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Es sind einige Minuten vergangen. Mister Baranow hat mich und Delta in die Küche geschickt, nachdem Mister McMillan mir einen Druckverband angelegt hat, um mein Handgelenk zu kühlen. Nun sitzen Delta und ich also hier unten und ich halte ein Kühlpad an mein verbundenes Handgelenk. "Du wirst raus kommen...", bricht Delta nach einiger Zeit das Schweigen und ich schaue sie mit großen Augen an. "Wie meinst du das?", frage ich sie und lege meinen Kopf ein wenig schief.

"Na du kommst hier raus. In die normale Zivilisation. Seit ich hier bin war ich nur einmal draußen... Das war bei einem Einkauf meines alten Herrn. Und jetzt kommst du raus! Zu echten Menschen! Das ist der Wahnsinn!", erklärt sie und wirkt ganz aufgeregt. Ich verstehe nicht ganz, was diese Aufregung soll. "Okay... Aber wieso findest du das so toll?"

"Keine Ahnung. Es ist einfach spannend. Du weißt so viel... Kennst die Geheimnisse, die dunkle Seite der Menschheit und wandelst neben einem der wohl bekanntesten Mafiosis... Und niemand weiß etwas davon! Das ist doch einfach Hammer!", erklärt sie und ich hebe meine Augenbrauen. Delta ist wirklich etwas ganz besonderes...

"Nummer eins!" Ich stehe direkt auf als die Tür auf geht und Mister Baranow nach mir verlangt. "Folg mir.", weißt er mich an und ich folge ihm schnell. Im Flur bekomme ich ein paar Schuhe und eine dicke Jacke, welche ich mir vorsichtig über die Schultern lege. Mister Baranow geht immer wieder an mir vorbei, sucht irgendwelche Unterlagen zusammen und telefoniert. Er redet in schnellem russisch und scheint nicht besonders glücklich zu sein. Ich habe das Gefühl, das ich an der ganzen Situation schuld bin und mache mich so gut es geht unsichtbar. Nicht im weg stehen und direkt reagieren, wenn eine Anforderung kommen sollte...

"Komm!", meint er als er gerade an mir vorbei nach draußen in die Kälte geht. Schnell gehe ich ihm nach und ziehe mit meiner linken Hand die Jacke ein wenig fester um mich. Es ist schon wirklich kalt geworden... Aber was soll ich erwarten Mitte Dezember? Wir laufen über den Hof und an den großen Unterkunfthallen vorbei und direkt auf eine mir bis dato unbekannte Halle. Ich folge Mister Baranow durch eine kleine und etwas rostige Seitentür in die Halle und bleibe erst mal stehen. Ich blinzle einige Male, da es hier viel dunkler ist als draußen im Schnee, und versuche mich an das Licht hier zu gewöhnen. Doch noch bevor ich auch nur weiter gehen kann, werde ich an meiner Schulter festgehalten und weiter gezogen.

Wir halten vor einem dunklen Geländewagen. Auch Mister McMillan ist hier und wechselt einen kurzen Blick mit Mister Baranow. Dieser gibt ein Handzeichen und das Licht des Autos geht an. Also ist noch jemand da... Mister McMillan steigt auf dem Beifahrerplatz ein und Mister Baranow führt mich nach hinten. Er öffnet die Tür auf der rechten Seite und schaut mich an. "Steig ein und schnall dich an.", lautet der Befehl und ich komme diesem schnell nach. Er selber geht einmal um das Auto herum und steigt auf der anderen Seite ein. Nun sitzt er neben mir und beugt sich zu dem Fahrer vor. Er gibt diesem irgend einen Befehl und der Wagen setzt sich in Bewegung. 

"Zur Sicherheit werde ich dir für den Start eine Augenbinde umlegen.", erklärt er mir, als er sich mit einem Tuch zu mir beugt. Ich lasse es stumm über mich ergehen und halte mich nun mit meiner linken Hand an meinem Gurt fest. Es ist ein merkwürdiges Gefühl in einem Auto zu sitzen und zu fahren, aber nichts zu sehen. Der Wagen wippt sehr stark hin und her und ich vermute das es an dem tiefen Schnee liegen muss. Nach einer Weile haben wir aber eine glatte Straße unter uns und ich merke, wie mir die Augenbinde abgenommen wird.

"Also. Wir werden gleich bei einem Krankenhaus ankommen und dort dein Handgelenk röntgen lassen. Du wirst nichts sagen und dich unauffällig verhalten, verstehst du? Sonst könnte ich sehr sehr sauer werden und das möchtest du ja nicht, oder?", fragt er und ich schüttle schnell meinen Kopf. "Nein Sir... Das möchte ich nicht...", hauch ich leise und mache mich in meinem Sitz ein wenig kleiner. "Fein. Falls du doch angesprochen wirst antwortest du ganz normal. Du heißt Julian Black und wurdest von mir adoptiert. Wir leben nun in Stuttgart und haben einen Freund besucht. Da bist du die Treppe herunter gefallen und nun sind wir hier. Hast du verstanden? Wie heißt du?", fragt er mich nun und ich schaue ihn einen Moment etwas überfordert an. Dann stammle ich aber schnell: "J-julian Black"

