(2/5) Annäherung
Als er die Tür hinter seinem Cousin geschlossen hatte und näher zum Licht trat, konnte sie endlich einen Blick auf sein Gesicht werfen. Es war schmal, wie sie es sich bereits gedacht hatte. Seine Züge hatten etwas Sensibles und Feines. Lippen und Kinn entsprachen den hageren Proportionen der äußeren Konturen, aber die Wangenknochen und die hellen Augen darüber erschienen im Verhältnis zum Rest des Gesichts auffällig: irgendwie stachen sie hervor und eines betonte das andere, wobei die Größe seiner Augen besonders auffiel; sein Blick hatte etwas Verklärtes, beinahe so, als sei er nicht wirklich da oder würde in innere Welten hinein sehen. Und irgendwie hatte sie das bereits an seiner Stimme gehört. Dichte Haare fielen ihm wellig und dunkel über die hohe Stirn, was seiner Haut eine gewisse Blässe verlieh; die wenigen bereits ergrauten Strähnen an den Seiten boten zum übrigen, beinahe noch jugendlich wirkenden Haar einen so starken Kontrast, dass sie wie gefärbt wirkten. Mit einer Geste seiner Hand lud er sie ein.
"Kommen Sie mit ans Feuer, dort ist es warm." Er führte sie zu dem grünen Sofa, das mit seiner geschwungenen Lehne gemütlich wirkte. "Nehmen Sie doch bitte Platz."
"Dankeschön."
Da Emma nicht wusste, wo er sitzen würde, entschied sie sich für die zum Kamin gewandte Seite. Welchen Platz er auch wählen würde, im Licht des Feuers würde sie ihn gut sehen können, während ihr eigenes Gesicht aber ein wenig im Schatten lag. Vorsichtshalber - bei ersten Begegnungen neigte sie zum Erröten, zumindest, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Es war lästig und peinlich, aber sie konnte es nicht ändern. Eine Scheu, ihn direkt anzusehen, machte ihr plötzlich zu schaffen, mit Flann Doyle war es einfacher gewesen. Das musste sie überwinden. Jetzt. Schüchtern streifte sie ihn mit ihrem Blick, gab sich Mühe, bis in die Augen hinauf zu lächeln. Das sollte für den Moment genügen. Es machte sie nervös, dass er immernoch da stand. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte, also gönnte sie sich eine, zwei Sekunden, ihren Mut zu finden und besah die Steinplatte über der Feuerstelle.
Das graue Ungetüm wirkte tatsächlich wie Beton. Die Fläche war noch größer, als sie es aus der Distanz geschätzt hatte. Der Feuerschein ließ die tief eingravierten Buchstaben kontrastreich hervor treten. Es war ein Vierzeiler, ein poetisch anmutender Vers, in dem es irgendwie um junge Frauen und Gärten ging.
Come all ye maidens young and fair, that flourish in your prime
Always beware, keep your garden fair, let no man steal your thyme.
Sie hatte tatsächlich noch nichts gesagt, das über "guten Abend", "vielen Dank" und "auf Wiedersehen" hinaus gegangen wäre. Small talk, dachte sie und versuchte ihr schlecht trainiertes inneres Programm abzurufen. Sag etwas, du Stockfisch. Und sieh ihn an, wenn du sprichst. Reiß dich zusammen.
Ihre Finger suchten Beruhigung an dem weichen Samt des Sofas. Ihr Herz klopfte. "Es ist... sehr schön hier. Ich mag alte Häuser." Sie wandte sich ihm mutig zu - und bemerkte im selben Augenblick, dass Ò Briain nicht mehr bei dem Sessel stand. Während sie sich mit ihrer Schüchternheit auseinander gesetzt hatte, war er zu der Tür hinüber gegangen, durch die die Haushälterin herein gekommen war.
Die Hand an der Klinke sah er zu ihr hinüber. "Freut mich sehr, dass es Ihnen gefällt, Emma." Sein Blick ging zur hohen Decke hinauf, als suchte er dort oben etwas. "Nicht jeder kann mit einem so alten Gemäuer etwas anfangen ... das Haus wurde 1624 gebaut. Damals gab es aber nur die Halle und alles, was zur rechten Seite daran anschließt." Er wies zur Treppe hinüber. "Ab 1714 erweiterte man das Gebäude um die linke Seite und den hinteren Bereich. Die Treppe lag zu dieser Zeit ebenfalls im hinteren Teil des Hauses, man hat sie aber später nach hier in die Halle versetzt und die Galerie gebaut. Alle Räume da oben hatten also ursprünglich ihren Zugang in der hinteren Hälfte des Hauses."
