TAPE 8《What goes around comes around》
Lest euch bitte die kleine Info am Ende durch. Ansonsten werdet ihr das nächste Kapitel überhaupt nicht verstehen können !
Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis die ersten Reaktionen folgten.
Elvana neben mir zog scharf die Luft ein und presste ganz starr vor Bestürzung die Hände auf den Mund, derweilen ihre Augen auf dem Bildschirm hafteten. Mein Verhalten fiel wesentlich entspannter aus. Der vor Angst gelähmte Ausdruck auf Cholés Gesicht amüsierte mich prächtig. Es war eine nahezu perfekte Illustration der Betrugsentlarvung, die erbarmungslos von der Klinge der Gerechtigkeit niedergeschmettert wurde. Das war es, was ich die ganze Zeit übersehen wollte.
Noch gespannter war ich aber auf Shane Reaktion zu dem automatisch mein Blick glitt. Hätte ich es lieber nicht getan...
Denn nun rang ich regelrecht nach Selbstbeherrschung, welcher beim Anblick seiner vor Wut herausstechenden Adern an der Schläfe an den Gittern rüttelte und endlich ins Freie gelangen wollte. Nicht laut loslachen, Aurora... bloß nicht in schallendes Gelächter verfallen. Nicht jetzt. Nicht hier. Also wirklich Shane... Ausgerechnet dir müsste diese Einlage doch gefallen haben. Schließlich hast du mit Sicherheit nicht zum ersten Mal einen Porno gesehen, oder?
Ich schmunzelte. Nein, ganz bestimmt nicht.
Der Saal war umhüllt von dem keuchenden Gestöhne der... nun, wie sollte ich es am besten ausdrücken? Darsteller. Ja genau, Darsteller.
Das Video zeigte ineinander geschlungene nackte Haut, verschwitzte Körperhüllen, wie auch vulgäre Stellungen. Nun, das ist wahrlich eine sehr interessante Umsetzung der weltweiten Werbekampagne, Chloé. Dass du damit viele Menschen inspirieren wirst, steht definitiv nicht außer Frage.
»Ich... ich...«, fing plötzlich Chloé an vor sich hin zu Stammeln, indes sie völlig verstört vom Video zu Shane abwechselnd hin und her blickte.
»Ms. Avens«, brachte er endlich mit zusammengebissenen Zähnen zustande. Seine Stimme, die einen Warnsignal beinhaltete, löste Chloé aus ihrer Schockstarre. Sofort hastete sie mit großen Schritten auf ihr Laptop zu.
Liebes, das würde ich an deiner Stelle komplett vergessen...
Sobald sie sich dem System wiedersetzte, kurbelte es die Lautstärke automatisch um das Zweifache an und das Gestöhne nahm folglich den ganzen Raum ein. Die Vorstellung, dass sich das Geräusch darüber hinaus auch im ganzen Gebäude ausweiten könnte, erheiterte mich dermaßen, dass ich drohte mein Mienenspiel auffliegen zu lassen.
Naja, das Motto dieses Unternehmens könnte nach diesem Konzept ebenfalls einen Wandel vollziehen, oder nicht?
Wie wäre es mit: S.Caprino-Holdings: Wir geben Ihnen was sie brauchen.
Mhh oder noch besser S.Caprino-Holdings: Bei uns erreichen sie garantiert ihren ultimativen Höhepunkt.Natürlich war damit der Höhepunkt ihrer Karriere gemeint.
Chloé amüsierte die Situation weniger. Panisch hüpften ihre Pupillen über die Tastaturen unter ihr, die einer andere Sprache gleichkamen und die sie nicht zu entschlüsseln vermochte.
Dachtest du tatsächlich, dass wir am Ende angelangt wären du miese Schlange?
