TAPE 5《7 Million Dollar Deal Part I》
Vorab noch eine kurze Anmerkung, welche ich im letzten Kapitel völlig vergessen hatte zu erwähnen. Es handelt sich um das Telefonat welches Aurora geführt hatte. Ich werde zunächst noch nicht viel dazu verraten, wie z.B mit wem sie spricht und was das Ganze mit der Sache zu tun hat. An einem bestimmten Punkt im späteren Verlauf der Geschichte werde ich diesen Aspekt jedenfalls aufklären, im Augenblick aber noch nicht. Dies wollte ich klargestellt haben, da
»Und wie lief's?« Elvana bedachte mich mit einem erwartungsvollen Schimmern in den Augen als ich mich hinter meinen Schreibtisch begab.
»Bestens.« Mit einem aufgesetzten Lächeln drehte ich mich schwungvoll zu meinem Rechner und demonstrierte ihr somit, dass die Inspektion genau jetzt ein Ende finden sollte. Seufzend konzentrierte ich mich auf den hell erleuchteten Monitor und versuchte dabei meine umherschweifenden Gedanken schnellstmöglich mit ein wenig Arbeit in die richtigen Bahnen zu lenken, doch vergebens. Denn nach bereits wenigen Sekunden dachte ich erneut auf das stattgefundene Gespräch vor nicht einmal fünf Minuten zurück.
Den Block und den Stift fest in meinen Händen umschlossen, bemühte ich mich selbstsicher aufzutreten, während sein wachsamer Blick kein einziges Mal von mir wisch.
»Keine Einwände?« Die rhetorische Frage rief kleine zierliche Linien auf seiner Stirn hervor. Einwände? Wirklich jetzt? Uns beiden war bekannt, was geschehen würde, wenn ich dem etwas entgegenwarf. Also warum provozierte er es?
»Ich denke, ich habe Sie verstanden, Sir.« Ein verdächtiges Zucken an seinem linken Mundwinkel machte sich bemerkbar, der wiederum von einem kurzen Nicken abgebrochen wurde. Shane fügte sich seinen vorherigen Beschäftigungen ein und mied mich aufs Neue. Anstatt dies als Entlassung aufzufassen und schnell das Weite zu suchen, rührte ich mich nicht von der Stelle. In Anbetracht dessen hob er ein weiteres Mal seinen Blick und seine fragenden Augen stachen unmittelbar in die meine. Was du kannst, kann ich auch...
»Sir, wie Sie bereits sagten. Erst nach Ihren ausdrücklichen Anweisungen, werde ich diesen Raum verlassen dürfen. Also...« Die Lücke zwischen Rücksichtlosigkeit und Raffinesse war schmal, sehr schmal sogar. Nichtsdestotrotz hielt mich auch das nicht vom Reden ab.
»Ist es mir nun gestattet Ihrem Büro den Rücken zu kehren und mich meinen restlichen Aufgaben zu widmen? Den darauffolgenden Blick, welchen er mir zuwarf, kannte ich nur allzu gut. Meine Worte gefielen ihm nicht. Und diese Theorie bestätigte sich durch die kleine, aber aussagekräftige Bewegung seiner Finger, die er ineinander verschränkte und sie zusammendrückte, weshalb seine Fingernägel kurzzeitig weiß hervorlugten. So spontan ich darauf aufmerksam wurde, so schnell löste er sie auch voneinander und signalisierte mir mit einer ungeduldigen Handbewegung den Raum zu verlassen. Etwas erheitert durch seine nicht verborgen gebliebene Verärgerung, konnte ich mir die nächste Geste nicht verkneifen und machte einen leichten und hoffentlich unauffälligen Knicks vor ihm, als ob ich mich mit der Hoheit höchstpersönlich in einem Raum befinden würde. Pechfinstere Augen bohrten sich umgehend in mich. Oh, er hatte den Spott verstanden. Wissentlich, dass ich mich auf dünnem Eis bewegte, beschloss ich den Sticheleien fürs Erste ein Ende zu setzen. Das Grinsen, das sich bei dem Gedanken von selbst auf meinem Gesicht verewigt hatte, weitete sich aus, als ich die Tür hinter mir zu schließen intentionierte und dabei einen letzten bruchstückhaften Blick darauf erhaschte wie der Kugelschreiber in seiner Faust verschwand.
