59
Aidan
„Ihr werdet alle bald tot sein." Addie's Worte hallten in meinem Kopf wider. Ihre Stimme war nicht ihre Stimme.
Doch, es war ihre Stimme gewesen, aber es hatte sich angehört, als hätten zwei Personen gleichzeitig gesprochen. Einmal Addie, und im Hintergrund, ein wenig leiser, eine zweite Stimme. Eine tiefe, raue, dunkle, unheilvolle Stimme. Vayas Stimme.
Ich hielt den Atem an. Nur wenige Meter von mir entfernt stand meine Schwester, aber sie war nicht sie selbst, zumindest nicht in diesem Augenblick, und das war angsteinflößend. Ihre Augen, ihre Haare, ihr graues Lieblingshirt, ihre schwarze Jeans, die sie immer noch trug, all das war Addie. Aber ihre kerzengerade Körperhaltung, ihre bedachten, aufmerksamen Blicke, ihre langsamen, befremdlichen Bewegungen, all das war nicht Addie.
„Zu euch komme ich noch", sagten die beiden Stimmen ruhig, und jagten mir eine Gänsehaut über den Körper. „Aber zuerst", sie wandte sich dem Gehen zu. „Muss ich Addie einen kleinen Gefallen tun."
Erst als ich aufspringen wollte, fiel mir auf, dass ich mich nicht bewegen konnte. Ich konnte meinen Kopf drehen, aber der Rest meines Körpers schien wie eingefroren.
„Was zum...", begann ich schockiert.
„Willkommen in der Welt namens Dämonen-gehen-mir-mit-ihren-verdammten-Bannen-auf-den-Keks", knurrte Trish angewidert. Ein Bann. Ein Bann. Wofür? Damit wir uns nicht bewegen konnten?
„Chase?", rief Trish.
„Ja?", drang es nach kurzem aus seiner Zimmertüre.
„Alles okay bei dir?"
„Könnte besser sein. Bitte sag mir nicht, dass passiert ist, was ich denke, das passiert ist."
Als Trish schwieg, stieß Chase einen leisen Fluch aus.
„Keine Sorge", warf Beverly ein. „Sobald Vaya eine gewisse Distanz erreicht hat, löst sich der Bann von selbst."
„Wunderbar", lachte Trish auf. „Bis dahin ist er mit Addie über alle Berge."
„Kann dieser Tag eigentlich noch abgedrehter werden?", fragte Trev aufgebracht. „Ein Amokläufer wäre doch noch ganz nett, oder?"
„Ich würde einen Amokläufer diesem Desaster immer und überall vorziehen", murmelte ich.
Beverly räusperte sich übertrieben. „Könnten wir uns bitte auf Addie konzentrieren? Besessen zu sein, und keine Kontrolle über das eigene Handeln zu haben, und seine eigenen Gedanken und die des Dämons nicht auseinanderhalten zu können, ist nicht ganz so lustig."
„Falls es dir entgangen sein sollte", brummte Trish „Wir sind gottverdammte Salzsäulen! Wir können rein gar nichts machen."
„Doch, wenn Vaya weit genug weg ist", warf ich ein, und wiederholte damit Beverly's Worte. „Vaya will sich für Addie rächen. Was hat er damit gemeint?"
Auf diese Frage wusste keiner von uns eine Antwort.
„Wir müssen Addie finden!", rief Chase beunruhigt.
„Du meinst Vaya", korrigierte Beverly.
„Ganz egal, wir müssen sie finden, bevor etwas passiert!"
„Gute Idee du Genie, wir können uns nicht bewegen!", rief Trish zum gefühlt hundertsten Mal, als ob uns anderen diese Tatsache ständig entgleiten würde.
„Leute, das ist im Moment doch scheißegal!", meinte Trev aufgebracht. „Wir wissen nicht mal, wohin sie will. Wir wissen nicht, was dieser Dämon vorhat. Selbst wenn wir uns bewegen könnten. Und an wem auch immer der Dämon glaubt, sich rächen zu müssen, er wird diese Person bestimmt nicht mit Blumen bewerfen."
„Hatte da jemand Nachhilfe in Dämonenkunde?", zog Chase ihn halb überrascht, halb amüsiert auf.
„Ruhe jetzt!", zischte Trish. „Kein weiteres Wort mehr, solange es nicht zum Finden des Aufenthaltsortes meiner besten Freundin beiträgt, verstanden?"
Trishs Anordnung führte lediglich dazu, dass niemand auch nur noch ein Wort sagte, bis wir uns, wie aus dem Nichts, alle wieder bewegen konnten. Chase kam aus seinem Zimmer gestürzt, und alle begannen wild durcheinander zu reden, und diskutieren, sodass im Grunde niemand niemanden verstehen konnte, bis wir nach wenigen Augenblicken alle Luft holen mussten.
„Okay, ich sag das nicht gerne, aber es geht nicht anders." Chase klang gestresst. „Beverly, du musst herausfinden, wo sie ist."
Alle Blicke ruhten nun auf Beverly, und sie sah Chase an, als sei er verrückt geworden. „Klar, sonst noch Wünsche? Wie soll ich das denn anstellen?"
