Kapitel 28
Es dauerte einige Tage bis Sezuna sich erholte. Sie wusste, dass sie zurück zu ihrer Mutter musste, da Nemesis geschwächter war, als er zugeben wollte. Er war sogar in ihrem Zimmer auf dem Sessel eingeschlafen. Ein Zeichen dafür, dass der Kampf ihm sehr viel Kraft gekostet hatte. Auch der Zauber, der Shioni davon abhielt nach Sezuna zu suchen, musste schwächer geworden sein.
Sezuna wollte nicht zurück, wusste aber, dass ihr kaum eine andere Wahl blieb. Für immer hierbleiben war nicht möglich und das wollte sie auch nicht. Dennoch hätte sie gern die Möglichkeit gehabt, zurückzukehren. Da aber sogar das Tor beschädigt war, war das wohl erst recht nicht möglich.
»Das ist keine gute Idee«, meinte Allan und grummelte, während er Sezuna im Arm hielt und sie sanft streichelte. Fast so, als würde er sie überreden wollen, von diesem Plan abzulassen, der ihm so wenig zusagte.
Yuna und Eve saßen vor ihrem Bett und gemeinsam waren sie Möglichkeiten durchgegangen, wie sie Nemesis vielleicht doch wiedersehen konnten. Sie alle waren nicht gewillt, sich einfach von den Schicksalsengeln Vorgaben machen zu lassen.
Eve hatte wohl den Hintergedanken auch Yuna, Sezuna und Allan wiederzusehen. Sie waren in der Zeit, in der sie in der Hölle gewesen waren, sehr gute Freunde geworden. Sezuna vermisste Eve schon jetzt. Ihre ruhige, aufgeschlossene Art hatte etwas sehr Erwärmendes.
»Aber das ist doch perfekt, um zu sehen, was wir schon gelernt haben«, meinte Sezuna strahlend, die von der Idee ganz begeistert war. So konnte sie vielleicht sogar einmal Yui und Lilith mitnehmen.
»Es könnte aber gefährlich werden«, gab Allan zu bedenken. Er sah fast immer in allem eine Gefahr und war es eigentlich auch immer, der Sezuna widersprach, wenn diese einen zu verrückten Plan hatte. Allerdings mochte Sezuna diese Seite an ihm, denn so brachte er sie auch oft erst auf Ideen.
Sezuna schmunzelte. Sie wusste, dass sie oft dazu neigte, die Konsequenzen und Nebenwirkungen herabzuspielen. Gerade bei so großen Zaubern. Darum war sie immer dankbar, wenn Allan seine Bedenken äußerte. In diesem Punkt war sie sich jedoch ziemlich sicher. Hier würde sie nicht nachgeben. Auch, weil sie sowieso in Zukunft diesen Zauber brauchen würde. Zumindest, wenn es nach dem Höllenfürsten ging. Sie selbst wusste noch nicht so recht, was sie damit anfangen sollte.
»Wovor hast du Angst?«, wollte Yuna wissen und klang dabei sehr kalt, vielleicht schon herablassend. Allan ließ sich davon aber nicht einschüchtern. Er verengte seine roten Augen und blickte die Weißhaarige unnachgiebig an.
»Davor, dass wir die Schicksalsgöttin gegen uns aufbringen«, erklärte er mit ruhiger, beherrschter Stimme. Sezuna stimmte ihm schon irgendwie zu, gleichzeitig war die Schicksalsgöttin ihr jedoch egal. Wenn diese wollte, dass sie das nicht taten, würde sie es sicher zu verhindern wissen. Sie war immerhin eine Göttin! »Außerdem ist nicht klar, ob dieser Ort, den ihr gedenkt zu erschaffen, wirklich ein schicksalsengelfreier Raum wird«, erinnerte Allan die Frauen.