Zurückblickend auf die Ereignisse von vorhin, war ich wütend auf mich selbst derart Leichtsinnigkeit gedacht zu haben. Mit einem direkten und so schnellen Gegenangriff seinerseits hatte ich keinerseits gerechnet. Erster Fehler, Aurora. Unterschätze nie... niemals deinen Feind, tadelte ich mich innerlich. Ich musste mir vor Augen halten, dass diese unkluge Vorgehensweise mich auf der Stelle in den Abgrund befördern könnte und das wollte ich auf keinen Fall riskieren, nicht so... nicht jetzt. Denn falls ich doch in diesen Abgrund stürzten sollte, dann nur unter der Bedingung, dass ich ihn mit in dieses Loch ziehen würde.
Ich spähte einen Augenblick lang rüber zu meiner Arbeitskollegin, die sich bereits ganz ihren Beschäftigungen hingegeben hatte und sich, mich nicht weiter beachtenden, konzentriert über einen schwarzen Ordner bückte. Diesen Moment für meine Vorteile nutzend, griff ich nach meinem Handy in der kleinen Innenseite meiner Handtasche und tippte eifrig eine schnelle Nachricht ein.
Er ist bissiger als ich einberechnet habe. Ich habe ihn unterschätzt. Ich benötige mehr Informationen...Schaffst du das? Die Antwort darauf folgte prompt.
Tu es sérieuse? Aber selbstverständlich kriege ich das hin, chérie. Besänftigt durch die Antwort ließ ich das Handy schnell wieder in der Tasche verschwinden und blickte runter auf meine unleserliche Schrift, die das Resultat unseres werten Herrn war für den eine Pause ein Fremdwort sein musste. Ich atmete hörbar aus.
Mit welchem dieser Notizpunkte sollte ich überhaupt anfangen? Oder mit dem Anruf nach Norwegen? Brummend massierte ich mir die Schläfe. Es war vorhersehbar, dass das ein mühsamer Prozess werden würde. Ich hatte einiges vor mir. Aber erst musste ich herausfinden, wer um alles in der Welt Jeff war.
Zwei Wochen später
14 Tage. Ganze zwei Wochen waren bereits vergangen und stolz konnte ich verkünden, dass ich immer noch ein Teil dieses Unternehmens war, was angesichts Shanes Assisstentinnenwechsel eine Neuheit darstellte. Einen großen Einfluss für mein Durchhaltevermögen nach meinem letzten reibungsvollen Abgang, war der gewesen, dass ich mich bemüht hatte mein überaus zügelloses Mundwerk in Schach zu halten. Was offen zugestanden, schwieriger war, als ich mir ausgemalt hatte. Shane, der dies offensichtlich verstanden hatte, dezimierte seine provozierenden sowie nervenzerreibenden Kommentare wie auch Befehle auf das nötigste. Zudem ratterte er seine Befehle nicht mehr rauf und runter, was mir wirklich zugutekam. Der temporäre Waffenstillstand gab mir demnach die Möglichkeit mich in diese Berufswelt Schritt für Schritt trotz anfänglicher Turbulenzen einzuleben.
Aktuell überflog ich einen von Shanes Anwälten zusammengestellten Vertrag, derweilen sich Shane für einige Tage wegen eines Meetings in Tokio befand.
Übereilig zog ich die Schlussfolgerung, dass die Abwesenheit unserer Chefs einen Luxus für uns darstellen würde, schwelgte ich in der Planung, wie ich aus Elvana insgeheim Informationen bezüglich Shane entziehen könnte. Meine Vorfreude war unbegründet, denn wie sich herausstellte, vermehrten sich die Tätigkeiten in seiner Abwesenheit um ein zweifaches. Telefonate, Terminverlegungen, Meetings standen Non-Stop an der Tagesordnung.
»Machst du eine Pause?« Elvana, die bei meiner Frage kometenhaft auf hüpfte, erhaschte über die turmartig aufgestapelten Unterlagen hinweg einen kurzen Blick auf meinen Tisch.