Sein Blick war so unmissverständlich, das sogar ich sofort begriffen hatte. Aber für Beverly war dieser Gedanke so unvorstellbar, dass er ihr nicht sofort gekommen war. Dafür sah sie ihn jetzt umso entsetzter an.
„Nein", sagte sie bestimmt.
„Beverly-"
„Nein! Das mache ich nicht. Ich werde nicht in ihre Gedanken eindringen."
„Du hast keine andere Wahl", sagte Chase eindringlich. „Wir haben keine andere Wahl, wenn wir Addie finden wollen, bevor etwas passiert."
„Vaya ist zu stark, ich kann seine Gedanken nicht lesen."
„Aber Addie's. Und sie weiß, wo Vaya hin will!"
„Sie ist zu weit weg!" Beverly wehrte sich gegen jeder seiner Einwände mit Händen und Füßen.
„Dann würde ich mich an deiner Stelle anstrengen." Für Chase war es beschlossene Sache, für Beverly nicht. Aber sie schien bereits begriffen zu haben, dass es der schnellste und einfachste Weg war, wenn es denn funktionieren würde.
Sie schüttelte bitter den Kopf. „Wie kannst du das von mir verlangen?"
„Wie kannst du so selbstsüchtig sein?", schoss er zurück.
„Ich bin selbstsüchtig?"
„Leute, Schluss damit, uns läuft die Zeit davon", ging Trev dazwischen. „Entweder Beverly macht es, oder wir müssen uns etwas anderes überlegen, aber wir müssen das jetzt entscheiden."
„Sie macht es", sagte Chase entschieden, bevor Beverly noch etwas sagen konnte. Sie atmete angestrengt aus.
„Schön, aber das erklärt ihr Addie." Sie sah anklagend in die Runde. „Ich kann nicht einfach in ihren Kopf eindringen, wenn sie so weit weg ist. Ich brauche etwas, das sie oft berührt hat."
Es klang fast so, als würde Trev amüsiert auflachen, als er sich umdrehte, in seinem Zimmer verschwand, und Beverly Sekunden später Hamlet in die Hand drückte. Sie schloss die Augen, und ließ ihre Hände über das Buch gleiten. Wir alle hielten die Klappe, und starrten Beverly an. Okay, vielleicht starrte nur ich sie an. Aber sie wirkte auf eine seltsame Weise entspannt, während sie versuchte, in Addie's Kopf einzudringen. Ich fragte mich, ob sie sich nur so dagegen gewehrt hatte, weil es ihr auf eine kranke Weise gefiel, ihre Gabe einzusetzen, oder ob ihr tatsächlich etwas an Addie's Privatsphäre lag.
„Geht das auch schneller?", fragte Chase irgendwann genervt. Beverly schlug die Augen auf, und warf ihm einen bösen Blick zu.
„Willst du es versuchen?" Sie wandte sich wieder dem Buch zu. „Ich kann ihre Gedanken nicht greifen. Sie ist viel zu panisch und denkt an hundert Sachen gleichzeitig. Aber wo auch immer sie ist, es ist laut. Und warm. Da sind viele Lichter." Dann stockte sie. „Das kommt mir bekannt vor. Ich war schon einmal dort."
„Sie ist im Myway", sagte Trish plötzlich, und Beverly öffnete wieder ihre Augen. „Wohin sollte sie sonst gehen? Wohin sollte Vaya sonst wollen?"
„Und was soll sie im Myway wollen?", hakte Trev nach, und ich konnte in Trishs Gesicht die aufkommende Schuld sehen, dass Trev keine Ahnung davon hatte, dass Jacob die Abtreibung seines Kindes bezahlt hatte. Aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick.
„Das war nur geraten", lenkte sie unsicher ein. „Was passt sonst zu laut, Lichter, viele Menschen, und Bev war schon mal dort?"
„Okay, dann gehen wir", sagte ich, damit Trev nicht noch misstrauischer werden konnte.
„Moment mal, ihr geht nirgendwo hin", meinte Chase energisch, als wir praktisch schon bei der Türe waren, und uns die Schuhe anzogen. „Für Vaya seid ihr wie wandelnde Zielscheiben."
„Ach, und du nicht?", schoss Trish zurück. „Denkst du, dich ein paar Wochen von Addie fernzuhalten streicht dich aus ihrer Freundschafts- und Vayas Abschussliste?"
„Wenn Vaya uns töten will, schafft er es so oder so", beharrte ich. Ich würde ganz sicher nicht hier herum sitzen und warten. Ich hatte Addie in letzter Zeit zu oft im Stich gelassen. Und ich hatte ihr versprochen, sie nicht alleine zu lassen, auch dann nicht, wenn Vaya mich ausweiden würde.
„Auf keinen Fall, ihr bleibt hier", sagte Chase entschieden. Trish verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Zwing mich doch." Bockig, wie ein kleines Kind, drehte sie sich um, und stiefelte aus der Wohnung. Ihre Einstellung fand ich heute ziemlich ansprechend, also warf ich dem verdatterten Chase nur einen belustigten Blick zu, und folgte ihr.
