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Sicht Franjo

Nachdem ich Julian zu dem Mann gebracht habe, der Antworten auf seine Vergangenheit hat, hat sich einiges verändert. Ich habe es ihm in dem Moment, als ihm der Mann die Wahrheit gesagt hat angesehen. Alles an das er geglaubt hat, seine ganze Vergangenheit... Alles hat sich für ihn geändert. Nachdem ich ihn noch fast eine halbe Stunde weinend in den Armen vor unserem Auto gehalten habe, hat er sich von mir gelöst und mich gebittet, ihn nach Hause zu bringen.

Seit dem sind nun fünf Tage vergangen. Er hat die meiste Zeit damit verbracht in seinem Zimmer zu sitzen. Entweder auf seinem Bett oder am Fenster. Er hat auch nicht wirklich auf irgendwas reagiert, was ich oder Delta gesagt habe. Heute morgen hat er mir schon einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Sein Zimmer war leer. Ich bin direkt durch die ganze Wohnung geeilt um ihn zu suchen und schlussendlich saß er an die Wand gelehnt vor der Ausgangstür und hat auf den Hof gestarrt.

Gerade sitzt er auf dem Sofa und schaut teilnahmslos auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers. Seufzend gehe ich zu ihm und hocke mich in sein Sichtfeld. Doch wie erwartet reagiert er nicht. McMillan meinte, es ist eine Art Trauerbewältigung oder so... Aber genau kennt er sich nicht damit aus. Er ist ja kein Psychologe. "Komm mit Julian. Du musst etwas essen...", spreche ich nun an ihn und lege meine Hand auf sein rechtes Bein. Er reagiert nur langsam. Sein Blick schweift zu meiner Hand und ein trauriges Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Dann hebt er den Kopf und schaut mich das erste Mal seit Tagen wieder richtig an. "Ich... Habe keinen Appetit...", meint er dann leise und wendet dann seinen Blick wieder zum Fernseher. So als würde nur er darauf etwas erkennen.

Seufzend richte ich mich wieder auf und fahre mir durch die Haare. "Vielleicht kann ihm Doktor Koslow helfen...? Mir hat er sehr geholfen.", meint nun eine leise Stimme hinter mir und ich drehe mich zu Delta um. Das stimmt. Als ich sie wieder zu mir geholt hatte musste einiges aufgeholt werden und ohne die Therapie hätte es nicht funktioniert und Delta wäre nun nicht Delta. "Du hast recht."

Ich vereinbarte noch am selben Tag einen Termin und am nächsten Morgen habe ich Julian in das Auto verfrachtet und bin los gefahren. Die ganze Autofahrt schaut er nur aus dem Fenster und spricht kein Wort. Nachdem ich ihn gestern doch noch zu einer Mahlzeit überreden konnte hat er den restlichen Tag wieder in seinem Zimmer verbracht. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn...

Als wir endlich ankommen und ich ihn an meine Hand nehme um ihn hinein zu führen, schaut er nur mit hängendem Kopf auf den Boden. Ich führe ihn am Empfang vorbei direkt zu dem Büro von Doktor Koslow. Ein gedämpftes "Herein" welches auf mein Klopfen folgt signalisiert mir, das er uns schon erwartet und so trete ich ein. Julian schiebe ich mehr oder weniger vor mir her und so stehen wir nun in dem Zimmer das wir schon vor ein paar Tagen betreten hatten. "Guten Mittag. Vielen Dank das es so kurzfristig geklappt hat.", meine ich und er nickt und deutet auf seine Couch. "Für Sie nehme ich mir immer Zeit Mister Baranow. Sie meinten in der E-Mail, dass er sich sehr zurück zieht, nicht viel isst und traurig wirkt?", beginnt er nun und ich setze mich mit Julian zusammen auf die Couch und nicke.

"Ja. Ich habe ein Treffen organisiert mit dem Mann, der ihn damals aus dem Wasser gezogen hat. Das habe ich Ihnen ja geschrieben. Er hat alles erzählt und seit dem wirkt Julian... Abwesend und Traurig. Nichts kann ihn da raus holen und ich weiß langsam nicht mehr was ich amchen soll. Es fühlt sich scheiße an, so machtlos zu sein und ihn leiden zu sehen.", erkläre ich ihm und schaue traurig zu Julian, der sich nun leicht an mich lehnt und seine Augen halb geschlossen hat.

