TAPE 16/1《Romeo Must Die》
Einen Augenblick lang starrte sie mich völlig verloren an. Dieser Ausdruck verblasste aber so schnell wie es auch gekommen war und ein anderes Muster war just in ihrem verwirrten Blick auszumalen.
Raserei. Maßlose Raserei hatte sich in ihrer Miene verfestigt und drohte jeden Moment überzukochen, auszutreten und die Gegend zu verwüsten. Langsam bewegte sie die Kiefer nach vorne, ihre Nasenlöcher weiteten sich und nahmen eine überdimensionale Größe an, um den aufgestauten Aufschrei im Inneren zu unterdrücken.
Nachdem sie auch jetzt meinen Händedruck unerwidert ließ und meine Handalleine in der Luft verharrte, räusperte sich Shane und auch Jack, der gerade aus seinem Whiskeyglas trinken wollte, hatte plötzlich seine ganze Aufmerksamkeit auf uns gerichtet. Auffordernd blickte ich ihr in die Augen. Ich hatte nicht vor als erstes den Blickkontakt abzubrechen. Dafür erheiterte mich die Situation zu sehr.
Du kannst ihnen die Wahrheit nicht sagen. Du kannst es nicht, Mia.
Mein Lächeln weitete sich aus und erhob sich noch weiter in die Lüfte, als ich abrupt einen festen Griff um meine Hand spürte.
»Ich bin auch höchst erfreut Sie kennenzulernen, Ms. Duront«, brachte sie mit einem erzwungenen, schiefen Lächeln verkrampft zustande, ehe ihr Händedruck sich verstärkte. Durch den Ausstoß meines Nachnamen konnte ich ihren Spott und all das Ungesagte heraushören. Höflich nickend stimmte ich ihr zu.
Die Männer währenddessen hatten dem unverfrorenen und bissigen Wortwechsel sowie den mehr als eindeutigen Gesten, die unsere Haltung illustrierten, keine weitere Bedeutung zugemessen. Jack hatte sich wieder seinem halbvollen Glas gewidmet und Shane wiederum dröhnte Jack bezüglich eines bevorstehenden Meetings voll. Dann aber widmete er sich erneut Mia.
»Du bist an der Reihe, wie geht es dir? Was gibt's Neues aus unserer alten Bruchbude zu berichten?«, fragte Shane und wirkte gelassener als ich ihn je zuvor unter diesen vier Wänden gesehen hatte. Ich wusste, dass es ihm mehr als gut tat eine bekannte alte Person zu sehen. Erst recht eine wie Mia, die er seit klein auf kannte und sie als eine Schwester ansah, die er nie hatte. Ich glaube sogar behaupten zu können, dass sie das einzige weibliche Wesen neben seiner Mutter war, die er nicht rein aus der sexuellen Ebene betrachtet und wertgeschätzt hatte.
So war es nicht, setzte ich in Gedanken nochmals an, als ich sein Strahlen sah und unmittelbar davon hypnotisiert mich nicht von ihm reißen konnte. Doch als die Frage bis hin zu meinem Bewusstsein durchsickerte und die Fassade bei seinem Worten verblasste, zuckte ich im selben Augenblick zusammen und blickte ebenfalls interessiert zu Mia, die unter unseren Blicken eingekapselt stand. Ein lautstarkes Husten in der Ecke ließ uns hochfahren nur um Jack zu begegnen, der sich unmittelbar nach Mias Worten an seinem Drink verschluckt hatte.
Irritiert nahm ich ihn mit meinen Augen scharf in die Fittiche und genau in der Sekunde geschah es. Es war ein Moment, ein kleiner unbedeutender Augenblick der mit einem Wimpernschlag zu Ende war, sodass Shane als auch Elvana nichts davon mitbekamen. Doch ich tat es.
Denn unmittelbar nachdem sich Jack verschluckt und unsere Köpfe in seine Richtung herlaufen waren, entging mir der kurzfristige und panikvolle Blickkontakt, den er und Mia sich zugeworfen hatten, keineswegs.
Ich zog meine Augen zu schlitzen zusammen und schaute unbemerkt zwischen den Beiden hin und her, bis Mia ebenfalls unaufgefordert zu mir blickte. Betroffen weiteten sich ihre Augen als sie bemerkte, dass ich diesen geheimen Austausch mitbekommen hatte. Was habt ihr nur zu verbergen?
Schnell rappelte sich Jack auf, derweilen sich Shane bei seinem besten Freund vergewisserte, ob alles gut bei ihm sei. Diese Situation als Vorteil ansehend, hob Jack seine linke Hand um damit ein 'Ok'-Zeichen zu geben, derweilen Mia diese verschaffte Ablenkung dazu nutzte sich zu sammeln. Es dauerte nicht lange und die Zerstreutheit, als auch der wirre Ausdruck in ihren Augen ebbte allmählich ab. Nun kam auch Shane wieder auf sie zu und sie setzte sofort ihr typisches Lächeln auf.
»Alles bestens. Etwas Neues gibt es nicht... es ist wie immer«, sagte sie. Meine Augenbrauen schossen bis zu meinem Haaransatz hoch.
Die Beerdigung. Warum verheimlichten sie die Beerdigung meiner Mutter?
»Mr. Caprino«, griff ich ein und hielt einige Sekunden inne, denn plötzlich zuckte Mia beim Klang meiner Stimme zusammen und ich genoss es zu sehr sie in Angst zu sehen. Befürchtete sie etwa ich würde Einwände erheben?
Nein, das würde ich nicht tun. Aber einige Sekunden lang konnte ich sie ja in dem Glauben lassen.
»Mr. Caprino verlangen Sie außerdem etwas? Ansonsten würden Miss Harvis und ich Sie um Erlaubnis bitten uns zurückziehen zu dürfen. Es gibt noch einiges an Arbeit für morgen zu erledigen«, sagte ich in einem an Unterwerfung grenzenden Tonfall, der meine Stellung unterstrich und sofort spürte ich Mias als auch Jacks Blicke auf mir haften.
Ausnahmsweise enthielt sich Jack, was mich wiederum erstaunte und etwas stutzig machte. Auch die letzten eineinhalb Wochen hatte er nichts Erdenkliches unternommen, um mein Herz zu erobern.
