Kapitel 23.2

Langsam lief Yuna weiter und betrachtete den Boden und die Wände. Der Kristall war noch immer hier, doch er änderte seine Farbe und wurde zunehmend blauer. Etwas, was ihr sehr gut gefiel. Es hatte etwas sehr Beruhigendes. Zudem war ihr, als würde eine leise Melodie erklingen. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie lediglich in ihrem Kopf vorhanden war oder nicht.

Neugierig blickte sich Yuna genau um und blieb stehen, als sie etwas Seltsames bemerkte. Nachdenklich kniff sie die Augen zu, während sie die kristallene Wand musterte. Darin war eine blaue Flamme eingeschlossen, schien aber trotzdem noch zu flackern.

Yuna runzelte die Stirn. War die Flamme vielleicht gar nicht eingeschlossen, sondern von Natur aus so in diesem Kristall? So etwas hatte sie noch nie gesehen und es fesselte sie. So sehr, dass sie eine Weile stehenblieb und völlig die Zeit vergaß. Stattdessen folgte sie den Flammenmustern in der Wand und verlor ihr eigentliches Ziel aus den Augen. So lange, bis sie zu einer Art Altar gelangte, der aussah wie eine blaue, lodernde Flamme. In dieser Flamme schwebte ein kristallfarbenes Ei.

Überrascht hielt Yuna die Luft an. Eine blaue Flamme. Sie war wunderschön, machte ihr aber Angst. Feuer war eine ihrer Schwächen, daher hatte sie überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie hier auf so etwas treffen würde. Es machte sie nervös, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte. Dabei zog das Ei sie förmlich an.

Zögerlich ging Yuna näher heran und versuchte, die Wärme zu spüren. Allerdings geschah genau das Gegenteil. Es wurde kälter. Klirrendkalt, wie Yuna bemerkte.

Ihre Haut schimmerte und das leichte Eis, das ihre Haut immer schützend umhüllte, wie Raureif, das ein Schild bildete, knackste leise. Es schien auf die Kälte zu reagieren.

War das gut oder schlecht? Yuna konnte es nicht sagen, wurde aber immer neugieriger.

Die Flamme tat ihr nicht weh, weshalb sie immer näher herantrat und dann ihre Hände ausstreckte. Sie würde durch die Flamme fassen müssen, um das Ei zu berühren. Das konnte sehr gefährlich sein und doch konnte sie dem Drang kaum widerstehen.

Yuna streckte ihre Finger immer weiter aus, bemerkte aber, dass ihre Fingerkuppen mit einer Schicht aus Eis überzogen wurden, das nicht von ihr kam. Es kribbelte und irgendwie war es seltsam, doch es hielt sie nicht auf. Zu neugierig war sie auf das Ei und zu groß war der Drang, es zu berühren.

Schließlich ging ihre Hand durch die Flamme hindurch und sie berührte das Ei. Eine angenehme Wärme schoss durch ihren Körper, bevor der Boden unter ihren Beinen plötzlich verschwand. Yuna stürzte in die Tiefe und hatte das Gefühl, ihr Körper würde von außen durch eine unsichtbare Macht zerquetscht werden, während sie fiel. Vor ihren Augen wurde es schwarz und dann schlug sie auf dem Boden auf. Es war nicht so hart, wie sie erwartet hatte. Fast so, als wäre sie nicht schnell gefallen. Dennoch drückte es ihr den Atem aus den Lungen und sie fühlte sich so schwer, dass sie sich nicht bewegen konnte.

Yuna spürte das Ei in ihren Armen und den Boden in ihren Rücken. Es war seltsam, denn sie hatte das Gefühl, dass sie einen Herzschlag hörte.

»Yuna?«, drang eine dunkle Stimme an ihr Ohr, was dafür sorgte, dass sie ihre Augen wieder aufschlug.

Sofort fiel ihr die veränderte Umgebung auf. Sie lag wieder in dem Gang, wo der Höllenfürst sich von ihr getrennt hatte.