Tja, noch lange nicht. Die Aussichtlosigkeit Chloés Bestrebungen musste Shane aufgefallen sein, aber das hieß noch lange nicht, dass er sich ihrer Verzweiflung anschloss. Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, trat er nun an seine Kunden heran, die verärgert und vollkommen aufgelöst auf chinesisch sprachen und
dabei wild mit den Armen gestikulierten. Ihren Körpersprachen und ihren Gesichtsausdrücken zufolge würde es keine leichte Aufgabe werden, sie wieder für sich zu gewinnen. Ich zog die Augen zu schlitzen zusammen und grübelte, während ich in meiner Bewegung innehielt. Mhh wie wäre es, wenn ich etwas Salz in die Wunde streue... nur ein klitze kleines bisschen?
»Wenn Ms. Avens mit 'die Aufmerksamkeit der Menschen zu erlangen'das meinte, dann hat Sie nicht ganz unrecht«, sagte ich laut genug, dass mich auch die Asiaten hörten. Meine Worte lösten den gewünschten Effekt aus, die beiden Männer vor mir unterhielten sich noch aufgelöster miteinander.
»Ich... ich weiß wirklich nicht...«, drang die weinerlich Stimme Chloés in meine Richtung und als ich zu ihr aufblickte erkannte ich, dass Shane unmittelbar neben ihr stand und sie mit seinen tödlichen Blicken erdolchte.
Sie tippte und tippte. Schweißperlen klebten an ihren Fingerkuppen, denn so sehr sie sich auch bemühte nichts wollte funktionieren. Nichts würde funktionieren...
Auch bei dem Versuch den Laptop ganz auszuschalten schlug es gänzlich fehl. Sie wurde von irgendetwas blockiert... oder eher gesagt von irgendjemanden. Chloés Frustration steigerte sich nur noch mehr, weshalb sie plötzlich begann die zur Faust geballte Hand anzuheben und sie mit Schwung auf das Laptop niedersausen zu lassen. Diesen Akt wiederholte sie mehrmals. Ein großer Fehler Chloé. Ein gewaltig großer Fehler...
Meine Gedanken wurden einige Sekunden später bestätigt. Der Bildschirm zeigte schwarz. Sie bekam aber nicht einmal die Gelegenheit erleichtert aufzuatmen, da hellte sich auch schon wieder der Bildschirm auf. Dieses Mal jedoch handelte es sich um ein anderes als das vorherige Video. Elvana hinter mir gab abrupt einen erstickten Laut von sich. Ach, herrlich.
»Nein... das kann doch nicht...«, stammelte Ela.
Oh doch, Liebes! Das ist genau das was du vermutest. Das Videoformat hatte sich nicht verändert, die Szenerie war dieselbe: Nackte Körper, lustvolles Keuchen und gleichmäßige Bewegungen erstreckten sich in Bild und Ton.
Der einzige Unterschied bestand lediglich darin, dass es sich bei der Hauptdarstellerin um niemand geringeres als Chloé selbst handelte. Letztere, die sich plötzlich selbst in dem Videomaterial wiedererkannte, schlug noch verzweifelter und härter auf den Laptop ein. Es änderte nichts.
Ich währenddessen hatte mich wieder zu Elvana nach hinten gesellt und flüsterte, die Arme vor der Brust verschränkt:
»Ich tippe mal darauf, dass der Kerl in diesem Video niemand geringeres als der Filialleiter ist von dem Mal die Rede war, oder?«
Elvanas Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
»Oh mein Gott, ich glaub's einfach nicht.«
»Mhh...«, kommentierte ich ihre Aussage unbeteiligt.
»Für sein Alter ist der Kerl noch ganz fit, findest du nicht auch?«, aber Ela sowie alle anderen Anwesenden im Raum waren in keiner sonderlich guten Verfassung, um auf meine Aussage reagieren zu können. Sie starrten reglos geradeaus. Ernsthaft Leute? Da hat die liebe Chloé so viel Einsatz gezeigt. Gibt es denn überhaupt keinen Applaus, überhaupt keine Zugabe für sie? Nein? Wie schade aber auch...
Shane war nun völlig außer sich, als er den Filialleiter identifizierte. Seine Augen funkelten wie schwarze Kohle auf und es war nur eine Frage der Zeit bis Chloé sein glühend heißes Feuer zu spüren bekommen würde. Er atmete tief aus und wandte sich dann den Kunden zu.