»Wenn wir es nicht versuchen, dann können wir es nicht wissen«, widersprach Sezuna, die es unbedingt probieren wollte. Danach konnten sie sich um eventuelle Konsequenzen kümmern. »Nemesis meinte, dass es gar nicht so schwer ist, solange die Hüterin, welche die Welt erschaffen hat, noch dort herrscht. Und wir sind zu dritt. Das macht es noch einfacher«, erklärte Sezuna, war sich jedoch nicht ganz so sicher, ob sie auch alles richtig verstanden hatte. Gerade, weil sie zu dritt waren, mussten sie sich etwas ausdenken. Noch waren sie nicht ganz so versiert darin, ihre Magie zu verbinden und damit das zu tun, was sie wollten, aber erst einmal brauchten sie nur eine Grundlage, die sie mit den Jahren weiter verbessern konnten. Es war nur ein Provisorium und musste nicht perfekt sein. Allerdings sollte auch nichts explodieren. Das war Sezunas größte Angst.
Yuna deutete auf den Zettel, der in ihrer Mitte lag. Darauf waren magische Formeln geschrieben und Diagramme, welche sie angelegt hatten, um zu überlegen, auf was sie achten mussten. Im Grunde hatten sie alles, was eine Welt brauchte, zusammengetragen und dann überlegt, wie sie diese Dinge kombinieren konnten. Es war nichts anderes als das, was sie von Nemesis gelernt hatte. Das Zusammenführen von Sternenstaub zu etwas, was sie wollte. Lediglich die Größe und Komplexität war anders. Zudem würden sie den Sternenstaub aus ihren Körpern nutzen müssen.
Allan fuhr sich seufzend durch die Haare. »Ihr lasst euch sowieso nicht davon abbringen«, grummelte der Vampir schicksalsergeben. Sezuna wusste, dass er sie einfach zu gut kannte und verstand, dass er sie in dieser Sache nicht umstimmen konnte.
»Richtig erkannt«, erwiderte Sezuna, die ihren Adoptivbruder und besten Freund nachdenklich musterte, bevor sie ihm eine Hand auf die Schulter legte. Das sollte ihn etwas beruhigen. Sezuna wusste, dass er sich nur Sorgen machte. »Es wird alles gutgehen«, versicherte sie mit sanfter Stimme.
Erneut verließ Allans Lippen ein Seufzen, bevor er Sezuna tätschelte. »Na gut, versucht es«, sagte er ergeben. Es schien, als würde er davon ausgehen, dass es sowieso nichts werden würde.
Sezuna war sich jedoch sicher, dass sie es so hinbekamen, wie sie es sich vorstellte. Vielleicht nicht ganz so perfekt, doch zumindest so, dass es ausreichte.
»Wir sollten die Zeit nutzen, in der Nemesis sich um alles kümmert, sonst hält er uns noch auf«, bemerkte Eve zögerlich. Das sorgte dafür, dass Sezuna eine Augenbraue hob und das junge Mädchen fragend anblickte.
»Warum sollte er das tun?«, wollte sie wissen. Verschwieg Eve ihr vielleicht etwas?
Eve wirkte, als würde sie ihrem Blick ausweichen wollen, da sie sich etwas wand. »Na ja«, begann sie zögerlich und druckste herum. »Ich weiß nicht, ob er ... uns so etwas Großes machen lässt.«
Sezuna winkte ab. »Wir bekommen das hin«, sagte sie zuversichtlich. Selbst, wenn Nemesis es nicht wollte, würde sie es versuchen. Notfalls allein! »Also, lasst uns gehen«, bestimmte sie und erhob sich voller Tatendrang.
Gemeinsam liefen sie hinaus und suchten sich zwischen den Klippen einen Platz, an dem sie sich erst einmal vorbereiten konnten.
Sie waren von fast allen Seiten von Klippen umgeben und es war genug Platz.
»Du passt auf, dass niemand kommt«, wies Sezuna Allan an, der sich widerwillig zu dem Spalt zurückzog, durch den sie gekommen waren, um ihrer Anweisung nachzugehen. Er tat es nur, das wusste Sezuna, um sie nicht allein zu lassen.
Sezuna reichte Eve und ihrer Schwester eine Hand. So bildeten sie einen Kreis. »Versuchen wir als erstes, unsere Magie im Einklang fließen zu lassen«, sagte Eve mit ihrer sanften Stimme. Sie konnte unglaublich gut erklären und schien ein sehr umfangreiches Wissen zu besitzen. Sezuna hatte das schon die ganze Zeit bewundert. Allerdings war sie ein sehr ruhiges Wesen, das nicht gern Ärger machte. Vielleicht hatte sie deshalb ihre Gaben nie genutzt. »Sie muss in den richtigen Momenten fließen und sich vermischen. Verzögerungen können schwere Folgen haben«, erklärte sie leise und wohl als Erinnerung. »Wir fangen klein an. Diese Steine lassen wir fliegen und verschmelzen sie in der Luft zu einem größeren«, wies sie an.
