Kapitel 7

Nemesis bemerkte, wie sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete und ein großgewachsener, muskulöser Dämon mit sechs nach vorn gedrehten Hörnern eintrat.

Er hatte die mächtigen Flügel hinter seinem Rücken gefaltet und seine Klauen schürften leicht über die Klinke, als er die Tür hinter sich schloss. Da hier viele Dämonen aus und ein gingen, waren die Gegenstände fast alle mit Zaubern belegt, die sie schützten. Nur darum hinterließ er keine Kratzer.

Sein feuriger Blick aus strahlend violetten Augen richtete sich auf Nemesis, der den Blick nur für einen Moment erwiderte, bevor er sich einem Dokument widmete. Es war nur sein Stellvertreter. Er würde schon sagen, wenn er etwas Wichtiges wollte.

»Wer ist das Mädchen?«, fragte Bel'shamaroth, ohne großartige Vorrede. Er war nicht hier, weil Nemesis ihn gerufen hatte, doch als sein Stellvertreter und seine rechte Hand, hatte er Anspruch darauf, zu erfahren, was hier los war.

»Was denkst du denn, was sie ist?«, fragte Nemesis mit ruhiger, geschmeidiger Stimme und man hatte das Gefühl zwei Raubtiere würden sich umkreisen. Nemesis kannte dieses Spiel, denn das trugen sie oft genug aus. Bel'shamaroth war ein mächtiger Dämon, der jedoch genau wusste, wo sein Platz war. Bei ihm hatte Nemesis noch nie das Gefühl gehabt, er wollte seinen Posten. Was auch nicht so einfach gewesen wäre. Gleichzeitig würde Bel'shamaroth ihn aber auch in seine Schranken weißen, wenn es nötig sein würde.

»Eine Königin und Hüterin«, bemerkte er nüchtern, was Nemesis nicken ließ. Damit traf er es ziemlich genau.

»Genau. Eine Hüterin. Eine der wohl letzten, die überlebt haben«, konkretisierte der Höllenfürst.

Bel'shamaroth lief elegant auf den Sessel zu, der vor Nemesis Schreibtisch stand und ließ sich darin nieder. »Und was macht sie in der Hölle, wenn sie doch am Leben ist?«, wollte der Dämon mit ruhiger, aber unterschwellig lauernder Stimme wissen. Es schien sogar so, als würde er dem Höllenfürst die Schuld dafür geben. Was nicht stimmte. Wahrscheinlich hatte die Schicksalsgöttin ihre Finger im Spiel.

Nemesis sah auf und nun blickten sich beide an. Nemesis ließ sich nicht einschüchtern und auch Bel'shamaroth wirkte nicht minder selbstsicher.

»Sie ist hier, um zu lernen«, erklärte Nemesis schließlich knapp. Bel'shamaroth sollte es wissen, auch wenn der Höllenfürst es lieber nicht verraten hätte.

Ein leichtes Stirnrunzelnd war die einzige Reaktion, die sein Stellvertreter zeigte. Dann herrschte eine Weile Schweigen, bis sich der Dämon wieder erhob. »In diesem Fall, werde ich mich darum kümmern, dass sie von mir den Kampf erlernt«, erklärte er und duldete keine Widerrede. Wobei der Höllenfürst auch der Einzige war, der ihm überhaupt widersprechen konnte, doch er tat es nicht, denn es kam ihm sehr gelegen. Sie in der Kampfkunst ausbilden zu lassen, war wichtig, damit sie sich verteidigen konnte und ein Ventil für ihre Macht bekam.

»Sie ist noch ein Kind. Ohne jegliche, magische Erfahrung«, merkte Nemesis an. Er wusste, dass Bel'shamaroth nicht so viel Erfahrung mit Kindern hatte und dazu neigte, seine Schüler zu überfordern. Nemesis wollte nur ungern, dass die Begegnung der Beiden im Blutvergießen endete.

»Und trotzdem hat sie eine Menge Kraft«, erwiderte Bel'shamaroth nüchtern. Seine Augen funkelten sogar, was der Höllenfürst als Aufregung deutete. Nemesis sah ihm an, dass er es kaum erwarten konnte, sie zu lehren. Es kam so selten vor, dass es hier unten etwas anderes als die Arbeit gab und jede Abwechslung kam den Dämonen gelegen. Da war auch Bel'shamaroth nicht anders. Er würde die Abwechslung wahrscheinlich genauso auskosten, wie es Nemesis tat.

»Ich bin nicht blind, Nemesis«, bemerkte Bel'shamaroth. Nemesis glaubte, dass ihm ihre innere Macht nicht entgangen war. Er erinnerte sich noch an ihre erste Begegnung mit Sezuna. Sie war noch nicht erwacht, doch ihr Blick hatte gereicht, um ihn in seinen Bann zu ziehen. Dann war sie direkt vor seinen Augen erwacht. Ihr innerer Brunnen hatte sich geöffnet und ihre Macht freigegeben. Danach hatte sich der erste Blick angefühlt wie ein Sog, der drohte ihn in die tiefe der Welt zu ziehen. Eine Macht, die Nemesis' ähnlich war. Gleichzeitig war sie so ganz anders. Leben und nicht der Tod.

