✧ℂ𝕙𝕒𝕡𝕥𝕖𝕣 𝕊𝕚𝕩✧
Astoria Rivera
Nach ein paar Stunden verließen wir den Speisesaal zusammen mit unserer Gruppe. „Was denkst du, was sie tun?", fragte ich Theresia, die neben mir lief. Sie zuckte nur mit den Schultern, und ich seufzte leise. Gute Antwort.
Gähnend rieb ich mir die Augen - es war wirklich spät geworden. Wir hatten noch einige Unterrichtsstunden hinter uns, und dennoch wollte ich unbedingt wissen, was sie vorhatten. Wer wäre nicht neugierig gewesen?
„Also, was machen wir jetzt? Solange sie nicht da sind...", setzte ich an, hielt aber abrupt inne. Ein Gedanke kam mir in den Sinn: Die Zweitklässler müssten doch eigentlich wissen, was sie nach der Ausgangssperre vorhatten. Ich wollte es unbedingt erfahren. War das schon ein Eindringen in ihre Privatsphäre?
„Ist etwas?", fragte mich Sawyer, als sich unsere Blicke trafen. Anscheinend hatten alle bemerkt, dass ich kurz abwesend gewesen war. Ich nickte leicht. „Natürlich, alles gut", sagte ich schnell.
Ridoc ließ jedoch nicht locker - mit einer einfachen Antwort gab er sich nie zufrieden. „Du hast mitten im Satz aufgehört zu reden", stellte er fest und trat näher an mich heran. Ich seufzte leise und nickte. „Ich weiß", murmelte ich und sah weg, während ich weiter nachdachte.
„Was steht später noch an?", fragte Theresia und warf einen Blick auf Rhiannon, die immer noch Händchen haltend neben ihr stand. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Hey, Sia", sprach ich sie an. Sie hob den Kopf und sah mich langsam an, eine Augenbraue fragend nach oben gezogen. Das Licht der untergehenden Sonne ließ ihre hellblauen Augen mit den goldgesprenkelten Umrissen leuchten. Sie sah wirklich gut aus - kein Wunder, dass sie so eine wunderschöne Freundin wie Rhiannon gefunden hatte.
Ihr schneeweißes Haar war zu einem kunstvollen Zopf geflochten und nach hinten gebunden, damit es sie beim Sparring nicht störte. Sie wirkte wie ein Engel - elegant, anmutig und doch gefährlich. Ein beeindruckendes Duo, Rhiannon und sie: göttlich und geschmeidig zugleich.
„Was ist? Sprich", sagte sie schließlich. Ihre Stimme triefte vor Verwirrung, und ich konnte förmlich lesen, dass sie eigentlich keine Lust auf ein Gespräch hatte. Kein Wunder - wir alle waren erschöpft, und das schon seit unserem ersten Jahr hier.
„Du hast die Challenge verloren", grinste ich herausfordernd. Erwartungsgemäß lachte sie auf, und ich grinste nur breit.
„Tja, wir waren schneller!", lachte ich. Der Satz ergab zwar nicht viel Sinn, aber das war mir egal. Sie lachte und schüttelte den Kopf, während die anderen sich nur verwirrt ansahen, weil sie nicht verstanden, worüber wir redeten.
Nach der Ausgangssperre draußen
Leise schlich ich mich aus meinem Quadranten hinaus und achtete darauf, nicht gesehen zu werden - was eigentlich nicht allzu schwer war. Das Gras knirschte unter meinen Füßen, während ich versuchte, nicht auf Äste oder andere Dinge zu treten, die Geräusche machen könnten. Ich kletterte geschickt auf einen Baum und versteckte mich, als ich Schritte hörte.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich schluckte schwer. War ich in eine Falle getappt oder war es etwas anderes? Sofort huschte ich in einen Busch und verhielt mich still. Von hier aus konnte ich die Personen sehen und hören - immerhin etwas.
Meine Augen wanderten umher, bis ich schließlich die Leute entdeckte, die sich ebenfalls hinausgeschlichen hatten. Da war jemand ziemlich Starker, jemand mit rosafarbenen Haaren, der neben dem großen, kräftigen Typen stand. Dann erkannte ich jemanden, der unserem Geschwaderführer ähnlich sah, blonde Haare. Und dann sah ich ihn. Xaden. Neben ... Moment mal, ist das Nyx?
Ich starrte weiter hinüber, mein Atem stockte. Es war wirklich Nyx, die neben Xaden stand. Neben ihr ihr Bruder, die Arme verschränkt.
