Chapter 19
Ich hatte längst zu schreien aufgehört, doch fallen tat ich noch immer. Wie ein Stein raste ich durch die Dunkelheit und drehte mich dabei so oft um die eigene Achse, dass ich schon gar nicht mehr mitzählen konnte, wie viele Saltos ich in dieser schrecklichen Leere schon gemacht hatte.
Mir war inzwischen so schwindelig, dass ich meine Augen fest zusammengekniffen hatte, um nicht in Tränen auszubrechen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Erst die Geschichte mit dem Brand in meinem Zimmer und jetzt dieser Sturz ins Ungewisse! Doch an schlechte Träume glaubte ich schon gar nicht mehr.
Das was hier gerade passierte, passierte mir wirklich. Bei dieser Erkenntnis war ich absolut sicher. Es ging irgendetwas sehr merkwürdiges vor sich, doch die Frage war nur was...
Außerdem war ich davon überzeugt, dass ich trotz meiner anfänglichen Ängste und Schreie gerade nicht in den Tod stürzte. Woher dieses Wissen stammte, wusste ich nicht. Und naja, wenn ich doch sterben würde, dann wäre ich wenigstens mit einer guten Einstellung gestorben.
Meine Meinung änderte sich jedoch innerhalb von nur einer Millisekunde, nämlich genau zu dem Zeitpunkt, als mich etwas hart am Gesicht streifte. Schützend überkreuzte ich beide Arme davor, doch die halfen nur geringfügig, als mir immer mehr unbekannte Objekte ins Gesicht peitschten. Als eines davon mir quer von der linken Schläfe über den Nasenrücken bis hin zum rechten Wangenknochen die Haut aufriss und dabei beinahe mein Auge mit erwischt hätte, schrie ich vor Schmerz auf.
Ganz langsam verblasste die Dunkelheit um mich herum, wurde immer heller und ich konnte während ich kurz die Augen öffnete einen Blick auf die qualvollen Peitschen erhaschen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass es sich um Bäume handelte. Nicht irgendwelche Bäume, sondern winterliche, teilweise mit Schnee bedeckte Nadelbäume und Tannen schlugen mir so brutal ins Gesicht.
Mit Schrecken stellte ich fest, dass der Boden unaufhaltsam in einem viel zu hohen Tempo auf mich zu gerast kam. Panisch versuchte ich mich an den Ästen der Bäume, die mir trotz der Schmerzen jetzt deutlich willkommener waren als zuvor, festzuhalten. Mein verzweifeltes Klammern konnte tatsächlich etwas von meiner Geschwindigkeit nehmen und so landete ich zwar mit viel Leid, aber immerhin lebend, zwischen den hohen Tannen ächzend auf dem Bauch.
Im ersten Moment war meine Sicht getrübt und ich fühlte mich auch sonst etwas benommen. Langsam rollte ich mich ab und lehnte mich dann erschöpft gegen einen der Bäume. Als ich wieder klar sehen konnte, betrachtete ich die Landschaft, um mich herum. Das Problem war nur, dass es nicht viel zu sehen gab.
Denn um mich herum befanden sich die Tannen und hinter den Tannen, wer hätte es gedacht, konnte man weit und breit auch nichts anderes als Tannen sehen. Frustriert stöhnte ich auf. Wie sollte ich nur jemals hier wieder herausfinden? Und wo genau befand ich mich überhaupt? Zu allem Überfluss schienen hier tiefe Minusgrade zu herrschen, was ich durch meine dünnen, für den Sommer ausgelegten Klamotten nun deutlich zu spüren bekam.
Das war doch nicht möglich. Ich hatte so einen Sturz überlebt, um jetzt wegen zu niedrigen Temperaturen zu erfrieren? Na super. Ich richtete mich auf, um mich ein bisschen zu bewegen und so der Kälte entgegen zu wirken.
Mit jedem Meter, den ich lief, spürte ich wie Stück für Stück meines Körpers zu einem Eisklotz gefror. Ich hatte die Arme um meinen Oberkörper geschlungen, doch das nützte mir auch nicht viel, was man daran erkennen konnte, dass ich am ganzen Körper zitterte und meine Zähne so heftig aufeinanderschlugen, sodass ich Angst bekam sie könnten abbrechen. Nach etlichen Schritten, die ich getan hatte, wurde es mir schließlich zu viel und ich sackte bibbernd auf dem Boden zusammen. Meine letzten Gedanken waren an Mum und Clarrise gerichtet: Mögen sie ein schönes und längeres Leben haben als ich es hatte.
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