19.

Auf den ersten Blick scheint alles normal zu sein. Im Haus brennt Licht, einige Vorhänge unten sind zugezogen und auf den Pflanzen vor dem Haus kann man Wassertropfen erkennen, also hat meine Mutter die Blumen gegossen.

Tja, nur weiss ich eben zu gut, dass der Schein trügt. Und dass meine Mom im Moment richtig wütend ist. Obwohl sie es gewesen ist, die mich weggeschickt hat. Mehr kann ich da auch nicht sagen.

Das erste Zeichen, das mich wissen lässt, ist, dass ich meine Mutter höre. Und sie ist nicht alleine. Irgendjemand ist bei ihr und es hört sich nach einem Mann an, doch ihre Stimmen sind zu weit weg, als dass ich sie hören könnte. Und das macht mir Sorgen. Sonst kann man sie immer hören, egal mit wem sie sich unterhält, selbst wenn es der Postbote ist, den sie nun echt nicht persönlich kennt. Sie hat es eben mit herzlichen, lautstarken Unterhaltungen.

»Mom?«, rufe ich also durch das Haus, in der Hoffnung, mein Leben dabei nicht zu riskieren.

»Ah, da bist du ja Hope!«, ruft sie begeistert, als sie mich erblickt. In ihrem Blick ist Freude zu lesen, und wenn sie nicht so komisch angezogen wäre, hätte ich es ihr vielleicht sogar geglaubt.

Sie trägt einen knallpinken Faltenrock, eine weisse Bluse, dazu grellorange Pumps und Schmuck derselben Farbe. Und das ist nur wirklich nicht ihr Stil. Sie zieht sich sonst nie so an.

»Was ist hier los?«, will ich wissen, während ich meinen Blick misstrauisch über sie schweifen lasse. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht, und das ist sehr beunruhigend.

»Was sollte schon los sein? Wir haben Gäste!«

Wir?

»Mom«, sage ich ruhig und schliesse meine Finger um ihren Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Es ist schön zu sehen, dass es ihr gut geht, aber im Moment ist es einfach nur komisch.

»Was ist denn noch?! Man lässt seine Gäste nicht einfach so warten!«

Und zum ersten Mal, seit ich sie heute gesehen habe, kann ich sehen, wie Wut ihre Augen durchblitzt. Das ist definitiv besser, als wenn sie ihre Gefühle zu unterdrücken versucht. Sobist sie wenigstens ehrlich.

»Wer ist denn überhaupt da?«, frage ich verwirrt. Also ich kann nicht sagen, sie hätte mir nichts von Gästen erzählt, weil ich gestern ja praktisch nicht Zuhause gewesen bin, und sie es mir vielleicht gesagt hätte. Zumindest rede ich mir das ein.

»Das wüsstest du, wenn du nicht so verklemmt wärst und endlich ins Wohnzimmer kommen würdest.«

Als sie mich schliesslich alleine im Gang stehen lässt, werde ich nur noch skeptischer. Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?

Okay Hope, spreche ich mir selbst zu. Ich bleibe höflich. Was auch immer mich erwarten mag. Sobald ich das Wohnzimmer betrete, bereue ich das allerdings schon wieder.

»Jane?«, sage ich, als mir bewusst wird, dass sie wahrscheinlich für irgendetwas Rache sucht. Himmel, was ist denn ihr Problem?! In mein Haus einzugehen ist echt nicht das Coolste, was man machen könnte.

»Daddy, du hast mir nicht gesagt, dass Hope da sein würde, allerdings weiss ich jetzt, wieso mir der Nachname so bekannt vorgekommen ist. Hope Adams und ich sind schliesslich Freundinnen.«

Gewesen, was nun allerdings zu Ende ist, will ich schnell hinzufügen, jedoch beisse ich mir auf die Zunge und schlucke den bösen Kommentar herunter. Wenn ich endlich weiss, was hier los ist, kann ich das auch noch verwenden. Und ihr das komische Grinsen mit Moms hässlichen Pumps aus dem Gesicht schlagen.

»Was ist das überhaupt für ein Treffen, Mom?«, will ich wissen. Denn anscheinend bin ich die Einzige, die diese Situation abscheulich findet. Jane ist in meinem Zuhause, sie sitzt sogar in meinem Wohnzimmer. Sie ist einfach ein verdammter Feigling, eine Bazille.

»Moment, du wusstest das nicht?«, fragt Jane und sieht dabei so verwirrt aus, wie ich mich fühle, nur hat sie einen klaren Vorteil. Sie weiss nämlich, was hier vorgeht. Und sie ist eine verdammt gute Schauspielerin.