"Nun Sir, es ist ganz offensichtlich was los ist.", erklärt er mir nun und verwirrt richte ich meinen Blick auf ihn. "Er trauert."

Einen Moment erwarte ich noch mehr. Doch als ich realisiere, dass das alles sein soll blinzle ich einige Male und ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen. "Was... Also ich meine wie meinen Sie das?", frage ich verwirrt nach und lege meinen einen Arm vorsichtig um Julian. "Versetzen Sie sich doch mal in seine Lage. Er hat sein Leben lang gedacht, dass seine Eltern ihn gehasst haben und einfach abgeschoben haben. Und nun erfährt er, dass seine Eltern ihn geliebt haben und durch einen Unfall ums Leben gekommen sind. Es ist nur menschlich, dass er nun um ihren Verlust trauert.", erklärt er und ich beginne zu verstehen. Langsam richte ich meinen Blick wieder auf ihn.

"Und.. Wie kann ich ihm helfen?", frage ich nun und erinnere mich an den Anblick von Ace, als ich ihn damals zu mir geholt habe und er seinen Bruder zurücklassen musste. Er hat ähnlich geschaut wie mein Julian jetzt. "Im allgemeinen nicht viel. Es muss von ihm ausgehen. Sie können ihn unterstützen indem Sie bei ihm sind. Ihm ein offenes Ohr schenken. Ihm durch die Trauer helfen. Aber beachten Sie. Es ist keine Sache die man in Stunden, Tagen oder Wochen bewältigt. Es ist ein Vorgang, ein Prozess der sich über Jahre hinweg strecken kann und einen selbst bis an sein Lebensende begleiten kann. Er wird natürlich nicht immer so sein, wie gerade. Er ist, wie ich denke, in der ersten Phase. Er steht unter schock und will nicht wahr haben, was er erfahren hat. Sprechen Sie mit ihm.", erklärt er und ich nicke.

"Aber ich warne Sie. Es kann anstrengend werden und nicht selten wird er Ihre Geduld wirklich beanspruchen. Nach dem Schock kommen die aufkommenden Gefühle. Meist mit Wut und Zorn verbunden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie er sich dann verhalten wird. Was er machen wird. Sie müssen ihm halt geben und unter keinen Umständen alleine lassen. Sonst würde er sich nur von Ihnen abwenden. Es werden auch immer wieder Phasen kommen, in denen er so sein wird wie jetzt. In denen es ihm schlecht gehen wird und er traurig ist. Und das ist okay. Es ist normal. Wenn er das gröbste hinter sich hat, helfen Sie ihm sich zu verabschieden. Bringen Sie ihn zu Orten, die er von früher kennt. Die ihm bei seiner Trauer unterstützen können. Fotos können auch helfen. Und helfen Sie ihm nach vorne zu blicken."


Sicht Julian

Wieder sitzt ich in dem Auto und scheinbar fahren wir zurück. Wir waren bei dem Psychologen, bei dem wir wegen meinen Träumen waren... Doch wirklich zugehört habe ich nicht. Er hat irgendwas von Trauer geredet und alleine an meine aktuellen Gefühle erinnert zu werden bringt mich gerade zum weinen. Das ich überhaupt noch Tränen habe, die mir meine Wangen hinabtropfen können, ist mir ein Rätsel. So viel wie ich in den letzten Tagen geweint habe.

Seit mir der Mann erzählt hat, was vor all den Jahren wirklich passiert ist, ist es so, als sei in mir ein Krieg ausgebrochen. Auf der einen Seite werde ich immer wieder mit neuen Erinnerungen an meine Eltern überschüttet. Manche so real, das ich denke, meine Mum würde mich jeden Moment in den Arm nehmen und sagen, das ich nur einen bösen Traum hatte. Auf der anderen Seite aber erinnere ich mich an die Tage im Heim. Wie ich immer und immer wieder an dem Kopf geschmissen bekommen habe, das ich ein nutzloses und liebensunwürdige Kind bin und meine Eltern mich verstoßen haben.