Der Denkzettel vom letzten Mal hatte ihn sichtlich zum Nachdenken gebracht.
Shane nickte zur Bestätigung, aber auch er ließ keinerlei Kommentar für meinen bitteren Tonfall los. Keine sarkastische Äußerung? Keine weiteren Befehle?
Er war heute wirklich gut gelaunt.
Elvana lächelte ein letztes Mal allen Beteiligten im Raum zu, guten Manieren stellte sie auch jetzt eindeutig unter beweise, dann begab sie sich mit mir aus dem Büro.
»Ich finde sie toll«, schwärmte sie, als sie sich auf ihren Platz setzte und ich es ihr auf der anderen Seite gleich tat.
»Findest du nicht?« Erst viel zu spät, realisierte ich, dass ihr mein missmutiger Gesichtsausdruck nicht entgangen war, denn mit hochgezogenen Brauen und leicht offenem Mund warf sie mir einen erstaunten Blick zu.
»Eh... ich kann das nicht beurteilen. Dafür kenn ich sie zu wenig.«
Toll und schon wieder hatte ich sie angelogen.
»Ich eigentlich auch. Sie ist sehr selten hier, aber die einigen Male ihres Aufenthalts war sie immer nett zum Personal. Ganz im Gegensatz zu der anderen Dame in der Gruppe: Jessica Redford. Sie ist ein wahrhaftiges Biest.«
Was du nicht sagst. Also war sie schon öfters hier.
»Aber unsere Verabredung steht doch noch, oder? Brechen wir dann gleich für die Kleidersuche auf? Ich kann es immer noch nicht fassen, wie ich inmitten all dieser Erledigungen einfach das wichtigste vergessen habe. Ein Kleid! Das ist ...« empört schlug sie sich auf die Stirn.
»Wir haben den ganzen Nachmittag lang Zeit. Etwas passendes für den morgigen Anlass werden wir schon finden. Außerdem, falls dem nicht so ist, dann können wir ja immer noch nackt auftauchen. Zumindest würde das die Spendenbegeisterung bei einigen älteren Männern deutlich heben.«
Theatralisch verdrehte Elvana die Augen, aber insgeheim verkniff sie sich das Lachen, indem sie die Lippen aufeinanderpresste.
»Dein Sarkasmus ist manchmal echt...«
»Hinreißend. Ich weiß«, fiel ich ihr ins Wort und unser Lachen umhüllte den Flur, bis letztlich Shanes Tür geöffnet wurde.
Beim Anblick von goldenen Strähnen verstummten wir auf der Stelle. Mia trat heraus. Mein Blick begegnete sofort dem ihrem. Ich gab mir Mühe sie zu ignorieren, aber durch das Aufkommen ihrer hohen Stiefel auf dem Boden, die sich an Elvanas Tisch näherten, beschlich mich aus unbekannter Quelle Sorge um Letztere.
»Entschuldigen Sie Miss Harvis, stimmt's?«
Elvana stand wie auf Befehl auf und nickte ihr eingeschüchtert, aber dennoch charmant zu. Dieses Mädchen war wahrlich ein kleiner, lieblicher Engel.
»Shane hat mir gesagt, dass unten in der Kantine Sahnetorte zum Dessert serviert wurde. Denken Sie es ist davon noch was übriggeblieben? Ich liebe Torte« Ein bezauberndes Lächeln zierte sich auf ihrem Gesicht, die ihre hohen Wangenknochen zur Geltung brachte.
Typisch. Mia wusste schon immer, wie sie sich bei Menschen beliebt machen konnte und ihren Willen bekam.
»Ja, Madame. Ich glaube schon. Möchten Sie, dass ich für Sie nachsehe und Ihnen ein Stück davon mitbringe, falls ich fündig werde?«
»Oh, das ist sehr reizend. Ich danke Ihnen meine Liebe«, antwortete Mia und warf ihr ein herzhaftes, dankbares Lächeln zu. Als Elvana daraufhin den Aufzug betrat,
konnte ich mit meiner Beteiligungslosigkeit nichts mehr anfangen. Ich lehnte mich nach hinten und schnaubte spöttisch auf. Damit würde ich ganz bestimmt Mia anlocken, anstatt mich von ihr in die Enge treiben zu lassen.
»Deine Gabe Menschen zu manipulieren hast du anscheinend kein bisschen verlernt, wie ich sehe. Ich gratuliere«, spottete ich und klatschte zur Demonstration dessen in die Hände, derweilen sich nicht eine Muskel in meinem Gesicht bewegte. Ganz im Gegenteil zu Mia. Das Verschwinden von Elvana beim Schließen der massiven Aufzugstüren bedeutete auch das Ende ihrer Schauspielkünste. Ihr einstudiertes Lächeln brach zusammen und stampfend bannte sie sich einen Weg zu mir durch.
Vor meinem Schreibtisch ließ sie mich ihren flammenden Zorn endlich spüren.
»Was um alles in der Welt hast du hier zu suchen?«
Nervosität. Na, das gefiel mir. Jede einzelne Sekunde dieses wenn auch kleinen Triumphs genießend, bückte ich mich mit entspannter Haltung in meiner Sitzfläche leicht nach vorne.
»Ich zitiere deine Worte: Ich weiß nicht, wo er sich aufhält. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Dass ich nicht lache. Für mich sieht das alles noch sehr freundschaftlich aus«, zischte ich sie an und sie zuckte zusammen, angesichts dessen, dass ihre schamlose Lüge aufgedeckt wurde.
»Ich habe nicht die Unwahrheit gesagt. Ich habe wirklich nicht mehr den besten Draht zu den beiden und es ist eine Ewigkeit her, dass ich sie das letzte Mal besucht habe. Zu diesem Ereignis musste ich erscheinen, da es den Jungs sehr viel bedeutet. Ich konnte nicht verneinen. Eine Ausrede hätten sie nicht erduldet.«
»Ah verstehe. Also stimmt es nicht, dass die Jungs dich ab und zu mal besuchen kommen, oder? Wie zum Beispiel Jack, der wie ich in Erfahrung bringen konnte kurz nach mir einen Zwischenstopp bei dir eingelegt hat. Aber weißt du, was ich so absolut interessant und auch total merkwürdig finde? Dass ihr Shane nichts von der Beerdigung erzählt habt. Warum nicht?«
Sie atmete tief aus und strich sich energisch einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Aurora, sag mir, was du hier zu suchen hast?« Sie ignorierte meine Frage. Faszinierend.
