49.
Im Sportunterricht bin ich zum ersten Mal nicht so negativ drauf. Vielleicht liegt das aber auch einfach daran, dass wir bisher alleine in der Halle sind. Die Sportlehrer haben wie sonst immer keine Lust auf uns und der Coach und seine Frau sind noch nicht hier. Was eigentlich erstaunlich ist, da sie sonst immer die Menschen sind, die Pünktlichkeit verehren die die antiken Griechen ihre Götter.
»Der Coach wird bestimmt total mies gelaunt sein, wenn er kommt«, meint Ruby zu meiner Linken. Sie und Camila sind heute viel besser drauf als gestern, was vermutlich hauptsächlich an unserem Mädelsabend liegt.
»Oh bitte nicht. Dann müssen wir wieder rennen wie Besessene.«
Cami verzieht ihr Gesicht, was so witzig aussieht, dass ich lachen muss.
»Wenn das der Fall ist, werden wir uns einfach verstecken.«
Die beiden sehen mich für einen Moment überrascht an, doch dann beginnen wir zu dritt zu kichern. Erst Ed, der sich neben uns auf den Boden fallen lässt, holt uns aus unseren Gedanken.
»Haben wir jetzt eine Freistunde?«, will er wissen. Sein Gesicht ist eine Mischung aus gespannt und freudig, während er sich unserem kleinen Lästerkreis anschließt. Nicht, dass wir bisher irgendetwas Gemeines gesagt hätten.
»Ja, es sieht ganz da-«, setzt Rubs an, doch unterbricht sich Sekunden später selbst, als der Coach und seine Frau mit angepissten Gesichtsausdrücken in die Halle spazieren.
Das war's dann wohl mit der Friestunde.
»Eine Runde rennen!«, bellt der Trainer des Basketballteams in seinem Lakers-Anzug dann auch schon, was uns alle regelrecht zusammenzucken lässt. Sogar seine Frau. Mein Blick findet sofort Shadows und ich stelle ihm die stumme Frage, die sich wohl alle hier drin stellen.
Was ist passiert?
Er zuckt mir den Schultern und trabt zu mir, genau wie alle anderen setzt er sich in Bewegung.
»Meinst du, es ist was Persönliches?«
Erneut zuckt mein Freund mit den Schultern.
»Ich glaube eher, dass ich die Antwort auf diese Frage gar nicht erst wissen möchte. Am besten, wir halten und heute so gut wie möglich aus dem Minenfeld ihrer Blicke. Ehrlich. Ich glaube, jemand von den beiden verliert jetzt gleich seine Nerven«, antwortet der Prinz mir, während wir im gleichen Rhytmus rennen. Ganz ehrlich, ich sterbe jetzt schon. Ich mag vielleicht gerne Basketball spielen und Körbe werfen, aber Kondition ist sowas von nicht mein Ding.
»Okay. Also wir haben ein dezentes Problem, was das Mädels-Team der Basketball-Mannschaft angeht«, beginnt die Trainerin besagten Teams, sobald alle fertig mit dem Rennen der Runde sind. Ihr Ehemann steht neben ihr und nickt zustimmend, auch wenn noch keiner so richtig verstanden hat, was die beiden meinen. Wir können schliesslich auch keine Gedanken lesen.
»Jessica hat sich ihren Knöchel zweifach gebrochen und damit ist unser Kapitän für das Semester gesperrt, was ein grundlegendes Problem darstellt. Wir haben zwar Ersatzspieler, aber die auf die Dauer einzusetzen, wird auch nicht gut laufen. Daher werden wir heute eine Stunde mit einem Spezialtraining haben. Und dabei hoffen wir wirklich inständig, jemanden zu finden, der unserem Team eine Führung voraussetzen kann.«
Shadow stupst mich an und ich weiß ganz genau, dass er denkt, dass ich dafür die geeignete Person bin. Ich denke es selbst vielleicht auch. Doch das wird sich ja noch zeigen.
Die Jungs und die Cheerleaderinnen werden nach draußen geschickt, um in der Eiseskälte Football zu spielen oder einfach zu üben. Der Prinz schenkt mir ein ermunterndes Daumen hoch, ehe er ebenfalls nach draußen geht.
»Das wird sowas von anstrengend«, kann ich Camila neben mir sagen hören. Sie hat ihr Gesicht vor Unlust verzogen und sieht demotivierter aus als Spätaufsteher, die früh aufstehen müssen.
Aber sie behält recht. Die beiden Basketballtrainer zeigen wirklich keine Gnade. Wir spielen nun in Gruppen und dabei müssen wir auf unglaublich viele verschiedene Dinge achten, sodass ich mich wirklich frage, ob das ein Training oder eher eine Folterstunde werden sollte. Ich liebe Basketball, aber das hier ist wirklich übertrieben.
»Ruby! Du sollst nicht nur herumstehen und warten, ehe das Spiel vorbei ist!«, brüllt Mrs. Basketball - und ja, ich weiß auch nicht, wie sie heisst - Rubs an, worauf diese zusammenzuckt. Ich verdrehe die Augen und tausche einen Blick mit Camila. Das ist schon ein wenig übertrieben. Aber vielleicht sind das auch einfach die Nerven. Ich meine Mrs. Basketball hat ihre wichtigste Spielerin gerade auf der Bank. Und jetzt braucht sie dringend irgendein Talent, welches Jessica ersetzt.
