22.

Nach dem ganzen Trubel der Ankündigung will ich eigentlich nur noch in mein Bett. Denn wir sind bereits seit fünf Minuten im Wohnzimmer, während ich angestrengt versuche, herauszufinden, was bei diesem Umzug für wen herausspringt. Und was zur Hölle Mr. Quinn damit zu tun hat.

Irgendwann höre ich mir selbst seufzen, worauf alle Blicke auf mir zu liegen kommen. Ich überlege mir, einfach in die Küche zu gehen und mir etwas zu holen, damit ich wenigstens was mache, aber in letzter Sekunde entscheide ich mich dann doch noch um. Wenn schon alle so aufmerksam sind, kann ich das genauso gut für mich nutzen. Es wird mir jedenfalls nicht schaden.

»Für wann ist das denn geplant?«, will ich wissen, während ich Mom in die Augen blicke. Ich hoffe, dass ich mich nicht zu lange von ihr habe belügen lassen. Und ich hoffe, dass sie das aus meinem Blich lesen kann.

»Noch vor der Hochzeit deines Dads«, sagt sie leise und behaglich, als hätte sie Angst vor mir.

»Er ist nicht mein Dad«, korrigiere ich sie, einfach um das klarzustellen. Zwischen Vater und Dad gibt es nämlich einen gewaltigen Unterschied. Er ist mein Vater und Janes Dad. Oder Daddy.

»Aber zurück zum Thema. Wann heiratet er denn?« Ich benehme mich gaz offensichtlich wie eine Zicke, aber wenn meine Botschaft, dass ich mir ehrlich überlege, ihn einfach rauszuwerfen-, Moment. Hat mich Jane deswegen herumkommandiert? Weil das bald ihr Haus sein wird? Weil sie sich schon an den Gedanken gewöhnt hat, hier ein- und auszugehen und mich einfach auszuschliessen oder zu ihrem Trottel zu machen?

Für einen Moment stockt mir der Atem und ich versuche meine Tränen zurückzuhalten, indem ich Shadow ansehe, der die Angst und Vewirrung, gemischt mit Wut und Entsetzen in meinen Augen sofort sieht, was ihn dazu bringt einen kleinen, unauffälligen Schritt in meine Richtung zu machen, einfach um mir zu zeigen, dass er da ist. Dass ich nicht alleine bin.

»In zwei Monaten«, antwortet Janes Dad und reisst mich somit aus meinen Gedanken, worauf mein Herz sofort doppelt so schnell zu schlagen beginnt. Denn mir wird bewusst, dass ich mich hier in einem manipulativen Alptraum befinde.

Ich habe keine Ahnung, wer damit wie viel Geld macht, aber es geht anscheinend um eine gewaltige Summe, die kompliziert miteinander verzwickt ist, was beängstigender ist, als alles, was ich mir vorstellen könnte, weil meine Vorstellungen niemals der Realität entsprechen würden. Sie sind eben nur Vorstellungen.

»Okay. Wieso sind dann so viele Leute hier, wenn es gar nicht um so viele geht?«

Ich sehe Mom in die Augen, muss jedoch wieder sofort den Blick abwenden, als ich merke, dass die Antwort auf diese Frage mir wahrscheinlich genauso viel helfen wird, wie alle anderen zuvor.

»Weil ich nicht möchte, dass wir immer alles an die letzte Stelle schieben. Das Leben wird nicht einfacher, wenn wir Stress haben. Sie können uns dabei helfen. Mr. Quinn kann uns helfen, eine passende Wohnung zu finden und-«

»Sie können uns dabei helfen unsere Sachen zu packen und möglichst schnell aus diesem Haus zu verschwinden?«, beende ich ihren Satz, indem ich abwechselnd auf Jane, ihre Mutter und meinen Vater deute.

»Was auch immer deine richtigen Beweggründe sind, Mom, vielleicht wäre es einmal an der Zeit, die Wahrheit ans Licht zu bringen und mir nicht immer nur diese dummen Halbwahrheiten aufzutischen«, sage ich, während der Schock von meiner vorherigen Frage noch auf sie wirkt.

Dann drehe ich mich um und gehe in mein Zimmer hoch, zwei Treppenstufen auf einmal nehmend. In mir brennt die Enttäuschung, zusammen mit Frust und Traurigkeit. Dieses Haus ist das einzige gewesen, was mich auf den Beinen gehalten hat. Es ist gefühlte Ewigkeiten lang mein Rückzugsort gewesen. Und ich fühle mich, als würde mir dieser einfach so entrissen.

Ich habe fast schon Angst, mir Gedanken um meine und Moms Zukunft zu machen. Denn bisher haben wir beide nicht sehr viel von meinem Vater profitiert. Das Einzige, das ich von ihm gehabt hatte, war ein Zuhause. Das hier. Und jetzt ist er plötzlich wieder da und will es für seine nächste Familie haben.

