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Die Decke ist warm und dick, bietet ein guter Schutzschild gegenüber der bösen Welt da draußen. Ich verstehe ihn ja irgendwo... Naja, eher weniger aber ich versuche es. Er hat gesagt, dass er mir nur einen Gefallen machen wollte, aber als ich die Tabletten genommen habe, konnte er mich nicht mehr alleine lassen. Aber ich habe die doch nur genommen, weil er gesagt hat, dass ich ihm schlafend besser gefalle. Ich will ihm gefallen... Oder wollte ich ihm gefallen?
Ich weiß nicht mehr genau, was ich denken soll. Ich fühle mich auf der einen Seite wohl bei ihm, weil er der erste Mensch seit langem war, der mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben hat und der auch etwas gegen meine Master getan hat. Ja, ich gebe auch zu, dass er mich nicht immer schlecht behandelt hat... Zumindest nicht körperlich. Was ich wegen ihm psychisch schon erleiden musste, ist wieder ein anderer Punkt.
Ich meine, schauen wir ihn uns mal an. Erst träume ich die ganze Zeit von ihm. Okay, dafür kann er wahrscheinlich nicht so viel, aber... Er hat mir schon bei Mister Baranow immer einen Lichtblick gesendet und ich hatte etwas, an das ich mich klammern konnte. Doch als er dann kam... Mich gefesselt und blind zu transportieren und dann alleine mit einem Raben lassen, ist nicht die Vorstellung die ich habe, wenn man mir mal nichts mehr macht. Aber ich habe es zugelassen und darüber kann man hinwegsehen.
Er hat mich nie von sich aus geschlagen... Nur wenn ich es provoziert habe. Aber er hat mich um Essen gezwungen. Er hat mich ans Bett gefesselt und meine Hoffnung immer wieder aufs Neue zerschmettert. Er hat mich zu Mister Noir gegeben und mich somit ausgeliefert. Auch wenn er behauptet, dass seine Absichten gut waren... Ich kann das nicht ganz glauben.
Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann... jemand, der mir zur Seite steht und mir einen Rat geben kann... Mein Vater? Aber ob ich mich mit ihm noch identifizieren kann? Er war, so wie ich mich daran erinnern kann, ein Held... Und ich? Ich bin ein Sklave... Ein Junge mit einem verdorbenen Körper, der es keinem recht machen kann. Weder Mister Noir, noch Mas~ Nein. Nur Ilja. Nicht einmal ihm konnte ich es recht machen und dass, obwohl ich sogar Medikamente für ihn genommen habe. Vielleicht sollte ich einfach noch einmal ein paar nehmen.
Irgendwann kann ich am Rande wahrnehmen, dass sich das Bett etwas bewegt, aber ich bin so sehr in meinen Gedanken, so sehr am Dösen, dass ich es nicht richtig wahrnehme. Als sich zwei Arme unter die Decke schieben und ich kurz darauf halb auf einem warmen Körper liege, seufze ich leise und schließe meine Augen. Mein Körper drückt sich direkt näher an die Wärmequelle und ich merke, wie sich meine Finger in den Saum seines Hoodies krallen. Ich fühle mich sicher. Fähe mich geborgen und beschützt und genau das ist das Problem. Ich kann ihm sein Fehlverhalten nicht übelnehmen, weil ich mittlerweile viel zu abhängig von ihm bin.
„Wieso hast du die Tabletten genommen?", fragt er nach einer Weile leise und ich komme wieder mehr in die Realität. Ich hebe meinen Blick ein wenig und kann seinen gut trainierten Oberkörper unter dem Hoodie erahnen. Er hat die Decke über meinem Kopf gelassen, selber ist er aber mit dem Kopf außerhalb, weshalb ich es auch nur gedämpft wahrgenommen habe. Doch ich hebe meine eine Hand und schiebe die Decke etwas zurück.
Er schaut nicht zu mir, sondern zur Decke aber da er leicht meinen Körper umarmt und ich eine leichte Bewegung seines Daumens spüren kann, merke ich, dass seine Aufmerksamkeit doch vollkommen auf mir liegt. Also überlege ich und seufzte dann leise. „Du hattest an dem Morgen im Bett mit mir gekuschelt... Dann habe ich anscheinend etwas falsch gemacht und du wars sauer, bist aufgestanden und hast gemeint, dass ich dir schlafend besser gefalle. Dann war ich im Bad und habe aus Zufall die Tabletten gefunden. Ich wollte dir gefallen, wollte bei dir bleiben und nicht wieder zurück müssen... Daher habe ich die Tabletten genommen, um dir besser zu gefallen...", erkläre ich und bin ein wenig stolz auf mich, da ich so viel und so offen mit ihm reden konnte. Er nickt leicht und wendet nun endlich seinen Blick zu mir.