~~ ~~
„Das ist eine blöde Idee. Das ist eine ganz, ganz blöde Idee", murrte Chase, als wir uns unter der aufgehenden Sonne auf den Weg zum Myway machten. Der Himmel war in einem Zwischenstadium von Pechschwarz und Sonnenaufgang.
Während wir die Straße entlang eilten, versuchte ich Beverly so gut wie möglich bei mir zu behalten, was nicht sonderlich schwer war, denn sich trabte ohnehin die ganze Zeit neben mir her. Ich hätte gerne ihre Hand genommen, doch nicht die Krise, in der wir uns befanden, hielt mich zurück, sondern meine Freunde. Ich wollte vor ihnen meine Empfindungen Beverly gegenüber nicht so offenkundig darlegen.
„Warum hat das Myway überhaupt noch offen?", fragte Trev an Trish gewandt, und deutete hinter uns. Der Himmel hinter den Häusern wurde heller.
„Es ist Tequilanacht", antwortete sie. Einmal im Monat war Tequilanacht, meist an einem Sonntag. Die Leute betranken sich kräftig, mit reduzierten Shots, und nüchterten gegen sechs in der Bar ein wenig aus, um von dort aus nach zwei bis drei Stunden zur Arbeit oder zur Uni aufzubrechen. An diesem einen Tag, schloss das Myway erst um neun Uhr vormittags. Es war verdammt gut fürs Geschäft, und diente ein wenig zur Rebellion, gegen das Arbeitswesen, gerade für junge Leute, und auch ich war schon mehr als einmal direkt vom Myway aus an die Uni gegangen, nur um benebelt, und verkatert meine Kurse hinter mich zu bringen. Keine sehr empfehlenswerte Erfahrung, aber es hatte seinen Reiz. Vielleicht hatte ich auch einfach nur einen Knall.
„Und warum arbeitest du heute nicht?", fragte ich nach. „Das ist doch voll dein Ding."
„Hab meine Schicht mit Leah getauscht, weil mein Bruder krank ist, und meine Mom nicht gerade dafür bekannt ist, Hühnersuppe zu kochen."
Obwohl wir praktisch gerade unserem Tod entgegen marschierten, oder vielleicht genau deswegen, fühlte sich all das unwirklich an. Ich erinnerte mich erst wieder daran, wie wirklich es war, als wir im überfüllten, stickigen Myway standen, in dem die Leute tranken, tanzten, oder bereits versuchten auszunüchtern.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit, Addie in diesem Chaos von Menschen zu finden, auch wenn wir uns aufgeteilt, und zu fünft nach ihr gesucht hätten. Trish kämpfte sich sofort durch die betrunkene Masse hindurch, bis zur Bar, hinter der eine junge, dunkelhaarige Frau, (vermutlich Leah) damit zu kämpfen hatte, so viele Getränke wie möglich an die grölende Masse auszuschenken. Sie beugte sich zu Trish, aber schüttelte nach wenigen Sekunden den Kopf, und wandte sich wieder ab.
Missmutig boxte Trish sich wieder zu uns. „Wir finden sie nie!"
„Dann müssen wir uns eben doch aufteilen", sagte Chase und kurze Zeit später, wanderten wir in unterschiedliche Richtungen durch das Myway. Es war mir noch nie so groß vorgekommen.
Schlagartig wurde mir wieder bewusst, warum ich Bars und Clubs eigentlich hasste. Von allen Seiten angerempelt und von Wildfremden mit, nach Alkohol stinkendem, Atem angesprochen zu werden, war ziemlich nervig. Ich versuchte das Geschehen um mich herum zu ignorieren, und hielt nach einem braunen Lockenkopf Ausschau, der knapp einen Kopf kleiner war als ich.
Addie fand ich nicht, aber dafür entdeckte ich Beverly bald wieder inmitten der vielen Leute. Sie sah sich eindeutig nicht mehr nach Addie um, sondern viel mehr nach Menschen, die ihr zu nahe kommen könnten, was so ziemlich auf jeden hier zutraf. Ihre Augen wanderten nervös umher, und zwischen den vielen betrunkenen, brüllenden Menschen, wirkte sie ganz klein und verunsichert.
Kurzerhand zwängte ich mich zwischen ein paar Pärchen mit Getränken hindurch, passierte eine tanzende Gruppe von Mädchen, und kam schließlich bei Beverly an, die mit dem Rücken zu mir stand. Als ich ihre Hand ergriff, zuckte sie zusammen, und fuhr erschrocken herum, bereit, ihre Hand aus meiner zu ziehen, und mir einen Schlag ins Gesicht zu verpassen. Glücklicherweise passierte nichts davon, denn sobald sie mich erkannte, drückte sie sich enger an mich heran. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie zitterte.
„Ich muss hier raus!", rief sie über die laute Musik hinweg. Ich sah mich um. Wir waren im hinteren Teil der Bar, wo die meisten Menschen waren, und am weitesten vom Ausgang entfernt. Ich legte meinen Arm um sie, und schob sie in die entgegengesetzte Richtung (bemüht, möglichst viele Menschen von ihr fernzuhalten), bis zu einer Türe, an der Staff only auf einer Plakette stand. Trotzdem drückte ich die Türe auf, schob Beverly in den dunklen Lagerraum, schloss die Türe hinter uns, und schaltete das Licht ein.