»Meine Herren...« Seine Stimme klang trotz alledem sehr selbstsicher.
»Hier muss ein großes Missverständnis vorliegen. Ich bitte Sie um etwas Geduld. Der Fehler wird gleich aufgehoben werden.«
»Mr. Caprino wir kooperieren nur unter seriösen Voraussetzungen. Wie es aussieht...«, sagte der größere von den beiden Männern und beäugte Chloé von oben bis unten mit einem abschätzigen Blick.
»... sind manche unter Ihnen zu inkompetent und an anderen Branchen interessiert als an unserer. Unter diesen Umständen können wir eine Zusammenarbeit mit ihnen nicht fortführen. Wir erfordern äußerste Disziplin und deshalb haben wir Ihrer Firma auch vertraut. Zeit ist Geld, Mr. Caprino. Das müssten Sie am besten wissen.«
»Wenn Sie uns nur... «, begann Shane erneut in einem kompromissvollen Ton, musste aber auch da eine Zurückweisung über sich ergehen lassen.
»Unser Entschluss steht fest«, sprachen beide das letzte Wort aus und ihre schweren Schritte halten im nächsten Moment durch den ganzen Saal.
Als die Tür hinter uns zu ging, traute sich keiner etwas zu sagen. Elvana und ich standen Seite an Seite und unser Zustand könnte nicht unterschiedlicher sein.
Meine Kollegin war von Natur aus ein herzensguter Mensch. Ganz gleich wie wenig sie auch Chloé mochte, dass ihre Rivalin in irgendeiner Weise genau wie sie selbst bloßgestellt wurde, regte ihr Mitgefühl an. Ihr Emphatieempfinden drang zu ihr durch und vergessen waren Chloés Boshaftigkeiten.
Ich hingegen war der umgekehrte Fall... Am liebsten hätte ich über die Ereignisse laut losgelacht. Stattdessen biss ich auf meine Unterlippe, um meine Selbstbeherrschung zu zügeln. Shane gab einen fluchenden Laut von sich und knöpfte den Kragen seines Hemdes auf. Oh... gestresst?
»Ich erwarte Sie in fünf Minuten in meinem Büro« Dann war er aus der Tür verschwunden.
Die bedrückende Stimmung im Raum stieg allmählich an. Ich schaute zu Elvana rüber.
»Wir sollten gehen«, flüsterte ich ihr zu. Statt meinem Vorschlag zuzustimmen, setzte sie sich in Bewegung, um auf Chloé zuzugehen. Ich hielt den Atem an. Mir blieb keine Zeit Ela aus der Reichweite dieses Biestes zu bringen, denn da war sie schon bei ihr angelangt. Bei Chloé, die uns den Rücken zugekehrt und sich nach Shanes Abgang mit beiden Händen schwer atmend an den Tisch abgestürzt hatte.
»Ist... ist alles in Ordnung bei dir?«, sprach Elvana vorsichtig und streckte ihre Hand nach ihr aus; eine klare Geste des Zusammenhalts. Verdammt, was machte sie denn da?
Aber als ich ihre kummervollen und zugleich verständnisvollen Augen sah, wurde es mir klar... sie verstand. Sie verstand die Gefühle, die Aufgelöstheit, das Chaos, das sich gerade im Inneren von Chloé abspielte. Klar verstand sie es, sie selbst hatte es ebenfalls durchgemacht. Was für eine Ironie nur, dass es genau die Person war, der sie sich zum Trost zuwandte, die sie in folgende Lage überhaupt gebracht hatte.
Früher einmal hätte ich vielleicht genauso reagiert. Heute jedoch betrachtete ich das Ganze aus einem anderen Blickwinkel. Wie du mir, so ich dir. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Aber Elvana war nicht ich... und das war durchaus gut so. Ich konnte nicht umhin, als die Szenerie mit gemischten Gefühlen zu betrachten, die zusätzlich mit dem Ablegen von Elvanas Hand auf Chloés Schulter ein neues Ausmaß erreichten. Die Berührung musste Chloé einen Stromschlag verpasst haben, denn wie elektrisiert richtete sie sich auf und entriss sich von ihr.
