64
Beverly
Ich war wach, noch bevor ich meine Augen geöffnet hatte.
Mein Kopf tat weh, und ich fürchtete, dass jegliche Art von Licht meine Schmerzen nur verschlimmern würde. Ich ertastete den Untergrund, auf dem ich lag. Er war weich. Viele Stofflagen. Es war ein Bett. Der Geruch nach Holz kam mir bekannt vor, allerdings erfreute mich die Erinnerung nicht wirklich.
Stöhnend öffnete ich meine Augen und richtete mich auf, während ich mir den Kopf hielt. Alles drehte sich. Nur schleichend konnte ich ein klares Bild von meinem Umfeld erfassen.
Meine schlimmste Befürchtung war wahr. Ich war wieder in Modoc. Nachdem meine Schmerzen ein wenig abgeklungen waren, schaffte ich es, meine Lage ein klein wenig zu inspizieren. An meinem rechten Arm rasselte wieder die Metallkette, aber ich hatte das starke Gefühl, dass ich sie diesmal nicht loswerden würde. Erst, als ich mich im Zimmer umsah bemerkte ich, dass Chase mit verschränkten Armen, regungslos an der Wand lehnte und mich beobachtete. Ich zuckte zusammen und Verwirrung breitete sich fühlbar auf meinem Gesicht aus.
„Was... was machst du hier? Was ist passiert? Warum bin ich..." Sprechen war meinem Kopf offenbar noch nicht ganz zuzumuten. Jedes Wort, das ich sagte, und sei es auch noch so leise, fühlte sich an, wie eine Explosion unter meiner Schädeldecke. Chase antwortete nicht auf meine Fragen. Er bewegte sich auch nicht. Er sah mich einfach nur an. Es war in dem schwachen Licht schwer zu sagen, aber ich meinte, etwas wie Bedauern, Schuld oder Reue in seinen Augen zu sehen. Vielleicht war es auch Hass, Langeweile oder Gleichgültigkeit. Schwer zu sagen, wenn sich alles dreht, sobald man sich auf einen Punkt konzentrieren will.
Ich versuchte mich daran zu erinnern, was passiert war, und langsam fiel es mir wieder ein. Ich erinnerte mich an Scotch, nicht viel, aber zu viel Scotch, Schach... daran, dass Chase mich matt gesetzt hatte... und dann... Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich die Puzzleteile zu einem Bild zusammenfügte.
„Was..." Ich schüttelte langsam den Kopf. „Nein, warum... Nein. Nein." Mir brach der kalte Angstschweiß aus. Das konnte nicht wahr sein. Ich wollte um jeden Preis leugnen, was ich dachte. Ich wollte, dass er verleugnete, was ich dachte. Mühsam rappelte ich mich auf, und wollte auf ihn zugehen. Zu plötzlich hatte ich meine Schritte beschleunigt, sodass mir die blöde Metallkette beinahe die Schulter ausrenkte, als ich von ihr zurückgehalten wurde.
„Du hast..." Es fühlte sich an, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Ich hatte Chase vertraut. Er hatte mich verraten. Er hatte mich hintergangen! Und das Schlimmste war, dass es mich ehrlich überraschte. Ich begann an der Metallkette zu ziehen.
„Nein... Nein!" Ich musste hier raus, und zwar sofort. Er hatte mich bestimmt hier her gebracht, um mich umzubringen. Ich würde sterben. Oder schlimmer, vielleicht würden sie meinem Dämon etwas antun. Das durfte nicht sein, das durfte ich auf keinen Fall zulassen!
Als ich das erste Mal hier gewesen war, war es anders gewesen. Ich hatte mich sicherer gefühlt, vielleicht, weil ich durch eigenes Verschulden hier gelandet war. Aber diesmal hatte ich nichts getan, und das hieß...
Ich musste wie eine Verrückte ausgesehen haben, als ich an der Kette zerrte, und schrie, und weinte, nach Luft schnappte und meine Haare vor mein Gesicht fielen.
„Beverly."
„Nein! Du hast... Ich hab dir vertraut! Lass mich hier raus!"
„Beverly...", wiederholte er, aber ich war noch nicht so weit, aufzugeben. Mein Handgelenk blutete bereits, und mein Dämon kletterte auf mein Bett und schrie mich an, aber ich konnte nicht aufhören. Noch nicht.