»Ist das so denn wichtig? Als ich dich nach seinem Standort gefragt habe, müsstest du doch davon ausgegangen sein, dass ich hier auftauchen würde.«
»Das bin ich!«, knurrte sie beinahe außer sich. Ihre Bemühungen leise zu sein schwankten. Sie befand sich am Rande einer Klippe und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie all ihre Passivität über Bord warf.
»Ich dachte... ich dachte du stellst ihn zur Rede, beleidigst ihn und machst dann einen Abgang. Aber nie hätte ich gedacht, dass du hierbleibst und... und das tust.«
Abschätzig verdrehte ich die Augen über Mia oberflächliche Denkweise.
»Ach, du denkst so leicht lasse ich nach? Nach allem was passiert ist? Er verdient mehr, ihr alle verdient mehr, das kannst du nicht leugnen. Soll ich dir dennoch etwas sagen? Ich verstehe gar nicht, warum du mich so anklagend ansiehst. Du und Jack verheimlicht schließlich auch etwas vor ihm, habe ich recht? Komm schon Mia, verrat es mir. Warum ist Shane nicht über die Beerdigung informiert?« knüpfte ich nochmal an. Dass ich Mia derart ins kalte Wasser schmiss, war ihr mit einem Mal anzusehen. Vermutet hatte sie es bestimmt, dass ich den geheimen Austausch der beiden durch ihre Blicke bemerkt hatte, aber dass ich dem so viel beimessen würde, war ihr nicht in den Sinn gekommen.
Wie gut, dass ich immer für Überraschungen zu haben bin.
»Du bist ein Tabu Thema, Aurora, Ein absolutes Tabu Thema in unserer Clique, ok? Über dich wird nicht gesprochen, über dich darf nicht gesprochen werden und jetzt tauchst du hier auf und..."
Sie verstummte augenblicklich und blinzelte ein paar Mal, als hätte sie eine Erleuchtung gehabt, ehe sie vor sich hin zu flüstern begann:
»Moment Mal, du warst das, oder? Du steckst hinter dem geplatzten Deal.«
Ein Grinsen meinerseits war Antwort genug.
»Aurora ich warne dich, hör auf damit! Es sind Jahre vergangen. Du bist für uns nicht mehr von Belang.« Ihre Worte hätten mich nicht so sehr treffen sollen, wie sie es nun taten. Mein Herzschlag stolperte über seinen eigenen Rhythmus, verlor die ultimative Balance und fiel krachend zu Boden. Die zusammengeflickten Nähte meines Kummers lockerten sich, der Schmerz verteilte sich wie pures Gift in meinem Körper aus. Und diese Schwäche, die ich mir nun erlaubte, erfüllte mich mit Jähzorn.
Was hatte es mit ihrer Aussage auf sich, dass sie nicht mehr über mich reden durften und dass ich kaum noch erwähnenswert wäre? Ich stand die Hände zu Fäusten geballt auf und stützte mich an der Tischkante ab.
»Weißt du, ich bin ja der Meinung, dass die Zeit gekommen ist das Tabu Thema von erneuten zu öffnen. Und morgen ist so ein wunderschöner Tag dafür, findest du nicht auch?«
Ob es meinem strengen Tonfall oder an der angsteinflößenden Stellung, die ich eingenommen hatte zu verdanken war, weshalb sich im Handumdrehen ein flehentlicher Ausdruck in ihrem Gesicht breit machte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Doch es hätte mir angesichts der vielen Male in denen sie mich mit ihren Worten verletzt hatte, nicht gleichgültiger sein können.
»Aurora, bitte. Ich bitte dich inständig lass es gut sein, tu es nicht. Damals hat Shane...« Es rauchte in meinen Ohren, ihr nach Gnade bettelnden Augen verfluchten mich. Das sanfte Flüstern des Gnadenliedes schlang sich wie eine Schlinge um meinen Hals, raubte mir die Luft zum Atmen.
Bitte... Wie oft hatte ich um Erbarmen gewinselt, hatte vor ihren Füßen gelegen, schwach, hoffnungslos, gebrochen. Hatten sie mich verschont? Hatten sie mich je erhört? Nein! Und jetzt stand Mia vor mir und verlangte diesen Tribut von mir? Ausgerechnet von mir?
»Schweig Mia! Du bist ein verlogenes Miststück. Du wagst es tatsächlich über damals zu sprechen. Ok, lass und reden, wo soll ich anfangen? Davon, dass ich glaubte, dass du dich langsam an mich gewöhnen, mich akzeptieren und mich vielleicht etwas mögen würdest. Dass wir so etwas wie Freunde wären?«
Ich ballte meine Hand zur Faust.
»Doch was habt ihr getan? All diese schrecklichen, grauenhaften Dinge, die ihr hinter meinen Rücken geplant habt. Nun antworte mir, wer war gnädig mit mir?«
Mia klappte der Mund zu und schwieg, während meine Stimme zum Ende hin endgültig abbrach und ich dem nichts mehr hinzuzufügen hatte. Ich brauchte es auch gar nicht. Mia wusste wovon ich sprach, den Rest konnte sie sich selbst denken. Und vielleicht tat sie das auch gerade, indes sie den Blick auf den Boden richtete und lediglich meinem ungesund klingenden Keuchen lauschte.
»Du hast den Brief deiner Mutter nicht gelesen...« Ihre Stimme klang dumpf, beinahe bedauernd. Ich stutzte.
Was hat meine Mutter jetzt mit dieser Sache zu tun?
»Aurora, du musst den Brief le-«
»Es gab noch welchen!«, gesellte sich Elvana plötzlich zu uns. Der Aufzug war uns durch die angespannte Stimmung kaum aufgefallen.
Schnell richteten wir uns in unserer Position gerade, noch rechtzeitig, bevor Elvana uns ihre strahlenden Augen offenbarte.