»Fass mich nicht an! Ich brauche dein Mitleid nicht!«
Elvanas schwaches Lächeln entgleiste. Dass Chloés harten Worte ihr Ziel getroffen hatten, verriet mir ihre Körperhaltung, die plötzlich leicht an Stabilität verlor und sich nach Schutz suchend einige Schritte von Chloé entfernte.
»Du... du hast jetzt bestimmt Schadenfreude nicht? Die arme kleine Chloé hat sich selbst ein Bein in den Weg gestellt. Aber vergiss es! Ich bin nicht wie du und deine erbärmliche Sippschaft. Nur aus diesem Grund hat er dich hier überhaupt aufgenommen. Weil er Mitleid mit dir hatte.«
In dem Moment ging etwas in die Brüche. Irgendetwas... ganz tief im inneren von Elvana. Sie schluckte sich nur mühsam die aufkommenden Tränen runter und ihre Hand bildete sich zu einer kleinen Faust. Das war's jetzt.
Mit großen Schritten ging ich auf beide zu. Ich wusste nicht recht was Chloé meinte, aber dass sie einen Schwachpunkt Elvana getroffen hatte, stand ihr unverblümt ins Gesicht geschrieben. Ich fasste Elvana am Arm und flüsterte:
»Das ist genug. Wir gehen jetzt.«
Doch ehe ich sie mitzog wand ich mich ein letztes Mal an Chloé:
»Wenigstens hatte sie das Glück eine Familie zu besitzen, deren Erziehung Sie genießen konnten, was man Ihrem Verhalten nach nicht wirklich behaupten kann«, sagte ich, warf ihr einen letzten abfälligen Blick zu und zog Elvana im Schlepptau aus dem Saal. Mit dem Betreten des Aufzugs legte sich Stille ein und mir wurde erst da bewusst, dass Elvana keinen Mucks von sich gegeben hatte. Ich öffnete den Mund einen Spalt schloss ihn dann aber gleich wieder und kam zu der Annahme, dass es das Beste wäre ihr einen Moment zu geben. Sie musste zu sich kommen...
Als wir aus dem Aufzug traten, begab sich jeder von uns auf ihren Platz zu. Dann fiel mein Blick auf den großen Ordner, der den Großteil meiner Arbeitsfläche verdeckte.
Mist, ich benötigte noch eine Unterschrift.
Weniger enthusiastisch schnappte ich den Ordner und stand auch schon wieder auf den Beinen, ehe ich einen Bogen um den Schreibtisch machte. Ich überließ Ela die Wahl mit mir zu sprechen, wenn sie wollte. Aber wie zu erwarten versichterte sie mir mit glanzlosen Augen, dass es ihr gut ginge. Gezwungen zauberte ich ein kleines Lächeln auf meine Lippen, bis ich an die Bürotür gelangte. Ich klopfte zweimal an. Die Reaktionslosigkeit bewegte mich dazu die Tür einen Spalt zu öffnen und mich dann langsam in den Raum heranzutasten. Shane stand, mit dem Rücken zu mir gedreht, an der großen Fensterwand und die Hände hinter den Rücken verschränkt sah er nach draußen.
»Verzeihen Sie die Störung Sir, aber ich bräuchte noch eine Unterschrift von Ihnen«, informierte ich ihn und wartete auf ein Zeichen seinerseits, während ich mich wie versteinert vor den Tisch dirigierte. Sekunden vergingen und gerade als ich befürchtete, dass er mich nicht gehört hatte, ließ er von dem Ausblick aus dem Fenster ab und drehte sich zu mir um. Seine eiskalten Augen trafen meine. Shane hob die Hand und antwortete mit einer angespannten Tonlage:
»Hergeben.« Bei ihm angekommen reichte ich ihm den Ordner mit den Dokumenten zu, den er mir mit einigen schwungvoll gesetzten Handbewegungen zurückreichte, ohne dabei den Blick angehoben zu haben. Meinem zurechtgelegten 'Danke' wurde der Vortritt genommen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Chloé dicht gefolgt von Elvana hereinplatzte.
