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Kaum hat Sechs den Schlüssel an sich genommen, greift Master Noir nach seinem Handgelenk und ich reiße erschrocken meine Augen auf. Auch sechs erstarrt und schaut seinen Master ängstlich an, doch dieser schmatzt nur leicht, lässt wieder von ihm ab und dreht sich ein wenig auf die Seite. Mein Herz schlägt viel schneller als normal und meine Atmung geht stoßweiße. Zum einen liegt das noch an der Wirkung dieser Spritze und zum anderen liegt es an den restlichen Umständen.
Sechs schaut zu mir und dann hinunter zu meinen Fußfesseln. Er geht schnell die wenigen Schritte zu mir und schließt mit zitternden Händen die Fesseln auf. Kaum sind sie frei, geht er damit zu seinem Master und ich schüttele den Kopf. Wenn er das jetzt macht und Anzugmann daran aufwacht... Doch er sieht nicht einmal zu mir und legt ganz, ganz vorsichtig die Fesseln um dessen Füße und steht dann wieder auf. Er geht zur Türe und hält sich die Seite an der er einen besonders großen Kratzer hat. Dann schaut er wieder zu mir und winkt mich zu sich.
Was genau hat er jetzt vor? Will er etwa abhauen? Aber wie stellt er sich das vor? Wir sind doch nur Sklaven... Dennoch gehe ich ganz vorsichtig und leicht humpelnd zu ihm und folge ihm aus dem Zimmer, welches er auch noch einmal abschließt und weiter hinauf. Ich schaue mich um und erkenne die ganze Wohnung nicht. Es sieht aus, als sei es ein kleines Haus und die Zimmer sind alle uneingerichtet und unpersönlich. Keine Bilder, keine persönlichen Gegenstände, nichts.
Als wir in einem Schlafzimmer stehen halte ich sechs dann doch an der Schulter fest und drehe ihn zu mir. Meine Berührung hat ihn aufzucken lassen und nun schaut er mich mit großen Augen unsicher an. „Was hast du vor? Wir können doch nicht weg... Wir sind seine Sklaven...", hauche ich ängstlich und verziehe dann das Gesicht. Bitte was habe ich da gerade gesagt? Ich... ich bin doch nicht SEIN Sklave. Sechs scheint meinen Gedankengang zu bemerken und sein Mundwinkel hebt sich auf der rechten Seite. Fast sieht es so aus, als würde er lächeln, aber nur fast.
Dan dreht er sich einfach wieder weg und geht an den Schrank. Er öffnet ihn und ich kann lauter Anzüge sehen. Etwas verwirrt mustere ich ihn und sehe zu, wie er zwei Boxershorts hinausnimmt und anschließend ganz unten in der Ecke einen Hoodie herauszieht. Damit geht er zu mir und reicht mir den Hoodie und eine Boxershort. Misstrauisch ziehe ich beides an und verziehe mein Gesicht alleine bei dem Gestank von Mister Noir. Aber besser als nichts. Dann wendet er sich an eine Schublade und zieht da zwei Jogginhosen und ein Top heraus. Eine der Hosen reicht er mir auch und die andern beiden Sachen zieht er selber an. Dann geht er, ohne auf mich zu warten weiter und zieht im Flur ein Paar Schuhe an. Sie sind ihm etwas zu groß und ganz ehrlich, Anzugschuhe zu Schlabberlock sieht einfach nur bescheuert aus. Aber besser als gar nichts.
Ich selber nehme mir ebenfalls ein Paar Schuhe und ziehe sie an, ehe ich auch schon in einer Ecke den Mantel von Master Ilja sehe. Ich bekomme große Augen und drücke den Mantel nahe an mich. Ganz schwach kann ich noch den Duft von Master Ilja riechen und mir steigen wieder die Tränen in die Augen. Ich vermisse ihn so sehr... So so sehr... Gerade spüre ich seine Hand ganz leicht auf meiner Schulter und schaue auf. Sechs schaut mich sanft an und deutet mir an, ihm aus der Türe zu folgen. Ich bin mir noch immer unsicher ob ich ihm nun trauen kann oder nicht.
Aber ich nicke leicht. Dann fällt mir aber etwas ein. Was, wenn Master Ilja mich sucht und den Schlüssel findet? Was wenn er hierherkommt und wir nicht mehr da sind? Ich sehe mich einen Moment um und erkenne dann eine Karte an der Wand. Sie Zeit den Stadtplan von Zürich und ich bekomme eine Idee. Wenn er wirklich hierherkommen sollte, wird er meinen Hinweis sehen. Ich nehme mir einen Stift und schaue mir die Karte an. Wie kann ich ihm den Hinweis geben, ohne dass Mister Noir ihn erkennen wird? Ich kreise den Bahnhof mit dem Kuli, der auf dem Garderobentisch liegt ein und male ein X bei dem Flughafen. Dann zeichne ich einen Weg und markiere eine Polizeistation. Dann schaue ich mir das alles an.
Ein Ort der davon weit entfernt ist, bei dem nicht viele Menschen sind und wir uns verstecken können. Der Sihlfeld Friedhof fällt mir ins Auge und ich beiße mir auf die Unterlippe. Da müssen wir hin. Also male ich an die Stelle einen kleinen Katzenkopf. Wenn er mich sucht und mich wirklich kennt, ihm die letzten Wochen genauso viel bedeutet haben wir mir, dann muss er es erkennen. Gerade will ich mir noch einprägen wo bedeutsame Orte sind an denen wir uns orientieren können, da kann ich aus dem unteren Stock einen wütenden Aufschrei hören.
Sechs und ich schaue uns panisch an und sind unseinig. Wir müssen hier weg. Und zwar jetzt!
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