0.8 Ein Funke in der Dunkelheit

"Es ist nicht der Kampf, der uns verändert, sondern die Entscheidungen, die wir inmitten des Sturms treffen."
~ aus dem Schattenkompendium

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Die Tage in der Festung verschwammen in einer seltsamen Mischung aus rastlosem Warten und nervöser Vorbereitung. Kael war oft mit den anderen Kriegern beschäftigt, die sich für den bevorstehenden Kampf gegen die Schatten rüsteten. Alina hingegen fühlte sich immer isolierter. Seit ihrem Treffen mit Malrik hatte sich eine beklemmende Stille zwischen ihr und Kael breitgemacht. Das Prisma, das wie ein leuchtender Kristall an ihrer Halskette hing, schien schwerer zu wiegen als je zuvor.

Die weiße Strähne in ihrem Haar, die nach ihrem letzten Einsatz des Prismas entstanden war, erinnerte sie ständig daran, dass ihre Macht nicht ohne Folgen war. Obwohl sie es vor Kael verbarg, wusste sie, dass er bald darauf aufmerksam werden würde.

„Wie viel kannst du opfern, bevor du selbst zu einer leeren Hülle wirst?“ Diese Worte hallten in ihrem Kopf wider, eine unausgesprochene Frage, die Malrik angedeutet hatte.

An diesem Abend lag ein seltsames Gewicht in der Luft der Festung. Alina saß allein in dem kleinen Garten hinter dem Hauptgebäude. Die Sterne waren hinter dichten Wolken verborgen, und ein kühler Wind strich durch die Bäume, brachte ein Flüstern mit sich, das sie an das Prisma erinnerte.

Plötzlich spürte sie eine Veränderung. Die Luft schien sich aufzuladen, als würde eine unsichtbare Macht um sie herum dichter werden. Instinktiv griff Alina nach der Kette an ihrem Hals, doch bevor sie wirklich reagieren konnte, hörte sie eine tief hallende Stimme in ihrem Kopf.

„Du bist stärker, als du glaubst, aber auch verletzlicher, als du verstehst. “

Alina fuhr herum, doch da war niemand. Die Worte schienen direkt aus der tiefsten Ecke ihrer Seele zu kommen.

„Wer bist du? “ flüsterte sie, kaum mehr als ein Seufzer.

„Ein Teil von dir. Ein Teil des Prismas. Und ein Teil dessen, was du werden könntest. “

Das Prisma begann zu leuchten, ein pulsierendes Licht, das die Umgebung in einen silbernen Schimmer tauchte. Alina fühlte sich, als würde sie von einem Strudel erfasst. Bilder flackerten vor ihrem inneren Auge auf – verwüstete Landschaften, zerbrochene Welten und eine unendliche Dunkelheit, die drohte, alles zu verschlingen.

„Du hast die Macht, dies zu verhindern“, sprach die Stimme weiter. „Doch du musst erkennen, dass die Dunkelheit nicht dein Feind ist. Sie ist Teil des Gleichgewichts, ebenso wie das Licht. “

„Gleichgewicht? “ Alinas Stimme erhob sich, voller Zweifel. „Du willst mir sagen, dass ich das Prisma nutzen soll, um diese Dunkelheit zu bewahren? “

„Das Prisma ist kein Werkzeug zum Zerstören oder Retten. Es ist ein Schlüssel. Nur du entscheidest, welche Tür es öffnet. “

Gerade als Alina weiterfragen wollte, zerriss ein vertrauter Klang die Stille – das Geräusch von Stahl, der auf Stahl trifft. In einem abrupten Moment wurde sie aus ihrer tranceähnlichen Verbindung gerissen. Sie sprang auf und rannte zum Haupthof der Festung.
Dort entdeckte sie Kael, der intensiv mit einem anderen Krieger trainierte. Doch es war kein gewöhnliches Training. Seine Bewegungen waren wild und voller Wut, während sein Gegner Mühe hatte, die wütenden Schläge abzuwehren.

„Kael! “ rief sie, doch ihre Stimme ging im Lärm des Kampfes unter. Der Schweiß rann ihm über die Stirn, sein Blick war düster, erfüllt von Zorn und einer unbestimmten Regung, die Alina nicht einordnen konnte.

Als der Kampf schließlich endete und der andere Krieger aus der Arena trat, stand Kael schwer atmend in der Mitte des Platzes. Zögerlich näherte sich Alina ihm.

„Was ist los mit dir? “ fragte sie leise.

„Nichts. “ Seine Antwort war kurz und scharf, doch als er ihren besorgten Blick sah, ließ er ein Seufzen hören und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Es ist Malrik. Seit er hier ist, kann ich nicht aufhören, an ihn zu denken. An all das, was er getan hat und was er noch tun wird. “

„Ich verstehe, aber. . . “ Sie zögerte, suchte nach den richtigen Worten. „Kael, ich glaube, er hat uns etwas offenbart, das wir begreifen müssen. Es geht nicht nur um ihn. Es geht um das Prisma und um mich. Ich habe Angst, dass ich nicht stark genug bin. “

Kael sah sie an, und für einen flüchtigen Moment schwand der Zorn aus seinen Augen. „Du bist stärker, als du denkst, Alina. Aber wir dürfen ihm nicht trauen. Nicht einmal für einen Augenblick. “

Bevor Alina erwidern konnte, ertönte ein durchdringender Schrei aus den unteren Bereichen der Festung. Instinktiv wandten sie sich um und rannten in die Richtung des Lärms.

Sie fanden eine Gruppe von Wachen, die sich um einen verletzten Mann scharten. Sein Gesicht war bleich, und aus einer Wunde an seiner Seite sickerte schwarze Flüssigkeit.

„Schatten“, keuchte er, bevor er bewusstlos zusammenbrach.

Kael kniete sich neben ihm nieder und untersuchte die Wunde. „Das ist kein gewöhnlicher Angriff. Die Schatten sind näher, als wir dachten. “

Alina spürte, wie das Prisma in ihr erneut pulsierte, dieses Mal stärker und dringlicher. Es war kein Zufall – die Bewegung der Schatten war sowohl Warnung als auch Einladung.

„Wir müssen sie finden“, sagte sie entschlossen.

Kael sah sie an, zögerte einen Moment, nickte dann jedoch entschlossen. „Dann bereiten wir uns vor. Diesmal wollen wir ihnen zuvor kommen, bevor sie uns finden. “

Während sie sich auf den bevorstehenden Kampf vorbereiteten, spürte Alina, dass die Stimme des Abgrunds weiterhin in ihrem Inneren lauerte – ein ständiger Begleiter, der bereit war, sie herauszufordern und zu verändern.

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