"Oh ..." Emma nutzte die Gelegenheit, endlich auch etwas zu sagen. "So viele Änderungen! Und der Anbau ... das finde ich spannend! Ich mag Häuser mit Geschichte."
Das war nicht übel für den Anfang. Das leise Zittern in ihrer Stimme schien er nicht bemerkt zu haben. Jedenfalls sprach er entspannt weiter, als würden sie bereits seit einer halben Stunde miteinander plaudern.
"Also, wenn Sie sich dafür interessieren ... Küche, Waschkammer und Gesindestube wurden hier nach draußen verlegt, als der Anbau fertig war." Er öffnete die Tür, bei der er stand, und zeigte hinaus. "Im Ostflügel entstand Platz für eine Bibliothek, einen Salon und ein paar weitere Zimmer."
Als er ihr zulächelte, verschwand der melancholische Ausdruck, der auf seinem Gesicht gelegen hatte. "Ja, so ist das mit den alten Häusern! Jeder Hausherr hat andere Vorstellungen und baut irgendetwas um oder an. Die Jahrhunderte haben ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie die Menschen. Manche Teile des Hauses und auch draußen auf dem Gelände sind aber bis heute original erhalten." Er schüttelte den Kopf und zog die dunklen Brauen zusammen. "Aber was rede ich ... Sie müssen müde sein. Morgen ist auch noch Zeit für Geschichten. Bleiben Sie ruhig sitzen und machen Sie es sich bequem. Ich hole uns Tee, es dauert nicht lange." Gerade wollte Emma ein "vielen Dank" anbringen, da war er schon verschwunden.
Ihre Finger glitten weiter über den Samt der Sitzfläche. Er war ein wenig warm vom Kaminfeuer. Erleichtert dehnte sie den verspannten Nacken. Der Anfang war geschafft! Und sie hatte sich gar nicht so dumm angestellt. Es konnte Glück oder Unglück sein, dass sie ausgerechnet an diesem einsamen Ort, dazu noch in einem solchen Haus, gelandet war. Noch kämpfte sie gegen Misstrauen und Bedenken an. Wieder musste sie an Hollys Bild denken, doch dann fing sie sich und schob es entschlossen beiseite. Du bist müde, beruhigte sie sich. Lass dich nicht irre machen, alles ist gut. Schließlich griff sie sich eines der Kissen, stopfte es sich im Rücken zurecht und ließ sich seufzend in die gewölbten Polster zurück sinken. Sie musste sich öffnen, sich bewegen, mehr Lebendigkeit zeigen, sonst würde es auch mit der neuen Stelle nichts werden. Dieses Sofa war herrlich, es nahm einen beinahe in den Arm. Erschöpft von den Aufregungen des Tages legte sie den Kopf in den Nacken und warf einen Blick gegen den Boden der Galerie. Unter dem Dach, das die schweren Eichenbohlen über Kamin und Sitzecke bildeten, begann sie sich beinahe geborgen zu fühlen.
Von dort, wo sie saß, wirkte die Halle gar nicht mehr so groß. Wie es hier wohl bei hellem Tageslicht aussah, wenn man in alle Ecken und Winkel hinein sehen konnte?
Es musste noch mehr Türen geben, auch zur linken Seite hin, auf der die Treppe lag; so weit sie sich erinnern konnte, hatte sie auf beiden Seiten des Eingangs gleich viele Fenster gesehen, die Fassade war symmetrisch aufgebaut. Die vier, die den Eingang flankierten, mussten zur Halle gehören. Jetzt war in den Schatten neben der Haustür nichts zu sehen, jedenfalls nicht von der Sitzecke aus. Vielleicht hatte der Hausherr dort hinten am Eingang irgendwelche Vorhänge oder Läden geschlossen, während er mit Flann geredet und sie sich im Raum umgesehen hatte.
