|~54~|
Ich laufe stumm meinem Vater hinterher und starre dabei nur den Boden an. Im Krankenhaus ein hellblaumilierter, dann Teppich und dann Stein. Wir sind draußen und der frische Wind weht mir entgegen. Wie automatisch bleibe ich stehen und schaue mich um. Ich fühle mich klein. Um mich herum herrscht reges Treiben. Viele Menschen laufen umher, unterhalten sich oder telefonieren. An der Bushaltestelle stehen sie eng beisammen... Alle wollen unter dem schützenden Dach stehen. Mit einem Mal werde ich angerempelt und komme ins straucheln. Ich halte mich jedoch auf den Beinen und schaue auf. Ein Mann in einem schwarzen Mantel ist mit mir zusammengestoßen. Er schaut mich genervt an und motzt direkt los: „Jugend von heute. Immer im weg und dann noch nicht einmal entschuldigen! Manieren sollte man denen beibringen. Zu meiner Jugend... Da hätte es jetzt Schläge gegeben!"
Ich erstarre und weite erschrocken meine Augen, senke aber direkt meinen Kopf und mache mich etwas kleiner. Mein Master sieht es bestimmt nicht gerne, dass ein älterer Herr wegen mi~ Stop. Ich habe keinen Master. Alles nur ein Traum... Ich beiße meine Zähne zusammen und schlucke einmal, ehe ich mich umdrehe und in die Richtung gehe, in der zuvor meine Familie gegangen ist. Tatsächlich finde ich sie vor dem Eingang zu dem Parkhaus. Mein Vater winkt in meine Richtung, wahrscheinlich denkt er, ich würde ihn nicht sehen.
Als ich bei ihnen bin, nehmen sie mich in ihre Mitte. Von dem Zusammenstoß zuvor haben sie nichts mitbekommen und dass ich mich relativ unwohl fühle, fällt ihnen auch nicht auf. Ich drücke die Bilder, die ich noch immer an mich presse näher an mich und gehe weiter meiner Mutter nach. Als sie aber stehen bleibt, schaue ich auch wieder auf und das Blut in meinen Adern gefriert. Wir stehen hinter einem Auto. Nein... Wir stehen hinter dem Auto meiner Eltern und meine Mutter öffnet gerade den Kofferraum.
Meine Brust zieht sich zusammen. Kofferraum. Im Kofferraum... Es ist eng... Dunkel... Bilder schießen in meine Gedanken. Bilder aus meinen Erinnerungen, als ich im Kofferraum meines Masters mitfahren musste und beinahe ersti~ Nein... Es ist nur ein Traum... Nichts davon ist echt... Nichts davo~ „Lukas?", nehme ich eine weibliche Stimme wahr und zucke zusammen, „...in Kofferraum?". Mein Blick huscht hinauf und ich starre sie erschrocken an. Sie will, dass ich in Kofferraum gehe? Ich muss in Kofferraum? Also doch...?
„Alles ist gut... Du sollst nur die Sachen in den Kofferraum legen", meint Silas und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich beginne leicht zu zittern und mein Gehirn verarbeitet diese Aussage nicht wirklich. Auch die Hand ist nicht gut, auch wenn sie mich nicht ganz so stört wie die Hand meiner Mutter in meinen Haaren vorhin. Als ich mich noch immer nicht rege, werde ich umgedreht und meine Arme werde geöffnet. Ich schaue noch immer wie gelähmt auf und erkenne, dass mir die Bilder aus dem Arm genommen werden und kurz darauf im Kofferraum abgelegt. Und schon wird der Kofferraum geschlossen und ich werde auf die Rückbank gebracht. Silas setzt sich neben mich und schnallt mich an, da ich noch immer vollkommen in Trance bin.
Doch spätestens als der Motor startet, schaue ich erschrocken auf und merke, wie mein Puls etwas ansteigt. Der Unfall... Ich hatte einen Unfall, der mich ins Koma gebracht hat... Nein... Einen Unfall mit Master Ilja... Nein er existierte nie... Ich kneife meine Augen zusammen und kralle meine Hände in meine Oberschenkel. Alles ist normal. Alles ist gut. Ich fahre nur in einem Auto... Mein Vater fährt. Er ist mein Vorbild und er wird nichts machen was mir schadet. Er beschützt mich!
Plötzlich kann ich eine warme Hand auf meinem Schenkel spüren und starre nun diese an. Es ist eine große Hand. Männlich und ich meine zu erkennen, dass sie zu Master Ilja gehört. Doch es ist nicht er. Master Ilja existiert nicht... Er war nur ein Traum. Mit bedauern richte ich meinen Blick hinauf und erkenne nur das Seitenprofil von Silas. Traurig oder gar enttäuscht, lasse ich meinen Blick wieder zu seiner Hand sinken und seufze leise. Er hat sein Ziel dennoch erreicht. Ich habe mich beruhigt.
Als das Auto hält und alle aussteigen, bleibe ich einfach sitzen. Erst als die Türe auf meiner Seite aufgemacht wird schaue ich auf und starre einen Moment still in das Gesicht meines Vaters. Er runzle die Stirn und deutet mit einem Kopfnicken an, dass ich aussteigen soll. Ist er jetzt sauer, weil ich sitzen geblieben bin? Aber ich wusste doch nicht, ob ich einfach aussteigen dar~ Stop... Wieso mache ich mir immer Gedanken darüber, ob ich etwas darf oder nicht? Es ist alles Okay. Es gibt keine Sklaverei in Deutschland und ich war nie ein Teil davon. Master Baranow und Master Ilja existieren nicht... Demian und Julian....
Traurig senke ich meinen Blick erneut und steige aus. Meine Brust zieh sich zusammen. Ich habe mir nur eingebildet solch tollen Freunde zu haben. Es ist schrecklich. Wieso mach ich sowas? Wieso denke ich sowas? Ich schniefe leise und folge den drei Erwachsenen auf das Haus zu. Meine Arme habe ich dabei eng um meinen Körper geschlungen und meinen Blick auf den Boden gesenkt.
„Willst du auf dein Zimmer?", werde ich, kaum habe ich das Haus betreten gefragt und zucke dabei leicht zusammen. Ich habe eben erst mit Erleichterung feststellen müssen, dass ich mich hier noch auskenne und dann werde ich aus meinen Gedanken gerissen und angewiesen, auf mein Zimmer zu gehen. Mit einem minimal gehauchten „Ja Sir" wende ich mich der Treppe zu, die in mein Zimmer führt und steige sie langsam hinauf. Mein Körper fühlt sich dank des Schmerzmittels taub an und mir ist viel zu heiß. Aber das ist mein Problem.
Kaum habe ich mein Zimmer betreten, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Alles siegt noch genau so aus, wie ich es verlassen hatte. Nur liegen auf dem Bett Geschenke. Aber wieso Geschenke? Verwirrt gehe ich, nachdem ich die Türe geschlossen habe, auf das Bett zu und nehme mir die Karten.
Alles Gute zu Weihnachten mein Engel – Mom & Dad
Happy New Year – deine Sis
Fröhliche Weihnachten – Oma & Opa
Das sind nur Beispiele für das, was ich zu Gesicht bekomme. Dazu einige Pakete und haufenweiße Süßigkeiten. Aber eine Karte fällt mir auf. Es ist eine simple, hellgraue Karte ohne Absender. Ich lasse die anderen Karten auf dem Bett bei den Geschenken liegen und gehe mit der einen Karte zum Fenster. Ich habe eine breite Fensterbank mit Sitzkissen und so setze ich mich nun hier hin. Ich wende die Karte um und lese.
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