Ich war schon öfters hier drinnen gewesen, denn Addie nahm es nicht so genau mit Vorschriften, und hatte mich mehr als einmal gebeten die schweren Bierkisten zur Bar zu bringen, oder zu stapeln, wenn Jacob gerade nicht hier war, um die Arbeit zu erledigen.
Beverly atmete schwer, und lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen eines der kühlen Metallregale. Sie hatte meine Hand losgelassen, um sich an dem Gestell abzustützen.
„Alles okay?"
„Gib mir... nur eine Minute", keuchte sie schwer. Die Art wie sie atmete, als hätte sie einen meilenweiten Sprint hinter sich, klang nicht gesund. Und plötzlich wusste ich, was hier vor sich ging, und kam mir dumm vor, weil ich es nicht sofort gemerkt hatte.
„Du hast eine Panikattacke", stellte ich überflüssigerweise fest.
„Das... geht gleich weg", japste sie, und presste sich eine Hand gegen die Brust.
Sie hatte mir erzählt, dass sie früher oft Panikattacken gehabt, und auch heute gelegentlich noch hatte, die meisten aber abfangen konnte, sobald sie aufkeimten. Diese offenbar nicht. Als ich von hinten meine Hände auf ihre nackten Oberarme legte, um sie zu beruhigen, merkte ich, dass sie fast buchstäblich glühte. Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Schweißperlen gebildet, obwohl es im Lagerraum, vergleichsweise zum vorderen Teil der Bar wirklich kühl war. Sie schnappte immer noch nach Luft, als ob es in diesem Raum nicht genügend davon geben würde.
„Du solltest... Addie suchen... mir geht's gut." Will sie mich loswerden?
Ich war verwundert, dass ihr nicht schwindelig war, denn mir tanzten alleine beim Zuhören ihrer panischen Atemgeräusche, schwarze Punkte vor den Augen.
„Ich lass dich doch jetzt nicht alleine."
„Ich muss... ich muss nur...runterkommen."
Ich war mir nicht sicher, was schlimmer war. Die Panikattacke, oder neben ihr zu stehen, ohne ihr helfen zu können.
Sie schluckte schwer, und auf einmal spürte ich, wie ihre Haut wieder kühler wurde, sie sich ein wenig entspannte. Als sie die Augen öffnete, wusste ich warum. Sie glühten blutrot. Ihre Atmung beruhigte sich nach ein paar Minuten, und das Rot in ihren Augen zog sich zurück, bis diese wieder braun waren. Sie zitterte noch ein wenig, als sie sich gegen mich lehnte, und ihre Arme um meinen Hals schlang. Ich drückte sie an mich, und so standen wir eine Weile in dem kühlen Abstellraum, zwischen den ganzen Alkoholflaschen, ohne auch nur ein Wort zu sagen, während der Bass uns nur dumpf erreichte.
Plötzlich drückte sie sich erschrocken von mir. „Was war das?" Wie ein Hund, der eine Fährte gewittert, oder eine Katze, die ein befremdliches Geräusch gehört hat, sah sie sich um. Ich hatte nichts gehört, aber sie schob sich bereits zwischen den Regalen hindurch.
„Bev, warte!" Sie blieb vor einer weiteren Türe stehen.
„Dahinter ist was. Das spüre ich."
„Addie?"
„Hoffentlich." Entschlossen zog sie die Verriegelung der Metalltüre zurück, und stieß sie mit einem kräftigen Ruck auf.
Es war jedoch nicht Addie, die wir vorfanden. Ein undefinierbarer Geruch nach Metall und feuchtem Beton schlug mir entgegen. Beverly schlug sich eine Hand vor den Mund, und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Mein Gehirn schaltete sich, wohl zwecks Selbstschutz, einfach ab, sodass ich, wie mechanisch, den Gang betrat, der aus Betonwänden bestand. Röhrenlampen waren an der Decke angebracht, und leuchteten den recht breiten Gang aus. Am Ende des Ganges konnte man vermutlich, links oder rechts, in den Innenhof des Gebäudes gelangen, in dem sich das Myway befand.
„War das...", begann ich, und war überrascht, überhaupt sprechen zu können. „War das Addie?"
Es sah eher so aus, als hätte ein wildes Tier Jacobs leblosen Körper überfallen. Ich war nicht Trev, aber bei diesem Anblick, gingen selbst mir alle rechtlichen Konsequenzen durch den Kopf, die ein solch blutrünstiger Mord nach sich ziehen würde.
„Der Weihnachtsmann war es nicht." Beverly trat unbehaglich vor die Leiche. Irgendein kranker Gedanke in meinem Kopf hatte mich denken lassen, Beverly würde der Anblick von Blut und Innereien nicht zusetzen. Mich beunruhigte jedoch mehr, dass er mir nichts auszumachen schien. Obwohl das Bild mindestens so schlimm war, wie der Geruch, konnte ich fast mühelos auf das Stück Fleisch hinunterschauen, ohne mich zu übergeben. Die Realität hatte mich noch nicht so recht eingeholt, sonst wäre ich niemals so ruhig geblieben.