Sie gähnte verstohlen. Das prasselnde Feuer verbrauchte einigen Sauerstoff. Die Müdigkeit kroch ihr mittlerweile durch den ganzen Körper, sie musste dringend ins Bett. Wo und wie auch immer man sie unterbringen würde - Hauptsache, es gab ein bequemes Bett und eine Tür, die sich schließen ließ.
Als Ò Briain erschien und mit einem Tablett zu ihr herüber kam, war sie erleichtert; dass sie jetzt noch ein wenig durchhalten musste, war klar. Je schneller sie die obligatorische Einführung und ein erstes Kennenlernen aber hinter sich bringen würde, umso eher durfte sie diesen unglaublichen Tag beenden und sich endlich ein wenig Ruhe gönnen. Was sie entdeckte, als er seine Fracht auf dem kleinen Beitisch neben dem Sofa abstellte, ließ ihre Lebensgeister jedoch so schnell wieder aufflammen, als hätte man Öl hinein gegossen. Ein dicker Teepott aus dunkel angelaufenem Metall stand da neben zwei alten Tassen. Sie wiesen ein völlig unterschiedliches Dekor auf und passten doch perfekt zueinander; die bauchige, die nun für sie gefüllt wurde, hatte smaragdgrüne Innenwände, einen verschnörkelten Henkel und einen feinen Goldrand. Darunter tanzten kleine goldene Kleeblätter einen märchenhaften Reigen rings um die Kante.
"Was für eine schöne Tasse ... vielen Dank", stieß Emma aus und war sehr zufrieden mit der spontanen Lockerheit, mit der sie gerade gesprochen hatte. Beim Anblick des Tellers mit rustikalem Brot, Käse und magerem Schinken fiel ihr das nicht schwer. Was sie aber vor allen Dingen aufrecht auf der Couch sitzen und tiefer durchatmen ließ, so dass sie vollends munter wurde, waren die Schokoladenkugeln, die in einer hübschen Schale bei den Tassen standen.
"Bedienen Sie sich", forderte Ò Briain sie lächelnd auf und wies auf die Kugeln. Er musste ihre wundersame Belebung und ihren jetzt so viel wacheren Blick bemerkt haben.
"Sind das...?"
"Mozartkugeln", beantwortete er die noch nicht zuende gestellte Frage und goss nun auch Tee in die andere Tasse. "Ich habe mich bemüht, hier in Donegal etwas Deutsches aufzutreiben. Damit Sie sich wohlfühlen. Näher als bis Österreich bin ich bei meiner Suche aber nicht gekommen." Er zwinkerte freundlich und der Anflug eines Scherzes blitzte in seinen Augen auf. "Mozart war Österreicher, also... Ich hoffe, die werden es ersatzweise tun."
"Das ist perfekt! Dankeschön... wirklich nett", sagte Emma. "Ich liebe Schokolade und Marzipan." Innerlich verdrehte sie seufzend die Augen. Das war genau das Richtige, das brauchte sie jetzt. Mozartkugeln und dampfender Tee machten alles gut: die Erinnerung an die Saunders, die Aufregung am Flughafen, das verlorene und unsichere Gefühl, als sie darauf wartete, dass irgendwer sie abholte... und vielleicht sogar die Begegnung mit der Frau, die sie nicht überfahren hatten. Weil es sie nicht gab.
Ò Briain rückte den Ledersessel näher an den kleinen Tisch heran und setzte sich. "Das trifft sich gut, mir geht es ebenso. Wir werden unserer Leidenschaft für Schokolade aber besser am späteren Abend nachgehen, denn Shay soll nicht zu viel Süßes essen."
Die angebissene Kugel in der Hand bugsierte Emma die leckere Füllung in ihrem Mund schnell aus dem Weg, summte nickend ein "Hmm..." und schluckte. Endlich kamen sie auf den Jungen.
"Das unterstütze ich. Wenn die Kinder älter werden, finden sie schon noch genug Wege, um an die Dinge zu kommen, die sie haben wollen. Man muss die Zeit nutzen, ihnen ein gutes Maß zu vermitteln. Später, wenn sie sich allein organisieren, können sie das gebrauchen."
