Kapitel 8

Gedanklich war Sezuna noch bei dem Dämon im Gang, als Eve sie schon in ein Zimmer zog, das irgendwie so gar nicht in dieses Schloss passen wollte. Es war vollgestopft mit Regalen, die alle möglichen Stoffe enthielten. In so vielen Farben und Mustern, dass Sezuna es gar nicht alles erfassen konnte. Erschlagen von dem Anblick blickte sie sich mit offenem Mund um.

»Was ist das hier?«, fragte sie überrascht und sah sich alles genau an. Die Farben waren so prächtig und bunt, dass sie sich von den schwarzen Wänden abhoben und den Raum viel gemütlicher wirken ließen. Gleichzeitig wirkte der Raum aber auch viel kleiner als er war, da jede Ecke in Nutzung zu sein schien.

»Das ist mein kleines Reich«, lachte Eve vergnügt, die sich sogar im Kreis drehte.

Sezuna musste zugeben, dass sie eine wirklich sehr faszinierende Stimme hatte. Sie war melodisch und klangvoll, zudem ließ diese Eve sehr jung wirken. Nur wenig älter als Sezuna. Vielleicht fühlte sie sich daher in der Gegenwart des Mädchens so wohl.

Die erste Begegnung war noch nicht vergessen, doch mittlerweile sah sie in Eve keine Bedrohung mehr. Hatte es eigentlich auch nie getan, obwohl sie so stark war.

»Du schneiderst?«, fragte Sezuna überrascht, denn das passte in ihren Augen sehr gut zu ihr. Wenn sie sich das Kleid von Eve betrachtete, dann konnte sie sich gut vorstellen, dass dieses selbstgemacht war. Wenn dem so war, hatte Eve großes Talent.

»Ja, es ist meine Freizeitbeschäftigung«, erklärte sie grinsend und zeigte auf ein Maßband und einen kleinen Hocker. »Lass mich deine Maße nehmen und dir ein Gewand für deinen Unterricht anfertigen.«

Sezunas goldene Augen strahlten vor Überraschung. Hatte sie das richtig verstanden? Eve wollte ihr die Kleider anfertigen? »Wirklich?«, fragte sie mit kindlicher Neugier und irgendwie auch etwas ungläubig.

Eve machte eine Bewegung, die Sezuna wohl bedeuten sollte, auf den Hocker zu steigen. Diese kam dieser Aufforderung sofort nach und stellte sich dort hin, was Eve leise lachen ließ. »Ziehst du dich auch noch aus?«, fragte sie leicht belustigt.

Das sorgte dafür, dass Sezuna ein wenig rot wurde, bevor sie sich entkleidete. Eve begann damit, ihre Maße zu nehmen und die Stoffe auszusuchen.

Es dauerte fast zwei Stunden, bis Eve mit allem fertig war. Das ging schneller, als Sezuna erwartet hatte und so konnte sie schließlich zu Nemesis zurückkehren.

Sie trug ein Kleid aus schwarzem Stoff mit hohem Kragen, aber ohne Ärmel. Der Rock reichte ihr bis zu den Knien.

Ihre Arme wurden von schwarz-weißen Stulpen geschützt und ihre Füße steckten in eben solchen Socken, die bis über die Knie reichten. Schuhe hatte sie keine, da sie den Boden spüren wollte. Eve hatte diese Bitte kommentarlos erfüllt. Wahrscheinlich war das für sie nichts Ungewöhnliches, denn Sezuna war aufgefallen, dass die Dämonin ebenfalls barfuß war.

Die Kleidung war aus besonderem Stoff, der den Sternenstaub bis zu einem gewissen Grad aufnehmen konnte. So wurde es in einer sternenstaubreichen Umgebung wesentlich stabiler und schützte auch besser.

Eve hatte Sezuna zudem erklärt, dass es aus bestimmter Seide hergestellt war. Silthidenseide, die man auf eine besondere Art behandelt hatte. Sezuna wusste jedoch nicht, was eine Silthide war, weshalb sie nicht nachgefragt hatte. Sie würde es im Moment sowieso noch nicht verstehen. Vielleicht konnte Nemesis ihr später etwas dazu erklären.

Jetzt lief sie aber erst einmal mit Eve zusammen zu diesem zurück, um weiter zu lernen.

Leise klopfte Sezuna an die Tür zu seinem Arbeitszimmer an. Sie wusste, dass Nemesis in diesem Raum war. Nicht nur, weil Eve sie hierhergebracht hatte, sondern auch, weil sie seine Präsenz spürte. Es war eine machtvolle Aura, die ihr ein Gefühl von Geborgenheit gab. Das ganze Schloss war von dieser durchzogen, doch hier konnte sie diese viel deutlicher wahrnehmen.

Als aus dem Inneren eine Zustimmung kam, öffnete sie die Tür und trat ein. Sie winkte Eve kurz, die ihr ein Grinsen zeigte, bevor sie von dannen lief, während Sezuna die Tür schloss und dann zu Nemesis blickte.