Jacob's Rippen standen senkrecht nach oben. Ich wusste nicht, was sich im Inneren alles verbarg. Leber, Magen, Darm, Herz, Lunge? Ich war kein Arzt, sondern studierte Neurologie, und als ich mir vorstellte, das das echtes Fleisch, echte Knochen, und echte Organe waren, musste ich doch meinen Blick abwenden.
„Er lebt noch", flüsterte Beverly ungläubig, und sah mich aus verschreckten Augen an. Ich wusste nicht, woher sie das wusste, aber ich stellte es auch nicht in Frage.
„Noch." Die zwei Stimmen. Wären es nicht die zwei unverkennbarsten Stimmen der Welt in einem gewesen, hätte ich Addie nicht sofort hinter uns vermutet. Ich fuhr herum. Sie stand mit verschränkten Armen an der Wand gelehnt, und war zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden mit Blut bedeckt. Neuer Rekord.
Sie schlug die Türe zu, und es gab ein metallisches Klicken. Wunderbar, diese Türe ließ sich bestimmt nur von innen öffnen, andererseits könnte jede Menschenseele ins Lager, und von dort aus in die Bar spazieren.
Beverly trat instinktiv hinter mich, entweder, weil ihr die Addie-Vaya-Kombination nicht geheuer war, oder sie vermutete, dass Vaya mir nichts tun würde, nachdem er mir gegenüber, laut ihr, eine Art Zuneigung gezeigt hatte. Die wäre jetzt ganz gelegen gekommen.
Gemächlich kam Addie auf uns zu. Ihre Stiefel klackten bei jedem Schritt auf dem Betonboden.
„Weg von meinem Opfer", sagte sie, beinahe gelangweilt, und machte eine wegfegende Handbewegung. Bevor ich realisiert hatte, was gerade passiert war, spürte ich die Betonwand, die sich gegen meinen Rücken presste, und ich hatte das Gefühl, zu ersticken. Hatte Beverly sich vorhin auch so gefühlt? Ich konnte mich nicht mehr bewegen, und ein unsichtbares Gewicht drückte sich gegen meinen ganzen Körper, und schien mir alle Knochen brechen zu wollen. Meine rechte Schulter meldete sich wieder zu Wort. Der Aufprall gegen die Wand, hatte ihr genauso wenig gut getan, wie das Aufstoßen der Badezimmertüre mit ihr.
„Sowas passiert wirklich?", presste ich angestrengt hervor, während ich versuchte, meinen Kopf, oder meine Hände von der Wand zu nehmen, aber kläglich scheiterte. „Ich dachte, sowas passiert nur in Filmen."
„Ihr seid in einem Film", meinte Addie fröhlich. Oder Vaya. Verdammt, das wurde langsam verwirrend. „Ihr seid in meinem Film. Und Addie spielt die Hauptfigur."
Neben mir rang Beverly nach Luft. Was auch immer Vaya mit uns machte, nahm offenbar nicht nur mir den Atem.
Addie spazierte auf Jacobs halbtoten Körper zu.
„Ich mag es, sie leiden zu lassen", erläuterte sie, und hockte sich vor ihn, während sie seinen offenen Oberkörper betrachtete. Sie verharrte ein paar Sekunden still, und sah einfach nur auf ihn herab. „Aber Addie's Blut schmeckt besser. Sie ist klüger", bemerkte sie, während sie ihre, bereits blutige Hand, zwischen seinen Organen versenkte, und ich die Augen zusammenkneifen, und an Hundebabys denken musste, um mich nicht zu übergeben. Ich versuchte das glitschige Geräusch ganz und gar auszublenden. Addie zog ihre Hand wieder heraus, und frisches Blut lief zähflüssig hinunter.
„Jetzt ist er tot." Zufrieden stand sie auf, und wischte sich das Blut an der Jeans ab. Sie umschloss mit einer Hand die silberne Halskette mit den Adleranhänger, und riss sie mit einem kräftigen Ruck von ihrem Hals, bevor sie sie in eine Ecke warf.
„Nutzlos, dachtest du ein bisschen Schmuck hält mich davon ab, mir zu nehmen, was mir gehört?"
„Was für ein Opfer soll er gewesen sein?", fragte Beverly, bemüht, nicht erstickt zu klingen, ohne auf Addie's herablassenden Kommentar einzugehen. Addie legte den Kopf schräg.
„Ich musste sie doch dazu bringen, mir zu vertrauen, oder? Sie hat mich gehasst."
„Denkst du, Addie wollte das? Dass sie dir mehr vertrauen wird, wenn du Jacob umbringst? Sie wird dich dafür hassen, dass du einem Menschen das Leben genommen hast."
„Das glaube ich nicht." Sie ging auf Beverly zu. In mir wuchs die Angst, dass Vaya ihr etwas antun würde, aber ich konnte mich nicht bewegen, so sehr ich es auch versuchte.