»Ich muss noch diese Aufgaben erledigen«, damit zog sie einen neuen Ordner aus dem Stapel und widmete sich augenblicklich dem zu. Bewunderung keimte bei ihrem Anblick in mir auf. In jedem Beruf gab es Menschen die grimmig und recht unzufrieden mit dem waren, was sie Tag ein, Tag aus machten. Andere wiederrum waren mit Leib und Seele damit gebunden. Elvana Harvis gehörte eindeutig der zweiten Gruppe an. Viel konnte ich über die gebürtige Amerikanerin mit den albanischen Wurzeln nicht sagen, außer das, was sich in den wenigen Mittagspausen mit ihr herauskristallisiert hatte. Sie war ehrgeizig, liebte ihren Job von ganzem Herzen und war eine kleine Perfektionistin. Denn sobald ihr ein Fehler oder die geringste Macke auffiel, setzte sie alles daran, dies auf der Stelle aus der Welt zu schaffen; auch wenn das bedeutete den ganzen restlichen Abend noch im Büro verbringen zu müssen. Trotzdem, sie beklagte sich nicht darüber, sondern lebte in ihrer eigenen sorglosen Welt. Irgendwie erinnerte sie mich an mein früheres Ich. Sie wirkte so unschuldig, so zerbrechlich... ganz anders als die Mitarbeiter aus den anderen Abteilungen, die hinter meinem Rücken spekulierten, wann mir Shane mein Kündigungsschreiben auf den Tisch pfeffern würde. Deshalb fragte ich mich auch, wie Elvana es geschafft hatte in diesen Reihen einen Platz zu finden, schließlich erweckten die Anderen nicht den Eindruck, als würden sie Menschen von außerhalb willkommen heißen.
»Was ist?«, ertönte plötzlich ein schüchternes Lachen ihrerseits und sie fuhr sich vorsichtig und unsicher durch die Haare. Erst da fiel mir auf, dass ich sie die ganze Zeit über angestarrt hatte.
»Habe ich etwas in den Haaren?« fragte sie beschämt und betastete dabei ihre blonden Haare, die ihr etwas kindliches Gesicht umspielten.
»Weißt du ...«, fing ich an. Bevor iich überhaupt den Satz beenden konnte, trat aber aus dem Aufzug eine schlanke junge Frau heraus. Ihre glatten platinblonden Haare, die ihr bis zu den breiten Schultern verliefen, zogen mich in ihren Bann und ihr langer Hals trug ihrer herausragenden Größe eine gewisse Härte bei. Einen schnellen Blick zu Elvana werfend, bestätigte sich meine Voreingenommenheit. Als hätten meine Tischnachbarin und ich uns abgesprochen, setzten wir wie auf Knopfdruck gleichzeitig ein Lächeln auf. So hochnäsig wie sie ihr Kopf nach oben hielt, bezweifelte ich bekam, dass sie überhaupt eine Menschenseele zu Gesicht bekam. Wer wusste schon, vielleicht waren das insgeheim ihre Absichten.
»Hallo Chloé...wie kann ich dir behilflich sein?«, fragte Elvana recht höflich, aber ihre aufeinander gepressten Lippen und ihre angespannte Körperhaltung standen in einem enormen Kontrast zu ihrer sonst freundlichen Art.
»Hey, Süße. Ich muss mit Mr. Caprino diese Unterlagen noch einmal durchgehen, wegen der Konferenz kommende Woche. Ich lege ihm die Mappe kurz an seinen Platz.« Ihre gespieltes Art machte sie glatt noch unsympathischer. Zu gern hätte ich mich vor Elvana gestellt, damit sie diesem mehr als abfälligen Blick nicht mehr länger erdulden musste.
»Mr. Caprino ist wie du weißt bis Freitag noch in Dubai. Ich habe Anweisungen, dass außer mir niemand diesen Raum betreten darf. Wenn du möchtest kannst du sie mir gerne geben und ich werde sie ihm dann unverzüglich weiterleiten.«
Ich stutzte. Das hatte er nicht gesagt. Mich erstaunte es mit welcher Kühnheit und Professionalität Elvana an diese Sache ran ging. Sie musste diese Chloé wirklich nicht leiden können, wenn sie es sogar über sich brachte diese inkorrekten Wörter auszusprechen.
Chloés Lächeln verblasste je weiter Ela sprach.
»Nein das ist nicht nötig«, gab sie leicht gereizt und pampig von sich.
»Dann erledige ich das eben... am Freitag.« In dem Moment stoppte sie, weil sie auch meine Anwesenheit wahrgenommen hatte und als sie mich mit einem heimtückischen Lächeln auf ihrem Gesicht bedachte, hätte ich mich am liebsten in Luft aufgelöst.
»Sie müssen die neue Assistentin sein«, sagte sie und ihre Augen taxierten mich von oben nach unten.