Dieser saß hinter einem kleinen Schreibtisch und hatte die Kristalle, die er ihr bereits gezeigt hatte, vor sich aufgestellt und betrachtete sie.

Als er aufblickte und Sezuna sah, schenkte er ihr ein Lächeln. »Komm her, Drachenkind«, sagte er sanft und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Sezuna wunderte sich kaum über diesen Kosenamen, da es ein gebräuchlicher für Kinder war. Zumindest, wenn diese Magie beherrschten. Es war eine Anspielung auf ihre aller Eltern.

Langsam kam sie auf den Sessel zu und ließ sich darin nieder. Er war schön weich und kuschelig. So sehr, dass sie das Bedürfnis hatte sich darin einzurollen und zu schlafen.

»Das sind Katara Kristalle«, sagte Nemesis und deutete auf diese. Obwohl sie bereits wusste, was sie damit machen sollte, war sie doch begierig darauf, mehr zu erfahren. »Sie sind aus reinem Sternenstaub geschaffen und enthalten eine Drachenschuppe des jeweiligen Elementdrachen«, begann er zu wiederholen und tippte sie dabei mit seinen Fingernägeln an. Es war, als würde er ihr damit zeigen wollen, wie besonders diese Kristalle waren. Dabei wusste Sezuna das schon. Allerdings nutzte sie den Moment, um zu fragen.

»Wie kann das sein?«, fragte Sezuna ehrfürchtig. Die Drachen waren doch schon lange nicht mehr auf dieser Welt oder hatte sie das falsch verstanden?

»Es sind Überbleibsel«, erklärte Nemesis weiter. »Es gibt nicht besonders viele davon, aber für dich wären sie genau richtig«, fügte er hinzu, was Sezuna die Stirn runzeln ließ.

»Für mich? Sie sind doch viel zu wertvoll«, behauptete sie. Warum wollte er sie für sie verschwenden? Sie war doch nichts Besonderes und nur durch Zufall hier in der Hölle gelandet.

Nemesis musterte sie für einen Moment aus seinen violetten Augen. Sein Blick ließ sie unruhig werden. »Ich habe dir die Entstehungsgeschichte nicht ohne Grund erzählt«, sagte er mit ruhiger Stimme. Sie hatte etwas Belehrendes.

Sezuna runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? Sie hatte angenommen, dass es dabei um ihn und nicht um sie gegangen war. »I-Ich versteh nicht ganz«, gestand sie stammelnd und begann mit ihren Fingern am Saum ihres Rockes zu spielen. Obwohl die Kleidung neu war, hatte sie sich schon daran gewöhnt. Woran sie sich jedoch nicht gewöhnte war der Blick von Nemesis. Was wollte er von ihr? Worauf spielte er an?

»Weißt du, seit einiger Zeit ist es so, dass die Planeten den Sternenstaub immer mehr verbrauchen und keine Hüterinnen mehr da sind, um das zu verhindern«, begann er und legte die Finger vor seinem Kinn zusammen. Sein durchdringender Blick dabei auf Sezuna gerichtet, die immer unruhiger wurde. Irgendwie hatte sie ein ganz seltsames Gefühl. Die Art und Weise wie er diese Dinge sagte, ließen bei ihr die Alarmglocken schrillen. »Deshalb war ich sehr überrascht, als du hier reingeschneit bist und ich deine Aura wahrgenommen habe. Vielleicht weißt du es noch nicht, aber du bist nicht nur eine geborene Königin. Deshalb werde ich dich unterrichten. Hüterinnen sind sehr gefährdet, wenn sie keine gute Ausbildung bekommen, denn diese unterscheidet sich sehr von dem, was andere lernen«, erklärte er, wobei die Worte sich wie eine schwere Decke um Sezuna legten. Ein Gewicht, was drohte sie zu erdrücken, obwohl sie sich nicht einmal der Verantwortung bewusst war, die damit einherging. Zumindest nicht im vollen Ausmaße.

Leicht befeuchtete sie ihre Lippen, weil sie so nervös wurde, dass sie glaubte, kein Wort mehr hervorzubringen. »Was bedeutet es genau, eine Hüterin zu sein?«, fragte sie, weil sie annahm, dass es das war, was er ihr versuchte zu erklären. Das war noch schlimmer als die Tatsache, dass sie eine Königin sein sollte. Das hatte sie bis jetzt immer noch nicht richtig verarbeitet.

