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„Ich dich auch...", murmle ich leise und merke aber, wie ich an der Schulter gerüttelt werde. Das Bild von Master Ilja verblasst immer mehr und ich schlage meine Augen auf. „Wir sind da und ich fühle mich geschmeichelt!", meint die belustigte Stimme von Ruben neben mir und ich schaue ihn verwirrt an. Wo sind wir und wieso fühlt er sich geehrt? Anscheinend spricht mein Blick bände, denn er lacht nun nur noch mehr und streicht sich durch die Haare.

„Du hast geschlafen... Du hast gesagt *Ich dich auch*, also hast du wohl geträumt, dass jemand *Ich liebe dich* zu dir gesagt hat. Leider muss ich dich enttäuschen, ich bin in einer Beziehung und habe keinerlei Interesse, aber sie scheint dir wirklich viel zu bedeuten... Ich meine du träumst von ihr und bist bestimmt jetzt auch auf dem Weg zu ihr, oder?", endet er und ich starre ihn mit etwas offenem Mund an.

Ich habe bitte was gesagt? Nein, das kann nicht sein. Ich kann Master Ilja nicht lieben. Das darf ich nicht... Und er ist auch keine sie... Aber dass muss Ruben ja nicht wissen... Daher senke ich einfach nur meinen Blick und nicke etwas. „Ha, wusste ich es doch! Na dann noch viel Erfolg!", meint er und ich löse den Gurt und steige aus. „Danke... Danke fürs mitnehmen...", murmle ich noch, als ich die Türe auch schon zu mache und nur ein lächeln und winken von Ruben als Abschied bekomme.

Ich schaue mich um und ziehe die Arme näher um mich. Es ist bitterkalt geworden und ich friere. Dennoch ziehe ich langsam mein Handy aus der Tasche und schaue, wo ich hinmuss. Jetzt muss ich an einer Bundesstraße entlang laufen... Und das ziemlich lange. Immer heißt es, man soll das unter allen Umständen vermeiden... Vor allem bei dieser Dunkelheit und mit solchen Klamotten. Aber ich habe keine andere Möglichkeit, also laufe ich zu.

Ich bin noch nicht weit gekommen, da sehe ich, wie sich die Straße erleuchtet und sich von hinten ein Auto nähert. Ich mache einen Schritt auf die Seite und schaue ihm entgegen und bekomme große Augen. Schnell ziehe ich meine Kapuze tiefer in mein Gesicht und tue so, als ob ich nicht da bin. Das ist eine Polizeistreife und das ist alles andere, als das, was ich jetzt gerade sehen möchte. Sie sollen einfach an mir vorbei und mich gar nicht erst groß beachten... Doch zu meiner großen Enttäuschung bleiben sie neben mir stehen und der Beifahrer lässt sein Fenster herunter.

„Guten Abend! Allgemeine Polizeikontrolle", meint er und leuchtet mich mit einer Taschenlampe an. Ich hebe die Hand und schlucke. Was soll ich den jetzt machen? „Wer sind Sie und wo wollen Sie hin?", fragt nun die andere Stimme, ich vermute der Fahrer und ich bekomme etwas Panik. „I-ich... Alscho mein Nameh... Ischt Ruben.", meine ich und schlage mir innerlich gegen den Kopf. „Ich war mit freunden Feiern und hab meine Bahn verpasst...", meine ich unsicher und hoffe, dass sie mir glauben.

„Ausweis bitte.", meint nun der eine und ich erstarre einen Moment. Dann schüttle ich leicht den Kopf. „Den... hab isch daheim vergeschen... Isch war schpät dran un mein Kumbel wollte los..." Die beiden Polizisten schauen sich einen Moment gegenseitig an, dann steigt der eine aus und kommt zu mir. Ich drehe mich unbemerkt ein wenig mehr von ihm weg, sodass ich mehr im Schatten stehe und tippe mit meiner Hand ungeduldig auf meinem Schenkel herum. „Wir bringen dich nach Hause Junge. Dann kannst du dich ausweißen und wir belassen es bei einer mündlichen Verwarnung. Ab 16 musst du deinen Ausweis immer bei dir tragen!", meint er und hält mir die hintere Türe auf.

Was soll ich den jetzt bitte machen? Abhauen? Das kann ich bei meinem körperlichen Zustand vergessen. Aber ich muss mir etwas einfallen lassen... Zunächst steige ich ein und schaue schnell auf mein Handy. Ich muss bis nach Herzoghorn kommen. Von dort aus kann ich den Rest gut laufen... Als der Polizist von eben wieder eingestiegen ist, wendet sich der Fahrer zu mir und ich starre schnell nach unten. „Wo wohnst du?", fragt er und ich antworte ihm direkt mit „Herzoghorn".