Immer wieder versuche ich zu leugnen, was der Mann mir eröffnet hat. Doch so sehr ich es auch versuche, es geht nicht. Immer wider kommt mir die Scene in den Kopf, als mein Vater die Kontrolle über das Auto verloren hat und wir durch die Eisdecke in den See gefallen sind. Wie das eiskalte Wasser in sekundenschnelle um uns herum war und wie ich kurz darauf mein Bewusstsein verliere. Ich kann mich nicht erinnern gerettet worden zu sein, aber der Mann hat es mir erzählt und es würde Sinn ergeben.

Eine Hand, die sich auf meine Wange legt und meinen Kopf zur Seite dreht bringt mich ins Hier und Jetzt. Ich blinzle einige Male und schaue dann Mister Baranow an, der mich besorgt mustert. Wir sind wohl wieder in der Halle angekommen und so nehme ich mal an, das ich aussteigen soll. Ich will gerade den Gurt öffnen, da wird meine Hand festgehalten und ich schaue erneut auf. "Julian... Ich kann dir nicht sagen wie leid es mir tut... Du musst wissen, dass ich für dich da bin, okay? Wenn du reden willst.... Oder so..."

Der Tag endet damit, dass ich wieder Mal wach in meinem Bett liege und die Decke anstarre. Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffne, merke ich direkt, das etwas anders ist als sonst. Ich stehe auf und muss nicht als aller erstes weinen. Dennoch fühle ich mich nicht normal. Missmutig gehe ich in das Badezimmer nach unten uns stelle mich seufzend an das Waschbecken. Wie sonst auch nehme ich mir die Zahnbürste und ein wenig Zahnpasta und putze mir meine Zähne. Als ich aber heute mein Spiegelbild betrachte, werden meine Bewegungen immer langsamer, bis ich schlussendlich nur noch die Zahnbürste in der Hand halte und mein Spiegelich anstarre. 

Wut baut sich in mir auf. Eine immense Wut auf mich selbst. Wieso haben meine Eltern den Unfall nicht überlebt aber ich? Wieso hat der Mann nicht zuerst meine Mutter oder meinen Vater gerettet? Wieso hat er gerade mich aus dem See gezogen? Wieso darf ich leben, aber sie mussten Sterben?! Meine Hand ballt sich um die Zahnbürste zu einer Faust und ich sehe im Spiegelbild wie meine Fingerknöchel weiß hervorstehen. Ohne weiter darüber nachzudenken gebe ich ein wütendes Schnaufen von mir und donnere meine Faust mitten in mein Spiegelgesicht. Direkt zerspringt der Spiegel und ein lautes Scheppern begleitet die Scherben auf den Boden. Doch ich starre nur schwer atmend auf die Stelle, an der ich eben noch meinen eigenen Blick gehalten hatte.

Erst als ich langsam den prickelnden Schmerz in meinen Fingerknöcheln wahrnehme löst sich meine Anspannung und ich wende meinen Blick auf meine Hand. Diese ist noch immer um meine Zahnbürste geballt und die Knöchel sind aufgeschlitzt und bluten. Ich merke wie meine Sicht langsam immer verschwommener wird und ich weiche ein wenig zurück. Was habe ich getan? Ich... Eine Hand umfasst mein Handgelenk und ich bleibe direkt wie erstarrt stehen. Erschrocken und mit geweiteten Augen starre ich auf und erblicke direkt das Gesicht von Mister Baranow. Er schaut über seine Schulter zu dem zertrümmerten Spiegel und dann zu mir. Er mustert meine Hand und dann mich, bevor er mich einfach in seinen Arm zieht und mich festhält.

Zuerst realisiere ich nicht wirklich was er gerade macht, dann aber drücke ich mich immer mehr und mehr an ihn. Meine Finger krallen sich in sein Oberteil und mein Gesicht presse ich an seine Schulter. Dann brechen bei mir auch schon alle Dämme und ich weine wie ein kleines Kind.

Das ganze ist nun mehrere Wochen her. Ich habe in der Zeit viel geweint und noch einige Male ein ähnliches Erlebnis gehabt wie das im Badezimmer. Doch Mister Baranow und Delta waren immer bei mir und haben dafür gesorgt, dass ich esse und trinke, das ich mich nicht verletze und das ich mich genügend bewege. 