Ich weiß nicht, wie lange es brauchte, bis ich schweratmend begriff, dass es zwecklos war, und ich hier keines Falls wegkommen würde. Ich sank auf den Boden, und verfiel in krampfhaftes Schluchzen.
„Ich hasse dich!" Was ihn wahrscheinlich herzlich wenig juckte. „Wie konntest du das tun?" Ich bekam keine Antwort, und versuchte mich zu beruhigen. Aber der Gedanke daran, dass ich meinen Dämon vielleicht verlieren würde, bereitete mir körperliche Schmerzen. Meine Haut begann zu brennen, mein Magen verkrampfte sich und ich verspürte den unbändigen Drang, ihn zu schützen.
„Es tut mir leid." Ich reagierte nicht darauf. Ich konnte immer noch nicht fassen, was er getan hatte, und Aidan und Trev und Trish und Addie saßen zu Hause, und würden nie erfahren, was für ein schrecklicher Mensch ihr angeblicher bester Freund war.
Doch plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hob meinen Blick, und sah Chase durch einen Tränenschleier an.
„Du hattest die Wahl, stimmt's?", fragte ich mit zitternder Stimme. „Addie oder ich." Ich begann zu verstehen. Meine Sorgen, dass einer seiner Freunde wegen der zerfetzten Leiche nachhaken würde, waren berechtigt gewesen. Ich hatte doch gleich gewusst, dass man Jägern nicht trauen sollte. Warum hatte ich die Sache nicht selbst in die Hand genommen? Ich hatte schließlich schon einmal eine Leiche vergraben. Hätte die Polizei Jacob doch suchen sollen –sie hätten ihn nicht gefunden, und ich würde jetzt nicht in diesem Schlamassel sitzen.
„Ich habe ihm vertraut", meinte Chase. „Er war mein Freund, und er hat mich verraten."
„Dann weißt du ja, wie sich das anfühlt", fauchte ich. Gut, Chase und ich mochten vielleicht keine Freunde gewesen sein, aber ich hatte ihm wirklich vertraut.
Aber natürlich wollte sein Freund wissen, wer der Dämon war, der einen Menschen so übel zugerichtet hatte, und dass Chase Addie über mich stellte, war keine Überraschung. Sein Freund hätte im Handumdrehen herausgefunden, wer Jacob umgebracht hatte, wenn er nur ein bisschen nachgeforscht hätte. Und Chase hatte die Wahl gehabt. Addie ausliefern, oder einen anderen Dämon. Trish kam für ihn nicht in Frage, also blieb nur ich. Und er wusste, dass ich Addie nie verraten würde.
Früher hätte ich es durchaus getan. Aber es hätte mich trotzdem nicht aus der Scheiße geholt. Es hätten lediglich zwei Menschen dran glauben müssen. Mutlos stieß ich den Atem aus. Chase würde mich aus der Nummer nicht rauslassen. Und ich war mir nicht einmal sicher, ob ich das überhaupt wollte. Addie hatte schon zu viel durchgemacht. Mein Leben war ohnehin schon hinfällig –ihres hingegen nicht.
„Beverly...", begann er, aber ich drehte mich weg. Im Moment konnte ich ihn nicht ansehen. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Jennifer hat vor ein paar Wochen etwas entdeckt."
„Wer ist Jennifer?" Ich fixierte stur einen abstehenden Splitter des Holzbodens.
„Du hast sie schon am ersten Tag hier kennengelernt." Die Frau hatte also endlich einen Namen.
„Was hat sie denn entdeckt?"
„Ein Gift, das den Dämon in den Körper eines Menschen zwingt, an den er sich gebunden hat." Ich drehte mich erschrocken um.
„Aber das würde ja bedeuten, dass..."
„Dass sie in der Lage sind, Dämonen zu töten. Nicht nur zurück in die Hölle zu schicken, sondern jederzeit zu töten."
Mir blieb das Herz stehen. Das konnte doch alles nicht wahr sein.
„Falls du versuchst, mich aufzuheitern, kann ich nur sagen: Du machst was falsch."
„Jennifer denkt, du hast Jacob umgebracht", fuhr er fort.
„Du machst immer noch was falsch."
„Aber sie denkt auch, dass dein Dämon von dir Besitz ergriffen hat, und dich keine Schuld trifft. Sie will dich nicht töten. Das wollte sie nie. Nur deinen Dämon." Er machte ein paar Schritte auf mich zu, und ich fürchtete mich vor dem, was er gleich sagen würde. „Sie gibt dir die Chance, dich von deinem Dämon freiwillig zu trennen."
