Die Schlange

Liebe Leserfreunde,

ich habe nicht damit gerechnet, dass ich wirklich auf das Datum der Antwort-Email festgenagelt werde. Also das Datum passt jetzt nicht ganz zum aktuellen Datum :) Das nächste Mal achte ich besser darauf.

Viel Spaß



Büro Ana — vier Tage später


Heute ist der fünfte Tag nach meiner E-Mail an Christian und es ist auch die fünfte Nacht, in der ich sehr schlecht geschlafen habe.

Hibbelig sitze ich an meinem Schreibtisch und tippe mit dem Ende meines Stiftes gegen meine Unterlippe. Ich überlege fieberhaft, ob ich doch etwas übersehen habe, was mich hätte verraten können. Dieser Gedanke quält mich, seitdem ich auf Senden gedrückt habe und lässt mich keine Minute mehr los.


Selbst mein geliebter Job kann mich nicht ablenken. Das liegt aber auch daran, dass ich drei Anträge ablehnen musste. Ich habe Alles versucht, habe bei der Klinikleitung vorgesprochen und vorgeschlagen, dass wir aus einem Zweitbettzimmer ein Dreibettzimmer machen. Aber es half nichts. Die Zimmer sind einfach zu klein für drei Betten und die Patientinnen brauchen Ruhe und einen Platz, an den sie sich zurückziehen können. Also habe ich die Anträge schweren Herzen abgelehnt und auf andere Einrichtungen verwiesen. 


Und so vergehen die Tage schleppend langsam. Ich benehme mich wie ein aufgescheuchtes Huhn, flattere umher und kann mich weder auf Besprechungen noch auf wichtige Telefonate konzentrieren. Bei jedem Bing, das wieder eine E-Mail ankündigt, renne ich zum Rechner und sehe nach, ob die Investitionsfreigabe endlich eingetroffen ist. Aber meistens sind es nur unwichtige Nachrichten oder Spams.

Mir ist schon bewusst, dass diese Millionensumme nicht innerhalb von zwei Tagen durchgewunken wird. Aber alle, auch Dr. Harrison haben mir versichert, dass Christian so viel an diesem Verein liegt und er sich bei solchen Projekten meist sehr zeitnah zurückmeldet. Aber was heißt schon zeitnah. Ein sehr dehnbarer Begriff.

Ich habe einfach angenommen, dass ich die Bewilligung schon früher in den Händen halte. Und so langsam bekomme ich auch Zweifel, ob er die Investition überhaupt genehmigen wird. Vielleicht ist die Summe zu hoch oder vielleicht findet er es auch anmaßend, dass eine kleine Angestellte und nicht die Klinikleitung den Antrag eingereicht hat. Ach wer weiß. Ich muss einfach abwarten.

Was ich allerdings mache, wenn der Antrag wirklich nicht durchgeht, weiß ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen damit leben zu können, jede Woche mehrere Anträge abzulehnen. In diesem Fall, würde ich mir einen neuen Job suchen müssen, auch wenn mir diese Entscheidung sehr schwer fallen würde.

Ich seufze und versuche mich auf die Formulare, die sich mittlerweile auf meinem Schreibtisch türmen, zu konzentrieren.


Wenigstens gibt es einen Lichtblick. José ist in London und ich werde ihn endlich wiedersehen. Die Galerie, die Josés Bilder hier in London verkauft, eröffnet heute seine Ausstellung. Spätestens um 16:00 Uhr werde ich hier verschwinden und zur Galerie fahren. Eine Flasche Sekt habe ich schon im Auto und ein passendes Kleid hängt hier im Schrank.


Ich freue mich so sehr darauf ihn wieder zu sehen. Ob er sich sehr verändert hat? Es sind immerhin über drei Jahre vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Auf den Bildern, die ich gestern von ihm im Internet gefunden habe, die ihn während einiger Galerieeröffnungen zeigen, sah er so erwachsen und ernst aus. In den dunklen Anzügen, wirkte er auf mich fast ein wenig fremd. Das jungenhafte, verspielte, was ich immer so an ihm geliebt habe, ist verschwunden. Ich frage mich, warum er mir eigentlich nie selbst einen Brief über Kate geschickt hat? Schon komisch, wenn man bedenkt, wie verliebt er damals in mich war. Aber, dass soll meine Vorfreude nicht trüben. Nun muss ich nur noch diesen miesen Tag überstehen, dann kann José mir meine Fragen selbst beantworten.