»Erstaunlich... Die anderen haben also nicht übertrieben, als sie mir von ihnen erzählten. Sie sind nicht nur ein Püppchen, sondern müssen ebenfalls etwas im Kopf haben, wenn sie es bereits mehr als eine Woche hier ausgehalten haben.«
Wie bitte? Mir lag bereits eine Bemerkung auf der Zunge, die ich nur allzu gern losgeworden wäre, doch ich besann mich schließlich eines Besseren.
»Mhhh«, schmunzelte sie, während sie so tat, als würde sie sich den Kopf zerbrechen.
»Naja... wer weiß vielleicht haben sie aber auch nach ganz anderen Mitteln gegriffen.«
Was? Ela erhob sich bei diesen Worten augenblicklich von ihrem Sessel.
»Wenn das alles wäre Chloé, würde ich dich nun bitten zu gehen. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns.«
»Sicher«, antwortete sie und ein amüsierter Ausdruck festigte sich in ihre Miene.
»Es war mir eine Freude Sie kennenzulernen«, fügte sie hinzu und machte dann auf dem Absatz kehrt. Ja. Ganz meinerseits.
Als nach kurzem Gestampfe die Aufzugstür zuging, blickten Ela und ich uns zeitgleich an.
»Habe ich das gerade falsch verstanden oder hat sie allen Ernstes angedeutet, dass ich mit meinem Chef ins Bett springen würde?«
»Leider nicht«, antwortete sie grimmig und ließ sich auf ihren Sessel nieder plumpsen.
»Nur weil sie sich heimlich mit dem Filialleiter begnügt, muss ihr Verhalten nicht gleich auf andere reflektieren. Es gibt schließlich auch ehrgeizige Menschen, Menschen, die sich diesen Stand hart erkämpft haben.«
»Was meinte sie überhaupt mit die anderen hätten recht behalten? Woher wissen alle über mich?« Ihre Laune erhellte sich auf Anhieb und nun erschien ein leichtes, aber doch beschämtes Lächeln auf ihrem Gesicht.
»Nun. Ok, entschuldige das ich es dir nicht von Anbeginn erzählt habe, aber es gibt hier bei uns so ein Ding. Da es üblich ist, dass Mr. Caprino seine Assistentinnen wie Socken auswechselt, haben einige Mitarbeiter untereinander Wetten am Laufen. Der Unterschied dieses Mal besteht nur darin, dass du immer noch hier bist... was natürlich für unsere Verhältnisse etwas bizarr ist«, sagte sie grinsend.
»Wetten? Muss ich ein schlechtes Gewissen bekommen, weil womöglich den ein oder anderen in den Ruin getrieben habe?« Elvana kicherte bei meiner Aussage drauf los und schon waren die Gewitterwolken, die Chloé über uns beschworen hatte, verschwunden.
»Nun gut...«, schloss ich an und erhob mich von meinem Sitzplatz.
»Lass uns runter in die Kantine gehen und etwas essen.«
»Vergiss es... ich muss diese Ordner noch fertigbekommen, bevor er wieder da ist. Mr. Caprino verlässt sich auf mich.«
»Was ist das?«, fragte ich und deutete auf die schwarze Mappe, an der sie bereits gestern und auch die restlichen Tage davor gearbeitet hatte.
»Das... «, sagte sie ehrfürchtig.
»... ist meine Zukunft.« Verwirrt wartete ich auf eine Erklärung.
»Mr. Caprino hat mich beauftragt eine neues Firmenkonzept zu erstellen. Mich beauftragt! Kannst du dir das vorstellen, was man mit so einer Aufgabe alles machen kann? Wenn ich das schaffe Aurora und oben drein noch Mr. Caprino überzeuge, stehen mir alle Türen offen. Mailand, Paris, New York... « Sie blickte verträumt vor sich hin, doch wenige Sekunden später erlosch ihre Vorfreude.
»Naja nicht nur mich hat er beauftragt, sondern auch Chloé. Das ist auch der wahre Grund weshalb sie gerade eigentlich aufgetaucht ist. Sie wollte sich umgucken inwieweit ich vorangekommen bin, denn nur das beste Konzept wird das nächste Jahr über aufgenommen. Ich will Mr. Caprino nicht enttäuschen, schließlich hat er mir auch noch eine weitere Kampagne anvertraut, die ich nächste Wochen unseren Kunden aus China vorstellen soll.«
»Das ist ja großartig.« Es war ihr anzusehen, dass sie sich ins Zeug legte, um Shane nicht zu enttäuschen. Und wenn jemand diesen Erfolg verdiente dann sie.
