TAPE 25《Piano Kiss》
»Was sollte das?« Shanes Stimme drang zu mir durch, kurz nachdem Elvana und ich nach der Dinnereinladung das Büro verlassen hatten, um uns unserer eigentlichen Tätigkeit zu widmen. Jack beeindruckte es nicht im Geringsten von seinem besten Freund angezischt zu werden, wie ich anhand seiner verwunderten Stimme ausmachen konnte, die Shanes offensivem Angriff nicht beimessen konnte.
»Was? Sie hat genauso hart gearbeitet wie du. Du hast es schließlich selbst vorhin gesagt.«
»Die eine ist meine Sekretärin und die andere meine Assistentin. Was sollten Sie schon mit zu bereden haben unter diesen Geschäftsmännern. Das ist schwachsinnig Jack...«, sagte er schnippisch, doch bevor ich Jacks Antwort überhaupt mitbekommen konnte, knallte die Bürotür vor meiner Nase zu. Ich stand wie benebelt da und fühlte mich wie eingefroren in dieser Position.
Hatte Shane damit ernsthaft andeuten wollen, wir würden unter seinem Niveau stehen? Befürchtete er etwa, dass wir ihn blamieren würden? War das der Grund, weshalb er uns beim Essen nicht mit dabeihaben wollte?
Von seiner feindseligen Reaktion ausgehend, war dies die plausibelste Erklärung, die mir einfiel. Ich spürte die Sturmwelle in mir hochkommen, welche aber nicht tosend die Gegend verwüsten konnte, da Elvana ein Gespräch zu starten versuchte.
»Wie... wie bitte?«, fragte ich und blinzelte auf.
»Ich habe aber nichts passendes zum anziehen«, sagte sie so niedergeschlagen und bestürzt als handele es sich um eine Naturkatastrophe, dass mein Ärger kurzzeitig von ihrer unschuldig süßen Art gedämpft wurde und ein schwaches Lächeln meine fülligen Lippen zierte.
»Wir werden ganz bestimmt etwas für dich finden, Ela«, ließ ich bemerken und begab mich anmutigen Schrittes auf meinen Platz zu, während mich nur ein Gedanke dabei kontrollierte:
Na, warte Shane. Ob ich kultiviert genug bin oder nicht, das werde ich dir schon zeigen.
Vorsichtig und dennoch eines festen Griffes bemüht, fasste ich den Saum auf beiden Seiten ihres Rückens und drückte diese so nahbeieinander, während ich dabei mit meiner anderen freien Hand den Reißverschluss streng umfasste und diese mit einem Zug galant nach oben zog.
»So...«, gab ich zufrieden von mir, fasste Era an den breiten Schultern und drehte sie so zu mir um, damit sie mir direkt ins Gesicht blicken konnte.
»Bist du bereit?«, fragte ich sie aufgeregt und sie warf mir einen argwöhnischen Blick zu.
»Du hast aber nicht übertrieben, oder?«, fragte sie nervös und ich blickte nervös an sich runter.
»Sag du es mir«, warf ich als einzige Aussage in den Raum rein und schob sie auffordernd zum Spiegel, wo sie sich von Kopf bis Fuß angucken konnte. Ihre Augen vergrößerten sich urplötzlich und mit offenem Mund starrte sie ihrem eigenen Spiegelbild entgegen. Stolz, als würde ich mein eigenes Kind betrachten, die auf ihr erstes Date ging, ruhten meine Augen von der Seite aus auf ihr. Der enganliegende schwarze Jump Suit war wie für Ela gemacht. Und auch jetzt wurde mir wieder vor Augen geführt, dass ihre neue Frisur zu diesem Outfit und auch ihr im Allgemeinen definitiv besser passte, als ihr Haarschnitt zuvor. Mit einem dezenten Make-up und einem vielsagenden Lippenstift war die Sache letztendlich gegessen. Sie sah elegant und wie eine hochadelige Lady im modernen Zeitalter aus.
»Oh mein Gott, Aurora. Ich sehe so...anders aus«, sagte sie ungläubig, indem sie ihr Gesicht betastete, um sich zu vergewissern, dass wirklich sie es war der sie im Spiegel begegnete. Ich musste leicht grinsen.
»Du siehst scharf aus«, kommentierte ich ihr Styling und ließ mich erschöpft auf mein Bett plumpsen. Durch meine Aussage errötet warf mir Elvana einen ermahnenden Blick zu.
»Die Männer werden dir zu Füßen liegen", fügte ich bewusst hinzu und wackelte mit den Augenbrauen nur um sie noch verlegener zu stimmen.
»Ich glaube du sprichst eher von dir«, sagte sie und deutete mit ihrem Zeigefinger geradewegs auf mich zu.
»Die Männer werden eher dich anschauen bei dem Fummel, was du anhast.«
Der selbstsichere Klang ihrer Stimme verleitete mich dazu, nochmal von mir runter zu sehen. Derart auffällig, wie sie es darstellte, war ich nicht gekleidet. Zuvor hatte ich zwar mit dem Gedanken gespielt ein Kleid anziehen, hatte mich dann aber dagegen entschieden und beschlossen, dass eine elegant sitzende schwarze Chiffonhose die von High Heels unterstützt wurden mit einem schulterfreien mehr oder weniger Korsett artigen körperbetonten Oberteil, viel angemessener für den Anlass wären.
Die Haare hatte ich hochgebunden und nur einzelne Strähnen fielen mir sachte wie ein Vorhang übers Gesicht. Ich wollte Shane zeigen, dass ich sehr wohl anders konnte und aus diesem Grund wollte ich elegant wie möglich auftreten, auch wenn mein zügelloses Mundwerk eher das Problem war.
»Rede keinen Unsinn«, sagte ich die Augen verdrehend, stand auf und schnappte mir die Clutch von der Kommode, ehe ich auf meine Schlafzimmertür zusteuerte.
»Lass uns runter gehen. Das Taxi ist bestimmt schon da.«
Draußen angekommen runzelte ich jedoch augenblicklich beim Erkennen des schwarzen SUVs vor meiner Haustür die Stirn und bevor ich mich zu Elvana zuwenden konnte, ging die Wagentür auf und Shanes Chauffeur stieg aus.
