44.
Irgendwie ist es zum Ding geworden, dass ich immer als erste bei unserem Freunde-Mittagessen in der Schulcafeteria bin, also sitze ich heute ebenfalls eine Weile alleine, bevor überhaupt jemand kommt. Ed, Ash und West haben sich etwas mit einem Lehrer verdonnert, weswegen sie nun ein Gespräch mit ihm haben, während Cami und Ruby geschrieben haben, dass sie noch für eine Prüfung lernen müssen, weil sie sich nicht noch einmal so eine schlechte Note wie in Mathe leisten können.
Und damit bin ich dann wohl alleine mit Shadow. Also natürlich aber auch nur, wenn er noch auftauchen wird. Denn so wie es gerade aussieht, hat er andere Sachen zu tun. Vielleicht will er sich aber auch einfach ein wenig Zeit lassen. Keine Ahnung, aber irgendwie muss ich ein Gespräch in die Richtung lenken, was wir denn überhaupt sind.
Ich meine, wir sind nicht zusammen, aber wir sind definitiv mehr als Freunde oder einfach Leute, die sich küssen, auch wenn wir das gestern getan haben. Und da wäre es einfach gut, reinen Wein einzuschenken, denn ich bin mir sicher, dass ich vielleicht gerne einen Schritt in die Richtung Beziehung wagen würde, aber natürlich kann ich das nicht alleine machen. Zudem möchte ich auch nicht, dass ich Shadow abschrecke oder so, denn er ist mir wirklich wichtig und irgendwie in meinen Alltag gewachsen. Ich sehe ihn beinahe jeden Tag, meistens sind wir dabei in der Schule oder machen irgendetwas außerhalb, ob nun mit Ed oder sonst wem, ob es nun geplant ist oder nicht. Und ich genieße Shadows Gesellschaft. Er macht mich zwar nervös, auf die beste mögliche Weise, und ich mag dieses Kribbeln und teilweise auch Knistern zwischen uns.
Ich mag ihn. Sehr sogar. Deshalb möchte ich die Sache nicht unangenehm machen oder peinlich werden lassen und genau aus diesen Gründen habe ich keine Ahnung, wie ich so ein Thema einfädeln sollte.
Das Aufknallen einer Zeitung auf dem Tisch schreckt mich aus meinen Gedanken und ich muss automatisch beginnen zu lächeln. Shadow hat sich zu mir gesellt und die tägliche Zeitung, welche er mir bringt, ist so ein kleines Ritual zwischen uns.
Doch anders als sonst setzt er sich nicht sofort neben mich, sondern er drückt mir zuerst einen Kuss auf die Schläfe, was so süß ist und so ein verräterisches Kribbeln in mir verursacht, dass ich sofort rot werde, während sich gepaart dazu ein glückliches Grinsen auf meinen Lippen ausbreitet, welches ich nicht einmal zu verstecken versuche. Normalerweise hätte ich das vielleicht getan, einfach weil mich es stört, wenn Leute beginnen, einem merkwürdige Blicke zuzuwerfen, wenn man verstärkte Gefühle verspürt. Aber ich muss mein Glück nicht verstecken und ich werde auch nicht damit beginnen, einfach um einige Menschen zufrieden zu stellen, welche mir gar nichts bedeuten.
»Hi«, meine ich also gut gelaunt und mit meinem stetigen hundert-Watt-Grinsen zu Shadow. Meine Augen verfangen sich kurz mit seinen, welche mindestens so leuchend strahlen wie meine. Unser Augenkontakt hält allerdings nicht lange, da er es sich auf dem Stuhl neben meinem breit macht und anders als ich nicht gerade dabei ist zu essen.
»Hi, Bambi«, grüsst er mich zurück. Er sieht zwischen dem Essen und mir hin- und hergerissen aus und ganz ehrlich gesagt würde ich natürlich gerne mit ihm reden, aber Ernährung ist wichtig. Er soll nicht verhungern, um meine Laune aufrecht zu erhalten.