»Ich... Mr. Caprino... ich habe versucht sie aufzuhalten aber...« Völlig außer Puste massierte Elvana ihr Hals.
»Sir, Sie müssen mir zuhören«, Chloé ließ Elvana nicht aussprechen.
»Ms. Harvis, Sie können wieder an ihren Arbeitsplatz «, sagte er so ruhig, dass dies die Spannung im Raum nur noch mehr antrieb.
Und was war mit mir?
Ich stand weiterhin mit den Akten abseits vom Pult. Ein Blick zu Shane verriet mir jedoch, dass er mich gar nicht mehr wahrnahm. Währenddessen hatte seine Körperhaltung, eine harte recht angriffslustig Stellung eingenommen.
»Nun...«, Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und seine bereits feindselige Ausdruckskraft ließ erahnen, dass er sich nur schwer beherrschte.
»Sie haben das Wort«
»Mr. Caprino ich weiß nicht... das ist nicht meine Präsentation...«
Shane runzelte nicht überzeugt von ihren halben Sätzen kritisch die Stirn.
»Wenn ich mich recht entsinne habe ich diesen Auftrag Ihnen übergeben... also wessen Präsentation sollte es dann sein, wenn nicht Ihre.«
»Ich... ich...« Sie blickte sich auf der Suche einer plausiblen Erklärung um.
»Ich weiß es nicht.« Es war nicht die Begründung, die Shane hören wollte, denn die Falte auf seiner Stirn wurde tiefer, zeitgleich er aufstand und sich über den Tisch zu ihr beugte.
»Ist das alles? Sie wissen es nicht?«, fragte er in einem undefinierbaren Ton und fügte hinzu:
»Es ging um einen sieben fünf Dollar Deal und Sie.wissen.es.nicht?"
Chloé, die erkannte, dass sie sich durch ihre Bemerkung direkt in die Schusslinie katapultiert hatte, schaute erneut verzweifelt auf, bis sie meinen Blick begegnete und in ihrer Position erfror. Mit dem Andauern ihrer Musterung wurde mir zunehmend unbehaglich zumute. Die nächsten Worte kamen derart gefasst und selbstsicher über ihre Lippen, dass ich dieser 360 Grad Wendung nicht schnell genug folgen konnte, biss der Nachklang ihrer Stimme meine Sinne benebelte.
»Es handelte sich um ein Komplott gegen mich, Sir. Ms. Harvis hat dies zu verantworten« Meine Kinnlade wäre fast auf dem Boden aufgekommen. Das hatte sie jetzt nicht gewagt... Außer mir vor Wut war ich drauf und dran jeden Chloé in ihre Schranken zu weisen, doch da ertönte sich Shanes schallendes Gelächter im Raum und ich hielt inne. Er lachte weiterhin. Es war ein kaltes, emotionsloses Lachen.
»Also bitte, dass sie diese Frechheit besitzen Ms. Harvis für ihre Unachtsamkeit zu verurteilen«, sagte Shane und sein Lachen dämpfte allmählich ab. Derweilen nahmen seine Worte mehr und mehr an Aggressivität zu.
»Ich bin mir sicher«, beharrte sie sich nicht von Mr. Caprinos Haltung einschüchtern lassend.
»Unsinn! Ms. Harvis war die ganze Woche über ausschließlich in meiner Nähe und mit meinen Anweisungen beschäftigt.«
»Aber... «
Zornig schlug Shane auf seinen wertvollen aus Marmor geschnitzten Schreibtisch. Mit einem Mal wirkte das antike Teil aus den 60iger Jahren, welches durch die geschnörkelten und leicht gewölbten Verzierungen auf das italienische Handwerksgeschick hinwies, nicht mal annähernd so stabil wie es einst den Eindruck gemacht hatte. Denn der harte Faustschlag, der die Gegenstände auf dem Tisch leicht zum Vibrieren brachte, erzeugte ein schreckliches Knacken, das uns beide hellhörig werden ließ. Einen Moment lang dachte ich er habe sich womöglich die Hand gebrochen, doch der wütende Gesichtsausdruck und die leicht nach vorne fallenden pechschwarzen Haare, die eine perfekte Parallelität zu seiner Seele herstellten, erweckten keine Zweifel daran, dass ihm dies gar nicht erst aufgefallen wäre, hätte ein derartiges Szenario vorgelegen. Tief nach Luft schnappend fuhr er sich mit einer schnellen Handbewegung durchs Haar und als diese ihm kurze Zeit darauf wieder vors Gesicht fielen, konnte ich mich nicht davon abhalten ihn einige Sekunden länger zu betrachten, als eigentlich nötig gewesen wäre.