Mavin, genau Mavin hieß er. Wir liefen auf ihn zu.
»Guten Abend meine Damen. Mr. Caprino hat mir die Anweisung erteilt Sie zum Restaurant zu fahren.«
»Wir haben aber schon ein Taxi angeordnet«, sagte ich streng, der Fahrer öffnete aber meine Aussage ignorierend die hintere Autotür.
»Das ist nicht mehr nötig«, sagte er höflich lächelnd, weshalb Elvana mit einem Schulterzucken einstieg. Ich folgte ihrem Beispiel, doch bevor ich mich in den Wagen setzte, warf ich dem Chauffeur einen letzten scharfen Blick zu.
»Ich habe ihre Aktion, die sie vor einigen Tagen abgezogen haben, nicht vergessen Mavin«, sagte ich spitz und setzte mich dann ebenfalls auf den hinteren Sitz neben Elvana.
Die Fahrt dauerte nicht allzu lange, bis wir vor einem luxuriösen und großen Restaurant zum Halten kamen. Ein Blick auf das Gebäude schrie förmlich nach Luxus und Eleganz, die durch ihre beachtliche Größe, als auch der extravaganten Außengestaltung nach Aufmerksamkeit schrie. Drinnen an der Rezeption angekommen führte ein adrett gekleideter Buttler uns in einen großen Saal. Ich bemühte mich darum meine Kinnlade zuzuhalten, so schwer es mir auch gefiel. Die Decke war umworben von einem auffälligen Kronleuchter, welche sich um den ganzen Saal erstreckte. Die Tische die in einem Zick-zack Muster voneinander verteilt waren, waren fast alle, von schick gekleideten Persönlichkeiten besetzt, die lachten, miteinander sprachen und dabei teuren Champagner tranken. Das am meisten Herausstechende, in der Umgebung war jedoch die Mitte des Saales, welcher das Zentrum von den Tischen bildete. Denn dort, genau mittig, stand alleine von den Tischen umgeben ein wunderschönes Piano, welcher wie ein außergewöhnliches Ausstellungsstück die ganzen Blicke einfing. Erstaunt blickten Elvana und ich uns in der Gegend um, doch nur kurz entdeckte ich Shane. An einem Tisch etwas weiter von der Saaltür entfernt, unterhielt er sich lebendig mit einigen älteren Herren und mit Männern mittleren Alters, die die erfolgreichen Geschäftsmänner sein mussten, von denen er gesprochen hatte. Einige Gesichter kamen mir nämlich nicht ganz unbekannt vor. Ich musste leicht Schmunzeln, als ich bemerkte, dass Shane vergleichsweise unter diesen Leuten noch sehr jung wirkte, wenn nicht sogar der Jüngste im Bunde war. Das wiederum führte mir erneut vor Augen wie weit er es in seiner Karriere gebracht hatte. Auch jetzt, wenn ich ihn mir so ansah, wie er dasaß und sprach, hatte er eine Ausstrahlung die besagte, dass ihm niemand das Wasser reichen konnte. Er war hervorragend im Reden, anmutig. Er war bissig und er hatte es nie schwer gehabt Menschen einzuschüchtern, um sich so den nötigen Respekt zu verdienen. Als Shanes Blick beim Sprechen an uns vorbeihuschte blieb dieser eine Sekunde lang an meinen Augen haften, die er einen Augenblick danach über meinen Körper hinabwandern ließ, ehe er diese desinteressiert schnell wieder wegzog. Währenddessen hatten Elvana und ich uns an besagtem Tisch genähert. Jack der, wie ich nun bemerkte, direkt neben Shane Platz genommen hatte stand sofort bei unserem Erscheinen auf und kam auf uns zugeschritten.
»Guten Abend Ladies«, sagte er und stand zwischen uns. Urplötzlich waren alle Blicke am Tisch auf uns gerichtet und mit nur einem flüchtigen Blick fiel mir auf, dass wir die einzigen Frauen in dieser Runde waren.
Jack, was du nicht alles tust, um eine Frau zu verführen. Depp.
»Meine Herren«, sagte Jack zu den Herren an den Tisch gewandt und zeigte mit einer einladenden Geste auf Elvana und mich. Mit seinem maßgeschneiderten, grauen Anzug sah er wahrlich wie ein Profi in diesem Gebiet aus. Intelligent, effizient und wissend worüber sprach. Jack Cunningford war ein Vorzeigeexemplar, wenn es darum ging, dass der erste Eindruck täuschte.
»Darf ich vorstellen, Miss Harvis und Miss Duront sind ganz ausgesprochen gute Mitarbeiterinnen bei CK Enterprises und nach mir natürlich Shanes rechte sowie linke Hand.« Charmant, wie eh und jäh.
»Ja... und es sind Frauen«, murrte plötzlich ein etwas stämmigerer fast glatzköpfiger ältere Mann, der einige Plätze von Shane entfernt saß, grimmig vor sich hin und ich runzelte augenblicklich die Stirn bei seiner Aussage. Die Art und Weise wie er das Wort Frau aussprach, klang derart abschätzig und so... so giftig, als hätte er Säure geschluckt, die seine Organe verätzte. Ich spürte, wie ich beim Realisieren dieser wütend wurde. Für was hielt er sich eigentlich? Auch Frauen haben heutzutage die Chance in dieser Branche tätig zu sein und ihr Wissen unter Beweis zu stellen. Dieser alte Mann im Alter von schätzungsweise sechzig Jahren, schien sehr weit zurückgeblieben zu sein hinsichtlich der Emanzipation einer Frau.
