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Ich sehe nicht, kann absolut nichts hören außer mein eigenes Blut, das in meinen Ohren rauscht und dazu kommt, das ich mich nicht bewegen kann. Es ist ein seltsames Gefühl. Ich fühle mich, als sei ich komplett hilflos. Ganz alleine in der Dunkelheit. Aber nein... Mister Baranow hat gesagt, dass er die ganze Zeit da ist. Er hat gesagt, er lässt mich nicht alleine... Aber... Ich reiße meine Augen auf und versuche durch die Augenbinde etwas zu sehen. Doch es ist vergeblich. Nicht das kleineste Bisschen kann ich sehen. Ich spüre, das jemand da ist... Das ich nicht alleine bin... Aber ich sehe ihn nicht. Ich höre ihn nicht.
Sicht Franjo
Es ist zwei Minuten her, seitdem er nun komplett abgeschottet ist. Ich habe mir den zweiten Stuhl zurecht gezogen und sitze direkt vor ihm. Eigentlich wollte ich ein paar Angebote, die ich heute Mittag bekommen habe durchgehen und ordnen, aber in so einem Fall geht das natürlich nicht.
Ja die Show. Ich bin eigentlich ziemlich zufrieden. Es hat alles soweit gut geklappt, es sind viele Menschen da gewesen und wir haben einige Aufträge bekommen. Die Showeinlagen waren gut... Naja... Julian war hervorragend. Wie er sich dort an der Stange bewegt hat... So... neckend... Ich habe es ihm angesehen. Wie damals als er die Stifte zum malen bekommen hatte. Er mag das Tanzen. Es gefällt ihm. Es macht ihm Spaß. Zwar ist es sehr schwer für mich gewesen, anschließend nichts mehr zu verlangen... Aber das kommt mit der Zeit.
Die Bestrafung des Jungen hat auch gut geklappt. Zwar hat er sich anfange geweigert, aber ich denke schon alleine die Tatsache, das meine Kunden nun sehen konnten wie wir vorgehen in einem solchen Fall, verspricht einiges an Aufträgen. Besonders stolz bin ich ja auch die Tatsache, dass wir sogar Kunden aus anderen Ländern hier hatten. Franzosen, Italiener, Russen und Engländer!
Aber zurück zum eigentlichen. Delta ist mitten in einem Gespräch mit einem der Engländer plötzlich aufgetaucht. Ich hatte mich entschuldigt und sie zur Seite genommen. Oh war ich zu dem Zeitpunkt enttäuscht von ihm. Die klare Anweisung, das sie auf dem Sofa sitzen bleiben soll war ja nicht all zu schwer zu befolgen. Doch als sie dann mit einem Seitenblick zu Julian erklärte, dass sie es für besser hält, wenn Julian in meinem Reich warten soll.... Sie hat mir erklärt, dass er beinahe eine Panikattacke bekommen hatte, als ich den Jungen bestraft hatte.
In mir baute sich ein schlechtes Gefühl auf. Ich hatte das nicht einmal bemerkt. Auf der anderen Seite... Er sollte nicht mehr so reagieren. Er ist nun seit mehr als zwei Jahren bei mir und sollte verstanden haben, dass er Strafen nicht auf sich übertragen soll und es normal ist, das die Jugendlichen bestraft werden. Ich schickte Delta sich vorzubereiten und habe Julian nicht mehr aus den Augen gelassen. Es wirkte auf mich ein wenig... Separiert... Nicht ganz da.... Im hier und jetzt. Doch allgemein eher gut als schlecht.
Als dann der letzte Programmpunkt an der Reihe war, habe ich ihn nicht aus den Augen gelassen. Er hat neugierig zugeschaut. Ich habe gesehen, wie er jede Bewegung aufgesaugt hat und habe mir daher nicht groß Gedanken über das gemacht, was Delta mir nur fünf Minuten zuvor erzählt hatte. Als er dann aber mit einem Mal weg war... Ich hatte Schwierigkeiten mich auf das zu konzentrieren, was ich mit Delta machen musste... Als ich fertig war und sie in die Obhut von Finn gegeben hatte, bin ich direkt in das Hinterzimmer gegangen, bei welchem Ace mit Julian wartet.
Und jetzt? Jetzt sitzt der Junge gefesselt und seiner Sinne beraubt vor mir. Sein Körper zittert und er windet sich immer wieder ein wenig hin und her. Sein Kopf sucht nach etwas. Immer wieder wendet er ihn und ich kann sehen, wie angespannt sein Körper ist. Doch noch hat er nichts gesagt. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, das es mittlerweile fast zehn Minuten erst sind und ich sehe jetzt schon, wie sehr er leidet. Die Augenbinde ist dunkel von seinem Tränen und seine Lippen bluten leicht, da er sich mal wieder auf diese beißt.
"Was geht in deinem hübschen Kopf nur vor sich...?", frage ich leise und lege meine Hand auf die seine. Zuerst zuckt er stark zusammen, doch dann beruhigt sich sein Körper nach und nach, bis er schlussendlich fast komplett entspannt dasitzt. Ein leichtes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. Ich finde es gut eine solche Wirkung auf ihn zu haben. Auch wenn ich vermute, das er mir nicht zu einhundert Prozent vertraut... So wie es wirkt hatte er Angst, dass ich nicht da bin.
Als er weitere zehn Minuten ausgehalten hat und nicht mehr so wirkt, als ob er gleich hyperventiliert, drücke ich seine Hand sanft und stehe auf. Ich gehe zu meinem Schreibtisch und öffne mein Mailcenter. Einen Blick auf die neuen Anfragen kann ich schließlich werfen. Immer wieder wandert mein Blick zu Julian. Zuerst verändert sich nichts, doch schon schnell beginnt er wieder damit, unruhig zu werden. Ein leises Seufzen verlässt meine Lippen und ich sperre meinen Bildschirm wieder. Nein, ich habe keine Zeit. Julian braucht mich.
Also setzte ich mich wieder an meinen Platz direkt vor ihn und ich will gerade nach seiner Hand greifen, da halte ich mich selbst zurück. Was ist, wenn ich ihn nun die restliche Zeit wirklich nur beobachte...? Wird er etwas machen? Also beuge ich mich nur zu ihm, mache und berühre ihn aber nicht. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, das er noch sieben Minuten durchhalten muss. Ich beobachte ihn genau. Seine Lippen beben und ich sehe, wie sehr er sich an die Lehne des Stuhls klammert. Immer wieder zuckt er ein wenig zusammen und es sieht fast so aus, als ob er in einem inneren Konflikt steht. Dann sehe ich, wie sich seine Lippen bewegen.
Es sind noch drei Minuten. Doch meine Augen liegen nicht länger auf der Uhr, sondern auf seinen Lippen. Ich muss genau hinhören, doch kaum verstehe ich was er sagt, lege ich meine Hände an die Kopfhörer und entferne sie. Genau das selbe mit der Augenbinde und streiche ihm vorsichtig über seinen Kopf, seine nasse Wange und seine Arme. "Ich bin da... Alles ist gut...."
Er hat es gesagt. Er hat das Safeword benutzt. Er vertraut mir.
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