Aussprache
Ein warmer Schwall heiße Luft glitt über ihre kalten Wangen. Seit einer Stunde war sie draußen durch den verschneiten Ort gelaufen.
Sie hatte nur ihr Buch eingepackt, als sie wütend aus ihrer WG gelaufen war. Eigentlich wollte Hermine nur für die Abschlussprüfungen in zwei Monaten lernen, aber ihre Mitbewohner wollten lieber Party machen. Sie feierte ja auch ganz gerne Mal mit Liam und Betty, aber doch nicht, wenn die Prüfungen vor der Tür standen.
Es war wichtig, dass sie diese Prüfungen bestand. Nach einem Streit mit ihren Mitbewohnern, hatte sie wutentbrannt die Wohnung verlassen. Es war einfach unglaublich, wie wenig die Beiden auf ihr Studium gaben, dabei ging es um ihre Zukunft. Also blieb nur das gehen. Denn die laute Musik in ihrer Wohnung hielt Hermine definitiv vom lernen ab. Außerdem waren ihre Mitbewohner jetzt mit Sicherheit schon betrunken, was der Ruhe im Haus sicherlich nicht zuträglich war.
Das einzige offene Café in der Stadt war nun ihr Zufluchtsort. Seit 3 Tagen war die gesamte Stadt lahm gelegt, da es nicht aufhören wollte zu schneien. Irland war schon unberechenbar, was das Wetter betraf. Doch liebte sie dieses Land.
Sie war nicht all zu weit von England entfernt, doch hatte Hermine hier ihre Ruhe vor den Erinnerungen, von den vielen Menschen, die sie auf der Straße ansprachen und ihr dankten für ihre Taten im Krieg und vor allem musste sie sich hier nicht mit Professor Snape auseinandersetzen. Der den Krieg wie durch ein Wunder doch überlebt hatte. Wie auch immer er dieses Wunder schaffte.
Das Café war Rand voll mit Menschen, dennoch hatte sie keine andere Möglichkeit. Sie sprach eine Kellnerin an und die führte Hermine zu dem einzigen freien Platz an einem Tisch in der hintersten Ecke des Lokals. "Ich hätte gerne eine große Tasse heiße Schokolade mit Zimt und Karamel", bestellte Hermine bei ihr und holte dann ihr Lehrbuch aus ihrer Tasche.
Die Person, die ihr gegenüber saß, wurde von der jungen Hexe gar nicht beachtet. Nach wenigen Minuten musste Hermine ihren Block und einen Kugelschreiber aus der Tasche nehmen, um sich Notizen zu dem Gelesenen zu machen. Sie wollte ja nicht immer wieder das gesamte Buch lesen müssen, dass war schon sehr Zeitaufwändig. Dann hatte sie doch lieber ihre Notizen mit den wichtigsten Informationen und konnte bei der Wiederholung ihre eigenen Zusammenfassungen lesen.
Hermine hatte schon fast, das gesamte Kapitel durchgearbeitet, als die Kellnerin mit ihrer heißen Schokolade wieder auftauchte und diese auf den Tisch stellte. Abwesend bedankte Hermine sich bei der jungen Frau und schrieb weiter. Ganz in ihrer Lektüre versunken griff die junge Hexe nach ihrem Getränk und nahm einen Schluck.
Keine Sekunde später spuckte sie den Inhalt auch schon wieder im hohen Bogen aus. "Verdammte Scheiße! Das ist verflucht heiß", echauffierte sie sich. "Können Sie nicht aufpassen?", fauchte ihr gegenüber die junge Hexe an. "Was anderes kann man von einer Gryffindorstreberin ja auch nicht erwarten. Auswendig lernen, das kann sie, aber ihren eigenen Kopf nutzen, dass ist zu viel verlangt", regte er sich weiter auf.
Entsetzt sah Hermine auf und betrachtete das erste Mal ihren Gegenüber und sie konnte es nicht fassen. Ausgerechnet er musste hier in Irland sein. In dem Land, dass sie als ihren Zufluchtsort auserkoren hatte. Hier wo sie ihm und ihrer Schulzeit entkommen wollte und schon wieder hackte er auf ihr herum.
All die Beleidigungen, die Professor Snape ihr gegenüber ausgesprochen hatte, all die Demütigungen, die sie durch ihn ertragen musste, all die Tränen, die sie wegen ihm vergossen hatte brachen jetzt über Hermine herein und lähmten sie. Ließen sie erstarren und sie konnte ihren ehemaligen Professor nur anstarren.