Langsam richte ich mich auf und gehe zum Fenster. Wie die letzten Tage und Wochen auch kann ich zwar relativ ruhig schlafen, bin nur nicht wirklich ausgeruht. Meine Gedanken gehen noch immer wie wild in meinem Kopf auf und ab, doch langsam habe ich das Gefühl sie geordnet zu haben. Mein Blick gleitet aus dem Fenster. Wir haben einen schönen Sommertag. Einen Blick auf meinen Kalender sagt mir, dass wir Ende Juni haben und ich heute auch eine Sitzung bei Doktor Koslow habe. Die letzten male hat er mich einfach nur beobachtet. Ich durfte lesen und malen, oder einfach nur aus dem Fenster schauen. Er hat mir immer wieder etwas erzählt oder mir eine Frage gestellt, doch wirklich eine Konservation hatten wir nie. 

Ich habe mich einfach nicht bereit dafür gefühlt. Aber irgendwie habe ich heute ein ganz anderes Gefühl. Als wir zwei Stunden später auch vor der Praxis halten, ist das Gefühl noch immer da und ich schaue mich auch das erste Mal ein wenig interessiert in der Empfangshalle um. Vor der Tür zu Doktor Koslows Zimmer bleibt Mister Baranow stehen und schauet zu mir herab. "Ich ho dich dann in einer Stunde wieder ab...", meint er wie die Male davor auch und will sich schon abwenden, da halte ich ihn auf. "Ich... Bitte komm heute mit... Ich habe das Gefühl... Ich... Ich brauche dich heute bei mir.", hauche ich leise und drücke mich haltsuchend an ihn. Er legt vorsichtig seine Arme um mich und ich kann spüren, das er mir einen kleinen Kuss auf den Kopf gibt. "Okay."

Damit gehen wir gemeinsam in das Zimmer, in welchem Doktor Koslow schon wartet. Zu beginn unteralten wir uns über belangloses. Er erzählt wie es seinem Engel geht. Er ist nun nur noch einen Monat im Kindergarten, dann beginnt die Schule für ihn und er ist schon so aufgeregt. Nach einer Weile aber verstumme ich immer mehr und lehne mich an Mister Baranow der neben mir auf der Couch sitzt. Doktor Koslow scheint meine Stimmungsänderung direkt gesehen zu haben, denn nun sitzt er etwas mehr zu mir gebeugt auf dem Sessel und nimmt seine Notizen zur Hand.

