(2/3) Die Gestalt
Mit einem Ruck kam Emma aus dem Sitz hoch. Grelles Licht blendete sie von der Fahrerseite her. Sie war allein im Auto. Langsam kam ihre Orientierung zurück. Wie lange hatte sie geschlafen? Und wo war Flann Doyle? Sie standen an einer Tankstelle... Ungeschickt löste sie ihren Gurt, blinzelte gegen die Beleuchtung an, die den Platz flutete, verengte die Lider. Dort drinnen stand er, sie konnte ihn durch die Seitenscheibe des flachen Gebäudes sehen. Er stellte einige Dinge auf dem Tresen ab, griff in seine Jacke und zahlte. Einen Moment später kam er heraus und steuerte auf sie zu.
Sie spielte mit dem Gedanken, sich weiter schlafend zu stellen; in ihrem müden Zustand wollte sie nicht mit ihm reden, ihr fiel einfach nichts mehr ein. Beim Anblick der braunen Tüte und der beiden Kaffeebecher, die er in den Händen balancierte, meldete sich jedoch ihr Magen knurrend und sie entschied sich anders. Bevor er nach dem Türgriff angeln konnte, beugte sie sich zur Fahrertür hinüber und stieß sie auf.
"Sie sind wach, Miss", warf Flann erstaunt in den Innenraum. Er beugte sich vor und reichte ihr einen Pappbecher. Als er einstieg, roch sie bereits, dass er etwas Gutes mitbrachte. "Kartoffelschnitze", ächzte er und der Wagen schaukelte, als er sich umständlich in seinem Sitz zurecht rückte. "Knusprig an den Kanten und ... scharf gewürzt." Er klemmte sich seinen Kaffeebecher zwischen die Knie, hob vorsichtig eine der Tüten aus der großen Umverpackung heraus und reichte sie ihr.
"Wunderbar", stieß Emma seufzend aus. "Das kann ich gebrauchen, vielen Dank."
Er lachte. "Doireann, meine Tochter, die hat diese Dinger immer schon geliebt. Da dacht' ich, ich mach' nichts falsch, wenn ich sie für die Miss mitbring'."
"Oh, das ist perfekt, ich liebe Kartoffeln in jeder Form", versicherte Emma. "Schon seit ich ein Kind war."
Er sah sie an, als hätte sie etwas Bemerkenswertes gesagt. "Vielleicht steckt eine Irin in Ihn' drin, wer weiß das schon. Wär' nicht das erste Mal, dass jemand von woanders her kommt und das hier bei uns merkt." Seine wild gewachsenen Augenbrauen zogen sich zusammen. "Das Land holt die Wahrheit aus einem raus, wenn man nur lang' genug hier ist."
Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Darum nickte sie nur still, machte sich über die Kartoffeln her und trank ihren Kaffee. Sie aßen schweigend, und das war in Ordnung. Sie begann sich an ihn zu gewöhnen.
"Wir sind bald da", erklärte Flann und knüllte seine leere Tüte zusammen. Emma fischte die letzten Kartoffelschnitze heraus und tat es ihm nach. Ihr Becher war schon leer, das heiße Gebräu hatte etwas zu wenig Milch enthalten, aber es hatte sie durchgewärmt, so dass sie die letzte Strecke nun gut schaffen konnte. Flann nahm ihr Becher und Tüte ab und warf beides zusammen mit seinem eigenen Müll auf die Rückbank.
Weiter ging es auf gerader Strecke und Emma war beinahe versucht, ihre Augen wieder zu fallen zu lassen. Die letzten Wochen bei den Saunders hatten sie um den Schlaf gebracht, das machte sich jetzt bemerkbar. Als Flann mit der Hand auf ein Schild am Straßenrand wies, konnte sie ihre Augen gar nicht schnell genug fokussieren; schon waren sie daran vorbei.
"Dunfanaghy", sagte er.
Emma erschrak. So nahe waren sie bereits? Sie hatte sich den letzten Ort vor dem Horn Head auf der Karte gemerkt. Irgendwo jenseits davon musste ihr Ziel sein.
Am Flughafen hatte Flann seinen Wohnort nicht konkret genannt, aber sie erinnerte sich, dass er ihn mit "unten im Ort" umschrieben hatte. Wenn das Land am Horn Head immer weiter anstieg, bis am Ende die Steilküste ins Meer abfiel, dann konnte man die Lage Dunfanaghys als letzten Ort vor den öden Höhen durchaus als "unten" bezeichnen.