»Hope! Du kommst Mal zu mir!«, brüllt sie nun auch mich an, was mich irgendwie überrascht. Eigentlich habe ich nun wirklich nicht viel falsch gemacht. Ich weiß nicht einmal, was ich hätte falsch machen können. Aber ich schätze, dass ich das sowieso gleich herausfinden werde.
Cami und Rubs werfen mir mitleidige Blicke zu, was mich leicht lächeln lässt. Aber dann sehe ich die ernste Mine von Mrs. Basketball und das Lächeln erlischt sofort auf meinen Lippen.
»Wir müssen uns unterhalten, Adams.«
Ich beiße mir ein wenig verunsichert auf die Lippen. Ich hoffe, dass sie jetzt nichts Schleches sagen wird.
»Und zwar über dein Probetraining. Du hast dort Streit mit Jessica gehabt, nicht wahr?«
Ich nicke. Jap. Sie hat mich beleidigt, ich habe zurückgekeift. Dann hat sie mir eine Ohrfeige verpasst und ich habe mir die Mühe, mich selbst zu verteidigen, schlichtweg einfach nicht gemacht. Ich habe keine Interesse an dem Team gehabt und das ist meine Möglichkeit gewesen, mich aus dem Revier zu ziehen.
»Die anderen Mädchen haben mir erzählt, was wirklich passiert ist und dass Jessica gelogen hat. Du hast sie nicht korrigiert. Warum?«
Ich seufze, aber gleichzeitig bin ich auch überrascht. Jemand hat Jessica gepetzt. Für mich? Ich meine, ich habe niemandem auf irgendeine Art geholfen und sie haben die Wahrheit erzählt, auch wenn sie dabei gegen ihren Kapitän vorgegangen sind?
»Ich ... ich schätze, dass ich gar nicht richtig ins Team gewollt habe«, gestehe ich also, während Mrs. Basketball die Arme verschränkt und mich mit einem fragwürdigen Blick mustert.
»Du kannst gut spielen, Hope. Du magst vielleicht keine Kondition haben, aber du hast Kontrolle über deine Muskeln und flinke Finger. Das solltest du nicht einfach so wegwerfen.«
Ich nicke. Sie hat recht und wenn ich die Chance erneut hätte, würde ich mir vielleicht mehr Mühe geben.
»Gut. Da wir uns jetzt einig sind, bleibt nur noch eine Frage übrig. Willst du ins Team?«
Mrs. Basketball sieht mich gespannt an, während ich sie erstaunt mustere. Ich hätte nicht erwartet, dass sie mir eine zweite Chance gibt. Ich meine, ich bin noch nicht einmal ganz sicher, ob ein Team tatsächlich schon das Richtige für mich ist. Ich meine, vor einem Monat wäre es undenkbar für mich gewesen, auch nur in Betracht zu ziehen, etwas zu machen, wo ich mit anderen Menschen interagieren muss.
Ich schätze, dass ich meine Einstellung diesbezüglich tatsächlich irgendwie geändert habe. Freunde bewirken teilweise eben wirklich Wunder.
Ausserdem gibt es die kleine Stimme in meinem Kopf, die vermutlich sehr nach Shadow klingt. Sie sagt mir, dass es gut aussieht, wenn ich auch Sport mache. Je mehr Vielseitigkeit ich mir dieses Jahr noch erarbeiten kann, desto besser. Und ich muss der Stimme Recht geben. Ich kann ja noch immer aussteigen, wenn ich es schrecklich im Team finde. Nicht, dass ich denken würde, dass es mir nicht gefällt. Ich liebe Basketball. Eigentlich sollte es kein Problem sein. Ich weiß es. Und es ist auch an der Zeit, dass ich endlich zeige, dass ich offener geworden bin.
»Ja. Ich wäre gerne dabei. Und an meiner Kondition kann ich arbeiten«, antworte ich eine Spur zu spät, was Mrs. Basketball allerdings nur zum Lachen bringt.
»Das freut mich zu hören. Du uns Shadow könntet ja zusammen joggen gehen. Ich kann dir sogar einen Plan erstellen, wenn du das möchtest«, bietet sie mir an, worauf sich mein Gesicht noch ein wenig mehr erhellt. Ich kann mir mein hundert-Watt-Grinsen förmlich vorstellen.
»Eine Sache noch«, meint Mrs. Basketball und ihr Gesicht wird kurz wieder ernst. Ich sehe sie aufmerksam an, auch wenn ich ihr nicht von der Mine ablesen kann, was sie mir sagen möchte.
»Ehrlichkeit ist mir wichtig, Hope. Ich hoffe, du verstehst das. Beim nächsten Mal erwarte ich die Wahrheit von dir, egal wo sie jemanden hinführt. Denn ein guter Teamgeist kann nicht von Lügen getrübt werden.«
Ich nicke erneut. Mit Ehrlichkeit kann ich leben. Jetzt habe ich auch gar keinen Grund, sie anzulügen. Und ich werde es auch nicht mehr machen. Denn sie hat recht und ich habe ein Ziel.
Und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, werde ich mir ganz bestimmt nicht selbst im Weg stehen.
Und da kommt die zweite Chance auf das Basketballteam doch noch...😏
Habt ihr das erwartet?
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