"Julian... Willst du mir oder Mister Baranow erzählen, wie es dir gerade geht?", fragt er und ich seufze leise. Doch dann nicke ich. "Ich vermisse sie....", beginne ich leise und schniefe einmal. "Ich vermisse sie obwohl ich sie nicht richtig kannte. Ich kann mich an so wenig erinnern und wusste bis vor ein paar Wochen noch nicht einmal, das sie auf diese Weise existierten... Und dennoch vermisse ich sie so wahnsinnig. Ich würde gerne die Zeit zurück drehen und das alles verhindern. Sie richtig kennenlernen. Doch ich weiß, das das nicht möglich ist. Und das macht mich wütend. Traurig und wütend."

~~~

Es sind mittlerweile noch weitere anderthalb Monate vergangen und ich muss sagen, langsam geht es mir wirklich wieder besser. Ich muss nicht mehr erinnert werden zum Essen und ich kann mich auch wieder dem Unterricht und den anderen Sklaven widmen. Auch die Beziehung oder eher das Verhältnis zu Mister Baranow wurde wieder intimer in den letzten Wochen. Ich habe gar nicht bemerkt, wie sehr mir diese Art von Nähe und Zärtlichkeit gefehlt hatte. 

Ich denke noch immer sehr oft an meine Eltern aber es stimmt mich nicht mehr ganz so depressiv wie noch vor zwei Monaten. Auch kann ich vor allem durch die Therapie bei Doktor Koslow frei und offen über meine Gefühle reden, was mir und auch Franjo hilft, es besser zu verstehen. Ich bin wirklich froh, das er so eine Geduld mit mir hatte. Und noch immer hat. Gerade sortiere ich meine ganzen Zeichnungen, da bleibe ich an einem Bild von einer Blume hängen. Ich kann mich an den tag erinnern als ich sie gemalt hatte. Sie ist mir in den Sinn gekommen, einfach so und ohne das ich wusste, wo ich eine solche Blume schon einmal gesehen hatte. Doch nun fällt es mir ein. Ich habe sie bei meiner Mutter gesehen.

Ein trauriges Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich seufze leise, ehe ich das Bild an meine Brust presse. "Alles okay?", fragt mich nun eine Stimme hinter mir und ich schaue auf. Ich habe ganz vergessen, dass Franjo mit seinem Laptop an meinem Schreibtisch arbeitet um mir Gesellschaft zu leisten. "Ich musste nur gerade wieder an sie denken. Ich würde so gerne wissen, wie sie so waren... Oder irgendwas von ihnen haben... ehr als meine Erinnerungen Verstehst du was ich meine...?", frage ich und gehe zu ihm. Er dreht sich nun gänzlich zu mir um und so kann ich mich auf seinen Schoß setzen, meine Arme um seinen Hals legen und meinen Kopf an seiner Schulter ablegen. Er legt seine Arme locker um mich und brummt leise. "Ja ich denke ich weiß was du meinst. Wir können gerne noch einmal zum Friedhof fahren...", meint er und ich nicke erfreut. "Ja das wäre toll!"

Die Zeit vergeht und ich hatte seit langem keinen Nervenzusammenbruch mehr. Mittlerweile wird es schon wieder eher kälter und der Sommer neigt sich dem Ende zu. Der September ist in vollem Gange. Ich sitze gerade im Matheunterricht und notiere das Datum in der Ecke oben, den 11.09.,  als Ace mich abholt und ich ihm nun über den Hof zu den Autos folge. "Ace Sir, was ist los? Wieso holen Sie mich aus dem Unterricht?", frage ich neugierig und muss immer wieder ein paar Schritte joggen, um seinem schnellen Schritt zu folgen. Doch er antwortet mir nicht. Als wir bei den Autos angekommen sind sehe ich Delta und Mister Baranow an einem der Autos. "Ah da bist du, steigt ein.", begrüßt mich Mister Baranow als er mich sieht und steigt ebenfalls ein. Verwirrt aber neugierig steige ich in das Auto zu Delta auf die Rückbank und schon fahren wir los.

Wir fahren eine ganze Weile und egal wie oft ich nachfrage wo wir hinfahren, ich bekomme keine Antwort. Irgendwann gebe ich es auf und richte meinen Blick aus dem Fenster. Die Landschaft zieht an mir vorbei und ich beobachte die Wolken am Himmel. Irgendwann richte ich mich ein wenig auf, da wir in eine Stadt fahren. Viele Häuser, einige wirklich hohe sind auch dabei. Auch sind viele Menschen auf den Straßen unterwegs und wirken sehr beschäftigt. Es herrscht ein reges treiben und ich komme gar nicht hinterher mir alles anzuschauen. Dann biegt der Wagen auf eine Straße ab, auf der ein bisschen weniger los ist und folgt dieser immer mehr. Die Häuser weichen und machen großen Fabriken platz. Wir biegen noch einige Male ab, dann aber hält der Wagen und ich schaue mich verwundert um. Was wollen wir hier?

"Regeln wie sonst auch wenn wir draußen sind.", meint Mister Baranow nur und steigt aus. Delta tut es ihm gleich und ich? Ich zögere. Ich werde das Gefühl nicht los, das wir nur wegen mir hier sind... Und ich kann dem nicht ganz glauben. Dennoch, als meine Tür geöffnet wird, folge ich den andern beiden und gehe dicht hinter Mister Baranow auf den Eingang einer der Lagerhäuser zu. Wir betreten das Gebäude und ich sehe direkt einen langen Gang vor uns. Er hat viele Tore an den Seiten und auf jedem Tor ist eine Nummer. Verwirrt folge ich Mister Baranow einfach weiter und biege mit ihm um viele Ecken in viele neue Gänge mit noch mehr Toren.