»Iss. Ich kann währenddessen ja das Rätsel vernichten«, spreche ich meine Gedanken laut aus und deute auf das Queenspaper vor mir. Das wird bestimmt Spass machen. Vor allem, seit das ... »Ist das eine Extra-Ausgabe?«, unterbreche ich meine eigenen Gedanken und klappe ungläubig die dünne Blättersammlung vor mir auf. Die Zeitung hat keine Artikel oder Sonstiges drin, sondern besteht nur aus Rätseln. Das ist definitiv der beste Tag meines Lebens. Nach gestern natürlich.
Shadow lacht über mein erfreutes Gesicht entzückt.
»Jap. Aber beginn trotzdem mit Seite eins. Das Lösungswort da wird dir bestimmt gefallen«, spricht er in Rätseln, doch natürlich würde ich mir das nicht zwei Mal sagen lassen. Ich hole sofort einen Kugelschreiber aus meinem Stiftmäppchen und mache mich an die Arbeit.
»Verrat es mir ja nicht.«
Meine Stimme erklingt nur halbherzig, denn meine Augen gleiten schon weg von Shadow und über die A3-Seite voller leerer Kästchen, die nur schon sehnsüchtig auf die Tintenbuchstaben in ihnen warten. Ich seufze erfreut, als ich auch schon das erste Wort eintragen kann. Ich liebe Kreuzworträtsel. Sie sind der einzige Grund, wieso ich tatsächlich gelernt habe, bevor ich vorgestern einen richtigen Grund erhalten habe.
Es ist nämlich der einzige Ort, andem man sein gesamtes unnötiges literarisches Wissen anwenden kann. Und das tut mir nun wirklich leid für die Lehrer, aber wir wissen alle, dass wir nun ein Bruchstück von all dem brauchen werden, was sie uns beibringen wollen. Oder beibringen. Es büffeln alle immer nur für die Prüfungen, aber das Wissen, dass ich all das tatsächlich einmal brauchen könnte, hat meinen Lernspaß am Leben erhalten.
Kreuzwörträtsel haben eben magische Gegenwirkungen und ich bin froh, dass Shadow gerade nicht versucht, mit mir zu sprechen, denn ich könnte ihm nun wirklich nicht antworten. Ich habe das Gefühl, dass ich all die Antworten schon kenne und dass das irgendwie ein persönlich zusammengestelltes Rätsel ist, denn egal wie gut ich bin, ich weiss nie jedes Kästen von Anhieb.
Mein Verdacht wird bestätigt, als ich einige Minuten später bereits die Hälfte ausgefüllt habe, während der Prinz noch an seinen letzten Bissen ist. Wie er seine Nahrung so schnell runtergebracht hat, ist mir auch ein Rätsel. Ich bin bisher noch keinem Kästchen begegnet, welches ich nicht habe ausfüllen können.
»Hast du Spass?«, fragt Shadow irgendwann dann doch noch, während er mit einer Hand meine Haarsträhnen um die Finger zwirbelt, was nicht wenig ablenkend ist, wenn man bedenkt, wie viel schneller mein Herzschlag geworden ist. Das ist noch viel ablenkender, als wenn wir miteinander gesprochen hätten und meine Augen auf seinen Lippen gelandet wären und ich an den gestrigen Abend zurückgedacht und dann wahrscheinlich kein Wort mehr aus seinem Mund gehört hätte.
Nicht, dass es jetzt anders wäre. Denn sobald ich Shadow ins Gesicht sehe, beginnen meine Gedanken, mich zurück zu katapultieren und ich kann nicht anders, als rot zu werden. Der Prinz verzieht natürlich seine Lippen sofort zu einem belustigten Grinsen, und als mir klar wird, dass ich diese noch immer anstarre, nehmen meine Wangen wahrscheinlich noch einen leuchtenderen Ton an.
»Natürlich habe ich Spass«, antworte ich irgendwann aber doch noch auf seine Frage, wobei mein Hals total kratzig ist, worauf ich mir sofort mein Wasser schnappe. Und ganz ehrlich, mit dieser brennenden Hitze in meinem Gesicht ist es wirklich schwer, nicht das ganze Wasser auszuspucken oder mich zu verschlucken, einfach weil ich Shadows aufmerksame Augen noch immer auf mir spüren kann.