Wieder ist ein Nicken von Mister Baranow zu sehen und erleichtert richte ich meinen Blick wieder nach draußen. Wir sind mittlerweile in einer Stadt und ich kann viele Menschen auf der Straße sehen. Nach weiteren Minuten sehe ich ein großes, weißes Gebäude und sofort schießt mir durch den Kopf, dass das, das Krankenhaus sein muss. Der Fahrer parkt den Wagen und Mister Baranow steigt aus. Er geht um das Auto herum und öffnet mir die Tür. Ich schnalle mich ab und steige ebenfalls aus. Er hebt mein Kinn an und schaut mich an. Seine Augen strahlen mich in einem tiefen Blau an und ich kann mich nu schwer von ihnen lösen. Seit wann hat er die Kontaktlinsen denn raus genommen?

"Folg mir Kleiner~", meint er nun eher ruhig und leise und ich laufe schnell neben ihm her. Der Arzt geht vor uns die Straße entlang bis zum Eingang und wir gehe ihm hinterher. Ich fühle mich ein wenig unwohl... Alles um mich herum ist so groß und voll mit Menschen. Nahe an Mister Baranow gehe ich mit ihm durch den Eingang und finde mich nun im inneren des Krankenhauses wieder.



"Achtung! Platz da! Tachykarie, Hypotonie auf dem Weg hier her! Kopf und Thorax Verletzung"

"Und der rechte Arm... Ich vermute eine distale Radiusfrakt~"

"Sie sind nur Polizist, lassen Sie uns die Diagnosen machen!"

"Ich hab ihn da~"



"Julian? Kommst du?", ich schüttle meinen Kopf, blinzle einige Male und lasse meine Hand, die auf meinem Hinterkopf liegt, wieder runter wandern. Irgendwas ist gerade passiert... irgendwann... Ich... Ich drehe mich um und sehe einen Mann in einer Polizeiuniform etwas hinter uns, werde aber von Mister Baranow weiter gezogen. 

Ich stolpere hinter ihnen her und finde mich in einem langen Gang wieder.



Alles fühlt sich seltsam an... Ich kann nur schwer meine Augen auf machen. Licht an. Licht aus. Licht an. "Pupillenreaktion vorhanden!" Dann wieder Dunkelheit. Ein ständiges Piepen. Schritte. Stimmen.



"Julian. Komm jetzt. Hier rein." Wieder reißt mich die Stimme von Mister Baranow aus diesen seltsamen Bildern. "Entschuldige....", murmle ich und folge ihm in eines der Zimmer. "Mister Black. Hier entlang bitte. Wir werden ein MRT durchführen um auch sicher alles was eventuell sein könnte, ausschließen zu können. Hier rein.... Genau. Julian. Du wirst dich nun hier einmal drauf legen. Du darfst dich keinen Millimeter bewegen, hast du verstanden? Es ist ganz wichtig.", erklärt mir der Arzt und deutet auf eine Liege die vor einem riesigen Loch steht. Er sieht wohl meine Unsicherheit und erklärt mir, dass es sich dabei um ein MRT handelt. Eine Magnetröhre die mein Inneres in Bilder umwandeln kann.

Unsicher lege ich mich wie gewünscht auf die Liege. Mister McMillan legt meine Hand neben mich und geht dann in einen kleinen Raum der nur durch eine Glasscheibe von uns getrennt ist. Meinen Blick lasse ich zu Mister Baranow wandern und unsicher beiße ich mir auf meine Lippe. Dann beginnt sich das Ding in Bewegung zu setzen. Die Liege mit samt mir wird in das Loch geschoben und ich kann ein Surren um mich herum hören. Dann höre ich die Stimme von Mister McMillan "Julian es ist alles gut. Bleib ruhig liegen... Es passiert nichts. Wer weiß, vielleicht bekommst du ja eine Belohnung, wenn du es brav machst."

Ich schaue starr an die Decke und spanne meine Muskeln ein wenig an. Mein Herz pocht schnell, doch ich versuche mich nicht zu bewegen. Und tatsächlich dauert es nicht lange und die Liege wird wieder aus dem Loch heraus gefahren. Ich schaue mich um und sehe, dass Mister Baranow zu Mister McMillan gegangen ist und sie sich etwas auf einem Bildschirm anschauen. Dann kommt Mister Baranow zu mir und deutet mir an, dass ich ihm folgen soll. Wir gehen wieder aus dem Raum raus und den langen Gang entlang. "Hattest du schon einmal einen Bruch?", fragt mich Mister Baranow nach einiger Zeit und ich schüttle meinen Kopf. "Nein Sir. Nicht das ich wüsste.", antworte ich ihm und folge ihm um die Kurve in Richtung des Ausgangs.

Mister Baranow geht an eine Art Tresen hinter dem eine junge Frau sitzt und schiebt ihr mehrere Blätter zu. Sie schaut sich alles an und nickt, ehe sie auf einen Knopf drückt und eine Tür aufgeht. Mister Baranow geht mit mir dort durch und ich finde mich hinter dem Krankenhaus auf einem großen Parkplatz wieder. Wenn mich nicht alles täuscht läuft das aber normalerweise ein wenig anders ab...

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