Bel'shamaroth musste es ebenfalls bemerkt haben, denn Nemesis war nicht entgangen, dass der Dämon sie auf dem Flur getroffen hatte. Die Welle der Macht, die von beiden ausgegangen war, hatte er deutlich gespürt.

»Sei vorsichtig mit ihr«, bat der Höllenfürst vorsorglich. »Niemand weiß, ob sie vielleicht Schaden anrichten kann. Bei uns und sich selbst. Es wäre nicht gut, wenn eine so junge Hüterin stirbt«, murmelte er, während Bel'shamaroth sich der Tür zuwandte.

»Deshalb wird sie von mir den Umgang mit Waffen lernen. Dann kann sie zumindest in diesem Punkt niemand mehr schlagen«, behauptete er hochnäsig und voller Überzeugung.

Nemesis schmunzelte. »Sei dir nicht so sicher, dass sie darin eine gute Schülerin sein wird. Vielleicht liegt ihr der Waffenumgang gar nicht.«

Bel'shamaroth schnaubte verächtlich. Er schien sich darum keine Gedanken zu machen. »Ich kann selbst den dümmsten Dämon den Umgang beibringen.«

Nemesis lachte vergnügt. »Dann viel Spaß damit.« Er war neugierig, wie sich Bel'shamaroth mit Sezuna schlug. Ob sie in diesem Punkt talentierter war als in den grundlegenden Magieanwendungen?

Sein Stellvertreter winkte ab und verließ wieder den Raum.

Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, bemerkte Nemesis den Sternenstaub, der sich seltsam verhielt.

Sofort sprang er auf und legte die Hände auf den Tisch. »Was tust du hier?«, knurrte er und konnte den Schmerz in seiner Stimme nicht verstecken.

Vor ihm begann sich der Sternenstaub zu sammeln und eine Gestalt zu bilden. Langes, braunes Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern und Augen, die einer Seifenblase glichen, richteten sich auf ihn.

»Ich bin wegen des Mädchens hier«, erklärte die singsangartige Stimme, die keine Emotionen zeigte. Das musste sie auch nicht. Die Haare der Gestalt waren ein eindeutiger Indikator darauf, was sie fühlte. Sie verfärbten sich je nach Laune und Nemesis war gut darin, ihre Stimmungen zu lesen.

»Sie ist in der Hölle. Hier hast du keine Macht über sie«, behauptete er knirschend. Sein Gedanke, dass die Schicksalsgöttin ihre Finger im Spiel hatte, war also nicht falsch gewesen. Warum sonst sollte sie nun hier auftauchen?

»Du hast unsere Abmachung gebrochen«, bemerkte die Schicksalsgöttin unbeeindruckt.

»Nein«, schmunzelte der Höllenfürst. »Sie kam hierher. Es war weder mein Verdienst, noch war ich außerhalb der Hölle«, erklärte er, obwohl sie es wissen sollte. Es beruhigte ihn irgendwie, dass sie nicht dafür verantwortlich war, dass Sezuna hier war. Gleichzeitig beunruhigte es ihn aber auch. Wie hatte Sezuna es sonst geschafft, wenn keine Hilfe im Spiel war?

Die Haare der Frau verfärbten sich und gingen ins leichte Fuchsbraun. Ein Zeichen, dass sie wenig erfreut war. »Sie hat hier nichts zu suchen«, behauptete sie streng. Sofern sie überhaupt anders klingen konnte. Kirara hatte schon immer diesen Befehlston in der Stimme, was Nemesis immer wieder ärgerte. Sie war die Schicksalsgöttin und in ihrer Beziehung waren Gefühle im Spiel gewesen, doch sie war nicht die erste. Kirara war keine direkte Nachfahrin der Drachen und auch nicht von diesen erschaffen wurden. Nicht direkt zumindest.

Nemesis ließ sich von ihren Worten nicht beeindrucken. »Sie ist ein Kind der Hölle oder würdest du dem widersprechen?«, fragte er und klang fast belustigt. Dabei versuchte er jedoch den Ärger und die Trauer, die er immer in ihrer Gegenwart empfand, zu überspielen. Es war nicht gut, ihr einen Punkt zu geben, an dem sie ihn treffen konnte. »Du hast hier keinen Einfluss auf das Kind«, bemerkte Nemesis noch einmal. Dieses Mal jedoch mit einem hinterhältigen Lächeln. »Und wenn ich mit ihr fertig bin, wirst du auch nirgendwo anders Einfluss auf sie haben«, kündigte er an, was dafür sorgte, dass ihre Haare sofort knallrot wurden und sie ihren Blick auf ihn richtete. Dann verschwand die Illusion zusammen mit der Aura der Schicksalsgöttin.

Nemesis atmete aus. Nur langsam ließ die Anspannung nach. Warum hatte sie ein solches Interesse an Sezuna?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top