Kapitel 2.9

»Sie war schon lange nicht mehr hier«, bemerkte der rotäugige Hund und wirkte ernst. Als wäre er ein Kind, das verstand, dass seine Mutter tot war. Das bedrückte Sezuna irgendwie. »Schon seit vielen Monden«, fügte er hinzu, ließ sich aber kaum anmerken, dass er traurig darüber war. Ein starker, junger Hund, wie Sezuna sich eingestehen musste. Vielleicht sogar stärker als sie.

Die Wortwahl irritierte Sezuna. Gab es hier doch einen Mond? Dann war es vielleicht gerade Tag? Sie wusste es nicht und versuchte, nicht abzuschweifen. Sie sollte sich auf die Welpen und das Phänomen des riesigen Hundes konzentrieren.

Sezuna runzelte die Stirn, weil sie nicht genau verstand, wer der große Hund gewesen war. War es vielleicht ihr Vater? Kümmerten sich die Väter um ihre Jungen? Das konnte gut sein. Sezuna wusste immerhin nicht einmal, was für eine Rasse sie vor sich hatte.

»Ich versteh nicht ganz«, brachte Sezuna nachdenklich hervor und streichelte den rotäugigen Hund, dem das sehr gefiel, weiter. Sie unterschieden sich wirklich nur an ihren Augenfarben, was es schwierig machte, sie auseinanderzuhalten. Ihre Stimmen klangen zwar unterschiedlich, doch diese konnte Sezuna nicht einmal richtig zuordnen.

»Musst du nicht«, behauptete der grünäugige Hund, dessen Stimme etwas träger und dunkler war als die seines Bruders. Sie erkannte nur, dass er gesprochen hatte, weil er sein Maul ein kleines Stück öffnete. Als würde er ihre Mundbewegungen nachahmen.

Sezuna ließ das erst einmal so stehen. Es brachte nichts, wenn sie weiter fragte. Wahrscheinlich würde sie sowieso keine hilfreiche Antwort erhalten.

»Danke, dass ihr euch um mich gekümmert habt, aber ich muss zurück«, erklärte sie mit unsicherer Stimme. Hier in der Höhle würde Yui sie wohl nicht finden.

Das veranlasste die Hündin dazu, ihre Pfoten auf ihr Bein zu stellen. Als würde sie Sezuna nicht gehenlassen wollen.

»Wohin zurück?«, fragte sie und wedelte wild mit dem Schwanz. Ihre Körperhaltung zeigte, dass sie sehr aufgeregt war.

»Ich bin durch ein Portal hierhergekommen«, erklärte Sezuna kurz angebunden, die sofort bemerkte, dass die Hunde damit wohl nicht viel anfangen konnten.

»Portal?«, fragte die träge Stimme des grünäugigen Hundes neugierig. Sezuna nickte langsam. Wie sollte sie ihnen erklären, was sie meinte?

Portale verbanden Kontinente und sogar ganze Planeten. Es gab feste und solche, wie Yui sie genutzt hatte. Magisch erzeugte.

»Ja, es verbindet Welten miteinander«, versuchte sie zu erklären. Es war jedoch schwerer als erwartet. Sie konnte ihnen kaum die Funktionsweise beschreiben. Das würde die Tiere nur noch mehr verwirren. Zudem wusste sie überhaupt nicht so genau, wie das alles funktionierte.

Diese Erklärung schien den Hunden nicht weiter zu helfen, was Sezuna seufzen ließ. »Eine Freundin holt mich dort ab, damit sie mich nach Hause bringen kann«, sagte sie stattdessen und hoffte, dass die Hunde wenigstens das verstanden. Ob sie so etwas wie Freunde kannten? Es wirkte irgendwie, als wären sie hier allein.

»Freundin?<«, fragte die junge Hündin aufgeregt. Es klang so, als wüsste sie, was dieses Wort bedeutet. Das beruhigte Sezuna. Irgendwie fände sie es nicht gut, wenn diese drei kleinen Welpen keine Freunde hätten.

»Dürfen wir mitkommen?<«, wollte der rotäugige Hund wissen und sprang aufgeregt auf ihrem Schoß herum, was Sezuna leise stöhnen ließ. Er war so schwer, wenn er das tat, dass sie jede seiner Bewegungen deutlich spürte und wohl an den Stellen blaue Flecken bekommen würde. Wahrscheinlich war er sogar so schwer wie sie. Dabei war sie viel größer.

»Schon gut, ihr könnt ja mitkommen«, murmelte sie ergeben, damit die Hunde Ruhe gaben. Sie wusste jedoch nicht genau, was sie mit den Tieren machen sollte. Komplett mitnehmen kam wohl nicht in Frage. Wie sollte sie Yui erklären, dass diese sich plötzlich um Haustiere kümmern musste, denn zu ihrer Mutter würde sie die Hunde definitiv nicht mitnehmen können. Wobei sich die grünhaarige Hexe wohl sogar darüber freuen würde. Sie liebte seltsame Tiere, doch Sezuna wusste nicht, ob die Hunde in ihrer Welt überhaupt leben konnten.

Alle drei Hunde wirkten glücklich darüber und sprangen von ihr, um sie förmlich zu schupsen, damit sie aufstehen und losgehen konnten. Dabei waren sie vorher diejenigen gewesen, die am liebsten weiter sitzengeblieben wären. Ob sie wohl neugierig auf Sezunas Freundin waren? Das war möglich.

Der plötzliche Umschwung ihrer Gefühle irritierte Sezuna, aber sie erhob sich, um mit den Hunden aus der Höhle zu gehen. Dort wurde es etwas heller, aber nicht sonderlich stark. Das Zwielicht hatte sich nicht geändert und beim genaueren Hinsehen entdeckte sie noch immer keinen Mond am Himmel.

»Du kannst auf uns reiten«, bemerkte der rotäugige Hund plötzlich, als sie schon ein Stück gegangen waren, was Sezuna nur noch verwirrter werden ließ.

Sie wollte gerade fragen, wie sie sich das vorstellten, als sie bemerkte, dass die drei Hunde sich gegenseitig ansprangen und verschmolzen.

Mit weit aufgerissenen Augen sah Sezuna zu, wie aus den drei Hunden ein Knäul entstand, das immer größer wurde und schließlich zu genau dem dreiköpfigen Hund wurde, der sie aufgehoben hatte.

Vor Überraschung gaben Sezunas Beine nach und sie landete auf ihrem Hintern im Sand. Mit aufgerissenen Augen und nach Luft schnappend, betrachtete sie das große Wesen. Das hatte sie nicht erwartet! Von wegen Mutter oder Vater! Es waren die Welpen gewesen! Irgendwie gelang es ihr aber nicht, das Bild der drei kleinen Hunde mit dem des großen, dreiköpfigen in Einklang zu bringen.

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