»Was wusste ich nicht?!«

Ich sehe durch die Runde. Der Fremde, Jane und meine Mom. Was haben diese Leute bitte gemeinsam, vondem ich nichts weiss? Sie verheimlichen mir etwas.

»Hope, es tut mir so wahnsinnig Leid«, sagt Jane, während sie ihren Dadddy gekränkt ansieht. Sie erhebt sich langsam, anscheinend ist sie bereit, zu gehen, und sich aus dem Fadenkreuz zu ziehen. So wie es für sie eben am einfachsten ist.

»Du sagst mir jetzt, was hier los ist Jane. Vorher geht hier keiner.«

Mit einem warnenden Blick verdeutliche ich meine Worte, während sich Jane wieder auf die Couch fallen lässt. Bloss dass ihr diesmal alle Farbe aus dem Gesicht gewichen ist. Sie sieht tatsächlich aus, als würde sie sich bald übergeben müssen. Aha.

»Hope, ich bin hier, um dich und deine Mom zu meiner Hochzeit einzuladen«, öffnet der unbekannte Typ seinen Mund schliesslich. Also ist ihm die Lehre der Sprache doch nicht verwehrt worden. Gut zu wissen.

Nur verwirren mich seine Worte. Wieso sollte er uns zu seiner Hochzeit einladen wollen? Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen und er gehört nicht zur Familie. Ausserdem bin ich ja nicht mit Jane befreundet oder so, auch wenn sie was anderes behauptet.

»Und was haben Mom und ich damit zu tun?«, frage ich schroffer, als ich es eigentlich beabsichtige. Denn ich habe immer noch so ein Gefühl. Und es sagt mir nichts Gutes. Denn die mitleideigen Blicke, die mir Jane zuwirft, machen die ganze Situation nicht besser.

»Ich werde Janes Mom heiraten«, fährt er fort, worauf wir alle einmal zuerst zusammzucken. Ich schätze, jeder hat seinen eigenen Gedanken hinterhergejagt.

Einmal mehr muss ich mir auf die Zunge beissen, um nicht unhöflich zu werden, denn es fällt mir im Moment echt verdammt schwer. Kann er nicht einfach sagen, was er denkt?

Es ist ja schön und gut, dass Jane endlich wieder einen Dad hat, nachdem ihr eigener ein verdammtes Arschloch gewesen ist. Also ihr Dad ist nicht tot, sondern in einer Entzugsklinik, so weit ich weiss. Er hat schon, als wir noch befreundet gewesen sind, Probleme mit dem Alkohol gehabt, und damals hatten Janes Mom und er bereits Probleme.

Später, während es dann schlimmer wurde, haben sie sich getrennt und schliesslich soll er beim Autofahren mit Alkohol im Blut erwischt worden sein. In der Woche kam Jane nicht zur Schule. Ich weiß noch genau, wie sehr sie das fertig gemacht hat. Doch als sie wieder dagewesen ist, hat man nichts mehr davon gemerkt, einmal abgesehen davon, dass ihr ein weiterer Teil ihres Herzens genommen worden ist. Tja, sie ist noch schlimmer gewesen als sonst.

»Jane ist ja die Tochter der Frau, die ich heiraten werde.«

Ich richte meinen Blick wieder auf den unbekannten Eindringling, also den Typen, der Janes neuer Dad ist. Zumindest nennt sie ihn so.

Jedenfalls geht es mir mächtig auf die Nerven, dass der Typ nicht einfach direkt aussprechen kann, wieso er seine Zeit hier totschlägt. Ich meine, was ist da schon dabei?

»Und du...«, einen Moment lang stockt er. Seine Augen durchbohren mich. Ich habe das Gefühl, die Luft anhalten zu müssen. Denn plötzlich hüllt mich so ein Unwohl ein, dass ich mich kaum noch bewege.

»Du und deine Mutter, wir haben uns früher sehr gut gekannt. Ich glaube nicht, dass du dich da noch daran erinnerst.«

Tja, das glaube ich auch nicht. Aber das hilft mir im Moment echt nicht weiter. Schliesslich kann ich mich an diese Zeiten nicht erinnern, genauso wie er das gut erkannt hat.

»Deine Mutter und ich waren verheiratet. Und wir haben ein Kind. Du bist meine Tochter, Hope.«

Ich schätze, das ist der Moment, indem mir endlich klar wird, was hier eigentlich los ist.

Vor mir sitzt mein Vater. Und Jane ist auf dem besten Weg, seine neue Tochter zu werden.

Wie wird das Szenario wohl ausgehen? Und was haltet ihr von Hopes Vater?

Lasst es mich in den Kommentaren wissen und dann lesen wir uns morgen wieder ☺️🌲!

(Was mögt ihr eigentlich lieber; Puderzucker🧁 oder Schokoglasuren 🍫 auf einem Kuchen?)

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