Ich setzte ein zuckersüßes Lächeln auf, bückte mich dann leicht vor, sodass ich ihm auf derselben Augenhöhe entgegenblicken konnte und fragte gespielt interessiert und nichtsahnend:
»Wie bitte, Sir?«
Von meiner Offenheit verwundert, doch im nächsten Moment mehr als empört das ich ihn überhaupt ansprach, drehte er sich seitlich zum Tisch um und schnaubte auf. Plötzlich fiel mir Shanes Anwesenheit wieder ein und einen Moment lang befürchtete ich, dass er mein Verhalten wieder als unverschämt abstempeln würde, weshalb ich leicht aber doch etwas zurückhaltend den Kopf in seine Richtung hob. Doch zu meiner Verwunderung wurden meine Erwartungen völlig zertrampelt, als ich ein leichtes Schmunzeln in seinem Gesicht ausfindig machen konnte, welches er zu verdrängen versuchte. Er war erheitert?
Jack neben mir bemerkte ebenfalls den holprigen Start dieser durchaus reibungsvollen Konversation, weshalb er sich räusperte und diese zu lösen uns einander vorstellte:
»Das Miss Duront ist der Vorsitz der GF Factory, Frank Logan.« Als der mürrische Mann keine Anstalten machte sich anständig vorzustellen, führte Jack unbeirrt fort und zeigte auf zwei skandinavische Männer direkt gegenüber von uns, die nebeneinandersaßen. Ich konnte sie Äußerlich kaum voneinander unterscheiden.
»Das sind die Yarett Zwillige. Sie führen die gleichnamige Firma der Familie weiter. Maxwell Yarett und Luc Yarett.«
Weiterhin machten wir Bekanntschaft mit drei anderen Herren, die anscheinend sehr erfolgreich in ihren jeweiligen Gebieten waren und uns zunickten. Der Letzte hingegen, dessen Name aufgerufen wurde, war wohl der am unfreundlichsten. Ein kleiner Herr, der neben den Zwillingen Platz genommen hatte. Dieser lächelte oder nickte uns nicht einmal zu. Nett...
Elvana und ich reichten den Herren hintereinander freundlich die Hand und gerade als Jack auf die freien Plätze neben seinem hinwies, erklang hinter uns eine andere Stimme, die mich aufhorchen ließ.
»Entschuldigt die Verspätung meine Herren ich hatte...« Als die wolkenklaren eisblauen Augen mich erblickten, unterbrach er seinen Satz abrupt und starrte mich ungläubig an.
»Die Lady in Red«, sagte er mit einem süffisanten Anheben seiner Mundwinkel. Der große, gut gebaute und für seine über 30 einfach unglaublich charismatisch wirkende Frauentyp mit seiner anziehenden Bräune, hatte wie zu erwarten viele Blicke von den Nebentischen auf sich gezogen, doch seiner lag nur auf mich fokussiert.
»Mr. Hilton schön sie zu sehen«, sagte ich höflich und biss mir vorsichtshalber leicht auf die Zunge, damit mir ja auch kein Kommentar entglitt. Schmunzelnd legte er sich die vollen voluminösen Haare, die ihm leicht ins Gesicht fielen nach hinten, ehe er auf mich zukam, mit einer schnellen Bewegung meine Hand in seine nahm und seine Lippen dann auf meine Haut presste, wobei seine Augen immer noch auf mir ruhten.
»Oliver. Nur Oliver. Wenn ich gewusst hätte, dass sie auch kommen, hätte ich mich beeilt«, hauchte er mir zu und ein charmantes Lächeln wurde mir daraufhin geschenkt, ehe er Augen zwinkernd hinzufügte.
»Am Abend der Charity Veranstaltung konnten wir uns nicht näher kennenlernen. Ich hoffe das ändert sich.«Bemüht ein freundliches Auftreten zu wahren, entzog ich meine Hand aus seinem Griff. Das Gefühl, dass ich insbesondere ein Augenpaar dabei auf mir spürte, verließ mich auch danach nicht. Aus Höflichkeit bedachte er im Anschluss Elvana gleichfalls mit denselben Floskeln.
»Können wir jetzt endlich anfangen«, fragte der Mann, der einen ungezügelten Hass gegenüber Frauen hegte, genervt. Jack wollte uns auf unsere Plätze führen, da jedoch spürte ich schlagartig Olivers Hand an meinen Rücken, der mich zur anderen Seite zog.
»Sie kommen mir heute nicht so schnell davon«, sagte er und ich konnte von hier aus definitiv Jacks als auch Shanes stechenden Blicke auf uns spüren. Genau gegenüber von ihnen zog Oliver einen großen Stuhl heraus und dankend nahm ich Platz, ehe er wie ein Gentelman diese vornehm wieder an den Tisch rückte, um sich dann neben mich zu setzten. Ich beobachtete wie Elvana zwei Plätze neben Jack ihren Platz einnahm und Jack sich neben Shane setzte. Als dies geschah, erkannte ich, dass Shane sich auf der Stelle zu ihm bückte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Ich war nicht wirklich begabt, was das Lippenlesen betraf, aber wenn ich sehr stark bemühte, hatte ich die Möglichkeit etwas aufzuschnappen.
»Was sucht der denn hier? Ich dachte, der wollte nicht kommen.« Ein Schmunzeln schlich sich an, als ich seinen zornigen Unterton identifizierte. Er mochte Oliver Hilton nicht, das war mir schon am Abend der Veranstaltung nicht entgangen.
Seine Warnung fern von ihn zu bleiben war unmissverständlich gewesen. Nun aber war es ausgerechnet sein bester Freund, der dafür sorgte, dass unsere Wege sich erneut kreuzten. Mies gelaufen würde ich sagen.
Die Getränke von den Gästen wurden kurz darauf serviert und die Gespräche krochen aus ihren Startlöchern hervor. Zumeist ging es um den Austausch der Produkte untereinander, um Marketing Angelegenheiten und sonst Sonstiges, das den Gewinn ankurbelte. Irgendwann hörte ich nur noch mit halbem Ohr zu und fing an mich zu langweilen. Jack schien durch meine Sitznachbarschaft mit Oliver dezent beleidigt zu sein, aber das hatte er sich selber zu verdanken, wenn er meinte den Job für derartige Zwecke ausnutzen zu müssen. Shane ist und war auch in dieser Hinsicht der Reifere von beiden. Für einen Moment in Gedanken versunken, spürte ich plötzlich einen intensiven Blick auf mir und als ich meine Augen von Jack etwas seitlich wegbewegte, sah ich wie Shane mich beobachtete. Ich erwiderte seinen Blick und bedachte ihn ebenso voller Wachsamkeit und Konzentration, doch da riss mich plötzlich Olivers Stimme aus der Starre, der sich zu mir gebückt hatte und mir zuflüsterte:
»Solche Gespräche sind wirkungsvoller als Schlaftabletten, finden Sie nicht auch?«
Ich drehte mich lächelnd zu ihm um. Er wollte den großen Macker herauslassen, diese Masche von ihm und beeindruckend zu wirken, war mir nicht entgangen.