„Du weißt ja, wie das mit Gedanken ist", begann Addie. „Einige dümpeln an der Oberfläche herum. Ein paar treiben ein bisschen weiter darunter. Und andere sind in den dunkelsten Ecken von uns versteckt, so tief, dass nicht einmal wir selbst sie ergründen wollen." Addie kam mit ihrem Gesicht ganz nahe an Beverly heran. „Ich weiß, wie ihre dunkelsten Gedanken aussehen. Tief in sich drinnen, ist Addie mir dankbar. Sie ist froh, dass ich ihn getötet habe." Ein triumphierendes Lächeln, zog sich über ihre Lippen, bevor sie sich wieder umdrehte, und ich meine Muskeln wieder ein wenig entspannen konnte. Ich warf Beverly einen raschen Blick zu, um zu ergründen, ob es ihr gut ging, allerdings war gut im Moment recht relativ.
„Ihr seid wirklich ein interessanter Haufen von Märtyrern. Alle hier, um ein Mädchen zu retten, das nicht gerettet werden kann." Beverly fing meinen Blick auf, und erwiderte ihn mit einem flüchtigen Nicken.
„Wisst ihr...", holte Addie aus, während sie zurück zu Jacobs leblosem Körper schlenderte. „Ihr alle sagt ständig, dass Addie schwach ist, und hilfsbedürftig. Aber ihr macht sie nur zu dem, wer sie ist. Sie ist nicht schwach. War sie nie. Und schon gar nicht ist sie der Unschuldsengel, für den ihr sie haltet. Noch ist sie mit ihren kleinen Menschenproblemen beschäftigt. Aber wenn sie mir gehört -wenn sie ganz mir gehört- wird sie stark sein. Unfassbar stark, und keiner wird sich uns in den Weg stellen."
„Was hast du ihr angetan?", fragte Beverly mit zusammengebissenen Zähnen. „Was hast du getan, dass ihre Seele gebrochen wurde." Als Beverly es sagte, fiel es mir auch wieder ein. Die goldenen Augen, als Vaya vor wenigen Stunden Addie das Leben gerettet hatte. Wegen all den Dingen, die in meinem Kopf herumgeschwirrt waren, hatte ich das komplett vergessen.
„Ich?", Addie zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe gar nichts getan." Sie deutete auf den toten Körper, zu ihren Füßen. „Ich habe rein gar nichts getan." Nichts getan, wie in Nichts getan, oder Nichts verhindert?
„Kommt dir das bekannt vor, Maeve?" Maeve? Ich linste zu Beverly. Ihre Augen waren vor Schreck weit geöffnet. Ein diabolisches Lächeln trat auf Addie's Lippen. „So hat er dich doch immer genannt, habe ich nicht recht? Und ich wette, du hast nicht den Hauch einer Ahnung, warum, liege ich da richtig?"
„Ich weiß nicht, wovon du redest", flüsterte Beverly.
„Lügen ist eine Sünde." Addie lächelte Beverly böse an. „Ich denke, Addie könnte auch eine nette kleine Wand in ihrem Kopf gebrauchen. Vielleicht kannst du ihr ja helfen." Beverly wandte den Blick ab. Sie sah nur noch auf das viele Blut auf dem Boden.
„Was gehört denn noch so zu deinem diabolischen Plan?", fragte ich, fast spöttisch, um Vaya von Beverly abzulenken, und betrachtete Addie dabei, wie sie sich im Schneidersitz vor das zerfetzte Stück Fleisch setzte, und begann, die diversen Innereien, wie Bauklötze, oder Puzzlesteine, herauszunehmen.
„Plan?", hakte sie nach. „Ich habe keinen Plan. Alles verläuft perfekt." Sie sah mir in die Augen. „Addie ist genau da, wo ich sie haben will. Gebrochen. Abgeschnitten. Verloren. Einsam. Allein." Das war Vayas grandiose Idee? Addie von ihrem Dämon abhängig zu machen? Wie der Ritter in glänzender Rüstung wollte er ankommen, wenn sie am Boden lag? Das würde nie funktionieren. Addie war nicht allein! Sie hatte doch uns.
„Noch ist Addie abgelenkt von..." Sie begann höchst interessiert, den Darm herauszuziehen. „... ihren kleinen Menschenproblemen. Aber sie wird bald merken, dass diese Dinge belanglos sind, und wenn sie das erkennt, dann werden wir vereint sein. Und dann kann uns nichts mehr aufhalten."
„Addie würde nie einwilligen, sich mit dir zu verbinden", knurrte Beverly bitter, mit voller Überzeugung. Aber Addie lächelte nur.
„Du vergisst: Nicht nur sie besitzt die Gabe der Voraussicht, sondern ich auch. Ich habe es gesehen. Wir werden zusammen sein. Und ihr werdet mir dabei wunderbar behilflich sein." Wie ein kleines Kind, nahm Addie Jacob buchstäblich auseinander, und reihte alles, was sie aus ihm herausriss, vor sich auf. Was mir jedoch noch weniger gefiel, als das, war, dass ich verstand, was Vaya sagen wollte. Er wollte Addie erpressen. Verbinde dich mit mir, dann lasse ich deine Freunde leben. Und ich für meinen Teil, wollte nicht wie Jacob enden.