»Bitteschön, Miss Lades.« Voller Tatendrang reichte sie den Teller in ihrer Hand Mia weiter.
»Ich habe auch noch von dem Kürbiskuchen ein Stück dazu getan. Es wird Ihnen gefallen.« Als Mia keine Anstalten machte und ich in diesem Moment auch nicht gerade die Meisterin darin war meine Gedanken zu verbergen, schien Mia der abrupte Stimmungswechsel nicht entgangen zu sein.
»Ehm, gibt es ein Problem?«
Mit einer lockeren Handbewegung, die Elvanas Sorgen in Keim ersticken lassen sollte, erwiderte ich dem schleunigst entgegenwirkend:
»Nein, Elvana überhaupt nicht. Miss Lades und ich habe uns nur darüber unterhalten, wie fabelhaft die morgige Veranstaltung werden wird und dass sie sich glücklich schätzten kann ein Teil davon zu sein.«
Der große, lange Eingangsbereich erstreckte sich vor mir. Wohlbedacht, nicht auf mein langes Kleid zu treten, welches mich nach gestriger stundenlanger Suche immer noch nicht zufrieden stellte, passierte ich den edlen mit smaragdsteinen verzierten Bogen über mir, ehe ich ins Innere eintrat. Das Kleid ist viel zu auffällig, dachte ich mir, als die wenig anwesenden Personen in der Empfangshalle sich in meine Richtung drehte. In fließendem Samt küsste der enganliegende rote Stoff jeden Zentimeter meines Körpers. Normalerweise mochte ich diese Farbe überhaupt nicht und auch der rote Lippenstift in Kombination dazu mir irgendwie to much. Doch bei Elvanas Sprechkünsten hatte ich letzten Endes widerwillig nachgegeben und zugestimmt.
Als ich meinen Weg fortsetzte und dabei hingegen die Blicke näher identifizieren musste, stellte ich verwundert fest, dass sie nicht feindseliger Natur waren, sondern eher einen etwas leidenschaftlicheren Ursprung hatte. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Meine Wahl wäre dieses Kleid eindeutig nicht gewesen, aber Elvana wusste anscheinend ebenfalls, wie man die ein oder andere Karte ausspielte. Streng genommen besaß war das Kleid auch ganz hübsch, sexy. Es war nicht dieses ausreizende sexy, sodass ich jeden Moment befürchten müsste mein Höschen zu zeigen oder einen Teil meiner Brust zu entblößen, viel eher besaß es klasse. Das Einzige worauf ich den ganzen Abend über achten musste war der lange, gewagte Schlitz an der Seite des Kleides, durch das einer meiner glattrasierten Beine hervorlugte.
Vor der Eingangstür zum Saal blieb ich eine Sekunde lang stehen, atmete tief aus und fasste noch ein letztes Mal in meine Hochsteckfrisur, um sicher zu gehen, dass sich alles rechtmäßig an Ort und Stelle befand
Dann klopfte ich mit einem festen Faustschlag an die massive, steinharte Doppeltür. Plötzlich wurde sie von zwei schick gekleideten Männern, die sich jeweils an beide Seiten wie Statuen positioniert hatten, geöffnet. Ich setzte einige Schritte nach vorne bis ich den kompletten Saal vor mir hatte.
Atemberaubend war nicht im Geringsten das Wort, welches dem Ambiente gerecht gewesen wäre. Voller Faszination blieb ich mitten in der Masse stehen. Wow.
Der Saal war noch schöner geworden, als ich ihn mir je hätte vorstellen können. An den hervorragenden, ausdrucksstarken Fenstern waren aus schwerem, goldenen Samt umhüllte Gardinen auf gehangen, die wie ein Meer Münzen herabhingen und etwas rein Königliches, Machtvolles illustrierten. Unterstützt wurden dieses Bild durch die Kerzenhalter zwischen den verschiedenen Fenstern, die aus edlem Gold bestanden und an dem Kronleuchter der Mitten im Saal empor hang und seine kristallartigen kleinen Diamanten auf uns hinab richtete. Das moderne Stück, das auf die Tanzfläche gerichtet war, wurde durch die verzierten Tapeten, die aus dem viktorianischen Zeitalter entstammen und der Decke, die von einer der schönsten und detailliertesten Malereien die ich je gesehen hatte, umringt. Der Engel umworbene Himmel oben, sollte dem Saal etwas mehr an endloser Dimension verleihen. Doch je weiter ich mich umblickte, desto mehr stellte ich fest, dass das gar nicht nötig gewesen war. Der Saal hatte auch jetzt noch genügend Platz aufzuweisen, obwohl reichlich Menschen anwesend waren und ich mir deshalb wie eine Nadel im Heuhaufen vorkam. Unglaublich.
Einige der Gäste hatten sich bereits an die runden, zierlichen Tische gesetzt, die dekorativ ausgefaltet worden waren und unter denen sich sogar eine Bodenplatte befand, die sich und damit auch die Tische im Kreis drehte. Mir persönlich würde es den Kopf verdrehen dachte ich, aber als ich neben mir plötzlich Menschen wahrnahm, die an so einem Tisch saßen und erfreut ihre Weingläser hoben, konnte ich nicht anders als klein beizugeben. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
Unter den schick gekleideten Gästen war das Personal, welches mit Tabletten gestapelt von Gläsern in der Hand durch die Menge liefen sofort ausfindig zu machen. Derweilen sich nämlich die wohlhabenden Gäste die pompösesten und auffälligsten Sachen aus dem Kleiderschrank ausgesucht und diese farblich passend zu ihren Juwelen und teuren Armbanduhren abstimmt hatten, waren die Kellner recht schlicht und adrett gekleidet, was die viele dazu veranlasste sich noch nicht einmal bei ihnen bedanken, als sie einem höflich etwas zu trinken anboten.
Ausschau haltend suchte ich nach einem mir bekannten Gesicht, doch dieser Versuch schlug gänzlich fehl, weil man bei dieser Menschenmasse recht schnell den Überblick verlor. Auch als ich einen Blick auf die Tanzfläche warf auf der eine Menge Leute elegant das Tanzbein schwangen und sich zur klassischen Musik bewegten war es schwer die einzelnen Paare untereinander zu identifizieren.