„Ich verstehe... Aber da haben wir anscheinend aneinander vorbei geredet... Ich fand es nur toll, als du geschlafen hattest, weil du so ruhig und friedlich warst. Als du dann wach wurdest, hast du dich so angespannt... Mich wieder von dir gestoßen ohne es wirklich zu wollen...", erklärt er und ich runzle meine Stirn. Das ist mir wirklich nicht aufgefallen.
„Wieso... Also ich meine du bist Polizist... Wieso... Bin ich dann hier und wieso werde ich trotz allem als eine Art Sklave von dir gehalten?", frage ich nach einer Weile und er schaut zu mir herab. Dann seufzt er und erklärt mir, wie es dazu kam. Ich höre still zu und nicke dann etwas. Es ist einleuchtend, irgendwie, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob dass die Wahrheit ist.
Die kommenden Tage waren immer dieselben. Er hat mich gepflegt, mir Essen gemacht, dass ich aber nur zu sehr wenig Anteil wirklich esse und er hat meine Wunden täglich gereinigt und neu verbunden. Mittlerweile sind überall Krusten darauf und es tut nicht mehr bei jeder Bewegung weh. Auch kann ich mich wieder besser bewegen und vor allem die Laufstunden wie Ilja es nennt, tuen mir gut. Fünf Tage sind vergangen, seit er mich bei Mister Noir geholt hat und ich kann wieder einigermaßen laufen und habe wieder ein leichtes Gefühl was den Hunger angeht.
Und heute ist es so weit. Der letzte Tag vor dem Treffen mit Demian und Sam. Ilja hat mich am Abend in sein Auto gesetzt und gemeint, dass wir uns am Meer mit ihnen treffen und daher schon dort hinfahren können. So ist es gekommen, dass wir nun am Strand einen leichten Hang hinauflaufen. Es ist wirklich schön und vor allem, als nun langsam die Sonne untergeht und man durch einen strahlend blauen Himmel einen wunderschönen Blick auf die Weiten des Meers hat. Hinter uns kann man unsere Spuren sehen und vor uns geht es immer weiter hinauf. Rechts von uns ist der Abgrund einer Klippe, die zum Meer hinzeigt und unser Ziel ist die Spitze. Als wir fast da sind, verlässt mich aber meine Kraft und ich halte mich an Ilja fest. Dieser lächelt mich an und nimmt mich auf seinen Rücken.
Vorsichtig lehne ich mich an ihn und schlinge meine Arme leicht um seinen Hals. Ich will ihn ja nicht ersticken. Als wir oben angekommen sind, lässt er mich wieder hinab und ich gehe mit ihm bis an die Klippe um die ultimative Aussicht zu haben. Eine Weile schauen wir der Sonne einfach nur zu. Dann räuspert sich Ilja und ich drehe mich zu ihm. Er schaut zu mir, die wenigen Zentimeter, die er größer ist hinab und lächelt mich an.
„Weißt du Lukas... Da gibt es etwas, dass ich dir gerne sagen würde.", beginnt er und ich lege meinen Kopf ein wenig schief. „Ich liebe dich!"
Ich wiete meine Augen und gehe einen kleinen Schritt zurück. Er... Er leibt mich? Aber... Ich bin nicht Homosexuel. Ich will eine Frau und Familie... Ich... Will ich das wirklich? Oder hat mich mein Sklavendasein verändert... Will ich vielleicht doch ihn? Oder zumindest einen Mann? Ich bin vollkommen überrumpelt und schaue eher panisch zu ihm auf. Erwartet er nun eine Antwort? Er kommt den kleinen Schritt zu mir und legt seine Hand auf meine Wange. Er lächelt mich an, doch ich starre ihn an. Dann beugt er sich weiter und legt seine Lippen auf die meinen. Ich reiße meine Augen auf und drücke mich direkt weg, ehe er auch schon schief und eher belustigt grinst. „Aber es ist nicht echt!". Er verarscht mich. Er spielt schon wieder mit meinen Gefühlen. Gaukelt mir etwas von unechter liebe vor und will mich küssen. Er will mehr. Wie die anderen? Ich gehe noch einen Schritt weiter zurück und schüttle leicht den Kopf.
„Hey...", höre ich nun und reiße meine Augen wieder auf, sehe ihn wieder direkt vor mir und als ich einen weiteren Schritt zurück gehen will, trete ich ins Leere und verliere mein Gleichgewicht. Einen erstickten Schrei von mir gebend sehe ich nur, wie meine Welt kippt und ich in die Schwerelosigkeit nach hinten Falle. Von oben kann ich einen erschrocken dreinblickenden Ilja sehen. Aber was will ich machen? Ich habe gerade mein Todesurteil unterstrichen.
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