»Eine bessere Ausrede haben Sie für ihre Inkompetenz nicht vorzuführen?«, schrie er Chloé wutentbrannt an und stützte sich mit seinen muskulösen Armen, die nur noch von seinem Hemd umhüllt waren, an seinem Schreibtisch ab. Chloé, die beschämt den Kopf einzog und die Hände ineinander faltete, starrte eingeschüchtert auf ihre Füße nieder. Geduldig, aber zum Tode verängstigt, wartete sie einige Meter vor dem Schreibtisch auf ihr endgültiges Urteil.
»Sir, ich... ich weiß wirklich nicht wie... ich schwöre es Ihnen ich...«
»Das reicht!«, unterbrach Shane sie recht barsch und schlug reflexartig erneut auf den Tisch.
»Sie haben es verbockt. Sie haben eine kleine einfach Aufgabe vermasselt. Scheiße nochmal... fünf Millionen«, knurrte er, drehte sich tief seufzend um, indem er uns den Rücken zukehrte und stützte sich mit geballter Faust an der Fensterscheibe ab.
»Es tut mir leid, Mr. Caprino ich...«
»Eine Entschuldigung wird den Schaden auch nicht wiedergutmachen können«, schnitt er ihr schroff das Wort ab und ich meinte eine noch größere Verzweiflung in Chloés Gesicht ausmachen zu können, als sie instinktiv die Lippen bei seinen Worten aufeinanderpresste und diese sich zu einer einzigen schmalen Linie verzog.
»Verschwinden Sie...«
»Sir bitte...«
»RAUS HIER!« Seine Geduld hatte die Endstation erreicht. Ein weiteres Wort und er würde gewiss komplett durchdrehen. Erstaunlicherweise hatte Chloé es geschafft eins und eins zusammen zu zählen, denn mit geneigter Haltung und gesenkten Augen verließ sie so schnell sie konnte den Raum, nur weg von Shane. Ich hingegen genoss es in vollen Zügen mich genau hier zu befinden, auch wenn ich mich ehrlich gesagt innerlich zusammenreißen musste, um nicht laut los zu prusten. Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln.
Und da stand er nun... Shane Caprino. Der machtvoller, unbesiegbarer Mensch für den ihn jeder hielt, unwissend darüber welch Spielchen ich noch mit ihm zu führen hatte. Seine angespannte Körperhaltung betonte jede seiner Muskelpartien.
Auf seinen männlichen, attraktiven Gesichtszügen hatte sich ein dunkler Schleier gelegt, welcher ihn bedrohlicher aber umso anziehender aussehen ließ.
Die Augen, so glassklar und doch undurchdringlich, verbargen die Emotionen, die er am liebsten laut rausgeschrien hätte.
Das was ihn jedoch verriet war das hindurchgleiten seiner langen, sinnlichen Finger durch seine prachtvollen weichen Haare, was er just in dem Moment auch tat. Ja... dieser Mann war mehr als verärgert.
Kannst du die Niederlage fühlen Shane? Spürst du sie in deinem tiefen Inneren?
Fünf Millionen... Was waren schon fünf Millionen im Gegensatz dazu, was ich später noch mit dir vorhatte.