"Hat es Ihnen jetzt auch noch die Sprache verschlagen, Miss Granger? Zu Ihrer Information, wenn man eine heiße Schokolade bestellt, dann wird sie in den meisten Fällen auch heiß serviert. Da kann man sich schon einmal den Mund verbrennen. Aber diese heiße Schokolade, dann auch noch seinem Gegenüber ins Gesicht zu spucken, nur weil man seinen Verstand nicht gebrauchen kann, ist wirklich unter aller Sau. Aber was anderes hätte ich von Ihnen wohl auch nicht erwarten können", ätzte Professor Snape und seine Augen waren hart wie Stein.
Das war wie eine kalte Dusche. Hermine ging schon seit 2 Jahren nicht mehr zur Schule und sie musste auch nicht mehr befürchten, dass er ihr eine schlechte Note gab, wenn sie ihm die Stirn bat. Nein, jetzt konnte sie ihm mal ihre Meinung sagen. Er konnte hier nicht einmal den Zauberstab gegen sie erheben, da sie in einem Muggelcafé waren. Sie hatte also alle Karten auf ihrer Seite.
"Mir hat es nicht die Sprache verschlafen, Professor. Außerdem ist es mir durchaus bewusst, dass eine heiße Schokolade heiß ist. Ich habe nur jegliches Zeitgefühl verloren, während ich meine Unterlagen durchgegangen bin und versucht habe, das Experiment, dass auf der Seite stand zu durchdenken. Ist Ihnen das noch nie passiert, Sir? Wenn Sie so in ihrer Arbeit vertieft waren, dass Sie etwas zu sich genommen haben, was nicht dem Zustand entsprach, mit dem Sie gerechnet haben? Oder sind Sie so ein perfekter Mensch, für den Sie sich immer zu geben scheinen?
Ich kann durchaus auch mehr als nur auswendig lernen und meinen eigenen Verstand benutze ich sehr viel. Nur leider, konnte ich das in Ihrem Unterricht ja nie beweisen, da Sie uns diese Freiheit nie gewehrt haben. Irgendwann kam man dann an einen Punkt, an dem man einfach nur noch Ihre Anweisungen befolgt hat, um nicht mehr in der Schussbahn Ihrer bösen Kommentare zu sein, denn diese waren durchaus mehr als nur verletzend.
Über eine Chance mich Ihnen einmal beweisen zu dürfen, Ihnen einmal zeigen zu können, was ich wirklich dachte, was ich wirklich konnte und wie ich Dinge angegangen wäre, hätte ich mich sehr gefreut, aber Sie, Professor, sind nur von sich selber überzeugt und das ist abstoßend. Sie sind eine Kore Fähe auf Ihrem Gebiet, aber Sie erlauben es nicht, dass Ihre Schüler ihre eigenen Erfahrungen machen, auch mal einen Fehler begehen, wenn sie etwas ausprobieren, an diesen Herausforderungen zu wachsen und dann beim nächsten Mal daraus gelernt haben. Aber Sie erwarten von anfang an Perfektion! Sowas gibt es nicht, außer vielleicht bei dem begnadeten Severus Snape!
Ach und ehe ich es vergesse, Ihre Kommentare sind verletzend, demütigend und niederschmetternd, da hat man gar keine Lust sich weiter mit Ihrem Fach zu beschäftigen. Es tut mir leid, dass ich nicht so perfekt bin wie Sie. Es tut mir leid, dass ich Ihnen meine heiße Schokolade ins Gesicht gespuckt habe, dass war nicht beabsichtigt. Jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn ich mich mit meinen Vorbereitungen weiter beschäftigen dürfte, da ich doch gerne eine gute Prüfung ablegen würde", beendete Hermine ihren Ausbruch.
Severus betrachtete seine ehemalige Schülerin aufmerksam. Es war selten, dass jemand den Mut hatte und ihm seine Meinung ins Gesicht sagte. Hermine hatte dabei eine Leidenschaft gezeigt, dass er ahnte, dass sie ihm schon sehr lange diese Dinge sagen wollte. Ihre Augen glänzten und ihre Wangen wurden rot, während sie sich aufregte. Sie hatte sich richtig in rasche geredet. Nun wusste er im ersten Moment, gar nicht was er antworten sollte. Also beobachtete er, wie sie sich wieder ihrem Buch zuwandt.
Doch er bemerkte auch, dass sie sich nun nicht mehr wirklich konzentrieren konnte. Sie biss abwesend auf ihrer Unterlippe herum und starrte die Seite mit leerem Blick an.
Leise räusperte er sich und Hermine zuckte erschrocken zusammen. "Ich bin nicht perfekt", antwortete er zu seiner eigenen Überraschung. Der Kopf der jungen Hexe flog hoch und sie sah ihn mit offenem Mund an, was ihn ein wenig an Mr. Weasley erinnerte, der versuchte eine Situation zu verstehen. Warum sie sich mit diesem dummen Jungen abgegeben hatte, hatte er nie wirklich verstanden.