"Wohnen Sie ... in Dunfanaghy?"
Er grunzte nur - was sie als ein "Ja" interpretierte.
Wenig später passierten sie das Ortsschild und fuhren zwischen aneinander gereihten bescheidenen Häuschen entlang. Man sah das grellrote Schild eines Pubs, einige Geschäfte, einen Supermarkt und eine Kirche, deren Vorplatz beleuchtet war. Dunfanaghy war ein bescheidener Ort. Flann fuhr langsamer und Emma wandte neugierig den Kopf, da es hier nun erstmalig auf der langen Strecke ein wenig mehr zu sehen gab - bis sie in eine scharfe Linkskurve gerissen wurde und Flann in eine Seitenstraße abbog. Auf beiden Seiten gab es hier eine Art niedrige Mauer zwischen den Häusern und der Straße. Es schien, als ob nur Millimeter zwischen ihnen und den scharfkantigen Steinen lagen, aber der Ire lotste den Wagen geschickt hindurch. Emma atmete auf, als sie am anderen Ende wieder heraus waren - und staunte, wie klein Dunfanaghy war, denn ein weiteres Mal abgebogen, und sie befanden sich schon wieder in der dunklen Wildnis.
Flann nickte nach rechts zum Fenster heraus. "Wir umfahren die Bay."
Emma sah nichts. Sie hatte aufgegeben sich ein komplexeres Bild von der Gegend zu machen. Sie fragte nicht, wie lange es nun noch dauern würde; sie mussten jetzt sehr nahe sein, denn nördlich von Dunfanaghy würde es bis zur Küste nur noch vereinzelte Häuser oder Höfe geben. Ob die Familie Ò Briain auf einem Hof wohnte? Flann hatte von seinem eigenen Hof erzählt - und auch, dass es für ihn hier und da bei seinem Cousin etwas zu tun gab... Sie hätte nicht sagen können, was ihr lieber war: Ein alter Hof der Art, wie sie sie auf ihrer Fahrt gesehen hatte, oder eines der Häuser hier. Sie waren schmucklos, einfach und zweckmäßig gebaut, mit kleinen Fenstern und kargem Aussengelände, auf dem sich wohl Büsche und mit Heidekraut überwucherte Flächen abwechselten - so kannte sie es zumindest von den Bildern, die sie im Netz gefunden hatte.
Sie befanden sich nun auf einem Weg, der bei bestem Willen nicht mehr eine Straße genannt werden konnte. Emma wurde kräftig durchgeschüttelt, dabei ging es stetig bergauf über kahlen Boden, nur hier und da gab es Böschungen, die mit dichtem Gestrüpp bewachsen waren.
Auf einmal wurde es noch finsterer. Die Scheinwerfer beleuchteten eine Abzweigung. Sie führte auf einen schmalen und bemoosten Weg, der unter ausladenden Bäumen hindurch ging. Es schien ein kleiner Wald zu sein, von denen es so hoch im Norden der Insel sehr wenige gab. Nebel lag schwer über dem Boden, die tief hängenden Zweige berührten beinahe das Dach des Wagens, als sie in die Dunkelheit eintauchten.
Sie fühlte sich eigenartig. Diese plötzliche Unruhe, die feuchten Handflächen, ihr Herzschlag, den sie bis in die Knochen spürte ... das musste die Aufregung sein, die sich in ihr Bewusstsein hinauf zu arbeiten begann. Sie hätte fragen können, ob dies der Weg zum Haus der Ò Briains war, aber sie war still und schaute nur. Ihr Mund war trocken. Sie fuhren auf zwei steinerne Säulen zu, auf deren Dach wohl irgendwelche Figuren prangten; das Licht streifte sie nur, so dass man nichts genaueres erkennen konnte, da waren sie schon vorbei. Emma wandte sich rückwärts, aber die Pfeiler verschwanden bereits im Nachtschatten der Bäume. Seltsam, wie bei ihrem Anblick ein Druck in ihrem Hals aufgestiegen war...