Doch damit ist auch unsere kurze Konversation wieder beendet und Shadow, der offensichtlich merkt, dass ich das Rätsel noch vor dem Klingeln fertigstellen will, holt sich irgendein Buch aus der Tasche, ich nehme an, es ist eine Lektüre für den Unterricht, und beginnt zu lesen.
Als Dank dafür nehme ich seine Hand mit meiner Freien und verschränke unsere Finger miteinander. Okay, okay, erwischt. Ich nehme sie einfach, weil ich seine warme Hand in meiner halten will. Aber wer kann es mir verdenken?
Shadow jedenfalls nicht, denn er verstärkt den Druck sanft und beginnt mit seinem Daumen über meinen Handrücken zu streichen, was einen beruhigenden Rhytmus zwischen uns legt.
Die Zeit verstreicht und das Raster vor mir wird immer voller genau wie auch Shadow immer mal wieder eine Seite umblättert und ganz ehrlich gesagt fühlt es sich so besser an, zu wissen, dass er hier ist und seine Halt zu halten, als wenn ich einfach alleine hier wäre. Mit dem Prinzen scheint eine ganze Menge besser zu sein.
Als ich irgendwann einmal noch die letzten Buchstaben eingetragen habe, kann ich endlich das Lösungswort einfüllen und auf eine magische Art und Weise scheint Shadows Aufmerksamkeit plötzlich auf mir zu liegen und seine Augen huschen neugierig und ein wenig schüchtern über mein Gesicht.
»Alles okay?«, frage ich ihn also. Vielleicht will er mir ja was sagen oder so. Doch er schüttelt einfach nur den Kopf.
»Füll es schon aus«, drängt er mich einfach nur und deute mit einem Kopfnicken auf die letzten freien Felder, welche ich von oben noch hier runter übertragen muss. Das wird, glaube ich, das erste Mal, dass ich ein ganzes Rätsel auf Anhieb geschafft habe.
Das Lösungswort ist wahrscheinlich irgendwelche komische Gleichung, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie ich das auffassen sollte. Denn es hat ein Plus und ein Gleichheitszeichen zwischen den drei Wörtern, was ich mir nicht anders erklären kann. Aber statt Shadows Sinn für Lösungswörter zu hinterfragen, trage ich nun wirklich die letzten Buchstaben ein. Und es bleibt mir wirklich für einen Moment die Spucke weg, als ich lese, was ich da gerade selbst eingefüllt habe.
DU + ICH = ZUSAMMEN ?, steht da in meiner säuberlichen Schrift geschrieben und mein Mund klappt auf, während ich meinen Kopf schnell zu Shadow drehe, der mich nervös betrachtet. Doch bevor ich ihm eine Antwort geben kann, übernimmt er das Reden vor mir.
»Ich habe wirklich nicht gewusst, wie ich dich anders hätte fragen sollen, aber ich musste nun endlich damit rausrücken«, beginnt der Prinz also. »Wir hängen eine Weile schon miteinander ab und ich weiß, dass ich deine Gesellschaft geniesse, und das nicht nur in einer freundschaftlicher Art und Weise. Denn ich weiß, dass ich glücklicher bin, wenn du bei mir bist und wenn ich Zeit mit dir verbringen kann. Du bist mir schon sympathisch gewesen, als du mich vor Jane verteidigt hast oder noch besser gesagt hast du mich dort mehr oder weniger vor ihren verbalen Angriffen geschützt und ich bin dir so dankbar dafür gewesen.«
Daran erinnere ich mich noch gut. Jane und die Football-Spieler-Idioten sind totale Blödmänner gewesen. Ich weiß noch, wie sehr ich es damals bereut habe, meinen Mund aufgemacht zu haben, allerdings hat sich das schnell gelegt und mittlerweile bin ich dankbar dafür, denn sonst hätte Shadow vermutlich niemals angefangen, mit mir zu sprechen.