Sie dachte an ihre moppelige Phase. Mit Zwölf, ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Mutter, hatte es angefangen, dass sie sich mit süßen Sachen zu trösten versuchte. Tante Moni war es gewesen, die sie vor Schlimmerem gerettet und das tatkräftig beendet hatte. Willst du dir eine Mauer anfuttern, hinter der du einsam und voller Komplexe verrecken kannst - oder soll ich dir zeigen, wie man ins Leben hinein findet? Fang damit gar nicht erst an, Mädchen, hatte sie zu ihr gesagt und ihr eines ihrer selbst eingebundenen Notizbücher hingehalten. Hier, nimm das. Es ist eine Herausforderung für uns, dem Leben Größeres als Schokolade abzuringen. Wer bei Schokolade stecken bleibt und den Rest, der da zu gewinnen wäre, aufgibt, hat verloren. Schreib auf, was dir auf der Seele brennt, Kind. Und vergiss nicht die Dinge, die du dir am meisten wünschst, denn daran lässt sich arbeiten.
Emma hatte diese Worte nie vergessen. Sie hatten etwas in ihr zurecht gerückt. Seitdem ging sie niemals ohne ein Notizbuch durchs Leben, es half, den Fokus nicht zu verlieren. Schokolade war eine Blume am Wegrand, aber sie durfte nicht zum Horizont der Welt werden.
"Ich sehe, Sie wissen, was ich meine", sagte Ò Briain und nahm sich eine der appetitlich dekorierten Brotscheiben.
Insgeheim atmete Emma auf. Wenn sie gleich bei ihrer Ankunft ein-zwei Pluspunkte sammeln konnte, war das ein guter Start.
Shay ist sieben?", fragte sie, um bei dem Jungen zu bleiben. "Erzählen Sie mir doch ein wenig von ihm. Wie lange ist es her, dass er seine Mutter... verloren hat?"
Bestärkt durch Ò Briains warme Geste mit der Schokolade wagte sie sich mitten in das Thema hinein. Ohne dass sie Genaueres über die Herausforderungen ihrer Aufgabe wusste, erschien ihr der Tod der Mutter des Kleinen als das größte Problem. Daran hing sich sicher vieles auf.
"Nennen Sie mich doch bitte Hagan, das macht es einfacher", bot Ò Briain an. "Und kann ich Emma sagen? So haben wir es bisher mit den Kindermädchen gehalten, die wir hier hatten... auch für Shay ist es leichter, sich an Sie zu gewöhnen, wenn er und ich Sie bei Ihrem Vornamen nennen. Um erst gar keine störende Distanz entstehen zu lassen, verstehen Sie? Er soll Ihnen vertrauen."
Emma nickte begeistert. "Oh... ich selbst fühle mich ebenfalls wohler, wenn ich für Sie beide und auch für Ihre Haushälterin einfach Emma bin. Hagan also... sehr gerne." Sie lächelte. "Das merke ich mir."
"Ich bin froh, dass wir uns einig sind."
Über seiner Nasenwurzel entstand eine tiefe Furche. Emma sah es, als er sich vorbeugte und nach seiner Tasse griff. Sie beobachtete den Ernst, der sich über sein Gesicht legte, er schien Anlauf zu nehmen. Er wirkte jetzt angespannt. Im nächsten Moment sollte sie erfahren, was ihn beschäftigte.
"Es wäre gut, wenn Sie mit Shay nicht über seine Mutter sprechen." Er sah von seinem Tee auf. "Soweit es sich vermeiden lässt, natürlich."
Was er da vorschlug, war Emma gar nicht lieb. Sie selbst hatte es gehasst, als ihre gesamte Umgebung sie plötzlich mit Samthandschuhen anfasste und niemand mit ihr über den Tod ihrer Mutter reden wollte. Das war niemals zu ihrem Besten gewesen, das wusste sie heute. Die Leute hatten nur ihre eigene Hilflosigkeit und Unsicherheit verbergen wollen. Wie redete man über so etwas mit einem Betroffenen, dazu mit einem Kind? Sie waren es gewesen, die mit dem Thema nicht umgehen wollten. Auch Hagans Blick hatte plötzlich etwas Hilfloses, beinahe Entschuldigendes.