Wenn es gut läuft, verlässt er sie nicht sofort wieder, so wie er es mit Mom und mir getan hat. Denn, wie gemein sie auch sein mag, Jane hat das nicht verdient. Doch ihr Dad ist genau das, wovor man sich am meisten fürchten muss. Ein Charmeur zu seinen eigenen Gunsten.

Jemand der über Leichen gehen würde, um sein Ziel zu erreichen. Jemand, der sich selbst allen anderen vorzieht, und das alles für seine kranken Spielchen. Alles für seine kranke Welt. Alles für sein krankes Ich. Ich wünschte, es wäre nicht so, doch das ist nicht der Fall. Und genauso wie ich die nagende Angst um meine Knochen spüre, spüre ich auch all den Schmerz, der sich durch mein Blut bis in die Fingerspitzen verbreitet.

Es ist wie ein kahler Schlag, eine Hand, die aus dem Nichts nach mir greift und mir bewusst macht, dass meine Mom ganz offensichtlich noch immer so vernarrt in meinen Vater ist. In den Idioten, der uns alles verdorben hat. Und ich wünschte, dem wäre nicht so. Denn vielleicht würde sie sich dann nicht so von ihm herumkommandieren lassen.

Vielleicht würde sie dann endlich begreifen, was er ihr eigentlich angetan hat. Ich fühle mich, als würde ich erst jetzt bemerken, woher ihre Wut die ganzen Jahre eigentlich herkommt. Es ist die Liebe zu ihm gewesen, die seinerseits niemals gereicht hätte, um bei ihr zu bleiben. Um bei seinem Kind zu bleiben.

Ich schließe die Tür hinter mir ab, ehe ich mich an ihr zu Boden gleiten lasse. Ich versuche die Tränen zu unterdrücken, die in mir hochkommen. Ich wünschte, dass mir das alles egal wäre. Dass mir mein Dad egal wäre. Dass mir dieses Haus egal wäre. Doch je mehr und verbitterter ich es versuche, desto schlimmer wird es.

Ich wünschte, ich könnte vergessen, dass Mom und ich die zweite Wahl von Dad sind und sich daran so schnell auch nichts ändern wird, doch dann fällt mir wieder auf, wie er und Jane und ihre Mom miteinander umgehen.

Als wären sie eine Familie.

Das Schlimmste dabei ist, dass sie sich damit so wichtig machen wollen. Ich meine, nach all dem, was Jane mit ihrem Vater gehabt hat, nach all ihren Problemen, gönne ich es ihr ja, dass es endlich jemanden gibt, der sich um sie und ihre Mom kümmert. Doch ich habe die Befürchtung, dass das nicht ewig anhält. Ausserdem muss ich mir ja nicht ansehen, wie jemand, der keine Lust auf Kinder hat so plötzlich wieder Lust auf welche hätte. Sich plötzlich wieder für welche interessiert.

Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und versuche mir dabei meinen Kopf nicht mehr all zu sehr zu zerbrechen. Ich versuche mir einzureden, dass ich stark genug bin, um das alles auszuhalten. Es ist ja kein grosses Ding.

Ich muss einfach meine gesamte Vergangenheit aus meinem Kopf bekommen.

Übersetzt heisst das, dass ich eine Runde Basketball gut vertragen könnte. Ich will auf einem Feld stehen und mir meinen Kopf nicht zerbrechen müssen. Ich will einfach nur Ruhe. Ruhe von meinen Gedanken und dem Chaos, das ich noch immer nicht so ganz verstehe.

Doch noch bevor ich einen Plan schmieden kann, wie ich am besten unbemerkt verschwinden soll, gibt mein Handy diesen vibrierenden Laut von sich, der mir zeigt, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Ich seufze, nehme es allerdings trotzdem zur Hand.

Ist das deine Art, zu zeigen, dass du rebellierst? Du schliesst dich in deinem Zimmer ein und schmiedest Pläne? Ziemlich angsteinflössend kommst du mir nicht vor...vielleicht bist du aber auch einfach nicht so gut darin, wie ich. ~Shadow

Ich lächle, weil ich aus seiner Nachricht die Sorge praktisch heraushören kann, er sie aber nicht ansprechen will, weil er nicht möchte, dass ich ihn ignoriere.

Das schreit nach Nachhilfe-Bedarf. Komm nach draussen vor mein Fenster. Sag du brauchst Luft.

Ich tippe die Worte schneller, als mein Verstand mitmacht, aber ich bin mir sicher, dass Shadow mitkommen wird. Einfach weil er so ein toller Mensch ist und mich wahrscheinlich nicht einfach so links liegen lassen würde.

Was plant Hope da wohl mit Shadow 🤔☺️? Hehehe, ihr werdet es gleich im nächsten Kapitel erfahren, also viel Spass beim Lesen 📚🥳😍...

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