Irgendwie schaffe ich es doch mich einigen Anfragen zu widmen. Schließlich bin ich nicht der Mittelpunkt der Welt und es gibt Menschen, die auf meine Unterstützung zählen.


Als ein erneutes Bing ertönt, hebe ich den Kopf aus den Akten und blicke erwartungsvoll auf den Bildschirm. Ich habe auf diese E-Mail gewartet, aber als ich jetzt den Absender sehe, ziehe ich vor Schreck die Luft scharf ein. Mit zittrigen Fingern öffne ich die Nachricht und versuche den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat herunterzuwürgen.


Von: Christian Grey

Betreff: Entscheidung Kostenübernahme — Erweiterung Klinikum London

Datum: 13.04.2015

An: Kathrin Morgan


Sehr geehrte Miss Morgan,


vielen Dank für Ihre freundliche E-Mail und den Investitionsantrag vom 08.04.2015.


Sie müssen verstehen, dass ich mich gewundert habe, dass eine Sozialarbeiterin, die eigentlich für die Betreuung von Familien verantwortlich ist, den Investitionsantrag gestellt hat.


Bei der von Ihnen beantragten Summe, wollte ich mich natürlich rückversichern und habe gestern mit Dr. Harrison telefoniert. Jetzt kann ich sein Vorgehen verstehen und vollkommen nachvollziehen. Ich glaube, ich muss Ihnen  nicht wiedergeben, wie sehr Dr. Harrison hinter diesem Projekt steht. Er sprach Ihnen sein absolutes Vertrauen aus und versicherte mir, dass er sich keine andere Mitarbeiterin vorstellen kann, die dieses Projekt mit so viel Engagement weiterführen wird.


Bei so viel Entschlossenheit möchte ich natürlich nicht im Weg stehen. Ich freue mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich die Investition in voller Höhe genehmige. Die weitere Verfahrensweise der Ausschüttungen, klären Sie bitte über die Finanzabteilung. Meine Assistentin wird Ihnen in Kürze die Kontakte zusenden.


Ich hoffe, meine Nachricht erreicht Sie noch rechtzeitig? Nach Ihrem Zeitplan, haben sie mir, für die 8.000.000 Pfund Entscheidung, ja sogar eine ganze Woche Entscheidungsspielraum zugestanden. Welch großzügige Geste.


Bitte halten Sie mich über den Baufortschritt auf dem Laufenden.


CHRISTIAN GREY

CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.



Habe ich jetzt richtig gelesen? Hat Christian die Millionen wirklich genehmigt? Laut kreischend springe ich auf und hüpfe ausgelassen in meinem Büro von links nach rechts. Die Tür wird aufgerissen und Thomas stürzt mit weit aufgerissenen Augen herein. „Ist etwas passiert?", fragt er panisch und blickt sich suchend in meinem Büro um. Ich springe zu ihm, schlinge meine Hände um seinen Hals und tanze mit ihm im Kreis. Thomas legt seine Hände auf meine Hüften und lässt sich von mir mitziehen. „Nein..., ja.... Christian hat die Investition genehmigt. Es kann jetzt endlich losgehen.", juchze ich und drehe mich weiter. Thomas sieht mich verwundert an. „Christian?", fragt er stutzig und zieht mich etwas näher zu sich. „Ähm, Mr. Grey.", verbessere ich mich schnell grinse frech. Ich bin völlig aus dem Häuschen, werfe meinen Kopf in den Nacken und quietsche vor Freude. So geht es noch eine Weile weiter, bis ich vollkommen aus der Puste bin. Schwer atmend lasse ich meinen Kopf auf Thomas Brust sinken und meine Arme schlaff auf seinen Schultern liegen. Thomas zieht mich noch enger an sich und bettet sein Kinn auf meinem Kopf. Ich erstarre augenblicklich, denn Thomas hat mein Verhalten völlig falsch interpretiert.

„Kathrin", haucht er mir ins Ohr und drückt seine Hüfte an mich. Er ist erregt.

„Nicht Thomas", wispere ich. „Ich glaube das ist keine gute Idee." Vorsichtig lege ich meine Hände auf seine Brust und schiebe ihn behutsam von mir. „Es tut  mir leid.", murmle ich und kaue betreten auf meiner Unterlippe.