Sie ließ ihren Blick umherwandern und bemerkte, dass Nemesis über sie gebeugt war. Wahrscheinlich, um zu sehen, wie es ihr ging. In seinen Augen stand Sorge.

Yuna blinzelte leicht, bevor sie sich aufsetzte. Sie griff sich an ihren Kopf, weil sich dieser anfühlte, als wäre er voller Watte.

War das normal?

»Wie geht es dir?«, fragte der Höllenfürst, der ihr eine Hand reichte, um ihr aufzuhelfen.

Yuna wollte danach greifen, als sie bemerkte, dass sie das Ei an ihre Brust gedrückt hatte. Sie blickte hinab zu diesem. Es war sehr groß und wunderschön. Wie purer Kristall. Allerdings nicht so schwer.

Sie brauchte einen Moment, bevor sie nach Nemesis Hand griff und sich aufhelfen ließ. »Glückwunsch zu deinem Seelentier.«

Yuna versuchte sich an einem Lächeln, schaffte es aber nicht. Stattdessen starrte sie fasziniert das Ei an, das sie an ihre Brust gedrückt hatte.

»Gehen wir«, sagte Nemesis sanft, der sie sogar ein wenig führte. Wohl, damit sie nirgendwo dagegen lief. Noch immer betrachtete Yuna das Ei und bekam ihre Umgebung kaum mit.

»Ich möchte dir gern jemanden vorstellen«, bemerkte der Höllenfürst, was Yuna nicken ließ, doch eigentlich war sie noch zu sehr auf das Ei konzentriert. Jetzt hatte sie auch endlich eines. Ihres war sogar viel schöner als das ihrer Schwester.

Es dauerte ein wenig, bis Nemesis Worte zu ihr durchdrangen und sie sah auf. Sie waren bereits irgendwo in der Hölle und eine ganze Strecke von der Seelentierhöhle entfernt. »Wen denn?«, wollte sie zögerlich wissen.

»Das wirst du sehen«, lächelte Nemesis als Antwort.

Yuna spürte Aufregung in sich aufwallen, wusste aber, dass niemand anderes es sehen konnte. Sezuna vielleicht, doch diese war nicht hier.

Sie drückte das Ei, fest an ihre Brust und folgte mit schnellen Schritten dem Höllenfürsten. Er lief scheinbar extra langsam, denn trotz ihrer kleineren Schritte musste sie nicht rennen.

Wen wollte er ihr vorstellen? Einen Dämon? Vielleicht sogar eine Fürstin der Hölle? Würde sie so auch die Möglichkeit auf einen Tutor erhalten?

»Du lebst in Yama, richtig?«, fragte Nemesis, als würde er lediglich mit ihr sprechen wollen, denn er musste die Antwort wissen.

»Ja, aber in Misura«, sagte sie, da Yama sowohl der Name des Planeten als auch der einer großen Stadt war.

»Das liegt auf dem Kontinent Saburasa«, stellte Nemesis nachdenklich fest. Yuna nickte zustimmend. Es sollte sie wundern, dass er so eine gute Kenntnis über die Geografie von Yama hatte, doch das tat es nicht. »Kennst du die Territoriumskönigin von Saburasa?«, wollte er wissen, was Yuna nun doch verwunderte.

»Ja«, sagte sie, war sich aber nicht sicher, wie sie diese Frage deuten sollte. Jeder, der in Saburasa lebte, kannte die Königin.

»Hast du bereits Bekanntschaft mit ihr geschlossen?«, fragte Nemesis weiter.

»Nein«, antwortete Yuna kurz angebunden. Es gab gar keinen Grund, warum sie mit der Königin in Kontakt treten sollte. Immerhin war sie nur ein junges Mädchen, das irgendwo in einem Gebiet lebte, wo eigentlich nur Verbrecher hausten.

»Dann werde ich sie dir heute vorstellen«, entschied der Höllenfürst, was dafür sorgte, dass Yunas Herz einen kurzen Sprung machte. Er wollte was?