»Ja... aber wenn das weiterhin so schleppend verläuft, werde ich es nie im Leben bis Montag zu Ende bringen können.« Die Achterbahnfahrt ihrer Gefühle, legte nach diesem Worten eine Sturzlandung ein. Entschlossen diesen harten Aufprall zu verhindern, riss ich ein Blatt Papier aus meinem Block, knüllte es zusammen und bewarf Elvana damit.
»He... wofür war denn das?«
»Dafür, dass du ein Blindfisch bist. Wozu bin ich denn schließlich hier?«
»Ok... ich bin fix und fertig« Völlig außer Atem ließ sich Ela in ihrer bordeaux farbigen Couch nach hinten plumpsen.
»Ich kann's nicht fassen, dass du dein Wochenende für dafür aufgeopfert hast.« Sie deutete auf den zerstreuten Papierhaufen im ganzen Wohnzimmerbereich. Das Strahlen in ihren Augen erheiterte mich.
»Wir haben es geschafft. Ich werde später noch einmal alles gründlich überfliegen und morgen heißt endlich Abgabe.«
»Ich bin mir sicher, dass es ihm gefallen wird«, munterte ich sie auf.
»Es ist mir im Moment egal, was er dazu sagen wird. Ich bin einfach nur fertig mit der Welt und weißt du was dagegen hilft?", hinter der Couch zückte sie eine länglich, schmal gehaltene Flasche hervor und ehe sie es aussprach, wusste ich, dass es sich um Alkohol handelte. »Auf unser Überleben.«
Wie ich kurze Zeit später daraufhin bemerkte, quatschte Ela für ihr Leben gern, insbesondere, wenn sie vorher reichlich viel getrunken hatte.
Ihre glühenden Wangen und die weniger steife Haltung, boten mir die erhoffte Initiative, sie unauffällig über Shane auszufragen.
»Wie ist er eigentlich so? Ich meine Mr. Caprino...Ist er wirklich ein Herzensbrecher, wie er in den Klatschzeitungen beschrieben wird oder steckt dahinter nur Publicity? Zumindest habe ich bis jetzt niemanden rein oder rausgehen sehen im Büro.« Elvana lachte auf.
»Ja etwas Publicity steckt immer dahinter, aber zum Teil stimmt es was sie schreiben. Mr. Caprino ist ein disziplinierter Mann, aber er hat auch nichts dagegen seine Flexibilität einzusetzen, wenn etwas nicht so ausgeführt wird wie er es haben möchte. Was seine Arbeit betrifft ist er ganz offen... einen Fehler duldet er nicht. Diese Welt hält er strick von seinen Geheimnissen fern,«
Ich wurde bei ihren Worten hellhörig.
»Geheimnisse?«
»Natürlich trifft er sich mit etlichen Frauen. Jede von ihnen weiß, dass er kein potentieller Heiratskandidat ist. Auch das machte er mehr als kenntlich. Ich mag ihn. Er ist ein fairer und netter Mensch.« Fair? Nett? Mir würde nie in den Sinn kommen Shane mit derartigen Adjektiven zu beschreiben.
»Weshalb du nie Frauen in seinem Büro gesehen hast liegt daran, dass er sein berufliches und sein privates Leben voneinander fernhält. Was das angeht ist er wirklich organisiert. Wenn es um seinen Job geht ist ihm alles andere egal. Das kann man aber nicht von seinem Partner behaupten. Jack Cunningford...«
Ach, der liebe Jack...
»Jack?« fragte ich die Ahnungslose spielend.
»Er leitet die Firmensitze in Europa und ist der Inbegriff eines Chaoten. Zwar ist er ebenso gutaussehend und charmant wie unser Chef, aber er ist keineswegs so beherrscht wie er und er hat überhaupt keine Hemmungen Frauen allzeit anzusprechen. Bei ihn gibt es keine Grenze.« Was du nicht sagst...
»Du kannst dich glücklich schätzen, dass Mr. Cunningford im Moment in Budapest ist. Hier wäre sonst schon längst eine Apokalypse ausgebrochen. Verurteile Mr. Caprino jedoch nicht wegen seiner Partnerauswahl. Er ist immer noch toll.«
Toll? Allmählich störten mich ihre Aussagen. Was verflixt nochmal war so toll an ihm?