Thomas lässt seine Arme resigniert sinken und sieht mich verzweifelt an. Dann schüttelt er traurig den Kopf und verlässt mit hängenden Schultern mein Büro.


Meine eben noch verspürte Euphorie ist verschwunden. Ich stehe tiefgefroren in meinem Büro und starre auf die geschlossene Tür. „Ach Ana", stöhne ich. „Was hast du da nur wieder angerichtet?" Enttäuscht lasse ich mich auf meinen Stuhl sinken und denke über Thomas und das eben Geschehene nach. Wie konnte das nur passieren? Habe ich mich so in seinen Gefühlen für mich getäuscht? Es war doch immer nur ein Spiel zwischen uns. Soll ich mich so geirrt haben? Liegt Thomas doch mehr an mir, als ich angenommen habe und er hat es die ganze Zeit nur überspielt? Für meine Unbesonnenheit könnte ich mich ohrfeigen. Thomas ist ein so sehr schöner Mann und offensichtlich mag er mich mehr als nur als Freundin und Kollegin. Auch mein Sohn mag ihn. Es könnte alle so perfekt sein, wenn ich nur mein Herz für eine neue Liebe öffnen könnte.


Wütend auf Christin und die ganze Welt, lese ich mir seine E-Mail noch einmal durch. Dem letzten Absatz habe ich beim ersten Mal Lesen keine große Beachtung geschenkt. Aber jetzt bringen mich seine Zeilen innerlich zum Kochen. Der Sarkasmus trieft ja nur so zwischen den Zeilen. Was stellt er sich denn so an? Sicherlich ist das eine große Summe, aber er gibt ja selbst zu, dass der Verein ihm wichtig ist. Dann ist, meiner Meinung nach, ein Zeitraum von einer Woche doch wohl vollkommen in Ordnung!


Ohne nachzudenken, antworte ich auf die E-Mail. Die Konsequenzen sind mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich habe Thomas verletzt, verliere ihn vielleicht als Freund. Diese Aussicht macht mich wütend und traurig, denn ich habe nicht viele Freunde und Thomas ist mir sehr wichtig. Ich muss unbedingt mit ihm reden und es wieder gerade biegen. Ich hoffe, er kann meine Zurückweisung verstehen und mir verzeihen. Sollte er sich dennoch von mir abwenden, wäre ich am Boden zerstört. „Und an diesem ganzen Dilemma ist nur dieser Christian Grey schuld! Mist!", fluche ich vor mich hin und hau in Tasten.


Auf ein Korrekturlesen verzichte ich dieses Mal. Sollte Mr. Grey Fehler finden, kann er sie gerne behalten. ... „So... >>Mit freundlichen Grüßen, Kathrin Morgan<< und SENDEN!" Das ist erledigt und ich fühle mich ein wenig besser.


Es ist schon fast 16:00 Uhr, als ich die E-Mail endlich raus ist. Ich flitze schnell ins Bad und mache mich frisch. Dann schlüpfe ich in das mitgebrachte Kleid, kämme mir meine Haare und drehe einige Runden mit der Wimperspirale. Dann kann losgehen. Ab zu José!


Auf dem Weg zum Gebäude der Galerie, bekomme ich langsam weiche Knie. So langsam bin ich mir nicht mehr so sicher, dass ich in die Galerie gehen sollte. Was ist wenn er mich nicht hier haben will? Vielleicht erkennt José mich nicht einmal. Ich bin drauf und dran umzukehren, gebe mir dann aber einen Ruck, gehe noch einen Schritt weiter, bis die automatische Tür aufgeht und ich die Galerie betreten kann.

Ich bin wohl ein bisschen zu früh. Die nette Dame am Eingang teilt mir mit, dass die Eröffnung offiziell erst um 17:00 Uhr beginnt, ich mich aber schon umsehen kann. Das mache ich nur zu gern. So kann ich mich ein wenig akklimatisieren und mir in aller Ruhe Josés Bilder ansehen.


Ich schlendere von einem Bild zum anderen und staune über die Entwicklung, die Josés Bilder in den letzten Jahren gemacht haben. Wenn ich ehrlich bin, konnte ich in seinen früheren Aufnahmen nie so richtig erkennen, was daran so Besonders sein soll. Jetzt ist mir der Unterschied allerdings bewusst.