Als sie sich wieder nach vorne umdrehte, erschrak sie zu Tode. Unmittelbar vor ihr stolperte jemand an der schlammigen Seite des Weges entlang, Die Gestalt trug einen langen Rock und hatte ein Tuch fest um Schultern und Rücken gezogen. Mit Grausen bemerkte sie, dass Flann keine Anstalten machte, ihr Platz zu lassen, im Gegenteil. Den Fuß auf dem Gas wich er einer großen Pfütze aus und der Wagen machte einen Schlenker zu Emmas Seite hinüber. Sie konnte nur noch aufschreien - im selben Moment fuhren sie bereits in die Frau hinein.
Eine dumpfe Erschütterung ließ sie Halt suchend ins Leere greifen, der Wagen rumpelte noch einige Meter über den mit Schlaglöchern übersäten Weg, dann blieb er stehen. In Flans Gesicht stand Erschrecken; irritiert sah er zu Emma hinüber.
"Heiliger ... was war denn das! Alles in Ordnung, Miss?"
In ihrem Schock brachte sie kein Wort heraus. Sie kam aus dem Sitz hoch, drehte sich nach hinten um, sah durch die Heckscheibe ... und erkannte die schmale Gestalt der Frau. Ungefähr zehn Meter hinter dem Wagen stand sie in der Dunkelheit, das Oval ihres Gesichts leuchtete matt aus der finsteren Umgebung heraus. Sie konnte die Augen darin ausmachen, der Rest ihrer Züge war kaum zu erahnen. Vor ihrer Brust trug sie ein Bündel, das sich hell von der dunklen Kleidung abhob. Unbeweglich stand sie dort und sah zu ihnen herüber.
Wir... wir müssen ... aussteigen. Wir haben sie angefahren." Hilflos zerrte sie an ihrem Gurt. "Sie ... sie müsste tot sein!"
"Wer müsste tot sein, Miss?"
"Die ... die Frau! Wir haben sie angefahren."
"Die Frau? Welche ..."
Sie zeigte nach hinten durch die Scheibe. "Da! Da steht sie. Hinter uns, auf dem Weg. Wir müssen fragen, ob alles in Ordnung ist."
Emma sah ihn entgeistert an. Sie konnte nicht fassen, dass er sich gar nicht rührte.
"Aber da ist nichts", versicherte Flann und reckte den Hals nach allen Seiten. "Gar nichts."
Er musste nachtblind sein. Er konnte seinen Führerschein verlieren. Sie konnten nicht hier sitzen und diskutieren. Vielleicht war die Frau verletzt. Oder sie stand unter Schock. Auf keinen Fall durften sie sie hier allein stehen lassen.
"Ich sehe nach", hörte Emma sich sagen. Wie fremdgesteuert wand sie sich aus ihrem Gurt, fand den Türgriff und stieg aus.
Der Boden war völlig aufgeweicht. Kalter Schlamm drang in ihren rechten Schuh. Mit wackeligen Knien übersprang sie eine Pfütze. Beinahe wäre sie ausgerutscht; als sie sich gefangen hatte und wieder einigermaßen sicher auf beiden Beinen stand, hob sie den Blick, sah den Weg entlang. Die Frau war verschwunden.
In ihrem Kopf arbeitete es. Das konnte nicht sein. Sie war dunkel gekleidet. Vielleicht war sie bewusstlos geworden und lag jetzt da vorne irgendwo auf dem Boden. Sie wandte sich zum Auto um. "Flann! Flann Doyle! Kommen Sie raus und helfen Sie mir! Sie muss hier irgendwo sein."
Die Fahrertür wurde aufgestoßen. Flann stieg aus, sie sah es vor dem Licht der Scheinwerfer. Endlich kümmerte er sich! Eilig stolperte sie weiter vom Wagen weg, ins Dunkle hinein, einige Meter und noch ein paar, und fand... nichts. Sie suchte den Boden ab, aber es gab keine Spur von der Frau. Sie lief auf die Wegseite hinüber, an der sie sie zuerst gesehen hatte, starrte irritiert in die Schwärze des Waldes hinein, lauschte gegen den Wind an, der an den Baumwipfeln zerrte und ihr die Haare um das Gesicht warf.
"...Hello? Anybody here..?"
Es gab keine Antwort. Aber ... so schnell konnte sie doch nicht verschwunden sein!