»Was hast du gesagt?«, fragte sie und ich klappte auf Anhieb den Mund zu.
Anscheinend hatte ich meine Gedanken laut ausgesprochen.
»Ich habe mich nur gefragt, was dich so sicher macht, dass er ein guter Mensch ist?«
Ihre Miene verfinsterte sich, doch kurze Zeit später wurde es von einem strahlenden Lächeln zunichte gemacht.
»Er hat mich akzeptiert, als alle anderen es nicht taten.«
Ich stutze unmerklich bei ihrer Aussage und war hin und her gerissen, ob ich dem auf den Grund gehen sollte oder es dabei beließ. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder über ihr Glas beugte und aus diesem einen Schluck nahm.
Nein. Ich konnte ihren jetzigen Zustand nicht dafür ausnutzen. Nicht, wenn ich sah, dass sie innerlich noch einen Kampf mit sich selbst führte. Irgendwann würde sie mit der Sprache heraus rücken dachte ich nachdenklich und betrachtete sie. Fragte sich nur wann und auf welchem Wege...
In großen Schritten flitzten wir den langen aber ebenso schmalen Korridor entlang.
»Und du hast auch wirklich alles bei dir?«, fragte ich Elvana vorsichtshalber ein erneutes Mal. Seufzend beeilte ich mich neben ihr und bereute auch heute Stilettos angezogen zu haben. Es war mir ein Rätsel, wie einige Frauen problemlos damit herumstolzierten.
»Ja ja«, antwortete sie in einem gereizten Ton.
»Sie lagen die ganze Zeit auf meinem Tisch. Ich habe alles bei mir.«
Endlich kamen wir vor der großen Tür an und warfen uns einen letzten Blick zu.
»Es wird schon alles gut gehen«, versicherte ich ihr mit all der Überzeugungskraft, die ich aufbringen konnte, denn ich wollte, dass sich ihre Mühe auszahlte. Hörbar schnappten wir nach Luft, dann öffnete Elvana mit einer galanten Bewegung die Tür. Der sich vor uns ausbreitende Konferenzsaal, verschlug mir die Sprache. Den Raum als groß zu bezeichnen, glich einer Untertreibung. Es war gewaltig groß. Dementsprechend merkwürdiger sah es dann aber aus, als an dem ganz großen Tisch nur ungefähr zehn Mitarbeiter inklusive Chloé Platz genommen hatten. Allesamt mit einem sehr strengen und ängstlich wirkenden Gesichtsausdruck, weil niemand geringeres als Mr. Caprino vor ihnen auf dem Chefsessel saß. Elvana gesellte sich zu Shane, derweil ich mich hinter den beiden positionierte. Mir war es aufgrund meiner Stellung nicht gestattet mit den mächtigen Menschen an einem Tisch zu spielen. Noch nicht jedenfalls. Zu Beginn musste ich mich damit zufrieden geben die ganze Besprechung über auf den Beinen zu stehen und aufmerksam dem Gespräch zu lauschen, wovon ich kein sonderlicher Fan war. Dieser verfluchten Schuhe.
Trotz meiner Bedenken ließ ich es aber über mich ergehen und beobachtete dabei jede seiner Mimiken sowie Gestiken. Die Art wie er zu Menschen sprach, sie kommandierte, sie inspirierte... motivierte. Er war schon immer ein guter Redner gewesen dachte ich mir und versank augenblicklich in meine eigenen Gedanken bis mich seine Stimme ins hier und jetzt zurückrief.
»Mr. Linson ich möchte morgen um zehn Uhr die Berichte auf meinem Tisch liegen haben« Ein blonder, etwas schlaksiger Mann nickte auf Shanes Befehl hin energisch.
»Nun aber zu Ihnen Ms. Avens und Ms. Harvis«, sagte er und blickte zu Chloé als auch zu Elvana, die, so schien es mir gleich vor Aufregung umfallen würde.
»Ich hatte Sie beide einer Aufgabe zugeteilt«, fuhr er fort. Ela, die Shane aussprechen lassen wollte, kam nicht zu Wort. Denn da erhob sich Chloé blitzartig von ihrem Sitz und lief mit selbstsicheren Schritten und einen schwarzen Ordner plötzlich von ihrer Seite des Tisches hervorzückend nach vorne. Desinteressiert war mir danach die Augen zu verdrehen und sie einfach zu ignorieren. Ela wird sowieso gew- Mein Atem stockte. Diesen Ordner kannte ich doch. Oder bildete ich mir etwas ein? Über das ganze Gesicht strahlend, überreichte sie ihm den Ordner, ehe sie sich dicht im Stehen an Mr. Caprinos Sessel näherte.