Ich blinzelte ihn entgeistert an, aber Chase redete unbeirrt weiter. „Bev, dein Dämon kann auch ohne Mensch auf der Erde bleiben. Das heißt, wenn du dich von ihm trennst, solange du hier bist -innerhalb einer Teufelsfalle- kann er nicht weg. Wir würden ihn hier behalten, bis wir einen Weg gefunden haben, Dämonen zu töten, ohne dass sie im Körper eines Menschen stecken."
„Aber das ist keine Hilfe für mich, begreifst du das nicht? Ich will ihn nicht verlieren! Ich will, dass er bei mir bleibt." Tränen der Wut und Verzweiflung brannten wieder in meinen Augen.
„Du willst für den Rest deines Lebens an einen Dämon gebunden sein, der dir mehr Leid zugefügt hat, als ein Mensch im Stande sein sollte zu ertragen? Und du willst darauf verzichten einen Menschen über deinen Dämon stellen zu können? Was ist mit Aidan?" Woher nahm er sich eigentlich das Recht, Aidan in die Sache reinzuziehen?
„Du verstehst das nicht, ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich weiß nicht mehr, wie es sich anfühlt, nicht an einen Dämon gebunden zu sein, ich will dieses Gefühl der Sicherheit nicht verlieren, ich will Dentalion nicht verlieren, und du kannst mir noch hundert Mal sagen, dass danach alles besser wird, und vielleicht hast du recht, aber der Gedanke ihn zu verlieren..." Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete durch. „Es tut weh, okay? Es tut wirklich, richtig weh!"
Chase sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. Unentschlossenheit, Reue, Ärger. „Du fühlst nur wegen dem Band, das zwischen dir und deinem Dämon herrscht, so. Du musst ihm gegenüber loyal sein, und du musst ihn schützen. Aber glaub mir, sobald du ihn los bist, wirst du nicht mehr so empfinden." Ich wusste natürlich, dass er recht hatte. Aber die Vorstellung meinen Dämon zu verlieren, war so unerträglich, und so schmerzhaft, dass jegliche Rationalität meine Gedanken verließ. Wer würde mich denn beschützen, wenn ich ihn nicht mehr hatte? Ich selbst bekam es ja offensichtlich nicht auf die Reihe.
„Weiß du, wie es sich anfühlt hier gefangen gehalten zu werden? Oder überhaupt in einer Anstalt festgehalten zu werden? Oder in einer Waldhütte eingesperrt zu sein? Es ist..." Ich schüttelte den Kopf, und sah Chase fest in die Augen. „Es ist, als wäre man lebendig begraben. Das Leben ist außerhalb der Wände, außerhalb der Tore, und zieht an dir vorbei. Jeder lebt sein Leben, außer dir. So will ich mich nie wieder fühlen." Die Tränen liefen mir stumm über die Wangen und ich wischte sie weg.
Klar, sein Plan war toll, und er hatte es wirklich durchdacht. Denn Vaya wäre nicht auf der Erde geblieben, hätte Addie sich von ihm getrennt, das konnte er nicht. Also hatte er mich hier her geholt. Ich wäre unbeschadet aus der Nummer herausgekommen, und ich hasste mich selbst so sehr dafür, dass ich es einfach nicht schaffte.
„Beverly..."
„Ich muss ihn beschützen", sagte ich so eindringlich wie möglich. „Bitte, du musst mir helfen, das bist du mir schuldig, nach allem was war."
Chase lachte ungläubig auf. „Beverly, du hast die Chance hier lebend wieder rauszukommen. Ein normales Leben zu führen, und das schlägst du ab? Wenn du nicht darauf eingehst, dann werden sie euch beide töten."
„Toll, und wenn ich darauf eingehe, behaltet ihr Dentalion so lange hier, bis ihr einen Weg gefunden habt, ihn zu töten, ohne, dass er währenddessen im Körper eines Menschen ist." Eigentlich hatte ich es immer als recht praktisch empfunden, dass mein Dämon auch ohne Mensch auf dieser Erde überleben konnte. Gerade konnte ich mir jedoch nichts Unpassenderes vorstellen, denn es bedeutete, dass er nicht zurück in die Hölle katapultiert werden würde, wenn ich mich freiwillig von ihm trennen würde, nein, er würde frei auf der Erde herumwandern. Und Modoc war eine verdammte Dämonenfalle, er würde also nicht von hier wegkönnen. Gott, das konnte ich ihm nicht antun. Doch ich sah keinen Ausweg. Mutlos ließ ich die Schultern hängen.
