Kapitel 11.4

Sezuna betrachtete den Raum, in dem Nemesis sie führte. Er war fast leer und die Wände wirkten, als wären sie direkt aus dem Stein geschlagen. Selbst der Boden wirkte eher unbearbeitet. In der Mitte lag eine Decke und darauf die Kristalle, die sie für ihren Stab brauchen würde.

»Das gefällt mir, so kann nicht so viel kaputt gehen«, bemerkte Sezuna, die langsam auf die Decke zulief. Dabei bemerkte sie, dass hier sehr viel Sternenstaub in der Luft lag, und sie fragte sich, wieso. Er war sogar noch gebündelter als draußen.

Sternenstaub war das, was die Welt am Leben hielt. Jeder bestand aus Sternenstaub und ein toter Körper zersetzte sich auch wieder in diesen. Stein, Pflanze und Wesen bestanden aus unterschiedlichen Sternenstaub. Warum also war er hier so dicht? Waren hier Wesen gestorben oder waren die Wände so voller Magie, dass diese den Sternenstaub abgaben?

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Nemesis sanft. Er schien bemerkt zu haben, dass Sezuna langsamer geworden war und sich nicht so ganz wohl fühlte.

»Gibt es einen Grund, warum hier so viel Sternenstaub existiert?«, fragte sie und klang unsicher. Wollte sie die Antwort überhaupt wissen? Was, wenn die Wände mit Blut getränkt waren?

»Das hier ist die Hölle. Jede Seele, die hier gereinigt wird, gibt einen Teil seiner Magie an das Schloss ab«, erklärte der Höllenfürst mit ruhiger Stimme. Irgendwie beruhigte das Sezuna wirklich. Es klang logisch und nicht so grausam. Es war die Hölle. Natürlich sammelten sich hier Verstorbene. Das hätte sie sich denken sollen.

»Es klingt nach einem sehr durchdachten System«, meinte Sezuna mit einem Lächeln, um sich von ihren eigenen Gedanken abzulenken. Ob die Seelen, die hier gereinigt wurden, umherschwirrten und vielleicht sogar jetzt um sie herum waren? Sie interessierte sich sehr dafür, was nach dem Tod mit den Seelen geschah, doch sie war wohl noch zu jung, um solche Dinge zu wissen. Zudem glaubte sie nicht, dass der Höllenfürst ihr diese Dinge einfach beibrachte.

»Ist es«, versicherte Nemesis, der Sezuna zu dem Platz führte, wo die Kristalle lagen. »Möchtest du allein üben oder soll ich bei dir bleiben und helfen?«, fragte er und schien sich in dem Punkt wirklich nach ihr zu richten.

Sezuna wurde unruhig. »Ich ... möchte Euch nicht von Eurer Arbeit abhalten«, sagte sie zögerlich. An sich wäre es ihr aber lieber, wenn er da war. Sicherlich hatte er einige interessante Dinge zu sagen.

»Im Moment wird meine Aufmerksamkeit nicht gefordert«, winkte Nemesis ab. »Nikidamus kümmert sich zurzeit sehr gut um die organisatorischen Dinge«, versicherte er. Dabei wirkte er, als hätte er alle Zeit der Welt.

Nur zögerlich nickte Sezuna. Sie wusste nicht, wer Nikidamus war, fragte aber auch nicht nach. Er würde schon wissen, was er tat. Sie freute sich lediglich darüber, dass er Zeit für sie hatte. »Dann würde ich gern noch einmal versuchen, den Stab zu fertigen, während Ihr dabei seid«, gestand sie, denn mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich wesentlich sicherer. Sollte etwas geschehen, war er da und konnte ihr helfen.

Langsam kniete sich Sezuna auf den Boden und richtete die Kristalle vor sich aus. Sie hatte kein System, wollte sie aber leichter im Überblick haben. »Ist es auch möglich sie nacheinander zu kombinieren?«, wollte sie wissen und bemerkte, dass Nemesis sich zu ihr hockte.

»Ja, das ist möglich«, stimmte er zu. »Es wird allerdings dann immer schwerer und es könnte sein, dass du den letzten Kristall nicht einbringen kannst«, erklärte er und schien kein Problem mit ihrer Fragerei zu haben.

Sezuna nickte nachdenklich. Dabei überlegte sie, was sie am besten tun sollte. »Also ist es besser, alle mit einmal zu kombinieren, auch wenn es schwieriger ist«, entschied sie für sich.

»Am einfachsten wäre es, wenn du die Kristalle am Anfang in den Sternenstaub zerlegst und diesen dann kombinierst«, schlug Nemesis vor, was Sezuna die Stirn runzeln ließ. In den Sternenstaub zerlegen? Sie wusste, was er meinte und hatte bisher angenommen, dass es normal war, das so zu tun.

»Ich glaube, das mache ich immer zuerst«, sagte sie, war sich jedoch nicht ganz sicher. Magie war bei ihr bisher immer nur instinktiv abgelaufen und sie hatte nie gelernt, wie es wirklich sein sollte oder eher wie andere es taten.