„Aber keine Sorge, ich töte euch nicht." Sie ließ von ihrem neuen Spielzeug ab, und stand wieder auf. „Noch nicht zumindest." Sie rieb unternehmungslustig ihre Hände. „Und jetzt schaun wir doch mal, was für Material, zum Arbeiten da ist. Eure kleinen Freunde sind ja nicht hier, also muss ich mich vorerst wohl mit euch zufrieden geben."
Ihr Blick blieb an mir hängen. In ihren Augen lag ein Ausdruck, der mich nervös machte. Und das bemerkte der Dämon auch. Mit mitleidiger Miene, und schnellen Schritten kam sie auf mich zu.
„Du musst keine Angst vor mir haben." Sie stricht mir über die Wange. „Ich würde dir niemals wehtun."
Es hätte mich beruhigen sollen, aber das tat es nicht. Es war nicht die Art, wie Addie mich berührte, ohne Addie zu sein. Es war auch nicht die Art, wie sie mich ansah, aber durch die Augen eines Dämons. Es war die Tatsache, dass Vaya jeden meiner Freunde umbringen wollte, nur mich nicht. Das war es, das mir Angst machte.
„Warum?", brachte ich krächzend hervor. Sie schüttelte lächelnd den Kopf, als hätte sie es mit einem naiven Kind zu tun.
„Weil ich dich gerettet habe." Meinte er Addie's Blumentopfvision? Etwas an Addie's Blick verriet mir, dass Vaya etwas anderes meinte. Ich hätte gerne nachgefragt, was, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. „Du gehörst mir. Eure Mutter hat euch immer von Rose ferngehalten, und damit auch von mir. Aber jetzt... Jetzt habe ich endlich euch beide bei mir." Ich hatte so viele Fragen, dass ich am liebsten mit Vaya zu diskutieren begonnen hätte, aber Addie bewegte sich bereits zu Beverly, und musterte sie abfällig.
„Was mach ich nur mit dir? Du bist Addie nicht wichtig, aber auch nicht egal. Aber mir bist du im Weg." Genervt schüttelte sie den Kopf, während Beverly augenscheinlich den Atem anhielt.
„Dentalion, meine alter Freund." Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, als Addie einen Punkt an der Wand, direkt über Beverly fixierte. „Du hältst dich wohl immer an die Spielregeln."
„Dentalion", wiederholte Beverly, schien aber nicht recht zu wissen, was sie mit dem Namen anfangen sollte. Es war offensichtlich, dass Vaya mit Beverly's Dämon gesprochen hatte. Aber mir hatte Beverly gesagt, dass sie seinen Namen nicht kannte. Vaya schien das auch zu bemerken, denn Addie begann zu lachen.
„Du hast wirklich nicht den Hauch einer Ahnung, oder?" Immer noch lachend schüttelte sie den Kopf. „Dabei sind alle Steine von Anfang an so perfekt gefallen. Die Entführung, deine Bekanntschaft mit Dentalion, dein erster Mord, dein zweiter Mord, die Flucht, der Mord an Victoria, die Bekanntschaft mit Rose, dein Ausraster in der Klinik, die Verlegung nach Modoc, wo du Felicity und Connor kennengelernt hast."
Beverly schwieg einige Schrecksekunden. Über die meisten Dinge, die Addie eben aufgezählt hatte, wusste ich nicht einmal Bescheid, und es war sinnlos, mir darüber auch noch den Kopf zu zerbrechen. Wenn Beverly wollte und bereit war, würde sie mir davon erzählen, soviel wusste ich mittlerweile. „Woher weißt du das?", fragte sie schließlich.
„Ich weiß so einiges." Addie schüttelte genervt den Kopf. „Und du hast dem wunderbaren Verlauf einer Kugel, die ihren Weg perfekt entlanggerollt ist, in dem Moment einen Seitenhieb verpasst, als du aus Modoc geflohen bist, und Felicity und Connor zurückgelassen hast. Und dann bist du in meinen Film hineingerutscht, als lästige Nebenfigur, die in meinem Drehbuch nie etwas zu suchen hatte!", knurrte sie. Beverly schien selbst ziemlich überfordert, mit all den Dingen, die Vaya ihr entgegenschleuderte. „Das Rätsel wäre gelöst gewesen, wenn du nur ein bisschen länger bei Connor und Felicity geblieben wärst, Maeve. Sie hätten dir eine Antwort auf alles geben können, das du nicht verstehst, und Dentalion vor dir verstecken will." Ein beunruhigendes Funkeln trat in ihre Augen. „Zu schade nur, dass du tot sein wirst, bevor du herausfinden kannst, was das alles zu bedeuten hat." Sie holte mit ihre Hand aus, als wäre sie bereit, sie Beverly in den Bauch zu stoßen. Vor meinem inneren Auge konnte ich Beverly schon genauso ausgeweidet auf dem Boden sehen, wie Jacob. Dieser Gedanke nahm mir mit einem Schlag jegliche Restluft zum Atmen.