»Es ist nötig«, gab ich deshalb schlichtweg als Antwort zurück.
»Schließlich ist es nicht einfach ein großes Unternehmen zu führen und erst recht kein Zuckerschlecken eins auf den Beinen zu halten.«
Er zuckte locker mit den Schultern, als würde er es als Kinderspiel ansehen und als wäre er unbesiegbar. Ich hätte mich am liebsten auf seine spießigen Schuhe übergeben. Dieser Typ war von der angeberischen Sorte und diese Sorte ließ meinen Mageninhalt von heute morgen hochkommen.
»Aber das macht hier nichts zur Sache«, sagte er und rückte sich etwas näher an mich ran. Die Menschen am Tisch unterhielten sich zwar weiterhin hitzig über die Geschäftsthemen, aber mir war es dennoch unangenehm was für einen Eindruck das gegenüber Außenstehenden machen könnte, also versuchte ich einen leichten Abstand zu ihm zu halten.
»Auch heute sind sie so wunderschön, wie zuvor auf der Charity Veranstaltung. Ich musste immerzu an ihre feuerroten Lippen denken«, hauchte er mir ans Ohr, wobei er die Begierde in seiner Stimme bewusst nicht unterdrückte. Panisch werdend bemerkte ich wie Shane weiterhin direkt in unsere Richtung schaute, was mich nur noch mehr dazu anspornte scharf darüber nachzudenken wie ich aus der Situation herauskommen könnte.
»Schönheit ist nicht alles«, gab ich mit einem Lächeln kund, doch das schien ihn noch mehr zu erregen. Denn auf seinem Gesicht bildete sich ein süffisantes Lächeln. Bevor ich mich jedoch fragen konnte was hier geschah, spürte ich plötzlich wie sich eine Hand auf meinen Oberschenkel legte und sein heißer Atem mir zuraunte:
»Sie sind so bescheiden. Das finde ich so anziehend an Frauen.«
Auf diese Worte folgten, wie ich mit Bestürzung feststellte, dass er seine Hand immer weiter mein Bein hinaufwandern ließ. Erschrocken stockte mir der Atem. Dieser... Doch zum Fluchen blieb mir keine Zeit. Seine Finger bewegten sich immer weiter nach oben und die Vorstellung, dass er mich an Stellen berühren könnte, wo er nichts zu suchen hatte, führte dazu, dass erneute Übelkeit in mir hochkam. Ungeachtet was für Konsequenzen das haben könnte, hob ich reflexartig meinen Fuß unter dem Tisch und trat ihm mit meinem hohen Absatz so fest es ging auf die Zehen. Schmerzerfüllt schrie er abrupt auf, sodass die Leute am Tisch und auch einige von den Nachbartischen kurzzeitig mit fragenden Blicken Oliver bedachten.
Er indes stöhnte immer noch keuchend auf, während Shane, wie ich mit einem flüchtigen Blick bemerkte, die Augen zu Schlitzen verengt hatte und von Oliver zu mir hin und her schaute. Ich lächelte dennoch, mich nicht von den Blicken verunsichern lassend weiter, um den Eindruck zu vermitteln, als hätte ich mit der Sache nichts am Hut.
»Alles gut... alles gut«, brachte er schließlich Zähne knirschend heraus.
»Entschuldigt meine Herren. Fahren Sie bitte weiter fort, ich höre Ihnen zu«, fügte er gezwungen hinzu, was in mir das Bedürfnis hervorrief laut loszulachen. Ganz bestimmt hörst du zu, Oliver Hilton. Von den ganzen widerwärtigen, sexuellen Übergriffen abgesehen, hast du dich bestimmt auf das Gespräch konzentrieren können. Ja, sicherlich.
Bei dem Gedanken wollte ich ihm erneut auf den Fuß treten, am liebsten dieses Mal auf den anderen. Zwar hatte ich eine Hose an und ich dankte mir innerlich dafür, dass ich mich gegen ein Kleid entschieden hatte, aber dennoch erfüllte es mich mit Ekel seine Hand überhaupt auf meinen Körper gespürt haben zu müssen, trotz dass ein Fetzen Stoff seine Haut und meine voneinander getrennt hatte.
»Was sollte das?« zischte er mich plötzlich an, krümmte sich dabei weiterhin hin und wieder auf dem Stuhl, da die Schmerzen anscheinend länger anhielten.
Guter Treffer, Aurora.
Ich lächelte, ließ meinen Blick durch den großen Saal gleiten und lehnte mich dabei leicht zu ihm rüber.
»Sollten Sie es je wieder in Erwägung ziehen mich mit Ihren dreckigen Fingern auch nur ansatzweise anzufassen, dann verspreche ich Ihnen das ich Sie unter all diesen Leuten hier bloßstellen werde.«
Ich spürte seinen geschockten Blick auf mir, ehe er mir zuflüsterte:
»Das können Sie nicht tun!« Oh, konnte ich nicht?
Ich drehte mich zu ihm um, den Blick standhaft und ernst auf ihn gerichtet.
»Wollen Sie es ernsthaft darauf ankommen lassen? Nur zu...«, sagte ich spöttisch. Ich wusste, dass er unmittelbar nach meinen Worten einen Kampf mit sich selbst darüber führte, ob ich bluffte oder nicht. Doch innerlich, ganz tief in ihm, da war ich mir sicher, wusste er ebenfalls, dass ich die Wahrheit aussprach.
Zufrieden streifte ich kein einziges Mal mehr mit meinem Blick seine Richtung, sondern nahm einen Schluck nach dem anderen aus meinem Glas.