»Eine Hüterin ist ... das Gefäß für den Sternenstaub«, begann er, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Nein, nicht nur. Sie sind die Quellen für den Sternenstaub. Während jeder andere den Sternenstaub aus der Luft ziehen muss, um damit Magie zu wirken, bist du eine der wenigen, die ihn in sich produzieren und an die Umgebung abgeben kann«, sagte er mit ruhiger Stimme, der man gern zuhörte. »Verstehst du, was ich meine, Drachenkind?«

Sezuna legte leicht den Kopf schief, was dafür sorgte, dass sie wie eine Katze wirken musste, die nicht wusste, ob sie das Wesen fressen oder meiden sollte. Zumindest beschrieb Yuna diese Geste immer so. »Ich produziere den Sternenstaub in mir?«, fragte sie zögerlich, da sie sich nicht wirklich sicher war. Wie sollte das aussehen? Warum spürte sie das nicht? Nemesis nickte, was sie fragen ließ: »Wie genau darf ich das verstehen?«

»Weißt du«, begann er und hob die Hand. Dort erschien eine Illusion, die wohl seine Worte unterstreichen sollte. »In der kompletten Mittleren Galaxie gibt es eine gleichbleibende Menge an Sternenstaub. Sie ist jedoch nicht immer gleich verteilt. Nutzt jemand Magie, um einen Zauber zu wirken, verbraucht er Sternenstaub. Dieser verschwindet jedoch nicht, wird aber unbenutzbar, aber nicht, wenn eine Hüterin lebt. Wenn es eine Hüterin gibt, dann dient ihr Körper als eine Art Gefäß. Ein Gefäß, das wie eine Quelle ist. In dir fließt der Sternenstaub zusammen, der seit Jahrhunderten benutzt wurde. Du kannst ihn nutzen und wieder in den Kreislauf zurückbringen.«

Sezuna legte den Kopf zur anderen Seite. »Also ... mache ich den genutzten Sternenstaub wieder nutzbar?«, fragte sie zögerlich. Zumindest verstand sie seine Worte so und als Nemesis nickte, fühlte sie sich bestätigt. Das gefiel ihr jedoch überhaupt nicht. Es würde alles noch komplizierter machen. Als hätte sie nicht schon genug andere Probleme!

»Dein Körper ist eine Quelle«, sagte er schließlich, wobei es irgendwie endgültig klang. »Wenn du den in dir gelagerten Sternenstaub wieder nutzbar machen und an die Umgebung abgeben oder in einen Zauber stecken möchtest, musst du in diese Quelle hinabtauchen und beim Auftauchen den Sternenstaub mitnehmen«, erklärte er, was Sezuna nun doch leicht die Stirn runzeln ließ.

Wie sollte sie sich das vorstellen? Eine Quelle in ihrem Körper oder eher in ihrem Geist? »Wie tief ist diese Quelle?«, fragte sie vorsichtig, weil sie nicht genau wusste, ob Nemesis das beantworten konnte. Für sie war es jedoch wichtig zu wissen. Es stellte immerhin ihr Leben auf den Kopf.

»Unendlich tief, doch nicht jede Hüterin kann gleich weit tauchen. Jede Hüterin hat ein gewisses ... Potential. Es bestimmt, wie viel eine Hüterin an Sternenstaub nutzen und durch ihren Körper leiten kann. Dieses Potential wird durch den Körper und auch den Geist beschränkt. Ist der Körper stark, kann man mehr Sternenstaub hindurch jagen. Ist der Geist stark, dann ist es leichter in die Tiefe zu tauchen. Taucht man aber zu tief, sind Geist und Körper in großer Gefahr«, erklärte er weiter und blickte sie streng an. Es war also beides wichtig. Körper und Geist. Wenn sie es also richtig verstanden hatte, war im Moment noch begrenzt, wie viel Sternenstaub sie nutzen konnte, da ihr Körper noch nicht stark genug war. Ihr Geist war wahrscheinlich bereits stärker. Zumindest nahm sie das an. »Darum gibt es eine einzige Regel, die du einhalten wirst, wenn ich dir diese Art der Magie beibringen soll«, begann er und blickte sie abwartend an.

Sezuna erwiderte den Blick zögerlich. Mit Regeln hatte sie nicht gerechnet, aber er würde schon seine Gründe haben. »Welche wären das?«

»Du wirst lernen, wie du in diese Quelle tauchst, doch du wirst es nicht allein tun. Es muss immer jemand bei dir sein, der weiß, wo deine Grenzen liegen und der dich im Notfall zurückholen kann«, wies er sie streng an. In diesem Punkt schien er keinen Spaß zu verstehen. War es vielleicht gefährlicher als sie glaubte?

»Und woher weiß ich, ob jemand weiß, wie tief ich ... tauchen kann?«, wollte sie wissen, denn bisher hatte sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte oder überhaupt jemanden erklären konnte. Sie selbst hatte es noch nie versucht und verstand noch nicht, was wichtig war und was nicht. Worauf sie achten musste oder was überhaupt passieren würde.

»Das werde ich dir alles lehren«, versprach Nemesis versöhnlich. Er schien ihr diese Dinge wirklich beibringen zu wollen, auch wenn er sich scheinbar Sorgen machte.

Sezuna nickte entschieden. Sie war ebenfalls sehr erpicht darauf, diese Dinge zu lernen. Es eröffnete ihr eine komplett neue Welt, die sie schon jetzt faszinierte. »Dann werde ich mich daranhalten«, versprach sie feierlich und war gespannt darauf, wie ihre ersten Unterrichtsstunden aussehen würden.

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