„Egal, wie ich mich entscheide, er wird sterben, oder? Für etwas, das Vaya getan hat." Vielleicht hatte es mein Dämon verdient zu sterben, aber ganz sicher nicht für etwas, das er gar nicht verbrochen hatte. Er kroch übers Bett auf mich zu, und blinzelte mich an. Er flüsterte mir seine Idee zu. Ich spitzte die Ohren, und die Lösung schien so einfach. „Aber natürlich", hauchte ich.
„Was?", fragte Chase, und sah mich misstrauisch an.
„Wenn... wenn ich sterbe, ist es egal, ob er mit oder ohne Mensch überleben kann. Solange er an mich gebunden ist, wenn ich sterbe, wird er in der Hölle landen, und ist sicher, und-"
„Sag mal, hörst du dir eigentlich selbst zu?", fragte Chase fassungslos. „Dein Dämon manipuliert dich, merkst du es nicht? Kaum wird die Situation gefährlich, will er nur noch sich selbst retten, und das solltest du auch wollen!" Mein Dämon knurrte Chase voller Missgunst an.
Ich kletterte an den Rand des Bettes. „Chase, es ist die Lösung. Mein Dämon wäre gerettet!"
„Und du tot!"
„Und wenn schon, ich hätte vor acht Jahren sterben sollen!", rief ich. „Dann wäre mir so vieles erspart geblieben. Also tu mir den Gefallen und bring mich um."
„Hast du den Verstand verloren?" Chase stand vor mir und wusste augenscheinlich nicht, was er noch dazu hätte sagen sollen. „Du willst, dass ich dich umbringe?"
„Ist doch toll, jeder bekommt, was er will. Du wirst mich los und mein Dämon wäre wieder in der Hölle. Anders kann ich ihn nicht schützen. Und Addie wäre auch aus dem Schneider, weil keiner weiß, dass-"
„Ich werde dich nicht töten!"
„Vor ein paar Monaten warst du doch noch ganz scharf drauf!" Es war unfair von mir, aber nicht ungerechtfertigt. Trotzdem biss ich mir auf die Zunge. Mein Dämon legte den Kopf schräg, und gab ein Geräusch von sich, das mich an das Winseln eines Hundes erinnerte. Einen Augenblick lang betrachtete ich ihn, bevor ich mich entschlossen Chase zuwandte.
„Dann gib mir dein Messer, ich mache es selbst. Ich mache es wie Addie. Nur richtig." Wäre ja nicht das erste Mal, schoss es mir durch den Kopf.
Chase Blick schien mich studieren zu wollen. Woran er wohl dachte? Schließlich bewegte er sich. Langsam. Und in Richtung Türe.
„Lass mich hier bloß nicht sitzen!", fauchte ich angsteinflößend. „Ich warne dich, Chase!" Ich zog wieder an der Metallkette. „Ich brauch deine Hilfe!"
„Dir ist nicht mehr zu helfen", murmelte er noch, bevor er aus meinem Sichtfeld verschwand.
„Chase, komm sofort zurück, du Vollidiot! Chase! Hilf mir, verdammt, du musst mir helfen, Chase!" Ich atmete schwer, und ließ die Kette los. Mein Dämon rollte sich auf meinem Bett zusammen.
„Hilf mir", wimmerte ich, bevor ich mich erschöpft neben ihn legte.
~~ ~~
„Du bist der egoistischste Mensch, den ich kenne."
Ich wälzte mich herum. Es war bereits dunkel, aber ich erkannte, dass Chase in der Türe stand.
„Du hast dich immer darüber beschwert, dass dein Dämon dich davon abhält, Freundschaften aufzubauen, und ein normales Leben zu führen. Jetzt hast du Freunde, und die Möglichkeit, das alles zu beenden. Und für was entscheidest du dich? Selbstmord, um deinen Dämon vor dem Tod zu schützen." Er klang angewidert. Was mich noch mehr störte, als sein Tonfall, war, dass er recht hatte. Das Letzte, das ich gewollt hätte, war, Aidan alleine zu lassen. Aber ich konnte -nein, ich durfte- meinen Dämon nicht dem Tod überlassen! Ich wollte die Zukunftsvorstellung mit Aidan nicht loslassen. Die letzten Stunden hatte ich damit verbracht, mir auszumalen, wie wir glücklich zu zweit in einem kleinen Haus, in einer netten Gegend wohnen würden -nur wir zwei.