Der Abend hatte vorzüglich begonnen.
Die Gespräche nahmen im Laufe des Abends erheblich zu und Oliver war wohl oder übel nun seinem Schicksal ergeben diese effektiven Schlaftabletten ähnlichen Gespräche, so wie er sie genannt hatte, über sich ergehen zu lassen. Denn nach meinem Laufpass, hatte er kein weiteres Mal den Mut aufgewiesen sich einen Schritt weiter hinauszuwagen. So dumm war dieser Kerl also doch nicht, stellte ich fest.
Während die Zeit dahin strich, betrachtete ich auch Elvana, die da saß und interessiert zuhörte. Ich fragte mich wieder einmal wie höflich und rein eine Seele nur sein konnte. Stumm hatte sie sich gerade hingesetzt und schien sogar über die Worte der Geschäftsmänner nachzudenken, die am Tisch wild miteinander diskutierten. Jack hingegen fand im Moment ein Fussel an seinem Jackett viel interessanter als diese die Unterhaltung, die gerade in der Runde stattfand. Ab und zu, wenn eine hübsche Kellnerin vorbei lief schaute er ihnen unauffällig hinterher oder tauschte verführerische Blicke mit ihnen aus. Shane hingegen war wie in so vielen Fällen auch genau das Gegenteil von Jack. Seine große Statur herausragend, gerade und vornehm sitzend, diskutierte er mit den Männern über die verschiedenen Themen. Meine Kopfschmerzen, die den ganzen Tag über im Hintergrund agierten, hatten über die Stunden hinweg schleichend die Oberhand gewonnen und ich hätte Jack echt den Hals verdrehen können, dass er darauf bestanden hatte uns dieses Essen in die Schuhe zu schieben. Ich hätte jetzt gemütlich mit einer Tasse warmen Tee, mich in eine Decke einkuschelt und hätte wahrscheinlich ein Buch gelesen. Stattdessen musste ich dieses schöne Szenario eintauschen um mich mit Leuten unterhalten oder besser gesagt mir Unterhaltungen dieser reichen Geschäftsführer reinzwingen von denen einer mich sexuell belästigt und ein weiterer sich als ein Frauenfeindliches Arschloch herausgestellt hatte.
Während ich wieder in meine Welt verschwand, war es als wäre ich von einer Seifenblase umgeben, welche die Gespräche um mich herum leiser drehte. Dies hielt so lange an, bis ein heraus gegriffener Satz die Lautstärke wieder maximierte und mich zurück in die Realität katapultierte.
»Wenn die Umsatzmöglichkeiten hiermit abgeschlossen sind können wir nun auf die Verteilung zu sprechen kommen«, sagte einer der Zwillinge.
»10 % unserer Einnahmen werden nach Afrika verschickt«, sagte er offen und blickte in die Runde.
»Ich vergebe 12 %«, kommentierte ein anderer stockdünner Mann diese Aussage.
»Die Konkurrenz aus Europa Tatum Reves soll nach Quellen mehr als die Hälfte ihres Einkommens spenden«, mischte sich Zwilling Nummer Zwei ein.
Ich verzog bestürzt das Gesicht, weil ich nicht verstand worüber gerade verhandelt wurde, während die Männer unbehindert weiterhin Prozentsätze wie Chips als Startkapital fürs Pokern in die Runde warfen.
»Dann ist es mehr als verständlich, dass die Produkte aus Europa deutlich beliebter sind«, meldete sich plötzlich Oliver von der Seite zu Wort. Und als hätte seine Stimme eine verschlossene Tür in mir aufgerissen, fiel meine Unwissen von mir.
Ich fasste es einfach nicht. Es ging um zu festigende Macht in Form von Heucheleien und Schleimereien. Diese Männer, mit denen ich an einem Tisch saß, besprachen gerade wie viel Geld sie spenden wollten, um ein gutes Bild auf die eigene Firma zu werfen. Abartig. Das war das erste Wort was mir in den Sinn kam. Abartig und geschmackslos. Verärgert hob ich meinen Blick und begegnete dem von Shane, der meine Reaktion schon länger zu beobachten angesetzt hatte. Zuvor hatte er ausgiebig diskutiert, aber seitdem dieses Thema angeknüpft wurde, war kein Sterbens Wörtchen über seine Lippen gefallen. Fand er die Aktion dieser Männer vielleicht genauso schlimm wie ich? Aber an meinem Vorstellungsgespräch damals war er es doch gewesen, der angedeutet hatte, dass es nur um den Profit ging.
Er hatte also nicht gelogen.
»Shane... wie viel hast du vor abzugeben? Ich habe gehört, dass du bereits in 10 Tagen wieder nach Kuba fliegst, um dort dein Wohltätigkeitsprojekt im Auge zu behalten.«
Shane schien kurz zu überlegen, wie er darauf reagieren sollte und genau sein Still schweigen machte mich aus unerklärlichen Gründen noch rasender. Während ich ihn innerlich bebend betrachtete merkte ich gar nicht, dass ich meine nächsten Worte laut ausgesprochen hatte.
»Das ist falsch.«
Alle Köpfe drehten sich zu mir um. Elvana riss die Augen auf und gab mir mit einer leichten Kopfbewegung zu verstehen, dass ich mich zurückhalten sollte, aber ich konnte nicht mehr, denn bereits da sprach mich der dünne, große Mann von der Seite aus an.
»Was ist falsch?«, fragte er spitz. Ich ließ mich von seinem Tonfall nicht einschüchtern, sondern erwiderte:
»Die Taktik nach der Sie voranschreiten. Der Grund weshalb Tatum Reves derart beliebt und erfolgreich ist, liegt nicht unbedingt daran, dass dieser einen größeren Prozentsatz seines Einkommens an Spenden weiterreicht. Wenn Sie das aber so sehen, dann ist diese ganze Besprechung...«, sagte ich und deutete auf unseren Tisch, um zu signalisieren, dass sie alle damit gemeint waren:
»Einfach nur zum Scheitern verurteilt.«
»Was fällt Ihnen ein!«, rief der ältere Mann Mr. Logan erzürnt, der von unserer Anwesenheit von Anfang an sonderlich gestört war aus, aber derjenige, der mir diese Frage gestellt hatte, hob die Hand, um ihn somit zum Schweigen zu bringen.
