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Ich weiß nicht genau, wieviel zeit vergangen ist, aber als ich höre, wie die Falltüre aufgeht, zucke ich stark zusammen und mache mich noch kleiner wie ich eh schon bin. Meine Augen haben sich automatisch zusammengekniffen und ich will gar nicht sehen, wer nun vor mir steht. Ich will einfach, dass derjenige mich in Ruhe lässt und ich zurück zu meinem Ilja kann. „Steh auf!", befiehlt mir die Stimme und ich erstarre. Das Blut in meinen Adern gefriert und ich vergesse sogar zu atmen. Diese Stimme... Ich hatte gehofft sie nie wieder hören zu müssen. Aber sie ist da. Er ist da. Wieso? Ich dachte, ich bin ihn los...
All die schlechten Erinnerungen prasseln wieder auf mich ein und ich beginne meinen Kopf zu schütteln. Wie kann das sein? War ich bei Master Ilja nicht sicher? Wie konnte er mich finden? Mich entführen? Ich versinke immer mehr in meiner Panik und werde erst durch einen kräftigen Tritt in meine Seite wieder ins Hier und Jetzt geholt. Ich keuche erschrocken auf und krümme mich leicht zusammen, auch wenn meine auf dem Rücken befestigten Arme das zum größten Teil verhindern. Tränen steigen mir wieder in die Augen und ich schaue ängstlich zu dem Mann. Zu ihm. Zum Anzugmann, aka Master Noir.
Doch wie erwartet stellt sich das als Fehler heraus und ich bekomme eine deftige Backpfeife. „Dieser Typ hat echt keine Ahnung von Sklaven. Du bist nun wenige Wochen bei ihm und hast alles vergessen. Gut das mein Kleiner eine tolle Idee hatte und ich sowieso noch eine Rechnung mit dir zu begleichen habe. Und jetzt steh auf und beweg dich Sklave!", schnauzt er mich an und ich zittere wie Espenlaub im Wind. Er ist da. Er ist bei mir. Master Ilja ist nicht da... Aber er hat auch recht oder? Ich benehme mich nicht wie ein Sklave...
Bei Master Ilja musste ich das nicht... Bei ihm war alles anders. Bei ihm war ich frei... Er hat immer gesagt, ich soll mein Sklavendasein vergessen, weil ich wie jeder andere bin... Aber... Bin ich das wirklich? Als ich noch immer nicht reagiere, zieht er mich an meinen Haaren empor und ich schreie auf. „Lass mich los!! Lass das!! Lass mich in Ruhe!!", schreie ich ihn an, doch ich bekomme nicht die Reaktion zu spüren, die sich mein Unterbewusstsein schon ausgemalt hatte. Ich werde lediglich weiter hinter ihm hergezogen und kurz darauf auf den Boden in einem der oberen Zimmer geschmissen. Vorsichtig versuche ich mich aufzusetzen und robbe etwas unbeholfen an die Wand, ehe ich mich dort wieder klein mache.
Meine Augen fixieren Master Noir genau und lassen ihn keinen Millimeter aus den Augen. Er betrachtet mich noch einen Moment und lacht dann dreckig, ehe er von einem Tisch einen Stapel Klamotten nimmt. „Na? Willst du die nicht haben?", fragt er mich und erst jetzt merke ich, dass mir der Mantel, das einzige was ich anhatte und das einzige was mich an meinen Master erinnert, genommen wurde. Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen? Wieso merke ich das erst jetzt, wenn mir Klamotten angeboten werden? „... Oder hast du ganz vergessen, dass du keine anhattest? Und du behauptest, du bist kein Sklave... Wenn dir noch nicht einmal das seltsam vorkommt? Seh es ein. Du bist und bleibst ein Sklave und hast dementsprechend keine Rechte. Für was lebst du?", fragt er nun und ich starre mit wässrigen Augen auf die Klamotten. Hat er etwa recht? Bin ich wirklich nur ein Sklave? Aber dann lebe ich doch trotzdem, weil ich lebe... Für mich.