Aber plötzlich ging die Türe auf, und Addie hielt in ihrer Bewegung, genervt inne. Ich wagte es nicht, Beverly auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
„Ein Jäger." Addie's Stimme triefte nur so vor Missgunst und Abscheu.
„Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen", hörte ich Chase sarkastisch sagen. Addie ließ ihre Hand sinken, und drehte sich um. Ich atmete auf.
„Das glaube ich gerne. Nachdem du Bekanntschaft mit Crocell gemacht hast. Sie war eine gute Freundin von mir."
Ich nahm meinen besorgten Blick von Beverly und sah zu Chase. Trish und Trev waren nicht hier. Dafür hielt er ein Messer mit blauer Klinge aus Glas in der Hand, und fixierte Addie mit ausdrucksloser Miene.
Es war Dämonenglas, ohne Zweifel. Würde er... Nein. Er würde Addie nicht wehtun. Oder doch? Im Moment war es nicht Addie.
„Ich weiß leider nicht, wen du meinst." Er machte ein paar Schritte in den Raum. „Ihr Mistviecher seid doch alle gleich."
„Dieses Mistvieh" Addie ging ein Stück von Beverly weg. „Hat Amora besessen. Bevor du sie getötet hast." Amora? Wie in: Seine-kleine-Schwester-Amora? Was? Meine Gedanken überschlugen sich, aber das war nichts Neues.
Addie's Blick fiel auf das Messer, um das Chase seine Hand noch fester schloss, bevor sie ihm wieder in die Augen sah. „Du tötest mich nicht. Nicht, solange ich in Addie bin."
Chase schnaubte. „Dann kennst du mich aber schlecht." Mit schnellen Schritten kam er auf Addie zu, entschlossen, dieses Messer in ihren Körper zu stoßen. Es ging so schnell, dass ich nicht einmal „Nein" hätte rufen können. Doch bevor Chase etwas tun konnte, fiel der Druck von meinem Körper ab, und ich stand wieder auf meinen zwei Füßen, während Addie nach hinten kippte, und unsanft auf dem Boden landete. Chase sah misstrauisch zu ihr herab.
„Ist er wirklich weg?", fragte er, an Beverly gewandt. Sie blinzelte, und betrachtete Addie aus ihren rotglühenden Augen. Sie wurde augenscheinlich besser darin, ihren Dämon in ihren Körper zu zwingen. Das erste Mal, als ich gesehen hatte, dass sie so etwas konnte, hatte sie locker fünf Sekunden gebraucht. Beverly nickte, und ihre roten Augen verschwanden wieder. Sie zog die Schultern hoch, und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ich sah ihr an, dass sie mit ihren Gedanken noch bei den Dingen war, die Vaya gesagt hatte. Das beschäftigte sie bestimmt mehr, als die Tatsache, wieder einmal nur knapp dem Tod entkommen zu sein.
Ich legte einen Arm um ihre Schulter, und sie sah irritiert auf, als hätte sie vergessen, dass ich überhaupt neben ihr stand, bevor sie sich näher an mich drückte.
Vaya hätte sie töten können. Er war wirklich kurz davor gestanden sie zu töten. Ich hätte heute beinahe zwei Menschen verloren, dir mir wichtig waren. Und alles was ich tun konnte, war Chase einen giftigen Blick zuzuwerfen.
„Du hast ganz schön lange gebraucht", bemerkte ich. Er sah mich ungläubig an.
„Ich versteh das Mal, als ein Dankeschön, dass du uns den Arsch gerettet hast." Er half Addie hoch, und mir wurde bewusst, dass er nie wirklich vorgehabt hatte, sie zu verletzten.
„Was hättest du denn getan, wenn Vaya nicht einfach so verschwunden wäre?", hakte ich nach. Chase zuckte mit den Schultern.
„Dann hätte ich wohl jemanden gebraucht, der meinen Arsch rettet."
„Er meint mich." Trish erschien an der Türschwelle, mit verschränkten Armen vor der Brust, und sah Chase belehrend an, während Trev sich an ihr vorbeidrängte, und zu Addie lief, um sie in seine Arme zu schließen.
„Du bist ein Vollidiot, weißt du das?", schimpfte sie. „Du trägst nicht einmal deinen Anhänger, und legst dich wie Kamikaze mit einem Todesdämon an, der noch dazu Besitz von Addie ergriffen hat."
„Du bist doch schuld, dass ich nichts Dämonensicheres trage", meinte er anklagend, schmunzelte aber dabei, und auch Trish schien sich ein wenig zu entspannen. Dann glitt ihr Blick zu Jacob, und es wunderte mich ehrlich, dass sie das stinkende Stück totes Fleisch, erst jetzt wahrnahm. Gut möglich, dass sie es auch davor schon wahrgenommen, aber nur nicht beachtet hatte.
„Heilige Scheiße", murmelte sie kopfschüttelnd, und musterte die blutbefleckte Addie. Dann ging sie zu ihr, und legte ihre eine Hand auf die Schulter.
„Geht es dir gut?", fragte sie sanft.
Addie schüttelte nur den Kopf, während ihr stumm die Tränen über die Wange liefen.
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