Gerade wollte ich mich abwenden und in einer anderen Ecke mein Glück etwas zu erkennen versuchen, aber da haften meine Augen an einem Tisch etwas abseits der Bühne. Ich verzog die Augen zu Schlitzen, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht irre. Auf der Gästeliste hatte zumindest ihr Namegestanden, also war die Wahrscheinlichkeit nicht ganz so gering.
»Jap. Es ist Angelina Jolie«, sagte eine vertraute Stimme neben mir und ich sah wie eine wunderschön gekleidete Elvana lächelnd auf mich zuschritt. Das mahagonifarbige, schulterfreie Kleid passte perfekt zu ihrem hellen Teint und es ließ sie zum ersten Mal etwas jünger und ihrem Alter entsprechend aussehen. Sie war wahrlich eine bildhübsche, süße Fee.
»Es ist einfach traumhaft hier! Wie in einem echten Palast. Das hast du sehr gut hinbekommen, Ela«, brachte ich begeistert hervor und bestaunte weiterhin die Umgebung.
»Und hübsch oben drein siehst du auch noch aus.«
Elvana hielt von den Komplimenten ganz beschämt die Hand vor dem Mund.
»Danke. Ich selbst kann es kaum fassen. Das wäre ohne dich gar nicht erst zustande gekommen.«
Beschwingt hob ich meine Hand.
»Es ist dein Verdienst. Sei stolz auf dich. Läuft denn alles bis jetzt nach Plan?« fragte ich sie, da sie bereits vor einigen Stunden hier eingetroffen war, um die letzten Feinheiten zu erledigen.
»Ja. Es gab noch eine kleine Angelegenheit mit dem Catering zu klären. Haben es aber zum Glück noch rechtzeitig hinbekommen. Das einzige Problem sind meine Füße. Diese High Heels bringen mich um. Ich werde die Minuten zählen bis ich endlich nach Hause gehen darf«, sagte sie und blickte verträumt vor sich hin.
»Wie sagt man so schön: Wer schön sein will muss leiden. Du brichst heute Abend eher auf, oder? Schließlich warst du schon vor uns da. Ich bleibe für dich hier und übernehme die restlichen Erledigungen. Wenn die Veranstaltung zu Ende ist, sind sowieso nur noch Mr. Caprino und seine eigenen Gäste anwesend. Das wird nicht schwer sein. Ich kriege das hin, wirklich«, gab ich nochmal mit Nachdruck bekannt als ich ihren unsicheren Blick bemerkte.
»Nun aber zu etwas Wichtigerem. Sag mal, ist Leonardo DiCaprio schon hier? Auf den freue ich mich ganz besonders seit ich seinen Namen auf der Liste entdeckt habe.«
»Oh Gott Aurora, dieser Mann ist pure Perfektion«, schwärmte sie und legte demonstrativ ihre Hände auf die Brust, bis sie ihre Unterlippe schmollend nach vorne drückte.
»Leider ist er aber schon wieder in Begleitung eines Victoria Secret Models hier. Gegen die werden wir auf alle Fälle keine Chance haben«
»Das bringt wahrlich mein Herz zum bluten«, sagte ich und schloss mich ebenfalls gespielt an sie ran. Doch da verstummte ich augenblicklich und die Freude verschwand, aus meinen Gesichtszügen sowie tief aus meiner Seele, als ich unter all den Menschen einen bestimmten Tisch erblickte. Den Tisch in der Mitte.
Sie waren es. Sie waren hier. Jeder einzelne von ihnen.
Elvana schien durch die ganzen Gespräche und der Aufregung, die sie seit jeher mit sich trug zum ersten Mal nicht zu bemerken, dass meine ganze Aura neben ihr im Sekundentakt eine komplette Wandlung vollzog. Sonst hätte sie mir nicht wie jetzt zielgerichtet darauf hingewiesen auf genau diesen Tisch zuzugehen.
Beim Vorbeilaufen an den anderen vielen Gästen im Saal nahm ich alles an ihnen nur noch verschwommen wahr, denn je näher wir an den Tisch kamen, desto rabiater pumpte mein Herz gegen meine Brust. Das Gefühl mich jeden Moment übergeben zu müssen nahm mein ganzes Denkvermögen ein.
Als wir schließlich vor besagtem Tisch einen Halt ansetzten, waren es hingegen nicht die interessierten und neugierigen Blicke der Anwesenden, die meine volle Beachtung auf sich zogen, sondern es war Shanes Arm. Shanes muskulöser Arm, der sich um die Taille einer blonden Schönheit geschlungen hatte. Es stimmte mich beinahe rasend, dass ich mir das eingestehen musste. aber die Frau vor mir. die sich an Shane angeschmiegt hatte, war makellos. Großgewachsen und mit einer porzellanähnlichen glatten Haut ausgestattet, zog sie die Blicke vieler Männer auf sich. Das silberne Satinkleid, das sie zu diesem Anlass trug, setzte zusätzlich ihre sinnliche Figur in den Fokus und das fast golden ähnliche Haar hatte sie in Locken nach hinten geworfen. Ihre Stimme spielte wie der erste Ton einer Melodie in der Umgebung ein, als sie plötzlich bei einer Bemerkung von Shan zu lachen begann und ihre Hand dabei auf seine Brust platzierte.
Die Augen verengt betrachtete ich sie. Das war also diese Helena sein von der ich aus der Mappe gelesen hatte: Erfolgreiches Laufstegmodel und gelegentlich das Betthäschen von Shane.
Shane stimmte mit einem schelmischen Grinsen mit ein, nachdem sie ihm etwas ins Ohr flüsterte, doch als er leicht den Kopf dabei zur Seite drehte und der Blickkontakt mit mir zustande kam, da stoppte er augenblicklich und das junghafte Lächeln erstarb. Wachsam und mit solcher Präzision durchforschte er meinen Körper, glitt mit seinem Blick immer weiter runter und dann wieder gleichmäßig nach oben. Eine winzige Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.
Dann ließ er von Helena ab, legte sich sein Sakko, welches ihm unheimlich gutstand, zurecht und kam auf uns zu.
»Sir«, sagte Elvana professionell freundlich und senkte die Augen nach unten. Ich währenddessen hielt weiterhin meine auf seine gerichtet.