Vor dem Tor mit der Nummer 127 bleiben wir stehen. Er holt aus seiner Jackentasche einen Schlüssel und öffnet den Rollladen des Tors. Das gibt den Blick auf viele Kartons frei. Auch einige Möbel stehen hier. Alles was ich sehe wirkt eher alt und würde gut in die Wohnung eines älteren Ehepaars passen. "Schau dich um Julian.", lautet nun der Befehl und ich gehe mit unsicheren Schritten ein wenig in den Lagerraum. Ich lasse meine Finger über die Kartons streichen und sehe mir neugierig deren Aufschriften an. Geschirr, Klamotten Weiblich, Wohnzimmer und Bad sind nur ein paar Beispiele. An einem alten Plattenspieler halte ich inne und drehe mich zu Mister Baranow um. "Was machen wir hier? Wieso bin ich hier? Wem gehören diese Dinge?", frage ich und sehe, wie er langsam zu mir kommt. 

Als er vor mir zum stehen kommt legt er seine Arme um mich und schenkt mir ein kleines Lächeln. "Die Dinge gehörten deiner Großmutter. Wie ich gestern erfahren habe ist sie vor zwei Wochen gestorben. Da keine weiteren Verwandten von ihr mehr leben sind die Dinge hier gelandet. Sie werden am Wochenende versteigert. Ich habe meine Kontakte ein wenig spielen lassen und so Zugang bekommen um dir die Möglichkeit zu geben, dich umzusehen. Ich kann dir nicht sagen ob hier Dinge zu finden sind die du vielleicht kennst, Dinge von deinen Eltern... Aber ich dachte es würde dir helfen.", erklärt er und ich weite meine Augen. Ich bin im ersten Moment mit dieser Information ein wenig überfordert, doch schnell habe ich mich gefangen.

Es endet damit, dass ich einen ganzen Karton mit Fotoalben finde. Eines, ein dunkelrotes, hat den Titel Family und erweckt direkt mein Interesse. Ich blättere die einzelnen Seiten durch und sehe zu beginn eine junge Frau und ein Baby mit einer rosa Mütze. Die Jahre auf den Bildern vergehen und das Baby wird älter und älter. Die Frau erkenne ich als die, die ich schon auf den anderen Bildern gesehen habe und so vermute ich, dass das meine Oma war. Das bedeutet aber auch, dass der Mann an ihrer Seite mein Opa und das kleine Mädchen meine Mutter war!

Die ersten Tränen sammeln sich in meinen Augen, aber ich schaue weiter. Es sind Bilder von Geburtstagen, Weihnachtsfeiern und Ausflügen dabei. Immer wieder sind ein paar Notizen dabei. Bilder aus ihrer Schulzeit und auch von ihrem Studium. Dann sehe ich Bilder auf denen ich sie erkenne. Da sieht sie aus wie in meinen Erinnerungen. Und dann kommt immer wieder ein junger Mann mit auf die Bilder. Mein Vater wie ich schnell erkenne. Sie wirken unendlich glücklich. Dann sehe ich ein Bild auf dem Meine Mutter ein wunderschönes Kleid trägt und mein Vater sie mit einem Anzug vor einer Kirche in Empfang nimmt. Das muss die Hochzeit gewesen sein. Ich blättere weiter und sehe schon bald ein Bild von meiner Mutter und ein Bilderrahmen in der Hand. Es steht in Blauen Buchstaben Baby auf dem Rahmen und in der Mitte ist ein Ultraschallbild zu sehen.

Das muss ich sein! 'Das Glück vollenden' seht daneben und ich streiche vorsichtig über das Bild. Auf der nächsten Seite sieht man meinen Vater in einem Zimmer, das ich kenne. Meinem Kinderzimmer. Er hat einen weißen Anzug an und einen Pinsel in der Hand. Er streicht wohl gerade mein Zimmer. Dann ist ein Bild von meiner Mutter zu sehen. Sie hat einen ganz runden Bauch und schaut glücklich zu meinem Vater. Ein paar Seiten weiter ist ein Bild von meiner Mutter im Krankenhaus zu sehen und dann.... Ein Bild von mir. Sie hält mich in den Armen und schaut so glücklich aus! Daneben ein Datum. 12.09.1999. Das ist also mein richtiger Geburtstag... Das ist morgen!

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Es endet damit, das ich den ganzen Karton mitnehme und das Fotobuch fest an mich presse. Ich habe weder Delta noch Mister Baranow erzählt was ich herausgefunden habe und so fahren wir wieder zurück zur Anlage. Ich darf den restlichen Tag auf meinem Zimmer verbringen und lege mich mit dem Fotobuch in mein Bett. Den ganzen Abend habe ich nachgedacht, doch schlussendlich komme ich zu einem Entschluss. Mein Leben von damals ist vorbei. Ich lebe nun an der Seite von Mister Baranow und möchte auch weiter meinen Blick nach vorne wenden. Somit werde ich das nicht an die große Glocke hängen und meinen Geburtstag weiterhin Ende Oktober zu Halloween feiern.

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