»Wieso?«, fragte sie mit klopfenden Herzen, doch ihre Stimme zeigte keinerlei Regung. Fast so, als wäre es ihr egal. Das war es jedoch nicht. Im Gegenteil. Sie war aufgeregt, weil sie noch nie mit einer richtigen Königin in Kontakt gekommen war. Ihre Mutter war zwar eine geborene, doch sie herrschte nicht mehr, daher zählte das für Yuna nicht.

»Das wirst du später sehen«, versicherte Nemesis mit einem Lächeln. Yuna wollte so gern wissen, was in seinem Kopf vor sich ging, doch sie schwieg. Sie konnte sich diese Gelegenheit einfach nicht entgehen lassen. Yuna wollte unbedingt besser werden. Sezuna war ihr weit voraus und sie hatte einiges nachzuholen.

Schließlich führte Nemesis sie zu einem Spiegel, der irgendwie sehr einsam mitten in einer Klippenlandschaft stand. Überrascht darüber sah Yuna sich um. Warum stand dieser Spiegel hier und nicht wo anders? War er hier nicht leicht kaputt zu machen?

Nemesis führte sie direkt vor den Spiegel, bevor er seine Hand an das Glas legte. »Früher war das hier einmal ein Portal nach Yama«, sagte er sanft und irgendwie sehnsüchtig.

Yuna musterte überrascht das Gestell. Es wirkte so ... langweilig und schlicht. Zumindest wenn Yuna es mit dem verglich, was sie bisher im Höllenschloss gesehen hatte.

Die Glasscheibe des Spiegels flimmerte, bevor darin eine ältere Dame sichtbar wurde. Sie hatte leicht eingefallene Gesichtszüge und das Haar war ergraut. Da sie es zu einem festen Knoten gebunden hatte, war schwer zu sagen, wie lang es war. Ihre blauen Augen lagen sanft auf ihnen.

»Danke, dass Ihr Zeit für mich habt, Lady Yukiko«, sagte Nemesis höflich, was Yuna sehr verwunderte. Warum war er so höflich? Sie war zwar eine Königin, doch er war der Höllenfürst!

»Ah, Nemesis. Was kann ich für dich tun?«, fragte die ältere Dame mit warmer Stimme. Sie wirkte, als würde sie sich freuen, den Höllenfürsten zu sehen. Sie mussten sich kennen. Yuna fragte sich aber woher.

Nemesis zog Yuna etwas zu sich heran und nun schien es, als würde auch die Frau sie sehen können. Neugierig betrachtete Yuna diese. »Das hier ist Yuna. Sie ist Shionis Tochter«, stellte Nemesis sie vor.

Yuna war über die Wortwahl sehr verwundert. Warum stellte er sie als Shionis Tochter vor? War es üblich, dass man ihre Mutter kannte?

Yukiko wirkte überrascht, bevor sie sanft lächelte. »Eine Tochter. Was für eine Überraschung«, sagte sie, wobei sie sehr zufrieden damit wirkte.

»Ein Zwilling«, meinte Nemesis schmunzelnd, was dafür sorgte, dass sich Yuna irgendwie unwohl fühlte. Sie wollte Sezuna aus dieser Sache lieber rauslassen. »Ich habe gehört, du suchst eine Schülerin«, begann der Höllenfürst, was dafür sorgte, dass Yuna ihn entsetzt ansah. Zumindest soweit es ihr Körper zuließ. Im Spiegel bemerkte sie, dass man ihr kaum eine Regung ansah. Warum suchte die Königin von Saburasa nach einer Schülerin und warum ... Bevor sie ihre Gedanken zu Ende bringen konnte, sprach Nemesis weiter. »Wie wäre es mit ihr?«

Yunas Mund wurde trocken. Hatte er sie gerade als Schülerin für eine Territoriumskönigin vorgeschlagen? Warum? Ihr Herz klopfte heftiger, während ihr klar wurde, was das für sie bedeutete. Aber würde die Königin sie überhaupt nehmen?

Yukiko musterte sie, bevor sie strahlend lächelte. »Es wäre mir eine Ehre.«

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