Schon fahren wir los und ich überlege fieberhaft, wie ich hier wieder rauskomme. Aber zunächst mache ich mir da keine Gedanken darüber, sondern beschäftige mich damit, dass ich nicht einschlafen darf. Also wir schon eine ganze Weile im Auto waren, schaue ich noch einmal auf mein Handy und merke, dass wir fast da sind. Also muss mir schnell etwas einfallen und ich kombiniere einfach schnell. „Stopp!", schreie ich schon fast und merke im nächsten Moment zwei Blicke auf mir. „Mir isch schlecht!", murmle ich und versuche etwas angetrunken zu klingen, so wie vorhin.

Es klappt und das Polizeiauto hält direkt an und mir wird die Türe geöffnet. Ich schaue mich einen Moment um und gehe schnell zu dem nächsten Busch und verschwinde dahinter. „Alles okay?", fragt einer der Polizisten, der, der mir auch nachkommt und ich versuche schnell ein Würgegeräusch zu imitieren. Es klappt, denn die Schritte verstummen und schnell schaue ich mich weiter um. Ein kleiner Wald mit einer Böschung befindet sich etwa zehn Meter hinter mir und ich sehe darin meine einzige Chance. Also nehme ich schnell meine Beine in die Hand und renne los.

Komplett außer Atem bleibe ich bei einem der Bäume stehen und lehne mich erschöpft daran. Ein Blick über meine Schulte zeigt mir, dass die Polizisten soeben bemerkt habe, dass ich weg bin und nun beginnen nach mir zu suchen. Also kann ich mir keine Verschnaufpause gönnen und renne schnell weiter. Zum Glück ist das die richtige Richtung.... Hoffe ich.

Doch nach einer Zeit lasse ich mich auf einem Baumstamm nieder und halte mir den Kopf. Ich bin zu viel gerannt. Mein ganzer Körper schmerzt und ich will einfach nur schlafen. Meine Füße tuen weh und das Pflaster an meiner Brust juckt. Es ist alles einfach nur scheiße. Langsam lasse ich mich auf den Boden sinken und ziehe meine Beine an. Ich bin so müde und mein Körper, mein schmerzender Körper zittert. „Nur ein kurzes Nickerchen...", murmle ich mir selber zu und schließe meine Augen.

Mein Unterbewusstsein sagt mir, dass das eine ganz schlechte Idee ist, doch ich kann meine Augen nicht länger offenhalten. Zu sehr habe ich meinen Körper jetzt beansprucht. Zu viel habe ich von ihm verlangt. Immer mehr drifte ich ab, doch...

Auf einmal kann ich ein Geräusch neben mir vernehmen. Müde schaue ich auf, kann aber aufgrund der Dunkelheit nichts erkennen. Dann höre ich aber ein Krähen und reibe mir müde die Augen. „Caleb...?", frage ich und im nächsten Moment ist ein Rabe direkt neben mir auf dem Baumstamm. Ich kann nicht anders und starre das Tier einfach nur an. Er legt den Kopf schief und klappert mit den Krallen auf der Rinde. Dann senkt er seinen Kopf zu mir und ich meine, er sorgt sich um mich. Doch das bilde ich mir sicherlich nur ein.

„Ich bin müde Caleb...", murmle ich und schließe meine Augen wieder. Doch nun kann ich spüren, dass der Rabe auf meine Schulter gestiegen ist und seinen Kopf an mein Ohr reibt. „Okay... Ich... ich geh ja schon weiter...", seufze ich leise und nehme mein Handy raus. Es sind nur noch knapp anderthalb Kilometer. Ich habe es also fast geschafft. Mit Caleb auf meiner Schulter – ich gehe nun davon aus, dass es Caleb ist – gehe ich langsam Schritt für Schritt weiter und bekomme große Augen, als sich vor mir wirklich eine Straße auftut.

Ich überquere sie und finde mich nun auf einem Schotterweg wieder. Ist das DER Schotterweg? Voller Hoffnung gehe ich weiter und weiter und kann dann durch den frischen Wind das Rascheln der Bäume hören. Mein Blick fliegt durch die Äste auf der rechten Seite des Weges und ich erkenne eine schwarzschimmernde Oberfläche. Das Mondlicht spiegelt sich in dieser und ich erkenne es als meinen See wieder. Es sind also nur noch wenige Meter zum Eingang. Wenige Meter bis zu ihm.

Ich hebe meinen Blick und erblicke vor dem dunklen Himmel die Umrisse eines riesigen Hauses, dahinter erkenne ich auch den Turm und ein Gefühl der Sicherheit, der Vertrautheit, macht sich in mir breit. Ich bin Zuhause. Mit einem Lächeln und nur noch schwach bei Bewusstsein gehe ich die letzten Meter bis zu der Türe und klopfe schwach daran. Es macht sich aber nichts und ich lasse mich an der Türe hinabgleiten. Ich bin wieder da... Ich habe es geschafft... Oder?

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