»Frank«, sagte er mahnend, sein Blick ruhte aber dabei auf mir. Zur selben Zeit sah ich, dass die Leute neben ihm mich ebenfalls fragend und neugierig anblickten.
»Erläutern Sie ihre Stellung etwas expliziter, Madame.«
Einen Augenblick lang war ich still und spähte vorsichtshalber zu Shane rüber. Doch zu meiner Verwunderung hatte auch er den Blick auf mich geheftet und wartete gebannt auf meine nächsten Worte. Zuvor hätte ich gedacht er wäre wütend, aber das ungeduldige Tippen seiner Finger auf den Tisch verriet mir da was ganz anderes.
Also gab es kein Hindernis, das mich von meinen nächsten Worten abhielt.
»Meine Herren, so wie ich das verstanden habe, und ich glaube, dass das hier unter versammelter Mannschaft kein Geheimnis ist, geht es Ihnen allen hauptsächlich darum durch die Spenden und Hilfsorganisationen, Ansehen und somit Profite für den eigenen Gebrauch zu erlangen.«
Ich wartete nicht auf jegliche Zustimmung oder Einwände, sondern fuhr fort.
»Und dieses Verhalten erwartet jeder exakt so und nicht anders von Geschäftsführern. Sie nehmen Geld und geben es ab, weitere Details interessiert Sie dabei nicht im Entferntesten und die Menschheit weiß das. Da liegt der Knackpunkt des Ganzen, es ist zu offensichtlich. Der Grund weshalb weltbekannte Firmen wie Tatum Reves in Europa und allgemein in den verschiedenen Kontinenten ein hohes Ansehen pflegen, liegt daran, dass sie das Geld nicht prahlend weniger wohlhabenderen Menschen unter die Nase reiben. Sie aber... «, sagte ich und deutete auf alle Männer am Tisch.
»Aber Sie alle tun das und das ist der über alles entscheidende Fehler in Ihrem perfekten Plan. Der Schlüssel zum Erfolg sind die Hoffnungen der Menschen. Was sollen Menschen in Afrika oder in anderen ärmeren Ländern schon mit Geld anfangen? Nichts. Aber wenn Sie Schulen oder Krankenhäuser errichten , sich das anschauen und sich bemühen würden ein Teil davon zu werden, indem Sie mit den Menschen dort zu kommunizieren, Ihnen nur 5 Minuten Ihrer elend langen Zeit, die sie hier auf der Welt besitzen schenken, dann würde das wahrhaftig ein gutes Bild auf Sie werfen und nicht, indem Sie den Menschen das Geld praktisch vor die Füße werfen. Damit kommen weder Sie noch die Menschen, die es wirklich bitter nötig haben auf einen gemeinsamen Nenner.«
Schweigen brach auch dieses Mal an und ungeduldig wartete ich auf die Reaktionen. Ich hatte wieder nicht leise sein können, zum Teufel damit!
Dennoch war dies ein Thema, bei dem ich nicht hätte, einfach so wegschauen können. Schließlich hob ich den Blick und wappnete mich darauf dem zornigen Blick Shanes zu begegnen, doch erstaunlicherweise hatte sich keine Falte auf seiner Stirn gebildet. Sein Blick wirkte ausgeglichen und undurchdringbar. Ganz gleich wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte es nicht deuten. Einen kurzen Rundgang über die Gesichter der anderen machten mich ebenfalls ratlos, denn sie hatten genau wie Shane überlegte Mienen aufgesetzt, was es schier unmöglich machte herauszufinden, welche Emotionen sich dahinter verbargen. Dieser Augenblick endet3e damit, dass Frank Logan vor Wut rot anlaufendes Gesicht in mein Blickfeld trat.
»Pahh... so ein Blödsinn. Das kommt dabei raus, wenn man eine Frau denken lässt.«
Innerlich bestürzt durch seine offensichtliche Abneigung versuchte ich keine Miene zu verziehen, auch wenn es mir nicht leichtfiel. Toll Aurora. Du hast es wieder einmal vermasselt. Warum hast du nicht weniger hart antworten können? Oder einfach den Mund halten, das hätte es auch gebracht. Das sind verdammt nochmal große Leute, als ob sie auf das Wort einer unterbezahlten und unbedeutenden Assistentin hören würden. Oh Aurora, du bist verdammt nochmal...
»Sie hat Recht«, äußerte sich nun einer der Männer einige Plätze neben mir, der sich zuvor sehr selten beteiligt und den ich am mürrischsten etikettiert hatte ein und blickte zu seinen Leuten über den Tisch hinweg.
»Sie haben vollkommen recht«, fügte er beharrlich ein weiteres Mal hinzu.
Erstaunt darüber, dass ich mich nicht verhört hatte und mit dem zunehmen der Gespräche am Tisch, wie viele dem plötzlichen zustimmten und sie auf meiner Denkweise aufbauend neue Konzepte herzustellen anfingen, saß ich stumm auf meinem Platz und konnte mich vor Freude nicht regen. Ich ließ meinen Blick gesenkt.
»Hey Caprino...«, rief der dünne, große Mann über den Tisch hinweg zu Shane, was mich dazu verleitete den Blick zu heben.
»Eine sehr schlaue Assistentin haben Sie da.«
Er erwiderte daraufhin nichts. Das Einzige, was er tat war es den Blickkontakt, der sich just in dem Augenblick zwischen uns gebildet hatte wachsam und konzentriert Stand zu halten genauso wie ich es tat.