„W-weil meine M-mutter mich zur W-welt gebracht hat und ich ein Mensch b-bin, der das Leben verdient hat...", antworte ich ihm und kassiere dafür einen Hieb mit einer Peitsche. So schnell, wie er die Klamotten hat fallen lassen und mit der Peitsche vom Tisch ausgeholt hat, konnte ich nicht schauen und nun schreie ich vor Schmerz erneut auf. Mein Bauch kribbelt an der Stelle, an der er mich getroffen hat und ich schlucke einen Kloß hinunter. „Nein, das war die falsche Antwort. Willst du es noch einmal versuchen?", fragt er und grinst mich dabei böse an. Doch ich schaffe es nur meinen Kopf zu schütteln und den Blick wieder zum Boden zu wenden.
Ich habe lange genug bei ihm gelebt um zu wissen, wann es besser ist seinen Mund zu halten. Auch wenn es mir überhaupt nicht gefällt, mein Körper erinnert sich an alles. Während mein Unterbewusstsein Master Noir nicht aus den Augen lässt, bewegt sich mein Körper von alleine und einen Moment später knie ich schon vor ihm und beuge mich mit den Fesseln und meinem Oberkörper nach vorne. Ich unterwerfe mich. Nein... Mein Körper unterwirft sich.
„Schon viel besser... Und zu der Frage, wieso du lebst. Du lebst einzig und alleine um mich, den Master, glücklich zu machen. Um ihm zu gehorchen. Um für ihn zu leben. Dein Körper ist nicht mehr wert als ein Sack Mehl und ich als Master kann machen was ich will, ohne dass du auch nur ansatzweise etwas dagegen machen kannst. Und bevor du jetzt flennst, es geht dir gut, wenn du das machst, was ich will.", erklärt er und ich schaue nun doch entsetzt auf. Wie kann er das behaupten? Es wird mir niemals gut gehen. Wenn er machen darf was er will, kann ich mich direkt von der Brücke werfen.
„ , komm her und bereite ihn vor!", schreit er nun und ich zucke zusammen. Kaum zehn Sekunden später steht ein Junge neben mir. Ich erkenne ihn. Es ist sechs. Aber auch er hat sich verändert. Er schaut auf den Boden und kommt direkt zu mir, verbeugt sich leicht vor Master Noir und hebt mich dann unter den Armen nach oben. Master Noir verschwindet und ich bin nun alleine mit sechs. Dieser befreit meine Arme und stützt mich, sodass ich neben ihm bis zu einem Stuhl laufen kann. Ich bin mir verdammt unsicher, wie ich auf ihn reagieren soll. Er wirkt so... anders...
„W-was ist passiert?", frage ich ganz leise und er schaut mich an. Kaum erwidere ich seinen Blick, läuft es mir eiskalt den Nacken hinunter. Er schaut mich total emotionslos und gebrochen an. Nichts von seinem alten, nervenden und besserwisserischem Wesen ist noch da. Er ist nur eine Puppe. Ein Schatten seiner selbst. Ich denke, so habe ich auch eine Zeit lang ausgesehen. Er aber presst die Lippen nur aufeinander und schüttelt leicht den Kopf. Dann deutet er minimal hinter sich und ich erkenne an der Wand eine Überwachungskamera. Leicht nicke ich und senke wieder meinen Kopf, lasse zu, dass er mir meine Arme und Beine an dem Stuhl festmacht und lasse mir danach auch etwas Wasser einflößen. Es fühlts ich zwar alles einfach nur falsch an und ich will nichts mehr als zurück zu meinem Master Ilja, aber ich habe so das Gefühl, dass auch sechs nicht so glücklich hier ist.
Dann streicht er einen Moment meine Wange, schaut mich traurig an und geht dann ohne ein Wort gesagt zu haben. Und ich? Ich bleibe einfach hier auf dem Stuhl sitzen und warte. Ich habe ein ungutes Gefühl und Angst vor dem was kommt. Ich will nicht wieder von ihm bestraft werden. Ich habe erst in den letzten Wochen das schlimmste verdrängen können und einigermaßen normal meinen Alltag bewältigen, da kann ich nicht jetzt schon wieder damit konfrontiert werden.
Auf einmal kann ich von oben gepolter hören. Es hört sich an, als ob ein Tisch umgefallen wäre und schnelle Schritte sind zu hören. Dann kann ich einen Aufschrei hören. Was hat das zu bedeuten?
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