Als sie sehen wollte, wo Flann blieb, entdeckte sie sie plötzlich. Sie stand jetzt am Auto. Direkt bei ihm, an seiner linken Seite.
Ihr Gesicht wurde kalt. Sie atmete gegen den Stein in ihrem Magen an. Ihre Füße versuchten Halt in den durchgeweichten Schuhen zu finden, die zitternden Hände krallten sich in die Taschen ihrer Jacke. Was sie sah, konnte nicht sein, es war unmöglich. Vollkommen still und unbeweglich, genauso wie eben, stand die Frau nun dort vorne bei Flann und starrte auch jetzt wieder zu ihr herüber. Er musste sie sehen! Er musste - es ging gar nicht anders. Sie hätte den Arm ausstrecken, ihre Hand auf seine Schulter legen können. Aber er bemerkte sie nicht.
Wie konnte sie dort am Wagen stehen, wenn sie eben gerade noch hier gewesen war - zehn, fünfzehn Meter von Flann und dem Fahrzeug entfernt? Sie hätte an ihr vorbei gemusst, um zu ihm hinüber zu gelangen...
Emma zitterte. Der Wind wehte ihr feuchte Kälte entgegen, sie durchdrang ihre Jacke und kroch ihr in alle Knochen. Eine quälende Lähmung erfasste sie. Sie musste alle Kraft aufbringen, um sich von der Stelle bewegen zu können. Erst langsam, dann schneller setzte sie die Füße voreinander. Sie wollte zurück zu Flann, zum Wagen. Zum Licht. Und wurde beinahe wahnsinnig, als sie plötzlich sah, wie die Gestalt, die bei dem Iren stand, sich mehr und mehr auflöste, je näher sie kam. Als sie mit zögernden Schritten vor ihm stehen blieb, stand er allein am Wagen. Nur er ... und sie selbst.
"Emma ... Miss! Komm' se doch wieder ins Auto, es is kalt und dunkel. Hier is' wirklich keiner. Keine Frau, kein Mann, nichts."
Sie unterdrückte ein Schluchzen. "Da war... eine Frau. Wir haben sie angefahren", beteuerte sie kleinlaut und glaubte sich selbst nicht mehr.
Flann beugte sich zur Fahrertür herein, kramte im Handschuhfach und brachte eine Taschenlampe hervor. Er leuchtete unter den Wagen. "Ah, das war es. Dachte schon, ich hatte was rumpeln gehört. Miss! Seh' n se mal, das hier. Ein Ast." Er zerrte einen langen kräftigen Ast hervor. Sie mussten ihn einige Meter mitgeschleppt haben.
Sie schüttelte den Kopf. "Das ... das war es nicht. Da war jemand auf dem Weg. Eine Frau."
Die zusammen gekniffenen Augen, mit denen er sie ansah, bedeuteten nichts Gutes. Sie wartete vergeblich, dass er ihr glaubte. Es war ja auch völlig verrückt ... sie war verrückt! Und er hatte nichts gesehen. Sie konnte unmöglich darauf beharren, sie hätte eine Frau gesehen, sie wären durch sie hindurch gefahren, dann hätte sie sie von dort drüben angestarrt ... und sei dann an völlig anderer Stelle, fünfzehn Meter weiter, vor ihren Augen verschwunden.
"Nun setzen se sich mal wieder rein ins Warme", murmelte Flann. In seiner Stimme lag Unsicherheit; er wirkte mit ihrem Gefühlsausbruch überfordert, aber Emma spürte auch sein Bedürfnis, ihr irgendwie zu helfen. Sie schien ihm leid zu tun, auch wenn offensichtlich war, dass er ihr seltsames Erlebnis ganz und gar nicht teilte. "Ich fahr' se jetzt zum Haus." Zögernd hob er die Hand, legte sie ihr an die Schulter und begleitete sie väterlich zur Wagentür. "Der Tag war lang", erklärte er seufzend. "Aber das is' kein Grund, die Nerven zu verlier'n, das geht hier manchmal so. Das Land is' uralt und voll mit Geschichten, versteh'n se?" Er hielt ihr die Tür auf. Emma musste wieder in die matschige Pfütze steigen, um ins Auto hinein und auf ihren quietschenden Sitz zu klettern. Bevor er die Tür hinter ihr schloss, ließ er den Blick über die düsteren Bäume schweifen. Seine Stirn legte sich in Falten. "Und manchmal, da sieht man eben was, was es nich' gibt." Seine angenehm tiefe Stimme und die erklärenden Worte taten Emma gut; sie versuchte sich zu beruhigen.