Aber sobald ich auch nur eine Sekunde daran gedacht hatte, war mein Körper von krampfartigen Schmerzwellen durchzogen worden, die mich daran erinnert hatten, dass der Preis für eine solche Zukunft, der Tod meines Dämons gewesen wäre.
Also sagte ich mir, dass es ohnehin nie funktioniert hätte. Ich war viel zu kaputt, für ein normales Leben. Für ein langweiliges Leben mit Aidan. Ein 9 to 5 Job, samstägliche Grillabende im Garten, mit unseren Kindern und Freunden, oder Wohltätigkeitsveranstaltungen besuchen. Blutspenden. Steuern. Das war nicht mein Leben, und hätte es auch nie sein können.
„Wenn du nur hergekommen bist, um meine Meinung zu ändern, kannst du gleich wieder gehen", brummte ich.
„Du warst von Anfang an wie eine lästige Fliege." Chase hielt ein Messer aus dunkelblau glänzendem Kristall hoch und schwenkte es hin und her. „Und jetzt nimmst du mir auch noch die Genugtuung, es selbst zu tun."
Ich fuhr vom Bett hoch und betrachtete ihn überrascht. Er betrat das Zimmer, schloss die Türe hinter sich und Dunkelheit umhüllte uns. Wegen der knarzenden Dielen konnte ich seine, sich nähernden Schritte hören. Ich spürte, wie die Matratze nachgab, als er sich zu mir an den Rand des Bettes setzte. Ich konnte seine Umrisse erkennen. Er legte das Messer auf den Nachttisch.
„Sobald du tot bist, ist das Band, das dich und deinen Dämon aneinander bindet, zerstört, und Dentalion muss zurück in die Hölle", erklärte er, als würde ich das nicht längst wissen. Vielleicht hatte er es auch bloß gesagt, um sich selbst bewusst zu werden, was gleich passieren würde. Es war bestimmt meine letzte Gelegenheit, ihn zu fragen, was er über meinen Dämon wusste, aber das spielte nun keine Rolle mehr. Nichts spielte mehr eine Rolle. Nur noch eine Sache.
„Was sagst du Aidan?", fragte ich leise. Chase seufzte.
„Dass ich schon wieder jemandem geholfen habe, sich wegen eines Dämons umzubringen?", scherzte er, aber mein Herz zog sich zusammen. Ich war ihm sicherlich nicht halb so wichtig, wie Addie, aber diese Situation musste ihn gewaltig an seine Schwester erinnern, und das tat mir leid. Er wurde wieder ernst. „Ich werde mir eine Ausrede ausdenken, bei der ich meinen Namen reinwaschen kann."
„Mach das", sagte ich und nickte. Ich wollte nicht, dass Aidan ihn für etwas hasste, das ich getan hatte. Und ich wollte auch nicht, dass Addie sich schuldig fühlte. „Sag ihnen, dass mich irgendjemand aus Modoc entführt hat, ich die Gefangenschaft nicht ertragen, und mich umgebracht habe. Du bist zu spät gekommen, um mich da rauszuholen. Lüge. Sorg dafür, dass Addie auf jeden Fall nach Irland fliegt. Sie braucht das. Aber sie darf meiner Tante nichts sagen, okay? Und Aidan darf sich auf keinen Fall schuldig fühlen, verstanden?"
Er nickte. „Bist du sicher, dass du das tun willst?"
Nein, ich will nicht. „Ja, ich muss."
Chase drückte sich vom Bett hoch. Ich wusste, dass er noch etwas sagen wollte, aber er schluckte es hinunter, also sagte ich etwas.
„Ich finde Addie sollte wissen, dass sie dir nicht egal ist." Die Sache zwischen den beiden war noch lange nicht wieder geklärt, aber Addie würde nun für ein Jahr wegziehen. Sie sollten im Guten auseinander gehen. „Sie braucht dich."
Ich wusste nicht, ob er mit irgendeiner Art von Körpersprache reagierte. Er ging zur Türe und öffnete sie, aber ich musste noch etwas loswerden.
„Chase?"
Er drehte sich noch einmal zu mir.
„Kannst du mir noch einen Gefallen tun?"
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