öfters so gesehen, doch nie konnte sie so einfach den Blick von den definierten Bauchmuskeln losreißen. Auch heute nicht.

„H-hey.", stotterte sie, als Shawn sich geräuspert hatte. „Hallo.", sagte er dann weniger gut gelaunt. Er war beleidigt, schließlich hatte Camila ihn eine halbe Stunde warten lassen und sich nicht gemeldet. Er hasste so etwas. Ihr hätte ja etwas passiert sein können. „Was, wieso, warum hast du nichts an?", meinte sie verwirrt und wedelte wild mit ihren Armen vor sich her. Zum Ausdruck dafür, dass sie seinen Oberkörper meinte. „Ich habe den Kaffee auf meinem T-Shirt verschüttet. Aber keine Sorge der Kaffee war schon kalt." Beschämt sah die Brünette auf den Boden. Normalerweise tranken sie den Kaffee zusammen, sobald sie im Studio eingetroffen sind. Nach all diesen Ereignissen am heutigen Tag war wohl klar, dass seine Laune nicht mehr weit vom Nullpunkt entfernt war. Camila stellte währenddessen ihre Handtasche auf den gelben Zweisitzer ab und zog ihre Jacke aus. Auch den Schal legte sie ab. „Es tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin, Babe.", meinte sie und schaute Shawn in die Augen. Sie wollte nicht riskieren, dass ihre Augen nochmal auf seinen Brustkorb und auf seinem Bauch landen würden.

„Schon gut, nun bist du ja da." „Gut, dann lass uns jetzt anfangen. Wo ist eigentlich der Knöpfchendreher?" „Hast du deine Notizen mit? Die werden wir brauchen. Miles ist mir ein frisches T-Shirt aus seinem Spind holen.", erklärte Shawn und nahm sein Handy in die Hand. Es verletzte ihn, dass Camila sich anscheinend nicht freute ihn zu sehen. Da sie zum wiederholten Male zu spät kam. Er hatte keine Interesse sich mit ihr zu unterhalten. „Ich habe mein Notizbuch zu Hause vergessen. Es tut mir leid, Shawn. Wirklich! Ich weiß, dass das jetzt wirklich dumm ist, doch das war nicht absichtlich!", meinte die Kubanerin, nachdem sie einen Fluch auf Spanisch ausgesprochen hatte, als sie gemerkt hatte, dass sie die Sachen der letzten Absprachen Zuhause liegen gelassen hatte. Es ärgerte sie, doch sowas kam vor. Sie hoffte, dass Shawn das verstand. Doch dieser schaute sie wütend an. Die Enttäuschung übermannte ihn und die Wut kochte auf. Der Blick, den er seiner Freundin zuwarf, war alles anderes als freundlich. Doch Shawn konnte nicht anders, als endlich alles, was sich im Laufe der Zeit angestaut hatte, rauszulassen.

„Camila, du...du bist so... Du regst mich auf! Ich habe schon viel gesehen, habe viele Leute getroffen, doch niemand war so...anstrengend wie du! Du machst mich wahnsinnig! In Interviews sprichst du in den höchsten Tönen von mir, doch sobald wir alleine sind, denkst du, dass du mit mir umgehen kannst, wie du willst. Ich habe keine Ahnung, wo ich bei dir stehe. Weißt du, wie verletzend das ist? Seit Jahren denke ich, dass wir Freunde sind. Ich weiß, dass wir nie mehr sein werden, doch ich will das. Verstehst du, dass es dezent verwirrend ist, dass du dich anscheinend einen Dreck um mich kehrst, mir trotzdem irgendwelche Kosenamen gibst, die normalerweise Taylors Spielgefährten zu hören bekommen? Vielleicht nehme ich das zu ernst, doch Fakt ist, dass ich schon zu lange gewartet habe." „Wie, du hast zu lang gewartet? Für was?", fragte die verwirrte junge Frau und legte ihrem guten, aufgebrachten Freund die Hand auf die Schulter. „Dich zu fragen, was das soll und warum du das mit mir machst." „Shawn, ich verstehe nicht. Was mache ich denn mit dir? Ich will dich nicht verletzten! Wirklich nicht!", meinte sie nun. Sie war völlig ahnungslos und stand vollkommen auf dem Schlauch.

„Du machst mir Hoffnungen, dass ich mehr für dich sein könnte, als bloß dein bester Freund. Als bloß der Typ, mit dem du momentan einen Song produzierst und dann gibt es Situationen wie heute. Wir wollen uns treffen, du kommst zu spät und meldest dich nicht und dann hast du auch noch dein Zeug vergessen. Das sind doch eindeutige Zeichen dafür, dass du nichts von mir willst. Das du es nicht für nötig hältst, dich vorzubereiten. Das ich dir nicht wichtig bin!" „Shawn! Was redest du da? Natürlich bist du mir wichtig! Du bist mir sehr wichtig und ja vielleicht kann ich mir vorstellen, dass da „mehr" draus werden kann, doch das geht nicht und das weißt du. Akzeptiere das bitte!", flehte die 20 jährige ihn an. „Aber warum dürfen wir nicht das Leben führen, das wir wollen? Warum dürfen wir Ruhm ernten, aber keine Gefühle erleben? Camila, bitte! Stell dich dagegen. Mit mir. Sag mir, dass du es dir erlaubst, zu leben und zu lieben. Sag mir, dass ich dir wichtig bin. So wichtig, dass du das Risiko eingehst!"