Alle trugen Umhänge, die ihre Gesichter verdeckten. Als ob man sie nicht trotzdem erkennen konnte. Doch eines fiel sofort auf: Sie waren nicht - wie vorgeschrieben - in drei Gruppen unterwegs, sondern in viel zu vielen. Das durften sie nicht. Sie redeten darüber, dass einige es nicht geschafft hatten. In diesem Moment hörte ich Xaden schnauben. Seine Muskeln zeichneten sich unter seinem Umhang ab, als er die Arme vor der Brust verschränkte.
Gott, diese Muskeln.
Ungewollt sog ich scharf die Luft ein, doch kaum hatte ich es bemerkt, presste ich mir die Hand auf den Mund und verharrte regungslos.
Nyx hatte mich gesehen. Ihre großen Augen ruhten direkt auf mir.
Verdammte Scheiße!
Mein Herz pochte heftig gegen meine Rippen. Was zur Hölle sollte ich jetzt tun?
War ich erledigt?
Doch bevor ich irgendetwas unternehmen konnte, bemerkte ich, wie Nyx mich ansah. Dann tippte sie vorsichtig Xaden neben sich an. Er hob den Kopf und blickte sie an. Mut hatte sie, das musste ich ihr lassen. Vielleicht wollte sie ihn etwas fragen - oder es war mehr als das.
Er folgte ihrem Blick, und als seine Augen auf mich fielen, verengten sie sich sofort. Sein durchdringender Blick sprach Bände: Entweder war ich so gut wie tot, oder ich lag längst unter der Erde.
Plötzlich wurde es vor meinen Augen dunkel. Xaden hatte eine Hand gehoben, und aus ihr strömten schattenähnliche Ranken hervor, die mich vollständig verbargen - als wolle er mich beschützen. Aber war das wirklich so? Oder tat er es nur, weil Nyx etwas gesagt hatte? Denn sein Blick ließ eher vermuten, dass er mich am liebsten in tausend Stücke zerreißen würde.
Ihr Gespräch ging weiter, während ich wortwörtlich in den Schatten verborgen war. Doch ich konnte sie dennoch sehr gut sehen und hören. Innerlich dankte ich Nyx in diesem Moment mehr als alles andere - sie hatte mir gerade den Arsch gerettet.
Nach einer Weile löste sich die Gruppe auf und kehrte eilig in ihren Quadranten zurück. Erleichtert atmete ich aus, als sie verschwanden.
Langsam zogen sich auch die Schatten zurück, und ich stand auf, bereit, endlich zu verschwinden. Doch in genau diesem Moment packte mich eine Hand am Arm, zog mich hoch und drückte mich mit Nachdruck gegen einen Baum.
Zwei goldgesprenkelte, onyxfarbene Augen fixierten mich.
Xaden.
Ich schluckte leicht, als ich ihn ansah. Eigentlich hatte ich selten Angst, aber Xaden konnte jemanden einschüchtern, ohne sich auch nur besonders anzustrengen.
„Was machst du hier?!" spuckte er bedrohlich hervor.
Kurz überlegte ich, ob ich einfach nichts sagen sollte - nur um ihn zu ärgern. Doch ich entschied mich dagegen und begann stattdessen zu sprechen.
„War nur neugierig", antwortete ich ihm.
Sein Kiefer spannte sich, und er presste die Zähne aufeinander, während er mich mit diesem einen, tödlichen Blick fixierte.
„Xaden, bitte lass sie in Ruhe!", rief Nyx hinter ihm.
Ich sah, wie Xadens Blick kurz zu ihr huschte, seine Augen an ihr auf und ab glitten. Was ging ihm wohl gerade durch den Kopf?
Langsam ließ er mich los und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
„Ich schwöre dir, wenn du irgendwem erzählst, was du gesehen hast, dann kann ich mich das nächste Mal nicht zurückhalten. Und jetzt los - zurück in eure Gemächer und zu euren Geschwadern, bevor euer Flügelführer es bemerkt."
Seine Worte hallten in mir nach, während Nyx und ich uns kurz ansahen. Doch bevor er sich abwenden konnte, platzte es aus ihr heraus:
„Aber du bist doch unser Flügelführer!"
Xaden blieb kurz stehen, drehte sich zu ihr um und sah sie an.
„Ich weiß. Also los!", befahl er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, und lief weiter.
Nyx und ich tauschten einen schnellen Blick - dann rannten wir sofort zurück.
Angekommen in unseren Quartieren gingen wir direkt zu unseren Betten, die sich gegenüberstanden. Gerade als ich mich hinlegen wollte, fiel mir etwas ein.
„Hey, kannst du mir eigentlich bei den Hausaufgaben helfen? Sonst sitze ich morgen wieder wie ein Idiot da", fragte ich sie.
Nyx hob den Kopf, sah mich sanft an und nickte.
„Na klar, komm her", sagte sie.
Ich folgte ihrer Aufforderung, und sie half mir, wofür ich ihr in diesem Moment wirklich dankbar war.
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