Ich atmete tief aus und öffnete meine Clutch, um meinen Lippenstift heraus zu holen. Nachdem eine neue euphorische Diskussionsrunde durch mich zustande gekommen war, hatte ich mich dazu entschieden den Weg zur Toilette einzuschlagen. Ich hatte dabei den Blickkontakt zu Elvana gesucht gehabt, welche wie ich dann bemerkte damit beschäftigt war Jack zu zuhören, der ihr den Unterschied zwischen den verschiedenen Weinsorten erklärte, die uns jeweils serviert wurden. Natürlich hatte Shane nichts getrunken, aber das hatten natürlich nur Jack und ich zur Kenntnis genommen. Jack hatte aufmerksam darauf geachtet, dass Shane auch bloß keinen Unsinn tat. Genau das mochte ich so wenig an diesen großen erfolgreichen, sich für was besseres haltenden Menschen. Sie waren unaufmerksam und kaum zuvorkommend ihren Mitmenschen gegenüber. Wie viele Jahre kannten sie sich alle am Tisch wohl, wie viele Mal hatten sie solche Geschäftsessen hinter sich gebracht? Unzählige. Alles was ich besaß konnte ich aber garantiert darauf verwetten, dass niemandem diese kleine Auffälligkeit an Shane aufgefallen war.
Nachdem ich meinen bordeauxroten Lippenstift endlich zu ertasten bekam, bückte ich mich am Waschbecken zum edlen Spiegel nach vorne und überzog meine Lippen mit dieser sinnlichen Farbe. Kurz presste ich meine Lippen aufeinander, ehe ich meine Lippen lockerte und den Lippenstift wieder in meine Tasche warf. Ein letzter Blick in den Spiegel verriet mir, dass meine Haare immer noch ordentlich lagen. Mit einem zufriedenen Lächeln begab ich mich zur Toilettentür und öffnete diese, um in den langen erstreckten Flur zu gelangen. Kurz vor der Tür blieb ich jedoch wie erstarrt stehen als ich Shane etwas weiter weg erblickte. Er hatte sich an die Wand gelehnt und telefonierte.
Mich hatte er noch nicht entdeckt, weshalb ich kurz ab wägte, was ich als nächstes unternehmen wollte. Sollte ich wieder zurück und auf der Damentoilette warten bis die Luft rein war, oder sollte ich einfach an ihm vorbeilaufen? Schließlich war er ja sowieso mit dem Telefonieren beschäftigt. Eine Auswahlmöglichkeit blieb mir in nächsten Augenblick jedoch sichtlich erspart, denn dadurch, dass ich soviel Zeit mit dem Überlegen verschwendet hatte, hatte mich Shane bereits entdeckt und er stützte sich bei meinem Anblick von der Wand ab.
»Ich rufe dich später wieder an«, sagte er in den Hörer hinein und direkt in derselben Sekunde, ohne auf die Antwort seines Gegenübers zu warten, legte er auf. Jetzt blieb mir also nichts anderes übrig als von seinem Blick gefangen zu ihm zu laufen. Ich setzte also meinen Weg, den schmalen Flur entlang, fort und kam kurz vor ihm zum Halt.
»Gehen Sie zurück zum Saal?«, fragte er mich ruhig und ich nickte.
Als hätten wird dadurch eine stumme Vereinbarung getroffen liefen wir nebeneinander her.
»Das waren sehr weise Worte, die Sie da von sich gegeben haben«, unterbrach er je die Stille zwischen uns und plötzlich machte mein Herz einen gewaltigen Hüpfer. Moment, war das jetzt ein Kompliment? Da ich jedoch seinen analysierenden Blick auf mir spürte verzog ich keine Mimik, sondern nickte ihm lediglich als Antwort knapp zu.
Erstaunt hob er eine Augenbraue.
»Keinen spitzen Kommentar dazu?«, fragte er und nun war ich es die ihn irritiert anblickte, während wir unseren Weg weiter fortsetzten.
»Wissen Sie, eigentlich habe ich sogar einen parat, aber ich soll ja laut Anordnung meines Chefs lernen meine Zunge zu hüten«, brachte ich sarkastisch zustande.
»Ich möchte ihn hören«, beharrte Shane mit einem auffordernden Ton in der Stimme und verschränkte dabei die Arme hinter seinem Rücken. Dennoch war auch dieses Mal keine Emotion aus seinem Gesicht heraus zu lesen.
»Nun, da sie ja der Ansicht waren, dass Miss Harvis und ich nicht in ihre Klasse passen würden, ging ich ehrlich gesagt davon aus, dass sie nicht besonders begeistert auf mein Kommentar reagieren würden.«
Plötzlich runzelte er die Stirn und seine Gesichtszüge fielen auf Anhieb.
»Belauschen Sie etwa meine Gespräche?«, fragte er scharf und ich blickte ihm einen Augenblick lang belustigt in die Augen, während ich meinen Blick erneut nach vorne richtete.
»Das musste ich gar nicht. Ihre Reaktion und Ihre Blicke uns gegenüber waren bereits Antwort genug. Dennoch würde ich Ihre Reaktion jederzeit bevorzugen als die des Herren neben ihnen, Frank Logan«, sagte ich und Shane lachte bei meiner Bemerkung auf, was mich leicht verwunderte.
»Sagen wir es mal so: Zu sehen, dass all seine drei Ex-Ehefrauen ihm fremd gegangen sind, hat ihn etwas... abgehärtet. «
Oh...
»Dies ist aber auch umgekehrt der Fall. Oliver Hilton beispielweise betrügt seine Frau ständig wie ich ihnen zuvor schon einmal gesagt habe", brummte er vor sich hin und blickte mich dann an:
»Fühlen Sie sich wohl an Ihrem Platz?«
Wie kam er jetzt so schnell auf Oliver zurück? Er hatte wirklich was gegen dieses Typen, nun war ich mir zu hundert Prozent sicher.
»Ich kann mich nicht beklagen, Mr. Caprino und ich bin kein kleines Kind mehr, das beschützt werden muss. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Ja sicher...«, sagte er und plötzlich fiel mir auf was er damit meinte. In meinem betrunkenen Zustand hatte er mich als kleines Kind bezeichnet. Ich atmete einmal tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Jetzt eine Diskussion zu starten war nicht der richtige Zeitpunkt für. Also beließ ich es bei seiner provokativen Aussage. Anschließend aber sah ich auch schon, dass wir fast an der massiven Tür des Saales angekommen waren.