"Wie bitte?", erkundigte Hermine sich. "Ich bin nicht perfekt. Ich halte mich auch nicht für perfekt. Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Annahme gekommen sind, Miss Granger", wiederholte und erklärte er seine Aussage, was ebenfalls recht untypisch für ihn war. "Sie verhalten sich so, Professor", meinte sie nur wenig hilfreich. Severus seufzte leise und sah sich doch genötigt sein Verhalten im Unterricht zu erläutern, auch wenn das nun wirklich nicht seine Art war.
"Miss Granger, ich bin nicht perfekt. Wenn ich perfekt wäre, dann wären Mister Longbottom wohl nicht in fast jeder Unterrichtsstunde seine Kessel um die Ohren geflogen. Ich kann meine Schüler nicht an Tränken experimentieren lassen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen, weil die Meisten von ihnen nicht mal bis Drei zählen können. Sie würden nicht nur ihr eigenes Leben gefährden, sondern auch das Leben ihrer Mitschüler und das kann und das will ich auch nicht verantworten. Zaubertränke ist nun einmal ein sehr komplexes Fach.
Ich kann nicht leugnen, dass ich Sie häufig ignoriert habe, Ihnen gemeine und durchaus demütigende Kommentare an den Kopf geworfen habe. Einerseits lag das daran, dass Sie eine Gryffindor waren und zur falschen Zeit nach Hogwarts gingen. Andererseits, das ist ein Punkt, der wieder zeigt, dass ich nicht perfekt bin, habe ich das getan, weil Sie mit Potter befreundet sind und ich einfach nicht über meinen eigenen Schatten springen kann. Ich sehe nun einmal rot, wenn ich diesen Jungen sehe.
Sie haben sich aber wirklich häufig nicht angestrengt. Sie hatten die Chance mir zu beweisen, dass Sie Köpfchen haben. Dafür gab es doch die Aufsätze. Doch Sie haben immer nur das Wissen anderer Zusammengetragen. Es ist nicht falsch seine eigenen Überlegungen auf dem Wissen von anderen, erfahreneren Menschen zu stützen, dennoch haben Sie nicht ihre Theorien damit untermauert, sondern bloß das Wissen von anderen aneinander gereiht. Meine Kommentare sollten Ihnen auch zeigen, dass Sie sich da mehr anstrengen sollten, aber das haben Sie nie getan", beendete er seine Erklärung. Er hatte unnatürlich viel gesprochen und viel erklärt.
Eine Weile war es still an ihrem Tisch. Nachdem beide sich erklärt hatten, wendeten sie sich wieder ihren eigenen Beschäftigungen zu. Hermine musste erstmal ihre Gedanken ordnen, bevor sie sich wieder auf ihren Lernstoff konzentrieren konnte, doch es gelang ihr und so konnte sie weiter lesen.
Genervt ließ sie das Buch auf den Tisch fallen. "Das ergibt alles keinen Sinn", schimpfte sie und begann dann wütend ihre heiße Schokolade zu trinken, während sie ihr Buch mit bösen Blicken erdolchte.
Ungefragt zog Severus ihr Buch zu sich heran und begann zu lesen. Zuerst war er überrascht, dass sie Chemie studierte, aber davon erholte er sich schnell und konzentrierte sich auf den Inhalt. Hermine hatte recht, dass ergab wirklich keinen Sinn. Man musste es ganz anders angehen.
Er legte das Buch wieder hin und sah Hermine an. "Wie würden Sie es angehen?", erkundigte er sich beiläufig. Hermine begann ihm ihre eigenen Gedankengänge zu erläutern und zusammen entwickelten sie eine komplett neue Herangehensweise. Sie arbeiteten miteinander und gaben dem Anderen immer wieder Denkanstöße. Hermines Block war vollgeschrieben, als das Café schloss. Hermine und Severus waren zum Du übergegangen und verabschiedeten sich leicht wehmütig vor der Tür.
Dieser Tag revolutionierte die Welt der Chemiker. Hermine verfasste ihre Doktorarbeit über das Thema, welches sie an dem Abend im Café mit Severus durchdiskutiert hatte. Sie gewann Preise und Auszeichnungen, sogar den Nobelpreis hatte sie in der Tasche.
Jedes Jahr am gleichen Tag ging sie wieder in das Café, setzte sich an den selben Tisch und saß ihrem ehemaligen Tränkeprofessor gegenüber, der mittlerweile ihr Ehemann war. Dieser verschneite Tag Anfang Dezember hatte ihr Leben verändert und das nur, weil sie nicht mit ihren Mitbewohnern feiern wollte und sich ihren Mund an einer Tasse heißer Schokolade mit Zimt und Karamell verbrannt hatte.
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