"Entschuldigen Sie, Flann. Ich war wohl eben ein wenig ..."
Er nickte ihr zu. "Das is' in Ordnung, Miss. Das Wetter, es macht einen verrückt, das geht allen so. Es is' der stürmische Wind, der kommt vom Meer. Verdreht einem den Kopf in solchen Nächten. Wenn man jung is', is' man für sowas empfänglich."
Als er den Wagen startete und der Wald im vertrauten Licht der Scheinwerfer wieder links und rechts vorbei zog, atmete sie zitternd auf. Auf dem letzten Stück Strecke war der Weg sehr uneben und sie wurde in ihrem Sitz hin und her geworfen, aber die schaukelnden Bewegungen empfand sie nun beinahe als beruhigend.
Nach kaum mehr als zwei Minuten halsbrecherischer Fahrt um Schlaglöcher und Pfützen war der Weg zuende und sie fuhren auf eine Lichtung. Emma hatte sich noch nicht erholt. Der Schreck über ihr Erlebnis saß ihr noch in den Knochen - wenn sie auch zu glauben begann, dass es an ihr lag: sie hatte sich geirrt. Ihre Wahrnehmung hatte ihr einen Streich gespielt. Sie war aufgeregt und übermüdet, Flann hatte Recht. Planlos kramte sie in ihrer Tasche, die sie nach vorne geholt hatte, versuchte darin Platz für ihre Wasserflasche zu finden, damit sie sie gleich nicht im Auto liegen ließ.
Flann steuerte das brummende Fahrzeug in einem halben Kreis, wahrscheinlich, damit er nicht umständlich wenden musste, um von dem hofartigen Gelände wieder herunter und auf den Waldweg zurück zu gelangen. Schließlich hielten sie an und Emma hob den Blick. Nebel lag über dem Boden, im Licht der Scheinwerfer zog er aufwärts. Was sie durch die Schwaden hindurch sah, trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr Rücken versteifte sich, bis er schmerzte, ihre Hände umklammerten den Gurt, sie war gerade in Begriff gewesen ihn zu lösen. Fassungslos, noch unter dem Schock des zuletzt Durchlebten, starrte sie auf das Haus, das da im fahlen Licht des Mondes stand. Die hohen Sprossenfenster, die gemauerten Schornsteine und die beidseitig begehbare Treppe vor der hohen Eingangstür, ja, selbst das Efeu, das an der linken Seite über den Schornstein hinweg und bis zum Dach hinauf rankte ... es gab keinen Zweifel. Es war das Haus, das Holly ihr gemalt hatte. Das Haus aus ihrem Traum. Sie dachte, sie müsse tatsächlich träumen, so verblüffend ähnlich war es.
"Wir sind da, das ist es", sagte Flann.
Ja, das hätte sie auch selbst erkannt. Schnell befreite sie sich von dem Gurt, wischte unauffällig über ihre Augenwinkel. Als sie die Wagentür öffnete und sich aus dem Sitz heraus stemmte, um einen ersten Fuß auf diesen verwunschenen Boden zu setzen, hatte sie das Gefühl, in ihren Traum einzutreten. Was war seine Botschaft, wie ging die Geschichte? Und wenn man... aufwachen wollte?
"Bring' se aber noch eben rein, Miss, 's gehört zum Service." Flann öffnete den Kofferraum und lud sich ihr Gepäck auf. "Lass' aber die Karre laufen, nich', dass se sich wundern. Kommt sonst nich' mehr in Gang bei der Nässe, das alte Ding."
Vorsichtig sah Emma sich um, ihre Augen suchten die Details. Beinahe hatte sie es erwartet: Sie fand den Waldrand ringsum genauso wie den vertrauten Brunnen auf der rechten Seite, der aussah wie eine auf den Kopf gestellte Tortenplatte. Irgendwo hinter den Bäumen rauschte und donnerte das Meer. Strange news is come to town, strange news is carried.
Auf wackeligen Beinen folgte sie Flann zur steinernen Treppe, als hinter zweien der mit Efeu umrankten Fenster das Licht an ging.
Ende Teil 9
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top