Gericht

Ich starrte auf den Hinterkopf eines großen Mannes, unfähig den Blick abzuwenden. Ich wollte nicht hierherkommen, wollte nicht das jemand sah das er mein Vater war. Das ich seine Tochter war. Vor endlosem Scharme wäre ich beinahe im Boden versunken. Doch ich musste einfach herkommen. Um mit eigenen Augen zu sehen wie das Urteil gesprochen wurde, um Zeuge zu sein wie er endlich seine gerechte Strafe bekam. Er hatte junge Mädchen verkauft. Er war beteiligt am Menschenhandel. Mädchen in meinem Alter. Das Alter seiner Tochter. Ich konnte es noch immer nicht glauben.

Als der Richter das Urteil sprach war es als wäre ich ganz weit weg. Als wäre ich in einem tiefen Loch und weit, weit über mir sprach dieser alte Mann. Dieser alte Mann der mit einem Schlag das Schicksal meines Vaters besiegelte. Die Menschen erhoben sich und auch ich stand mechanisch auf, den Blick nach wie vor auf den Mann vor mir gerichtet. Dieser Mann bei dem ich aufgewachsen war, bei dem ich gelebt hatte und der mich belogen hatte, seit ich gelernt hatte Fragen zu stellen. Als er sich umdrehte und Männer kamen um ihn abzuführen, glaube ich einen Moment Angst in seinen Augen zu sehen.

Er hatte mich so lange belogen und betrogen. Diese Erkenntnis traf mich nun härter denn je, härter als in dem Moment als ich das erste Mal von all seinen Verbrechen erfuhr. Als ich erfuhr das meine Mutter nie vor hatte mich zu verlassen, dass er sie gezwungen hatte mich bei ihm zu lassen und zu verschwinden. Er hatte sie als psychisch kranke Alkoholikerin hingestellt die nicht in der Lage war sich um ein Kind zu kümmern. Ihr gedroht mir etwas anzutun, wenn sie ihn verriet. Ich hatte erfahren das er Mädchen verschleppen und unter Drogen setzen ließ. Dass er sie weiterverkaufte und das alles was wir besaßen von diesem dreckigen Geld bezahlt wurde. Mir wurde Schlecht. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war wieder kalt. Er hatte keine Gefühle. Ich sah nun alles anders. Diese Distanz die immer zwischen uns geherrscht hatte ... sie war auch der Grund warum ich nie etwas geahnt hatte.

Ich besaß nun so gut wie nichts mehr. Alles wurde beschlagnahmt. Seinetwegen. Ich hatte ein paar Fotoalben die nichts als Lügen in sich trugen. Einige Klamotten und meine geliebte Gitarre hatte ich behalten dürfen... und meine Bücher. Und das war es auch so ziemlich. Alles was ich besaß passte in einen großen Koffer und eine Gitarrentasche. Sie brachten ihn raus und er sah mir in die Augen. Dieser Mann den ich einst meinen Vater genannt hatte. Mein Magen zog sich zusammen und einen Moment lang war ich mir sicher, dass ich mich übergeben würde. Ich setzte mich zurück in den Stuhl und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Man hatte die Nummer meiner Mutter herausbekommen. Sie wohnte in Detroit... in keiner besonders angenehmen Gegend. Sie lebte auf der Schattenseite. Wo keiner wirklich schlafen konnte und jeder mit einer Waffe das Haus verließ. Sie sagten entweder müsste ich zu ihr oder ins Heim. Ich war 17, deswegen durfte ich noch nicht alleine wohnen, ich hatte ohnehin kein Geld.

Man hatte sie noch nicht kontaktiert. Man hatte es mir überlassen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top