Ich stoppte und Shane bemerkte dies erst einige Schritte darauf.
»Warum bleiben Sie stehen?«
»Wir sollten getrennt den Saal betreten. Gehen Sie zuerst rein«, sagte ich und deutete auf die Tür. Irritiert blickte er mich an.
»Was hat das für einen Sinn?«
»Wenn wir zusammen diesen Raum betreten«, sagte ich und blickte in die Richtung des Saales.
»... werden die Leute über uns sprechen und das möchte ich nicht«, gab ich ehrlich zu. Verdutzt haftete Shanes Blick einen Augenblick lang auf mir.
»Sie wollen nicht in Relation mit mir gebracht werden?«, fragte Shane, als ob es das ungewöhnlichste auf der Welt wäre. Oh, das griff gewaltig sein Ego an. Denn nur selten sahen das Frauen so wie ich.
»Nein, Sir. Ich verdiene auf ordentlichem Wege mein Geld, indem ich hart arbeite. Ich möchte nicht das es später heißt ich würde nur diesen Job haben oder meinen Lohn erhalten, da ich die Vorlieben meines eigenen Chefs kennen würde.«
Er blieb still und sagte nichts dazu.
»Gehen Sie zuerst«, sagte ich nochmal.
»Ich werde etwas später nachkommen.«
Er bedachte mich ein letztes Mal mit einem harten Blick, ehe er in den Saal trat. Ich näherte mich indes der Saaltür zu und blickte von da aus auf den Tisch. Shane ging auf diesen zu und auch hier und da bemerkte ich wie einige Damen an den Tischen ihm währenddessen begehrende Blicke zuwarfen, die er völlig ignorierte.
Ich musste schmunzeln. Meine Antwort hatte ihn beleidigt. Shane hatte immer diese Angewohnheit gehabt. Alles musste nach seiner Pfeife tanzen, sonst benahm er sich wie ein beleidigtes Huhn und dass ich ihn mehr oder weniger mit diesem Verhalten abgewiesen hatte, gefiel ihm überhaupt nicht. Denn niemand wies Shane Caprino ab.
Aus dem Augenwinkel vernahm ich die Kellner, die sich durch die Tische schlängelten und ihre freundlichen Gesichter aufgesetzt die Menschen bedienten. Diese Menschen hatten es auch nicht leicht, dachte ich, ehe ich mich wieder auf Shane konzentrierte, der wieder am seinem Tisch Platz genommen und sich erneut mit den Leuten zu unterhalten begonnen hatte. Einige Sekunden konnte ich noch hier stehen bleiben, ehe ich auch rein gehen konnte, stellte ich mich in Gedanken darauf ein.
Plötzlich jedoch nahm ich etwas aus dem Augenwinkel wahr, was mich schnurstracks aufhorchen ließ und ich spürte wie mir das Blut in den Adern erfror. Ich richtete mich stocksteif auf.
Das zugeklappte Klavier, welches zuvor allein gelassen da stand wurde von einem schick gekleideten Mann geöffnet, der sich danach vornehm auf den Hocker setzte. Meine Augen vergrößerten sich in Panik versetzt und erschrocken schaute ich zu Shane, der dem Klavier den Rücken zugekehrt hatte und keine Ahnung davon hatte was gleich passieren würde.
Ich setzte einen Fuß nach vorne, aber ich wusste ich würde nicht rechtzeitig ankommen. Er würde beginnen zu spielen.
Oh nein, nein, nein, nein... nicht in Shanes Gegenwart.
Doch es war zu spät. Erstarrt blieb ich die ersten Schritte in den Saal gemacht stehen. Als die ersten Töne erklangen und sich wie ein Kuss in unsere Sinne brandmarkten, setzte mein Herz einen kurzen Atemzug lang aus und stillschweigend, aber dennoch die Luft anhaltend beobachtete ich Shane.
Er schien aufgeregt mit den Männern zu sprechen und sogar gelächelt hatte er als er sein Glas an den Mund führte, doch als die sanften Töne sich urplötzlich wie zwei Arme um ihn legten und ihm umwarben, änderte sich dieses Bild schlagartig. Shane knallte das Glas fest auf den Tisch. Seine Züge wurden auf einmal so hart, so aggressiv und sein Blick wirkte gerissen, unmenschlich. Er sagte kurz an den Tisch gerichtet etwas, ehe er aufstand und in meine Richtung kam. Der Körper angespannt, der Blick leer und die Hände zu Fäusten geballt, hielt ich den Atem an als er zielstrebig seinen Weg fortsetzte. Doch er bemerkte mich nicht, er sah mich nicht einmal, sondern lief schnell an mir vorbei und stürmte aus dem Saal.
»Scheiße... scheiße ... scheiße«, murmelte ich aus der Fassung gebracht und zupfte mein Handy aus meiner Clutch, ehe ich Elvana eine Nachricht tippte. Ich konnte jetzt nicht an den Tisch zurück.
Sorg dafür das der Pianist aufhört zu spielen. Bitte. Ich erkläre dir den Grund später.
Nachdem ich die Nachricht versendet hatte wartete ich auf eine Antwort, doch sie hörte den Leuten weiterhin am Tisch zu.
»Komm schon, komm schon schau auf dein Handy«, murmelte ich ungeduldig und als Elvana plötzlich den Kopf sinken ließ leuchteten meine Augen hoffnungsvoll auf. Kurz darauf hob sie den Kopf und blickte sich im Raum um. Als sie mich sah, warf ich ihr einen flehentlichen Blick zu und obwohl mir ihr fragender Blick zu verstehen gab, dass sie nicht verstand was hier vor sich ging, nickte sie nur, was Antwort genug für mich war. Ich durfte nämlich keine Zeit verlieren. Auch wenn ich nur zu gut wusste wie Shane in solch einer Situation drauf sein konnte, schob ich meinen Stolz, meine Wut ihm gegenüber einfach alles einen Moment lang beiseite und machte mich auf die Suche nach ihm. Selbst wenn das bedeuten sollte, dass ich sein Feuer auf mir spüren und mich gewaltig an ihm verbrennen würde.
Ein weiteres Mal wie damals.
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