„Hier geht es doch nicht nur um mich! Weißt du, dass ich dieses Image wahre, weil ich damit ein Zeichen setze, weil ich meine Fans, zeigen will, dass es eine Frau auch allein bis ganz nach oben schafft. Ohne einen Mann. Ich will emanzipiert sein. Ich kann das nicht zerstören. Ich bin ein Vorbild für so viele, wenn ich mit dir zusammen bin, dann denken sie vielleicht, dass wir uns doch alle an einen Mann binden müssen!" Niemand der beiden, traute sich etwas zu sagen. Camila hatte es bis eben nichts gewusst, dass Shawn ein solches Interesse für sie besaß, doch auch diese und ihre Gefühle für den jungen Mann änderten nichts daran, dass sie ihre Eigenständigkeit aufgab. Nicht kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums.

„Also würdest du mit mir zusammen sein, wenn du diese Rolle als emanzipierte Frau nicht hättest?", fragte Shawn nach einer Weile des Schweigens hoffnungsvoll nach. In seinem Gesicht bezeichnet sich ein kleines Grinsen ab. „Ja. Nein. Nein, Shawn. Auch dann würde ich mich noch voll und ganz auf meine Karriere konzentrieren wollen." „Aber warum traust du dir denn nicht zu, dass du es beides schaffst? So viele andere Stars schaffen das auch. Familie und Beruf, selbst alle anderen Leute ohne Promi Status haben das unter einen Hut zu bekommen, bitte Camila: Gib dem eine Chance! Du, wir, wir können das schaffen!"

„Shawn, nein. Das geht einfach nicht. Das kann ich nicht.", sagte sie und verzog ihr Gesicht zu einer eiskalten Miene.

Kurz danach hörte sie das leise Zerbrechen eines Herzens und der Hoffnung, doch sie blieb bei ihrem Entschluss. Shawns Herz war gebrochen, daran konnte sie nun nichts mehr ändern. Ein gebrochenes Herz konnte nicht von dem wieder repariert werden, der den Schmerz verursacht hatte, das hatte ihre Mutter ihr schon von klein auf erzählt. „Dann, dann lass es uns wenigstens gänzlich beenden. Du nennst mich „Babe" und meinst es anders, als ich denke. Du machst mich so kaputt. Lass uns den Song abblasen. Such dir einen anderen Partner. Ich gebe meine Rechte ab. Ich will nichts mehr von dir wissen. Nicht bis es mir besser geht.", sagte Shawn und drehte sich um. Er wollte nicht länger hier bleiben. Das Miles noch immer nicht zurück war und ihn etwas Frisches zum Anziehen gebracht hatte, war ihm nun egal. Hatten die anderen wenigstens was zum Gucken. Der Kanadier legte seine Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter.

„Nicht.", meinte sie mit fester Stimme und fasste Shawn an der Schulter, um ihn zu ihr zu drehen. Zärtlich legte sie ihre Hand an seine Wange und wischte mit ihrem Daumen eine herunterrollende Träne weg. Shawn stand schweratmend vor ihr. Er wusste nicht, was nun kommen würde, doch er ertrug die Nähe kaum. „Du darfst nicht so aus meinem Leben treten, Shawn. Nicht mit Tränen in den Augen. Ich...ich bin heute Morgen  zu spät gekommen, weil ich meine Haare gewaschen habe und sie noch föhnen musste. Ich wollte nicht, dass du mich anders siehst. Das wäre mir peinlich gewesen, mir ist es wichtig, was du von mir denkst! Das Zeug habe ich vergessen, weil es dann so stressig war; es tut mir...", sagte sie, doch unterbrach sich selbst, indem sie ihre Lippen auf Shawns drückte. Ihre Hände rutschten auf seinen nackten Oberkörper, der ganz kalt war. Doch innerlich war Shawn ganz heiß, alle ihm bekannten Gefühle überrollten ihn und er versuchte sie zu ordnen und er kam erst gar nicht dazu, den Kuss zu genießen. Erst als Camila ihre Hände auf seine Schultern legte und ihn ein Stück runter zog, begriff er, dass sie ihn tatsächlich küsste. Ab diesem Moment begann er sich zu entspannen. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Rücken und die andere in ihren Nacken. Ihre Haare schob er ein Stück beiseite, dabei musste er leicht grinsen.

Nie hatte er es sich bewusst vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn sie sich küssten, doch diese Zärtlichkeit und Fülle an Gefühlen stellten alles Vorstellbare in den Schatten. Es war kein wilder Kuss, er war langsam und schmerzhaft, er fühlte sich mehr wie ein Abschiedskuss an und das war er auch. Denn als jemand versuchte die Tür aufzumachen, stolperten sie beide wieder in die Mitte des Raumes und lösten sich. Sie brachten etwas Abstand zwischen sich. Shawn sah Camila verunsichert an, sie blickte ihn traurig an. „Verlier dieses Lächeln bitte nie. Behalte es, wenn du jetzt aus dem Raum gehst, denn jetzt darfst du gehen. So will ich dich in Erinnerung behalten."

Shawn drehte sich schnell um. Das Lächeln war schon verschwunden. Er dachte, er hatte sie doch für sich gewonnen und jetzt ließ sie ihn doch gehen. Er riss den erstaunten und verwirrten Miles das T-Shirt aus der Hand und verließ den Raum. Das laute Knallen der zufliegenden Tür besiegelte die Trennung seiner und Camilas Wege.

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