Chapter 23
Ich saß schweißgebadet auf meinem kleinen Bett und versuchte meine Beine dazu zu bringen, nicht mehr wie Wackelpudding zu zittern. Die leuchtenden Augen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatten mich angestarrt, als wollten sie mich mit ihrem Blick töten. Die Schmerzen, die Angst, alles hatte sich so real angefühlt, doch ich war wieder in meinem Bett aufgewacht. Vielleicht war diese intensive Art zu träumen eine Nachwirkung meiner Verwandlung.
Ein Knall war zu hören und ich zuckte schreckhaft zusammen. Was war das wohl gewesen? Ängstlich schaute ich mich in dem dunklen Zimmer um, doch ich konnte nichts erkennen, was das Geräusch erzeugt haben könnte. Von draußen hörte ich den Wind, der um das Gebäude pfiff. Er musste einen Baum zu Fall gebracht haben, redete ich mir ein.
Beim nächsten Schlag, den es draußen tat, flog ich von meinem Bett und schlug mir meinen Kopf an dem Nachtschrank an. "Verdammt!", fluchte ich, worauf nur ein leises Grummeln aus Keiras Richtung zu hören war. Ich schob die schweren Vorhänge zur Seite, sodass ich nach draußen blicken konnte. Finstere Dunkelheit beherrschte die Nacht, der Morgen schien noch Stunden entfernt zu sein.
Ich seufzte auf. Hier noch einmal alleine einzuschlafen war unmöglich. Doch ich würde morgen früh vor Müdigkeit umfallen, wenn ich nicht noch eine Mütze Schlaf bekam.
Leise, nur mit meinem kurzen Schlafanzug bekleidet, öffnete ich die Zimmertür und schlich den kalten Flur entlang. Ich bereute es keine Schuhe mitgenommen zu haben, doch da ich schon die Hälfte des Weges hinter mir gelassen hatte, wollte ich nicht noch einmal umkehren.
Kurze Zeit später lag ich in Logans Bett, der zum Glück mein zaghaftes Klopfen an der Tür gehört hatte. Ich kuschelte mich an den warmen Körper neben mir und genoss die Sicherheit, die ich in seinen Armen liegend verspürte. Sein ruhiger Atem kitzelte in meinem Nacken und mich übermannte eine Müdigkeit, die mich dazu zwang meine schweren Lider zu schließen und langsam in die Welt der Träume abzudriften.
"Guten Morgen, Prinzessin", wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Ich streckte mich genüsslich und bemerkte dabei ein Ziehen, das sich von meinen Armen aus bis zu den Zehen erstreckte. Was war gestern passiert, dass ich Muskelkater haben konnte? Verwundert stand ich auf und betrachtete meine schmerzenden Glieder.
Bilder des Traumes stürzten auf mich ein. Ein kurzes Schaudern überfiel mich, als ich an meine erneute Verwandlung und die leuchtenden Augen dachte, die mir so viel Angst einjagten. Ich drehte mich zu Logan um, der lässig an der Wand lehnte und mich beobachtete. Ich konnte seinen Blick nicht so recht deuten, doch als er zu sprechen begann, merkte ich deutlich, dass er besorgt war: "Wie hast du geshlafen? Geht es dir wieder besser?"
Ich lachte leicht unsicher. "Ja mir geht es gut, Logan", antwortete ich. Es entsprach nicht der vollen Wahrheit, aber im Vergleich zur gestrigen Nacht fühlte ich mich tatsächlich wohler.
"Logan?", fragte ich ihn nach einer kleinen Pause. "Ja", kam sofort seine Antwort und ich musste automatisch lächeln. "Danke, dass du für mich da bist", erwiderte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er schlang seiner Arme um mich und flüsterte in meine Haare, während er mich beinahe zerquetschte: "Für dich immer, Prinzessin. Wenn etwas ist kannst du zu mir kommen!"
Ich erwiderte die Umarmung. Wie gut es doch tat, Logan zu haben. Auch wenn ich mein altes Leben zu Hause und vor allem Thomas vermisste, ich hatte Logan hier, der mir half, mich tröstete und mich aufmunterte.
Nach dem Frühstück war ich wieder auf mein eigenes Zimmer gegangen. Ich saß in eine Decke gekuschelt auf meinem Bett und las vertieft in einem der vielen Bücher. Es war wie ein Lexikon aufgebaut und enthielt ein Inhaltsverzeichnis, das auf den ersten Seiten aufgelistet war. Mit vielen der dort genannten Kapitelnamen konnte ich nichts anfangen, doch ich blieb an der historischen Geschichte der Werwölfe hängen. Interessiert blätterte ich die angegebene Seite auf und begann die Zusammenfassung im hinteren Teil zu lesen...
Vor langer Zeit lebten die Werwölfe bei den Menschen und wurden sowohl verehrt, als auch als das akzeptiert, was sie waren. Wesen, die sich sowohl in Menschen- als auch in Wolfsgestalt verwandeln können. Aufgrund dieser Fähigkeiten sprach man auch von lykantropischen Gottheiten. Besonders in der ägyptischen und römischen Hochkultur, wurden Werwölfe sehr geschätzt. Ob als Totenbegleiter (Kap. 86, Anubis) oder als Beschützer und Adoptivfamilie der römischen Halbgottzwillinge, Werwölfe waren fest in das Leben der Menschen integriert.