"Verstehen Sie mich bitte nicht falsch", setzte er an. "Ich weiß, wie wichtig es für Kinder ist, das zu verarbeiten. Mein Sohn geht einmal in der Woche zu einem Therapeuten. Es ist nur so, dass ich den Prozess nicht stören will; bisher scheint er besser zurecht zu kommen, wenn die Therapie der Ort ist, an dem diese Dinge ausführlicher besprochen werden. Ich möchte dem Therapeuten nicht ins Handwerk pfuschen. Und Shay braucht diesen schützenden Raum, wenn Sie verstehen, was ich meine. Hier, also... ich meine, hier, wo die Erinnerungen überall herum geistern... würde es ihn überfordern."
Das konnte ja kompliziert werden! Emma bemühte sich um Aufgeschlossenheit für seine Sorge. Aber sie wusste, dass Kinder ihre eigene Bedürfniswelt hatten; wenn man sie ließ, gingen sie anders mit dem Tod um als Erwachsene. Irgendwann, früher oder später, würden seine Fragen kommen. Er würde seinen Verlust zum Ausdruck bringen, auch zuhause. Und dann würde er Menschen brauchen, die sich damit auseinander setzten, genauso unmittelbar und spontan, wie er sie mit seinen Äußerungen konfrontierte. Dann durfte es keinen Aufschub geben. Wenn alles gut lief, wenn es ihr gelang sein Vertrauen zu gewinnen, dann konnte es gut sie selbst sein, die gefordert war. Wahrscheinlich war da längst Bedarf und seine Umgebung scheute sich nur, damit umzugehen. Die Äußerung seines Vaters hörte sich ganz danach an.
"Bringt er denn das Thema auch zuhause auf? Wie soll ich mich verhalten, wenn er darüber reden will?" Einen Augenblick zögerte Emma, dann packte sie aus. "Ich... habe eigene Erfahrungen damit. Vielleicht könnte das sogar hilfreich sein." Am Rande nahm sie wahr, wie aufmerksam er auf einmal wurde. "Meine Mutter ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben. Es... es kam völlig unvorhergesehen, es war nicht viel Zeit. Niemand war vorbereitet", sagte sie, gab sich einen Ruck und sah ihm direkt in die Augen. "Eigentlich ist man das nie, egal, wie früh man es weiß. Daher kenne ich den Schock sehr gut, wenn so etwas passiert." Sie wagte sich weit vor für den ersten Abend, aber gleich morgen würde sie sich mitten im Annäherungsprozess wiederfinden, dann war keine Zeit mehr, irgendwelche Grundinformationen einzuholen. Sie mussten das Thema besprechen.
Hagan schien von ihren Worten beeindruckt. "Dass Sie mir das anvertrauen, bedeutet mir sehr viel." Er trank einen Schluck von seinem Tee, dann lehnte er sich in den Sessel zurück. Sein Blick verlor sich für einen Moment in den Schatten des Raumes. "Vielleicht ist das die Lösung. Dass jemand für ihn da ist und sein Vertrauen gewinnt. Jemand der dieselbe Erfahrung gemacht hat wie er selbst." Er seufzte und sah zu ihr herüber. "Wir hatten schon einige Kindermädchen, seit... Alle gingen wieder, sie kamen mit dem Jungen nicht zurecht. Oder er nicht mit ihnen, ich habe da keinen Überblick mehr."
"Wann ist Shays Mutter denn gestorben?"
Ob gezielt oder versehentlich, er hatte immer noch nicht auf ihre Frage geantwortet.
"Vor ... dreizehn Monaten."
Seine angebissene Scheibe Brot lag noch auf dem kleinen Teller, den er auf seinem Oberschenkel balancierte; er beugte sich im Sessel vor, nahm sich eine Mozartkugel und biss hinein. Er starrte ins Feuer, während er kaute. Bilder schienen an ihm vorbei zu ziehen, sein müdes Gesicht wirkte wie eine Leinwand.
Emma wollte seine Gedanken nicht stören, aber zugleich hatte sie das Gefühl, dass er ihre Fragen brauchte, um reden zu können. Es war offensichtlich, dass auch er bei der Verarbeitung des Verlustes und der Begleitung seines Sohnes Hilfe brauchte. Als sie leise sprach, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass das Haus zuhörte. Diese Vorstellung ließ sie trotz der Wärme, die vom Kamin abstrahlte, frösteln.
"Darf ich erfahren... wie es passiert ist?"
Ende Teil 11
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