»Und danach ist alles irgendwie so logisch für mich gewesen. Ich genieße die Zeit mit dir und sobald du nicht da bist, scheint alles ein wenig träger zu gehen, was sich zwar verdammt kitschig anhören mag, aber es ist wahr. Ich mag dich Bambi, ich mag dich sehr und auch wenn es mir teilweise Angst macht, dass ich so stark für dich empfinde, ich wäre ein Idiot, wenn ich ignorieren würde, was dein Lächeln mit meinem Herz anstellt. Und weißt du, es ist nicht einmal nur dein Lächeln. Es ist deine gesamte Erscheinung, es ist die Art, wie du mich musterst, wie du mit mir sprichst, wie du mich verstehst.«
Shadow holt tief Luft und auch wenn seine Stimme von seinen Redeschwällen immer kratziger wird, hört er nicht auf zu sprechen, sondern sieht mir nur tief in die Augen, während seine jedes Wort mit einem entschlossenen Funkeln bestätigen.
»Und nach gestern Nacht ist mir ein für alle Mal klar geworden, dass ich etwas anfangen möchte...etwas Ernstes. Mit dir. Weil ich dich mag und du mir wichtig bist und weil ich deine Lippen in aller Öffentlichkeit küssen möchte. Ich möchte deine Arme um mich herum spüren und ich würde am liebsten in jedem Diner dieser Welt tanzen ...solange es mit dir ist. Und dafür ... dafür gibt es eigentlich nur noch eine Frage für mich, Bambi. Möchtest du meine Freundin sein, Hope?«, fragt Shadow.
Seine Augen leuchten und mein Herz flattert aufgeregt in meiner Brust herum. Mein ganzes Körper glüht. Und das nicht nur wegen all der schönen Dinge, die er mir gerade gesagt hat. Mir wird bewusst, wie identisch meine Gefühle für ihn sind und dass ich tatsächlich dasselbe empfinde, auch wenn das in meinen Worten wahrscheinlich komplett anders verpackt wäre. Aber schlussendlich zählt nur, was ich jetzt sagen werde.
»Ja!«, sage ich also, ohne lange herum zu fackeln und bevor dann noch einer von uns etwas sagen kann, schließe ich meine Arme um ihn, weil ich jetzt noch viel glücklicher bin als vorher und das ist ja so schon kaum möglich. Mein Atem an Shadows Hals geht nur stockend und ich bin mir nicht sicher, was sich geändert hat, aber irgendwie spüre ich zu dem gewohnten Knistern, welches zwischen und in der Luft liegt, auch plötzlich ein flattern in meinem Magen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dass das Schmetterlinge sind, die einen Freudentanz aufführen, weil Shadow mich gefragt hat und ich ja gesagt habe und weil mich das total gut fühlen lässt.
»Ja?«, hakt der Prinz nach und schliesst seine Arme ebenfalls um mich herum, was uns in eine ziemlich merkwürdige Position bringt, weil ich halb auf ihm liege und er sitzt, aber das ist mir gerade egal. Was zählt, sind wir. Wir. Shadow und ich. Es gibt tatsächlich ein wir.
»Ja«, antworte ich also erneut und es fühlt sich genauso gut an, wie vorher. Noch nie hat es so gut getan, diese beiden Buchstaben auszusprechen.
»Ich würde dich jetzt wirklich gerne küssen, aber ich glaube, dass da Zwiebel im Essen gewesen sind«, murmelt Shadow in mein Ohr, was nicht nur eine Gänsehaut auf meinem Rücken verbreitet, sondern mich auch zum Lachen bringt.
Ich bin froh, dass er seinen Humor nicht gegen einen ernsten Charakter eingetauscht hat, nur weil wir jetzt offiziell einen Beziehungsstatus haben. Wir sind zusammen und das ist mit Abstand das beste und bereitet mir das heftigste Kribbeln, welches ich jemals gefühlt habe. Doch es ist gleichzeitig auch das schönste Gefühl, welches sich jemals in mein Herz eingenistet hat und einmal mehr muss uch feststellen, dass Shadow mich in absolut kurzer Zeit zur glücklichsten Version meiner selbst machen kann.
Oh ich bin so froh, dass die beiden endlich ein Paar sind! Was habt ihr so von der Art gehalten, wie Shadow Hope gefragt hat?
Ich fand es ja selbst total süß...🤩
Und damit fängt auch schon der Sonntags-Kapitel-Marathon an 🎄! Es ist der vierte Advent und ich wünsche euch allen einen wundervollen Tag und geniesst das Wochenende, trotz all den momentanen Umständen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top