Bitte... bitte lass es nicht das sein, was ich denke, bettelte ich und versuchte einen Blick auf die Unterlagen zu erhaschen, die Shane gerade aufschlug. Vielleicht irrte ich mich ja auch .... ja möglicherweise. Schließlich war Ela nicht die Einzige, die im Besitz eines solchen Ordners war. Das ist bestimmt ein Irrtum.
Ein Blick flüchtiger zu Ela konfrontierte mich sofort mit dem Gegenteil. Denn aus dem nichts entwich ihr beim Anblick des Ordners die ganze Farbe aus dem Gesicht. Sie war leichenbleich. Mit zitternden Händen lugte sie vorsichtig unter ihrem eigenen Ordner runter und was ich sah, sorgte dafür das ich scharf die Luft einzog.
Leer.... die Seiten waren leer.
Und das bedeutete, dass die vorliegenden Dokumente Elvanas Eigentum waren.
Ihre Liebe, ihr Schweiß, all ihre Bemühungen flossen in diese Arbeit hinein. Stunden gar Tage lang hatte sie verzweifelt dran gesessen. Übermüdet und am Ende ihrer Kräfte sich dieser Aufgabe gewidmet, um in erster Linie Shane stolz zu machen; die Türen, die sich ihr dadurch öffnen würden, waren zweitranging. Aber nicht Elvana war es, die nun vor Mr. Caprino stand und für ihren Fleiß gelobt wurde, sondern es war diese blonde Furie von Cholé. Ein Räuspern war neben mir auszumachen und ein flüchtiger Blick zur Seite ließ mich fast alles was ich mir gerade eben einzureden versuchte, verblassen. Denn die kummervoll gesenkten Augen Elas sprachen für sich, während sie versuchte ruhig sitzen zu bleiben und keinen Mucks von sich zu geben.
Ich biss mir auf die Lippen, machte den Mund auf und schloss sie wieder. Dann öffnete ich erneut den Mund. Ach verflixt, ist mir doch egal was jetzt passiert, dachte ich, wandte mich zu ihr und wollte gerade etwas sagen, da schaltete sich Shanes dunkle Stimme aber wieder. Ich drehte mich nach vorne um. Dabei bemerkte ich, dass sein Blick nun auf meiner Kollegin ruhte und dass die blonde Barbie ebenfalls mit einem recht vergnügten Lächeln in ihre Richtung schielte.
»Ihre Unterlagen, Ms. Harvis.«
Ela zögerte... und ihr Zögern wurde mit einem Stirnrunzeln von unserem Chef quittiert. Ich warf ihr von der Seite aus, einen mahnenden Blick zu, doch sie verharrte regelrecht in ihrer Position. Was machte sie denn da? Warum sagte sie denn nichts?
»Ja ich höre...«, sagte er nochmal ausholend, wobei unterschwellig eine gewisse Gereiztheit ausfindig zu machen war.
»Ich...meine... meine Unterlagen sind verschwunden«, flüsterte sie den Kopf gesenkt haltend. Ich umklammere meinen Kugelschreiber fester und bemühte mich mit letzter Not einen unbeeindruckten Gesichtsausdruck darzulegen. Am liebsten hätte ich sie jedoch mit beiden Händen gepackt und gerüttelt.
»Und was soll das nun heißen?«, fragte Shane resigniert und selbst ich wäre fast bei seinem Tonfall und seinem Blick zusammengezuckt.
»Das bedeutet, dass ich es nicht habe«, gab sie geradeaus blickend und mit keiner Regung im Gesicht kund. Einige Sekunden lang blieb es still, dann drehte er sich zu den anderen Sitzenden, die sich völlig fehl am Platz fühlten, um und erlöste sie von dieser Last.
»Verlassen Sie allesamt den Raum. Alle. Bis auf Ms. Harvis und Ms. Avens.«
Ich hatte bereits unauffällig mit den anderen den halben Raum überquert, als seine Stimme durch den ganzen Raum echote und mich auf halbem Weg abfing.
»Sie sind nicht entlassen, Miss Duront.«
Oh verdammt.
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