»Wie ich sehe konnten Sie uns endlich auch Mal die Ehre erweisen«, sprach er aus, wobei mir der Spott, der in seinen Worten mit schwang nicht entging.
War er etwa verärgert? Aber warum? Eben hatte er sich doch noch blendend mit dieser Helena unterhalten. Bevor ich jedoch die Gelegenheit dazu bekam dem auf die Schliche zu kommen, hatte er sich Elvana zugewandt.
»Guten Abend, Miss Harvis. Sie kennen meine Gäste bereits. Sie, Miss Duront hingegen nicht. Folgen Sie mir«, ordnete er mich barsch an. Zu Befehl, eure Hoheit, hätte ich am liebsten mit einem Nicks vor ihm kundgegeben, war dann aber ausnahmsweise Mal in der Lage mich zu bremsen.
Mein Ärger über seinen Umgang verpuffte jedoch jäh, als er mich plötzlich sachte am Rücken umfasste. Ich hielt inne.
Diese kleine Berührung durchflutete meinen ganzen Körper mit Gänsehaut und auch der hasserfüllte Blick Helenas war sofort auf mir zu spüren. Na super. Der Abend fing ja ganz reizend an.
Vor dem Tisch kam er zum Halt. Mit einer kurzen Handbewegung deutete er auf die Personen, die allesamt auf den Stühlen saßen und sich unterhielten. Meine Hand formte sich zur Faust. Ruhe bewahren... Ruhe, dachte ich mir als ich in die vertrauten Gesichter schaute und gleichzeitig das Blut in meinem Mund, während ich mir auf die Zunge biss. Ich glaube ich muss mich übergeben.
»Mit Miss Lades haben Sie gestern Bekanntschaft gemacht«, sagte er bestimmt und ich warf einen kurzen Blick in Mias Richtung. Dabei wurde mir erneut bewusst, warum Mia damals schon das beliebteste Mädchen unserer Schule gewesen war.
Teilweise verdankte sie dies ihrem Rang in der High Society, doch der deutlich einflussreichere Faktor war ihre Schönheit, die in all den Jahren dieselbe geblieben war. Selbst mit dem bordeauxroten Overall und dem schlichten Schmuck, den sie sich aufgelegt hatte, wirkte sie mit am Anmutigsten in diesen Räumlichkeiten. Nichtsdestotrotz konnte ich nicht anders, als etwas erstaunt dreinzublicken. Früher war sie auffälliger und freizügiger gewesen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber mit dem Alter hatte sie eindeutig etwas mehr an Reife gewonnen. Zumindest wenn es um ihren Kleidungsstill ging.
Sie warf mir ein gezwungenes Lächeln zu, wobei mein Blick bereits da hinter sie auf Jack fiel der mit seinem Anzug garantiert viele Blicke auf sich zog. Er analysierte mich gleichermaßen wie Shane zuvor auch von Kopf bis Fuß.
Ja, genau deshalb passten diese Männer ganz gut zusammen. Auch wenn sie nicht unterschiedlicher sein konnten, waren sie in mancherlei Hinsicht wie Zwillinge.
Ich setzte ein perfektioniertes echt wirkendes Lächeln auf, dass für beide gleichermaßen gelten sollte. Wie ich aber feststellen musste, war dies nicht von Nöten, denn der Händedruck auf meinem Rücken dirigierte mich weiter in die Mitte, sodass ich nun zwei anderen Personen gegenüberstand.
Wenn Mias Transformation eben noch mit Sicherheit sagen konnte, so konnte ich von Jessica dasselbe nicht behaupten. Die Arroganz, die sie immerzu ausstrahlte und die Heimtücke, die sich in ihren verräterischen Augen verbarg, waren nach wie vor präsent. Ihre dunklen, langen Haare hatte sie nach hinten geworfen, sodass der Blick auf ihrem recht weitgestreckten Dekolleté lag. Ich schüttelte merklich den Kopf. Wie immer suchte verzweifelt nach Aufmerksamkeit. Unglaublich, und das auch noch auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung.
»Wenn ich vorstellen darf, Jessica Redford.« Shanes Stimme ertönte nur als Echo in meinem Bewusstsein.
»Freut mich Sie kennenzulernen«, sagte ich daraufhin und reichte ihr meine Hand.
Als würde Shane eine einen kurzen Steckbrief überfliegen, fügte Shane hinzu:
»Sie ist eine jahrelange, gute Freundin von mir. Zurzeit lebt sie in Hong Kong und ist in der Modebranche tätig.«
Jessica erwiderte meinen Händedruck, begann dann bei Shanes Bemerkungen zu kichern.
»Also wirklich Shane«, wedelte sie sich mit der Hand gespielt bescheiden Luft zu.
»Das musst du doch nicht erwähnen. Das Modelabel H.G kennt doch jeder.«
»Oh pardon, aber mir sagt dieser Name rein gar nichts«, sprach ich klar und deutlich aus. Natürlich war das eine Lüge, aber das musste sie ja nicht wissen.
Stille legte sich am Tisch, gefolgt von Mias starkem Hustenanfall, welches dadurch verursacht wurde, dass sie sich an ihrem Getränk verschluckte. Jack, der bei meiner Bemerkung schmunzeln musste, schlug ihr zur Unterstützung sachte auf den Rücken.
Irritiert ließ ich meinen Blick über den Tisch schweifen, woraufhin ich erkannte, dass auch er, der von Anfang an neben Jessica gestanden und keine Miene verzogen hatte, sich ein kleines, aber eindeutig vorhandenes Lächeln unterdrückte. Auch Helena, die mich zuvor abstoßender hätte nicht ansehen können, hielt sich die Hand vor dem Mund, aber ihre hochgezogenen Mundwinkel konnte sie nicht wie erhofft hinter ihrer Hand verbergen. Unbeabsichtigt hatte ich jeden am Tisch mit meinem Gesagten amüsiert. Jeden bis auf Jessica, die mich just mit ihren giftgrünen Augen fixierte, die besagten, dass sie mich gleich in der Luft zerfetzen würde.