Nemesis nickte. »Du weißt instinktiv, wie es geht. Kümmere dich also nicht darum, ob du es richtig machst, sondern mach es so, wie du es möchtest«, sagte er, während er sich ganz zu ihr setzte.

Sezuna atmete tief ein und schloss die Augen, bevor sie ihre Hände über die Kristalle streckte und versuchte, den Sternenstaub zu spüren. Es waren unterschiedliche Elemente und sie fühlten sich alle anders an.

Vor Nemesis hatte sie das nicht gewusst, doch mittlerweile war es ihr so klar, als wäre es nie anders gewesen. Die Lehreinheiten mit dem Höllenfürsten waren zwar oft recht kurz, dafür aber intensiv.

Die sechs Grundelemente Feuer, Erde, Luft, Wasser, Licht und Dunkelheit waren sehr einfach zu erspüren, doch die Parallelelemente, die aus zwei Elementen zusammengesetzt waren, waren nicht so einfach. Eis konnte sie dank ihrer Schwester ebenfalls spüren. Auch Blitz war nicht so schwer. Doch Zeit, Glas, Metall und Rauch waren sehr schwierig.

Sezuna konzentrierte sich darauf, etwas Bekanntes auszumachen und hatte das Gefühl etwas zu spüren, das sie an Allan erinnerte. Sie runzelte die Stirn. Welches Element war das? War es Rauch oder vielleicht sogar Zeit? Warum wusste sie nicht, welches Geburtselement Allan besaß? Sie lebten schon so lange zusammen, doch sie hatte nie danach gefragt. Er war auch nicht gerade sehr gesprächig, wenn es um seine Fähigkeiten ging.

»Ich bin noch nicht oft genug mit allen Elementen in Kontakt gekommen, um sie direkt unterscheiden zu können«, bemerkte Sezuna und klang widerwillig. Ihr fiel es schwer, das einzugestehen, denn sie nutzte die Elemente sonst auch, aber nicht wissentlich. Was laut ihrer Mutter sehr gefährlich sein konnte.

Nemesis rieb sich das Kinn. Er hatte ihr vor kurzem erst richtig erklärt, wie sie diese spüren konnte, musste aber wissen, dass sie einfach noch nicht genug Übung darin hatte. »Verstehe. Vielleicht wäre es gut, wenn du erst einmal ein Gespür dafür bekommst. Welche Elemente betrifft es denn?«

Sezuna seufzte leise, öffnete die Augen und nahm die Hände zurück. »Zeit, Glas, Metall und Rauch«, sagte sie und ließ etwas die Schultern hängen. Sie fühlte sich fast schon hilflos. Etwas, was ihr nicht gefiel.

»Das ist weniger, als ich erwartet habe«, sagte Nemesis überrascht. »Alles Elemente die sehr mächtig und sehr schwer sind.«

Sezuna nickte leicht, auch wenn es keine wirkliche Frage war, auf die sie antworten musste. Obwohl Nemesis es sagte, als wäre es in Ordnung, fühlte sie sich trotzdem irgendwie minderwertig, weil sie es nicht konnte.

Der Höllenfürst setzte zum Sprechen an, als es an der Tür klopfte. »Entschuldige, es scheint wichtig«, sagte er und wandte sich um, um die Tür zu öffnen.

Sezuna blieb zurück, blickte aber neugierig auf den Mann, der dort stand. Er hatte kurzes, schwarzes Haar mit violetten Spitzen und rubinrote Augen. Zudem violette Widderhörner. Seine Ausstrahlung ließ Sezuna etwas schaudern und doch hatte die Aura des Dämons etwas Bekanntes an sich.

»Nikidamus«, sagte Nemesis und über die Stimmlage war Sezuna verwundert. Er klang ähnlich, als würde er mit Eve sprechen. »Was hast du für Probleme?«, wollte der Höllenfürst wissen. Sezuna bemerkte, dass Nikidamus an ihm vorbei zu ihr schielte, bevor er sich leicht räusperte.

»Es gibt ein kleines Problem mit einer Seele«, informierte er kurz angebunden. Es schien, als würde er nicht zu viel verraten wollen. »Sie ist zwischen den Welten gefangen und die Todesengel können sie nicht ganz einfangen.«

Nemesis wirkte nachdenklich und blickte dann zu Sezuna, die sich irgendwie verloren vorkam. Während er weg war, würde sie sich um ihren Stab kümmern. Allerdings winkte Nemesis sie zu sich. »Du kannst mitkommen, das könnte dir helfen«, bemerkte er. Sezuna deutete fragend auf sich. Hatte sie das richtig verstanden?

»Ich? Aber ... Ich hab doch keine Ahnung«, sagte sie und wirkte unsicher. Wollte er ihr wirklich einen Einblick in seine Arbeit geben? Wieso das?

Nemesis nickte ernst. »Ich möchte, dass du dir das ansiehst und daraus lernst«, sagte er auffordernd. Da Sezuna sowieso neugierig war, nickte sie. Allerdings fühlte sie sich unwohl, weil sie keine Ahnung hatte, was auf sie zukam.

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