Die Antike, das Goldene Zeitalter der Werwölfe, wurde von dem düsteren Mittelalter überschattet. Durch die Umbruchsstimmung begannen dir Menschen an den wolfsähnlichen Gestalten zu zweifeln und richteten sich gegen die Werwölfe.
In dieser Zeit floss viel Blut. Werwölfe wurden als Teufelswesen bezeichnet und aufgrund ihrer übermenschlichen Fähigkeiten auf Scheiterhaufen verbrannt. Massenmorde an Werwölfen wurden begangen und die Verrückten fanden immer neue Ausreden, um diese Ausrottung einer Rasse zu legitimieren.
Faolan, der Gründer, als der er heutzutage verehrt wird, schaffte es in dieser schlimmen Zeit eine zweite Welt zu erschaffen, in die die Werwölfe vor den grausamen Taten der Menschheit fliehen konnten.
Mit Ausnahme der beiden Rudel, die sich in Faolans Welt retten konnten, wurden alle Werwolfrudel, die es einmal gegeben hatte, ausgerottet. Nur eine kleine Gruppe von fanatischen Menschen schaffte es bei der Erschaffung in diese Welt einzudringen und macht bis heute jagt auf unsere Art.
Die meisten Menschen haben durch die lange Zeit, in der die Werwölfe in ihrer eigenen Welt leben, inzwischen die Existenz der Werwölfe vergessen und glauben nur noch an einen Mythos. Doch wir vergessen nicht so schnell, was uns angetan wurde.
Die Menschheit hatte die Werwölfe augerottet? Wie war denn so etwas möglich? Mein Bild, das ich von Werwölfen gehabt hatte, wurde mit diesem kleinen Text auf den Kopf gestellt. Waren Werwölfe vielleicht doch nicht die Monster, als die sie in vielen Filmen dargestellt wurden, sondern die Menschen? 'Jede Seite würde behaupten, dass der Andere den Bösen verkörpert', meldete sich das kleine Stimmchen in meinem Kopf. Ich gab ihm nach kurzem Überlegen recht.
Und was hatte es wohl mit diesem Faolan auf sich, der der Erschaffer dieser Welt zu sein schien? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand zu so etwas fähig wäre. Jedoch war Faolan nicht irgendjemand, sondern ein Werwolf. Bei dieser Tatsache sollte ich mich über nichts mehr wundern. Ob er wohl noch lebte, schließlich dürfte er trotz der vielen Jahre nicht gealtert sein. Ich blätterte eifrig in dem Buch, um ein Kapitel über ihn zu finden.
"Allison!", unterbrach mich Keira, die wie ein Wirbelwind ins Zimmer stürmte. "Hm?", fragte ich sie wortkarg. Warum musste sie mich gerade jetzt beim Lesen stören? Was sie wohl auf einmal von mir wollte, obwohl sie noch vor zwei Tagen gesagt hatte, dass sie nichts mit mir zu tun haben wolle. Ich klappte das Buch zu und legte es auf die Seite, während ich Keira fragend anschaute.
"Du hast heute Training mit Alec", erklärte sie wesentlich ruhiger, als sie gerade noch meinen Namen gerufen hatte. Ich seufzte auf. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!
"Wer hat dir das gesagt?", hakte ich kritisch nach. Auch Keira seufzte genervt: "Du bist echt schrecklich. Alec natürlich, wer denn sonst!?" Alec hatte Keira gesagt, dass ich Training mit ihm hatte? Was war mit gestern... Ob er sich überhaupt noch daran erinnerte, oder wusste, dass er mich mit seinem Verhalten verletzt hatte?
"Wann soll denn das Training sein?", erkundigte ich mich zögerlich. "Jetzt natürlich! Und wenn du weiter so aussiehst, als ob du vor allem und jedem Angst hast, kann ich dir sagen, dass dir Alecs Training echt zusetzen wird!"
Sofort straffte ich meine Schultern und versuchte überzeugter zu schauen. Keira nickte anerkennend, was für ihre Verhältnisse ein großes Lob war. "Jetzt zieh dir noch etwas Gescheites an, in dem du dich auch bewegen kannst und dann beweg deinen Arsch hier raus, damit ich meine Ruhe habe."
Da war wieder die alte Keira, die erfolgreich die freundliche Maske von gerade verdrängt hatte und ihr wahres Ich zeigte.
"Ich habe aber nichts zum Anziehen", gab ich von mir. Keira sah mich geschockt an. "Du willst mir jetzt nicht sagen, dass du die letzten Tage in diesen Klamotten verbracht hast?", fragte sie, wobei ihr Gesicht einen erschrockenen Ausdruck annahm. Auf meinen entschuldigenden Blick hin, steuerte sie zielstrebig auf ihren Schrank zu und warf immer mehr Teile auf ihr Bett. Als sie fertig war, drückte sie mir den Stapel in die Hand.
"Ich will nicht mit einer Person zusammenleben, die ihr Leben in einem Paar Hosen verbringt", sie verzog angewidert ihr Gesicht. "Und beeil dich!"
Als ich mich umgezogen hatte und aus dem Zimmer trat, fasste ich einen Entschluss: Ich würde Alec heute meine Meinung sagen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top