Erst würde ich mich auf dein Reichtum stürzen, es zu meinem Besitz machen und dich damit an den Rand des Wahnsinns treiben. Dann würde ich dir dein Herz stehlen, unachtsam und unverfroren dich jeden deiner zukünftigen Herzschläge berauben. Ich wäre ein Dieb, der sich deiner Menschlichkeit zu eigen macht.
Doch nichts von alldem kam meinem Hauptziel nur ansatzweise in die Quere.
Ja, ich wollte dein Herz... ich wollte dein erbarmungsloses und kaltes Herz besitzen, doch ich wollte eins noch so viel mehr als das.
Und zwar deine Seele.
6 Jahre zuvor
»S- sag mir, dass das nicht stimmt. Bitte«, gab ich mit einer brüchigen Stimme von mir und wagte es, auch wenn ich kurz davor war mich wieder in ihnen zu verlieren, standfest und entschlossen ihm in die Augen zu blicken.
Ich musste es wissen. Er war mir eine Antwort schuldig.
Er lehnte mit dem Rücken an dieser farblosen Mauer und blickte mir ohne jegliche Emotionen ins Gesicht.
Ich schluckte. Bitte lass es nicht wahr sein, bitte flehte ich voller Qualen innerlich vor mich hin und zwang mich erneut das Wort zu ergreifen.
»Bitte Shane. Sag mir, dass du es nicht wusstest. Sag mir, dass sie gelogen haben.«
Mit flehentlichen und kummervollen Augen bettelte ich ihn regelrecht mit meinen Augen, die an Lebensfreude und an Kraft verloren hatten, an.
Ich war müde... so müde und fertig.
Schon kullerten einige Tränen meine Wangen runter, als er mich immernoch undruchdringlich anblickte. Doch schnell wischte ich sie mit meinem Handrücken weg.
Ich war schwach... so schwach und erbärmlich.
Er stützte sich von der Wand ab und kam mit selbstsicheren Schritten auf mich zu.
Vor mir blieb er stehen und seine große Statur ließ mich den Blickontakt abbrechen, während er von oben auf mich hinabstarrte.
Ich konnte das nicht, nein ich konnte es nicht.
»Schau mich an, Aurora. Schau mir in die Augen.«
Der Wind peitschte kalt gegen meinen Körper, der Himmel hatte gräuliche Töne eingenommen und es lag eine trübe Stimmung in der Luft, die darauf schließen ließ, dass es jeden Moment anfangen würde zu regnen.
Meine Nackenhaare hoben sich empor und ein Schauder lief mir den Rücken eisig hinunter. Doch dies war nicht der Grund der mich erzittern ließ, es war die Art wie er zu mir sprach.
Es war diese Kälte in seiner Stimme, das Harte, das Gefühllose etwas was mich immer mehr von Sekunde zu Sekunde in den Wahnsinn trieb , während ich mir die Fingernägel fest in meine Handfläche bohrte.
Wo war diese Wärme hin, diese Zuneigung, die Liebe und Fürsorglichkeit in seiner Stimme ?
Nichts. Nichts davon war noch übrig geblieben.
»Es ist wahr was du gehört hast. Es stimmt.«
Ich schüttelte den Kopf. Mein Herz, meine Seele zerbrachen in einem Meer voller Scherben vor sich hin. Mein Herz fing stumm an zu bluten und die Seelenscherben, die mir die Luft zum Atmen entzogen, warfen mich völlig aus dem Konzept, sodass ich befürchtete meine Beine würden jeden Moment ineinanderbrechen.
»Das... nein... nein... das kann nicht sein«, gab ich ungläubig von mir und schüttelte den Kopf.
»Du warst nichts als eine Herausforderung für mich. Eine kleine, reizvolle Herausforderung. Finde dich damit ab«, fügte er hinzu und machte Anstalten zu gehen, doch schnell packte ich ihn am Arm und veranlasste ihn damit zu stoppen.
Ich wollte ihn nicht berühren. Ich wollte mich nicht noch mehr an ihm verbrennen.Dem Schmerz nicht noch einen größeren Ausmaß verbreiten als diese es schon hatte.