José hat ein wahnsinnig tolles Auge für den Moment. Er fängt Personen in einem Augenblick ein, die dem Betrachter eine starke Intimität vermitteln. Ich komme mir vor, als wenn ich eine Szene hereinplatze, an der meine Person nichts zu suchen hat. Vollkommen begeistert schaue ich mir jedes Bild genau an, versuche mich in die einzelnen Personen, die José fotografiert hat, hinein zu versetzen. Ich kann das Glück, die Langeweile und auch das Leid förmlich fühlen und erschauere über so viel eingefangene Emotionen. Ich bin hingerissen.


Ich gehe weiter in den nächsten Raum und bleibe wie versteinert mitten im Gehen stehen. Mein Blick verschwimmt, als sich Tränen in meinen Augen sammeln. In diesem Raum sind nur drei Bilder ausgestellt. Bilder einer jungen Frau, die dem Fotografen ein verschmitztes Lachen zuwirft. Sie sieht sehr ausgelassen aus. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man glatt denken, dass die junge Frau in den Fotografen verliebt ist. Aber ich weiß es besser. Zu diesem Zeitpunkt, als die Fotos aufgenommen wurden, war die Frau durchaus verliebt aber nicht in den Fotografen. An den Tag, an dem die Aufnahmen entstanden sind, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es war der glücklichste Tag meines Lebens. Christin hatte in der Nacht davor zum ersten Mal mit mir geschlafen. Ich war so glücklich und eilte mit dem strahlendsten Lächeln zu meiner Verabredung mit José. Wir waren im Park und haben herumgealbert. José hat mir die ganze Zeit die Kamera vor die Nase gehalten und geschätzte einhundert Bilder von mir aufgenommen. Bei diesen Erinnerungen muss ich lächeln. Leise ziehe ich meine Nase hoch, wische mir die Tränen von der Wange und gehe vorsichtig näher, um den Titel der Bilder lesen zu können.


>> Ana im Glück <<

(Zur Verfügung gestellt von Christian Grey)


Verwundert ziehe ich die Augenbrauen hoch und trete einen Schritt zurück. Wieso gehören Christian diese Bilder?


„Normalerweise hängen sie in seinem Haus in Seattle."


Vor Schreck fahre ich zusammen und lege eine Hand auf mein pochendes Herz. „José!", kreische ich und schmeiße mich ihm an den Hals. José lacht überrumpelt auf und taumelt mit mir gegen eine Wand. Dann zieht er mich fest in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. „Meine kleine Ana.", murmelt er und drück mich noch inniger.


„Luft", stöhne ich. José lockert immer noch lachend seinen Griff, hält mich aber mit beiden Händen an den Schultern fest und betrachtet mich von oben bis unten. Er grinst schelmisch.

„Du bist noch schöner geworden."

„Du auch", erwidere ich und sehe ihn mit großen Augen an. José sieht wirklich umwerfend aus. Er trägt heute keine Anzug, sondern eine ausgewaschene Jeans, ein weißes T-Shirt und Sneakers. So kenne ich ihn. Da ist nichts Fremdes zwischen uns. Das hier ist mein José. Ich schmiege mich wieder an ihn und vergrabe mein Gesicht in seinem T-Shirt. Es fühlt sich so gut an, von ihm gehalten zu werden.

„Ich habe dich so sehr vermisst, José.", gestehe ich ihm und schlinge meine Arme um ihn.

„Ich dich auch Kleine, obwohl mit dunkeln Haaren hast du mir besser gefallen. Sie stehen dir einfach besser. Schau dir die Bilder an, dann weißt du was ich meine."

Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass er Recht hat. Ich nicke zustimmend, hebe meinen Kopf und betrachte sein schönes Gesicht. Der Junge ist verschwunden und hat einem Mann Platz gemacht, der sich seiner Wirkung auf das weibliche Geschlecht durchaus bewusst ist. José lächelt wissend und küsst mich auf die Nasenspitze.

„Komm, wir verschwinden.", sagt er auf einmal, greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich.

„Aber die Eröffnung!", protestiere ich.

„Scheiß drauf! Ich will meine Zeit mit dir verbringen. Ich habe dich so vermisst, Ana.". Mit großen Schritten marschiert José auf eine Tür am Ende der Galerie zu. Ich nehme mal an, dass es die Hintertür ist. Er lässt mich kurz los, kramt in seiner Jeans nach einem Schlüssel und lächelt mich an, als er ihn mir vor die Nase hält.