Sezuna wusste, dass es lediglich ein Test war, damit sie sehen konnten, wie sie harmonierten.
Die ersten Versuche liefen alles andere als gut. Die Steine taten überhaupt nicht das, was sie sollten. Sie formten sich nicht, verschmolzen nicht und einmal explodierten sie sogar.
»Wir harmonieren nicht gut genug«, meinte Sezuna erschöpft und schwer atmend.
»Wieso?«, brummte Yuna und blickte zu Eve, die sich erschöpft in den Sand fallen ließ und damit ihr weißes Kleid mit rotem Staub überzog.
»Ich hab da vielleicht eine Idee«, keuchte die Höllendämonin, bevor sie sich erst einmal komplett hinlegte. Wahrscheinlich, um sich auszuruhen.
Sezuna tat es ihr gleich, denn auch sie war erschöpft. »Die da wäre?«, fragte sie und starrte in den Himmel. Er hatte sich wieder beruhigt und zeigte das Bild, das sie von ihrem ersten Tag hier gewöhnt war.
»Am besten harmoniert man, wenn man singt und tanzt«, erklärte Eve keuchend. Sezuna verstand nicht sofort, was sie meinte, doch Yuna schien ihr folgen zu können.
»Sollen wir unseren Gesang und die Bewegungen mit den Zaubern verknüpfen, damit diese harmonieren und aufeinander abgestimmt sind?«, fragte sie, während sie Eve beobachtete.
Sezuna erinnerte das an einen Part, den sie in einem Buch von Nemesis gelesen hatte. Dabei war es um Spruchzauber gegangen. Zauber, bei denen man Worte nutzte, um diesen einen kleinen Zauber zuzuweisen. Das war hilfreich, wenn man umfangreiche Zauber wirken wollte. Wenn man es oft genug machte, koordinierte man sich darauf bei bestimmten Worten einen kleinen Zauber zu wirken und konnte so seine Konzentration auf andere Dinge lenken. Ähnlich war es auch mit den Bewegungen bei einem Tanz. Man musste jedoch vorsichtig sein und möglichst Worte nutzen, die man sonst im Alltag nicht nutzte, weshalb die Sprüche für die Zauber oft in einer alten Sprache niedergeschrieben wurden. Sezuna hatte sogar gelesen, dass die Worte nicht einmal Sinn machen mussten. Jeder konnte sich die Bedeutung dieser selbst zurechtlegen.
»So dachte ich mir das«, nickte Eve und drehte ihren Kopf zu Sezuna. »Was denkst du?«
»Einen Versuch ist es wert«, stimmte sie zu. »Aber was für ein Lied, welche Bewegungen und wie verknüpfen wir die Zauber?«, wollte sie wissen, was die anderen beiden seufzen ließ. Das waren Dinge, die sie sich noch nicht überlegt hatten. Damit kam noch eine weitere Menge Arbeit auf sie zu.
»Zurück ans Reißbrett«, sagten beide gleichzeitig, was dafür sorgte, dass sie leise lachen mussten.
»Seid ihr fertig?«, fragte Allan, der langsam zu ihnen kam und die Mädchen betrachtete, als würde er Krieger ansehen, die von einem Schlachtfeld kamen. Ob er nach Wunden suchte? Zum Glück war niemand verletzt.
Sezuna seufzte. »Nein, aber wir haben eine Idee, wo wir anfangen können«, sagte sie, was dafür sorgte, dass Allan die Augen verdrehte.
»Heißt, ihr werdet heute nicht schaffen, was ihr euch vorgenommen habt?«, wollte er wissen und legte den Kopf schief.
Sezuna blickte zu Yuna und die zu Eve. Gemeinsam zuckten sie die Schultern. »Nein, eher nicht. Wir brauchen ein bisschen mehr Übung«, erklärte die Weißhaarige und erhob sich als erstes wieder, bevor sie sich streckte.
Allan fuhr sich durch die Haare. »Ihr habt noch ein paar Tage.«
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