Ich sollte es nicht, denn sobald ich ihn berührte sehnte ich mich wieder nach ihm, nach seinen beschützerischen Armen , die mich fest umschlungen hielten. Den Lippen, die jede Faser meines Körpers wiederbelebten... Den Händen, die mein kleines kindliches Gesicht in seine nahmen und mir das Gefühl gaben etwas zerbrechliches, aber dennoch wunderschönes zu sein. Etwas ganz Besonderes vor sich zu haben.
Ja, mein Körper kam nicht von seinem ab. Mein Herz konnte ohne die seines nicht weiter schlagen...
Ich schluckte und schloss kurz die Augen, ehe ich sie danach wieder öffnete.
Diese eine letzte Frage musste ich stellen, auch wenn ich wusste, dass es mir den letzten Schlag zu meinem Verderben gewährleisten würde.
Ich wollte es hören. Ich wollte es aus seinem Munde hören.
»Habe ich... habe ich dir denn überhaupt nichts bedeutet ? War das alles nicht echt ?«
Er stoppte, blickte mich über seine Schulter hinweg kurz an und erwiderte:
»Gefühle sind nichts für mich, Aurora. Es ging immer nur um den Sex. Von Anfang an und und um mehr nicht«,
Dann riss er sich von mir los und verschwand in der Dunkelheit.
Er ließ mich allein.
Allein in dieser Finsternis, in dieser Gasse.
Einige Sekunden stand ich reglos da, lauschte erneut seinen Worten die mir durch den Kopf gingen.
Es ging immer nur um den Sex. Mehr nicht.
Nur um den Sex.
Plötzlich fiel ich zu Boden, meine Beine hatten bei der Tragweite dieser Worte nachgelassen, doch dies war nur ein karger Sturz im Gegensatz zu meinem innerlichen Absturz.
Ich stütze mich mit den Händen ab und schrie. Ich schrie mir vor Schmerz die ganze Seele aus dem Leibe bis ich bemerkte, dass meine Tränen mit den einzelnen Tropfen vom Himmel einst wurden.
Es hatte angefangen zu Regen.
Es ging immer nur um den Sex. Mehr nicht..
Ich presste meine Hände an meine Ohren.
Nein... nein...
Er hatte mich nicht geliebt...
Er hatte mich benutzt...
Ich wollte es nicht hören. Die Stimmen sollten aufhören.
Völlig kraftlos schlug ich gegen den steinharten Boden, immer und immer wieder ohne den betäubenden Schmerz wahrzunehmen.
Du bist nichts als eine Herausforderung gewesen.
Hört auf!
Mein Körper, meine Kleidung, alles war plitchnass. Meine Haare klebte an meinen Gesicht. Alles ... alles war nass, doch es machte mir nichts aus. Kristallklare einzelne Regentropfen prasselten an meinem Körper runter, hielten kurz an Ihnen fest , an meinen Körper fest... doch fielen letztendlich trostlos an dieser Mauer hinab.
Es nützte nichts.
Denn auch der Regen würde seinen Zweck mir gegenüber nicht mehr erfüllen. Es konnte mich, so sehr es dies auch bestrebte, nicht mehr reinwaschen...
Niemals...
Ich war und blieb eine Beschmutze und das für den Rest meines Lebens.
Seine Beschmutze.
Für immer und ewig.
Kleine Info zum nächsten Kapitel:
Also, ich habe mir etwas überlegt und zwar wird das nächste Kapitel kein 'gewöhnliches'sein. Ich werde mitten drin auch Kapitel posten, die dann einen kleinen Ausblick in die Zufunft gewähren. Das heißt ihr werdet mitten in die Zukunft hineingeworfen. Die Vergangenheit werde ich in diesen 'special' Kapiteln nicht behandeln, da die Vergangenheit an einem anderen Punkt wieder aufgegriffen wird.
Vielleicht werden euch diese extra Kapitel verwirren , vielleicht aber auch gibt dies euch die Möglichkeit gewisse Puzzelteile zusammenzufügen.
Also nächstes Kapitel gibt es einen kleinen 'Einschub' und dann knüpft das daruaf folgende Kapitel an diesem hier an.
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