Aber weiter kommen wir nicht. Eine große Frau bleibt einige Meter von uns entfernt stehen. Zuerst beachte ich sie nicht, da ich so auf Josés Versuche, die Tür zu öffnen konzentriert bin und schon selbst mit handanlegen will, weil er sich so dusselig anstellt.


„Hallo Ana.", spricht sie mich auf einmal an und ich spüre, wie José neben mir erstarrt. Angespannt drehe ich mich zu ihr um und mustere die mir fremde Frau. Auch nach mehrmaligem Nachdenken, bin ich mir sicher, sie noch nie gesehen zu haben.

„Hallo", antworte ich verhalten und frage mich immer wieder, wer sie ist und woher sie weiß, wer ich bin?

„Geh und lass sie in Ruhe! Was machst du überhaupt hier? Ich habe dir doch gesagt, dass ich alleine nach London fliege!", faucht José auf einmal neben mir und schiebt mich ruckartig hinter sich. Die Frau lacht laut auf und zeigt mit dem Finger auf mich.

„Ach José, nun hab dich doch nicht so. Die liebe Ana kann doch ruhig wissen, dass wir Spaß zusammen haben. Und hast du wirklich geglaubt, dass ich dich hier alleine lasse, mit ihr?", säuselt die Frau und haucht José einen Luftkuss zu. „Du liebst sie immer noch oder José? Du bist ein Narr! Sie hat dich nie geliebt. Schon vor drei Jahren hast du nicht begriffen, für wen ihr Herz schlägt."

„Elena, verschwinde von hier, sofort!", wiederholt José. Dieses Mal ist er aber kurz davor die Frau zu packen.

„José?", frage ich vorsichtig. Ich bin durcheinander. Den Namen Elena habe ich im Zusammenhang mit José schon einmal von Kate gehört. Ist sie etwa seine Freundin? Aber warum benimmt José sich dann so abweisend?

„Und was ist wenn ich nicht verschwinde? Willst du Ana dann erzählen, dass die böse Elena Lincoln eine rachsüchtige und durchtriebene Frau ist, die dafür gesorgt hat, dass ihre Freunde sie verraten und dafür verantwortlich sind, dass sie nicht mehr zurück nach Seattle kommt? Willst du ihr das erzählen, José?" Die Frau sieht José mit hochgezogenen Augenbrauen an. José weicht ihrem Blick nicht aus.

„Ja, ich werde Ana Alles erzählen, Alles hörst du? Das muss endlich ein Ende haben! Ich lass mich nicht länger von dir erpressen", spuckt José ihr entgegen.

„Genau das habe ich mir gedacht. Schon als gehört habe, dass du in London deine Bilder ausstellten wirst, war mir klar, dass du auch Ana aufsuchen wirst. Und rede nicht von Erpressung. Das ist so ein unschönes Wort. Wir haben doch beide unseren Spaß oder? Ich rate dir, reize mich nicht oder willst du schon morgen deine Bildchen in der Tagespresse wiederfinden?"


Wie angewurzelt verfolge ich den Streit der Beiden und lasse mir die Worte dieser Frau durch den Kopf gehen. So langsam wird mir Einiges klar und der Gedanke gefällt mir überhaupt nicht. Ich zähle ein plus eins zusammen und platze vor Wut. Die Frau, die ich noch nie im Leben gesehen habe, aber aus tiefstem Herzen hasse:

„ELENA LINCOLN!", schleudere ich ihr angewidert entgegen.