»Oh Verzeihung Schätzchen, das hätte ich mir eigentlich denken können, war mein Fehler. Wie soll sich überhaupt eine einfache Assistentin aus zweiter Klasse solch eine angesagte und teure Marke leisten können. Falsch von mir, dass ich sie überhaupt darauf anspreche. Ihr No-Name Kleid spricht Bände und die Valentino Schuhe aus der letzten Saison, die sie da tragen, sind womöglich auch nur eine billige Kopie, welche sie im Sale auf einem Basar ergattert haben.«
Meine Valentinos sind keine billige Kopie!, hätte ich am liebsten aufgeschrien und ihr ihre Fakewimpern aus dem Gesicht gerissen, doch ehe ich etwas hinzufügen konnte, mischte sich die Person neben ihr ein.
»Jess jetzt werd' nicht direkt wieder zur Bitch, weil ausnahmsweise jemand mal nicht von dir schwärmt.«
Shane räusperte sich und deutete nun auf die Person hin, die soeben das Wort ergriffen hatte.
»Darf ich vorstellen und das ist...«
»Zac«, unterbrach der blonde junge Mann Shane schroff und streckte mir stattdessen die Hand.
»Nichts für ungut Shane, aber ich kann mich auch selbst vorstellen.«
Bildete ich mir das nur ein oder herrschte dicke Luft zwischen den beiden?
»Bevor unser Mr. Millionär das ganze Luxusleben schönredet, kann ich ja ehrlich zugeben, dass ich im Gegensatz zu den anderen hier Anwesenden nicht so erfolgreich bin. Ich sitze den meisten Tag eigentlich rum und verballere das Geld meiner reichen Familie.« Ok, diese Offenbarung kam unerwartet.
Ich runzelte die Stirn und blickte in das Zacs attraktives Gesicht. Das Lippenpiercing war verschwunden, aber dafür hatte er weiterhin die zwei kleinen an seiner Augenbraue behalten. Wie auch damals trug er seine blonden Haare kurz rasiert, das seinen breiten, kantigen Kinn näher zur Schau stellte. Es grenzte schon beinahe an ein Wunder, dass er ausnahmsweise mal nüchtern und nicht unter dem Drogeneinfluss stand. Und trotz dessen stimmte mich heute irgendetwas an ihm mit einem großen Argwohn. Nur wusste nicht ganz recht an was es genau liegen mochte, an seinen Worten oder doch diesen leer dreinblickenden Augen. Irgendetwas war faul, ich spürte es.
Gleichzeitig wurde mir auch vor Augen geführt, dass mein Gefühl mich nicht getäuscht hatte. Er würde die entscheidende Fahrkarte für heute Abend darstelle, die ich benötigte, um mich an mein gewünschtes Ziel zu führen. Ich war mir nun mehr als sicher. Er war einfach perfekt dafür.
Schließlich hatte es schon einmal getan, er würde es wieder tun.
»Freut mich Sie kennenzulernen. Ich heiße Aurora Duront.«
Ich glaubte mich in einem Deja-vù Moment zu befinden. Wie auch bei meinem Vorstellungsgespräch bei Shane, schoss Jessicas Kopf beim Aussprechen meines Namens wieder in unsere Richtung, während Zac Shane mit einem kalten, stummen Blick bedachte, den nur beide untereinander zu verstehen schienen.
Er nickte mir kurz angebunden zu, entzog seine Hand aber echt von meiner.
»Und zu guter Letzt, Helena Brownson. Meine Begleitung für heute Abend« Angesichts der Tatsache, dass vor mir seine Mätresse stand, drückte sich Shane recht direkt aus. Auch bei ihr legte ich unfreiwillig meine guten Manieren dar.
»Sir«, mischte sich direkt danach Elvana in das Gespräch ein, die sich bisweilen im Hintergrund gehalten hatte und trat einige Schritte vor.
»Miss Duront und ich müssten uns, um das Personal kümmern. Ich würde darum bitten...«
»Aber selbstverständlich« Dies ließen wir uns nicht zwei Mal sagen. Zügig schlängelten wir uns durch die Menge hindurch.
Endlich. Endlich konnte ich einen Abstand zwischen mir und diesem Tisch bringen.
An einer Säule angekommen, die einen griechischen Flair vorwies, durchbrach ich schließlich die anhaltende Stille.
»Nur zu, wenn du mir eine Standpauke halten möchtest, werde ich dich nicht aufhalten.« Garantiert würde mich Elvana aufgrund meines Verhaltens gegenüber Jessica zurechtweisen. Das war Elvana, die Höflichkeit in Person, ein wahrer Engel, der auf diese rücksichtslose Welt entsandt wurde und ausgerechnet mir vor die Füße fiel. Ich wollte kein schlechter Einfluss für sie sein, sollte sie mir ihre Moralvorstellungen übermitteln. Ich würde all ihre Worte ihr zuliebe über mich ergehen lasse. Doch plötzlich legte sich ein teuflisches Grinsen auf ihre Lippen, das ich nie zuvor bei ihr gesehen hatte.
»Ich finde zwar, dass du manchmal echt den Mund halten solltest, aber in diesem Fall nicht. Diese selbstverliebte Göre hat es verdient«, jubelte sie und mir klappte fast die Kinnlade runter, als Schadenfreude in ihr aufwallte.
»Oh mein Gott Ela. Geht es dir gut? Hast du Fieber? Verdammt, dieser Tag muss in die Geschichte eingehen«Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, fasste ich sie an die Stirn.
»Du schließt dich erstmals meinem unvorbildlichen Verhalten an.«
Sie zwickte mich von der Seite zu.
»Hey... so verklemmt bin ich nun auch nicht!«
»Nein nur nicht«, gab ich die Augen verdrehend von mir.
»Ok, genug Späßchen gemacht, jetzt müssen wir wieder ernst werden«, sagte sie in die Hände klatschend.