„Na also. Das hat aber gedauert Schätzchen. Christian hat früher immer so geschwärmt, dass du ein so kluges Köpfchen bist. Davon ist aber nicht mehr so viel zu merken. Da du nun weißt wer ich bin, kann ich dir auch erzählen, warum ich hier bin. Ich bin gekommen, um dich zu warnen! Christian gehört mir und solltest du auch nur versuchen mit ihm Kontakt aufzunehmen, wirst du das bitter bereuen. Zuerst werde ich José zerstören. Lass dir unser Arrangement am besten von ihm selbst schildern. Und dann deine kleine Freundin Kate. Du musst wissen, dass Kate und ich seit drei Jahren richtig gute Freundinnen sind. Es war ein wenig schwer ihr Vertrauen zu gewinnen, aber als ich ihr endlich klar machen konnte, dass ich um dein Wohl besorgt bin, lag sie mir zu Füßen, dass dumme Ding." Elena lacht laut auf und schaut mich von oben herab an. „Kate vor Augen zu führen, dass Christian der große, böse Wolf ist, der dich mit Haut und Haaren sofort verschlingt, solltest du nach Seattle zurückkommen, war wirklich nicht schwer. Sie kannte ja schon einige von Christians Vorlieben und da brauchte es von meiner Seite nicht mehr viel, damit sie dich unbewusst von Seattle und von Christian fernhielt. Oder hat sie dir irgendwann während der letzten drei Jahre erzählt, wie schlecht es Christian ergangen ist, nach dem du ihn verlassen hast? Der arme Junge war am Boden zerstört, als er dich nicht finden konnte. Er hat nichts mehr gegessen, nicht geschlafen und hat sich nicht um seine Geschäfte gekümmert. Er ist einfach abgetaucht in seinem Kummer und war nicht mehr in der Lage, die Trauer zu überwinden. Ich glaube, er hat dich wirklich geliebt und hätte selbst sein Leben für dich gegeben. In dieser schlimmen Zeit hat er sich an mich gewandt, seine liebe Freundin Elena. Ich war es, die die ganze Zeit an seiner Seite war, die ihn getröstet und aus seinem tiefen Loch herausgeholt hat. Und glaube mir, dafür liebt er mich heute. Wir stehen uns wieder sehr nahe und haben den Sex unseres Lebens. Er hat dich vergessen und kann endlich wieder Spaß haben. Und damit das auch in Zukunft so bleibt, appelliere ich noch einmal an deine Vernunft, halte dich von Christian fern oder du und deine Freunde werden es bereuen. Und wenn das nicht hilft, gibt es da ja noch einen jungen Mann, der bestimmt nicht will, dass seiner Mummy etwas zustößt, oder?"


Bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann, springe ich zu ihr, werfe mich mit ihr zu Boden und begrabe sie unter mir. Dann packe ich sie an den Haaren, reiße ihren Kopf hoch und zwinge sie mich anzusehen. Elena grinst immer noch süffisant und leckt sich die Lippen.

„Jetzt sind Sie zu weit gegangen Elena! Sollten Sie auch nur in die Nähe meines Sohnes kommen, bringe ich Sie um!", flüstere ich ihr bedrohlich ins Ohr und beiße in ihr Ohrläppchen, bis sie wimmert und vor Schmerz zusammenzuckt. Jetzt grinse ich. Ich habe noch nie einem Menschen absichtlich körperlichen Schaden zugefügt. Aber indem diese Frau mein Kind bedroht hat, hat sie eine Linie überschritten, von der sie wahrscheinlich nicht einmal ahnt, dass es sie gibt ... der Mutterinstinkt.


José packt mich an den Hüften und zieht mich von Elena herunter, die keuchend liegen bleibt. Dann nimmt er mich liebevoll in seine Arme und streichelt mir über das Haar. Auf einmal höre ich lautes Geklatsche. Verwirrt blicke ich mich um und schaue in die Gesichter der begeisterten Gäste der Galerie. Sie jubeln uns laut zu und nicken anerkennend. Oh nein, sie denken wirklich, dass es eine Showeinlage für die Eröffnung war. Hilfesuchend schaue ich José. Er hat ein künstliches Lächeln aufgesetzt, verbeugt sich linkisch und zieht mich mit in Richtung Ausgang. Elena kann ich nirgends entdecken.  


***


Langsam rappelt Elena sich auf, streicht ihr Kostüm glatt und setzt ihr schönstes Lächeln auf. Dann verbeugt sie sich vor dem jubelnden Publikum und sieht sich nach Ana um, die gerade mit José die Galerie verlässt.

Mit einem teuflischen Grinsen sieht sie den Beiden hinterher. „Du Biest.", flüstert sie zu sich selbst. „Das wirst du mir bereuen. Du hast Recht, ich habe wirklich alles, was ich wollte, außer einer Sache... Christians Sohn. Aber sei dir gewiss, auch das werde ich ändern." 


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Ich hoffe, ich konnte euch wieder unterhalten. Über ein Vote und eure tollen  Kommentare, freue mich natürlich wieder sehr.

LG und ein schönes Wochenende

Eure Marit

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