»Also ich werde mich nochmal um das Orchestra kümmern und überprüfen, dass für den weiteren Abend alles in Ordnung ist. Ich würde sagen, du stellst dich gleich in eine Ecke und achtest darauf das alles glatt läuft, ok? Später treffen wir uns dann an dieser Stelle wieder und nicht vergessen, deine Aufmerksamkeit muss hauptsächlich Mr. Caprinos Tisch gelten. Er ist immer sehr feinfühlig, was seine Gäste betrifft.«
»Keine Sorge, das kriege ich hin.« Daraufhin begab ich mich etwas abgelegen von den Gästen in die Nähe der Bühne und genoss die ganze Aussicht, die ich über all die Menschen hatte. Auch wenn sich das Ganze zu Beginn doch etwas langweilig angehört hatte, war es später recht angenehm die Aktivitäten unterschiedlicher, bekannter Persönlichkeiten aus den Mieden hautnah mitzuerleben. Die feindseligen, gar verhassten Blicke, die die Gäste sich gegenseitig zuwarfen, das aufgesetzte Lächeln und die förmlichen Konversationen, die sie untereinander führten, obwohl sie sich am liebsten ein Messer in die Rippen stoßen würden, war spannender als jeder Actionfilm den ich gesehen hatte. Im Buisness galten eben andere Spielregeln. Ein einfaches, stummes Lächeln genügte, um dem verhassten Geschäftspartner vorzugaukeln sein bester Freund zu sein. Somit stand dem großen Aufstieg aucfh nichts mehr im Wege.
Einige Zeit verstrich mit meinen Beobachtungen und inneren Monologen, bis ich durch eine Stimme neben mir aus meinen Tagträumereien gerissen wurde.
»Ich beobachte sie schon die ganze Zeit, Mademoiselle. Und den ganzen Abend über beschäftigt mich nur die Frage, wer diese wunderschöne Frau in Rot sein kann. Dann aber musste ich zu meinem Bedauern erfahren, dass sie nur die Assistentin von Shane Caprino sind.«
Verblüfft über diese eindeutige Aussage drehte mich um und bekam einen Anfang bis Mitte dreißig Jährigen attraktiven Mann zu Gesicht.
»Sie glauben mir nicht? Sehen Sie doch Mal in den Spiegel. Sie besitzen deutlich mehr Klasse als manch' andere Menschen hier.« Im nächsten Augenblick hielt er mir seine große Hand entgegen.
»Oliver Hilton«, stellte er sich vor und ich tat alles um meine Verwunderung nicht preiszugeben. Ich kannte diesen Typen, jeder kannte diesen Typen. Er war genauso eine Legende wie Shane in dieser Branche.
»Ich ... «, fing ich an, wurde dann aber durch eine raue Stimme hinter mir unterbrochen.
»Oliver«, brummte Shane und stand plötzlich dicht neben mir.
Woher kam er denn plötzlich her, stand er nicht bis gerade eben noch eng umschlungen bei seiner Helena?
»Wie kann ich dir behilflich sein?«
»Ach, ich habe mich gerade mit deiner entzückenden Assistentin unterhalten«, sagte er und unsicher blickte ich zu Shane rüber, dessen Gesichtsausdruck sich bei seinen Worten verhärteten und der ihn, die Kiefer leicht nach vorne geschoben, beobachtete. Trotzdem brachte er ein raues entzückendes Lachen zustande, was seine Augen aber nicht erreichte.
»Da muss ich dich enttäuschen. Sie ist heute Abend zu meinen Diensten hier«, sagte er und da spürte ich erneut seine Hand auf meinem Rücken. Sag mal... was war denn heute Abend nur los mit ihm?
»Miss Duront wenn Sie mir bitte folgen würden.« Obwohl er dieses Vokabular in seinem Satz verwendet hatte, handelte es sich um keine Bitte. Es war eine Aufforderung, der ich auf der Stelle nachzugehen hatte.
Ich nickte Oliver ein letztes Mal zu, der amüsiert den Blick seines Rivalen aufrecht hielt und wurde dann von Shanes forderndem Griff einige Schritte weiter weg geleitet.
»Halten Sie sich bloß fern von diesem Typen«, knurrte mich Shane an, als wir ein wenig Abstand hergestellt hatten.
»Oliver ist ein penetranter, narzisstischer und überaus notgeiler Mann. Er betrügt seine Frau ein und aus, lassen Sie sich nicht auf ihn ein.«
Auch dieses Mal nickte ich, aber in seinen Augen lag weiterhin ein Glanz, der mich beunruhigte. Er wirkte so aufbrausend, so sauer.
»Gibt es ein Problem, Sir?«, frage ich. Er holte tief Luft, wobei sein Züge derart angespannt waren, dass einzelne Adern an seiner Schläfe hervorstachen.
»Sie sind nur meine Assistentin Miss Duront und weiter nicht...«, fing er an, was ihn einen ratlosen Blick meinerseits einbrachte. Worauf willst du hinaus Shane?
»Als meine Assistentin sind sie zu aufreizend gekleidet und ziehen somit Männer wie Oliver an.«
Mir klappte der Mund auf.
Und das ist ein Problem für dich Shane, weil...?
Doch bevor ich meine Verärgerung zu Ausdruck bringen konnte, gesellte sich erneuter ein Herr zu uns. Als ich ihn erkannte, entwich mir all die Farbe aus dem Gesicht.
Scheiße.
»Shane!«
Der vor uns zum Stehen kommende ältere Mann mit der grauen voluminösen Evlis Presley Frisur schüttelte Shane mit einem ehrlichen Lächeln die Hand.
»Schön dich zu sehen«, sagte er in einem warmen Ton, der unverkennbar die Ehrlichkeit seiner Worte unterstrich.
»Geht mir genauso, George.«
»Wer ist denn die hübsche, junge Dame neben dir?«, fragte dieser neugierig und sah mir Shane erneut in die Augen, so würde er sagen wollen:
Habe ich es nicht gesagt, zu aufreizend.
»Das ist meine neue Assistentin, Miss Duront«
»Miss Duront, das ist George River. Beschäftigt ist Mr. River in der Telekommunikationsbranche. Er ist Besitzer eines weltweiten Imperiums dessen Hauptsitz in Europa und insbesondere in Frankreich ist.«
Verdammt. Jetzt stecke ich wirklich in der Klemme.
»Schön Sie kennenzulernen Mr. Rivers«, lächelte ich ihm an. Doch bereits da war er verstummt und hatte begonnen mein Gesicht aufmerksam zu studieren.
»Moment... Sagen Sie mal, kennen wir uns nicht von irgendwoher?«
Oh nein, ich bin erledigt.
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